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Kostenerstattung für Femtosekundenlaser­behandlung

AG Dortmund – Az.: 412 C 1549/16 – Urteil vom 26.01.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.468,17 EUR sowie 334,75 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung iHv 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Übernahme der Kosten einer Heilbehandlung.

Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenvollversichert. Seine Ehefrau ist über ihn mitversichert.

Die Ehefrau des Klägers wurde aufgrund einer Katarakt – Erkrankung unter dem und dem 05.11.2015 operativ ambulant bei der Gemeinschaftspraxis Dr. D. D. in Sch. behandelt.

Die Operation erfolgte unter Einsatz eines sogenannten Femtosekundenlasers.

Die Leistungen wurden mit Rechnung vom 12.11.2015 mit einem Betrag von 5.505,84 Euro abgerechnet.

Die Beklagte lehnte die Erstattung eines Betrages mit Abrechnungsschreiben vom in Höhe von 2.678,18 Euro ab.

Dieser Betrag entfällt auf die folgenden Positionen:

  • A5855 Intraoperative Strahlenbehandlung mit Femtosekundenlaser
  • Sachkosten- Patienteninterface für Femtolaser,

die an beiden Behandlungstagen je einmal angesetzt wurden.

Mit Schreiben vom 25.01.2016 lehnte die Beklagte erneut eine Erstattung der Positionen im Zusammenhang mit dem Femtosekundenlaser ab.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser medizinisch notwendig war.

Zudem sei die erfolgte Abrechnung mit der Gebührennummer 5855 GOÄ nicht zu beanstanden.

Die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser stelle eine eigenständige Leistung neben der Kataraktoperation, die mit der Gebührennummer 1375 GOÄ abgerechnet wird, dar.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.468,17 EUR sowie 334,75 EUR vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Einsatz des Femtosekundenlasers sei medizinisch nicht notwendig. Er biete keine klaren Vorteile gegenüber der herkömmlichen manuellen Operationsmethode.

Insbesondere aber sei der Einsatz des Femtosekundenlasers nicht gesondert über die Gebührennummer 5855 GOÄ analog abrechenbar. Eine Abrechnung der Operation könne allein über die Gebührennummer 1375 GOÄ erfolgen.

Die vorgenommene Abrechnung verstoße gegen das Zielleistungsprinzip.

Es dürfe nur die Zielleistung, hier die Durchführung der Kataraktoperation abgerechnet werden. Der Einsatz des Femtosekundenlasers stelle keine eigenständige Leistung dar, sondern ersetze lediglich die bei der herkömmlichen Methode mit der Hand durchgeführten Schnitte zur Eröffnung des Operationsgebietes im Auge.

Der Einsatz eines Lasers bei einer Operation werde zudem generell über den Zuschlag der Gebührennummer 441 GOÄ abgerechnet.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. B. D..

Auf den Inhalt des Gutachtens vom 21.03.2017, die ergänzende Stellungnahme vom 22.05.2017 und die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2018 wird Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2018 wird verwiesen.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 192 Abs. 1 WG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Einsatz des Femtosekundenlasers.

Der Einsatz des Femtosekundenlasers stellte eine medizinisch notwendige Heilbehandlung und eine eigenständige abzurechnende Leistung dar.

Die Abrechnung der Leistung gemäß der Gebührennummer 5855 GOÄ analog ist nicht zu beanstanden.

1.

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen.

Nach herrschender Rechtsprechung ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGH VersR 2006, 535=NJVV-RR 2006, 678; BGHZ 133, 208, 212 f.; 154, 154, 166 f.; BGH – VersR 1978, 271 unter II 1). insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern oder ihren Verschlimmerungen entgegenzuwirken (OLG Hamm OLGR 198, 321; OLG Köln VersR 2000, 43), nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGH VersR 2006, 535; BGHZ 133 aaO), (vgl. LG Dortmund Urb v. 17.8.2016-2 0 252/14, BeckRS 2016, 124391, beck-online).

Kostenerstattung für Femtosekundenlaserbehandlung
(Symbolfoto: Von Robert Przybysz/Shutterstock.com)

Nach diesen Grundsätzen liegt eine medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme durch den Einsatz des Femtosekundenlasers vor. Der Sachverständige D. hat ausführlich erörtert, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers für den Patienten eine qualitative Verbesserung mit sich bringe. Mit dem Laser können präzisere Schnitte am Auge vorgenommen werden, es kommt zu keinen Infektionen, da keine offenen Wunden erzeugt werden und Hornhautverkrümmungen im Zuge der Kataraktoperation können vermieden oder sogar ausgeglichen werden. Der Abheilungsprozess nach der Operation sei deutlich schneller und weniger belastend für den Patienten.

Hieraus ergibt sich, dass durch den Einsatz des Lasers eine Behandlung vorliegt, die objektiv imstande ist eine Krankheit zu lindern und sogar einer anderweitigen Erkrankung vorzubeugen. Nach dem Sachverständigen D. ist bei der einfachen manuellen Kataraktoperation ohne Vorbehandlung durch den Fepitosekundenlaser ein Schnitt am Auge durchzuführen, der zu einer Hornhautverkrümmung führt bzw. zu einer Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Hornhautverkrümmung.

Durch den Einsatz des Lasers wird dies vermieden. Allein dieser Behandlungserfolg weist die medizinische Notwendigkeit hinreichend aus.

2.

Bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers handelt es sich ferner um eine eigenständige Leistung im gebührenrechtlichen Sinn, die ordnungsgemäß mit der Gebührennummer 5855 GOÄ analog abgerechnet wurde.

Ein Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip liegt nicht vor, da der Einsatz des Lasers nicht lediglich die bei der herkömmlichen Kataraktoperation manuell ausgeführten Schnitte zur Eröffnung der Linse ersetzt.

Vielmehr wird durch den Laser eine eigene Diagnostik und Vorbehandlung ermöglicht, die zuvor nicht existent war.

Es handelt sich um eine neue höherwertige wissenschaftlich anerkannte Leistung, (vgi. AG Reutlingen – 5 C 1396/14, AG Landsberg am Lech – 2 C 587/15).

Die Eigenständigkeit der Leistung zeigt sich an dem eigenständigen Behandlungserfolg, die Vermeidung der Hornhautverletzung und somit Hornhautkrümmung, die zuvor notwendigerweise auftrat.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar erklärt, dass der Laser ermöglicht, die Situation des Patienten kurz vor Durchführung der Operation durch Entfernung der Linse und Implantierung der neuen Linse zu erkennen. Hiermit wird die Behandlung zusätzlich verbessert. Durch den Laser wird der händische Schnitt nicht ersetzt.

Vielmehr werden andersartige Schnitte durch den Laser gesetzt, die den Zugang zu der Kataraktoperation zwar schaffen, nicht aber das Auge eröffnen. Zudem erfolgt der Entlastungsschnitt zur Kompensation der Hornhautverkrümmung, (vgl. hierzu auch die durch den Sachverständigen überreichte medizinische Stellungnahme der DGII, die auch die Ausführungen des Sachverständigen wiedergibt).

Auch die Vorderkapseleröffnung ist mit dem Laser präziser. Es werden perfekte Informationen über das Zustandsbild des Patienten geliefert, die vorher in dieser Form nicht abrufbar waren.

3.

Die Abrechnung erfolgte ordnungsgemäß nach der Gebührennummer 5855 GOÄ analog.

Eine Gebührennummer, die den Einsatz des Lasers als neuwertiger Technik zum Inhalt hat, existiert nicht.

Eine analoge Anwendung der 5855 GOÄ ist geeignet, diese Lücke zu schließen,

Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Abrechnungsziffer von ihrem Gehalt her, den tatsächlichen Aufwand abbildet. Die daraus resultierende Vergütung stehe nicht außer Verhältnis zu der Leistung. Dabei hat er insbesondere auf die hochentwickelte Technik des Lasers und deren Kosten abgestellt.

Auch müsse der Laser vorbereitet und „hochgefahren“ werden. Dies stelle gleichzeitig den elementaren Unterschied zu einer Laserbehandlung, die durch den Zuschlag der Gebührennummer 441 GOÄ abgegolten wird dar. Letztere Nummer beziehe sich lediglich auf Laser die im Rahmen einer Operation sofort einsatzbereit verwandt werde können. Der Femtosekundenlaser stelle hingegen eine eigene Behandlung mit eigenen notwendigen Vorbereitungen dar.

Bei seiner Bewertung hat das Gericht die zahlreichen verschiedenen Bewertungen der Technik und der Bedeutung des Einsatzes des Lasers beachtet.

Im Ergebnis folgt das Gericht indes der sachverständigen Bewertung des Sachverständigen D.. Die Ausführungen des Sachverständigen sind verständlich, plausibel und stehen im Einklang mit den Gesetzen der Logik und allgemeinen Erfahrungssätzen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Sachverständigen bei seinen Wertungen ein fachlicher Fehler unterlaufen sein könnte. Der Sachverständige verfügt über hohe Erfahrungswerte im Rahmen seiner Tätigkeit als Klinikdirektor und besitzt sowohl für den Einsatz des Lasers als auch für die Abrechnungsmöglichkeiten nach der GOÄ umfassende fachliche Kenntnisse.

Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus §§ 291,288 BGB.

Unter Verzugsgesichtspunkten ist die Beklagte ebenfalls zur Zahlung der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen verpflichtet, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. Nachdem die Beklagte den Anspruch des Klägers erneut zurück gewiesen hat, befand sich die Beklagte in Verzug und der Kläger durfte sich anwaltlicher Hilfe zur Durchsetzung seines Anspruches bedienen.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.468,17 EUR festgesetzt.

 

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