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Kontrahierungszwang für Elektrokleinfahrzeuge – Kfz-Haftpflichtversicherung

LG München I – Az.: 34 O 11826/19 – Urteil vom 18.05.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 100 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.250,– € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten den Abschluss von 5 Versicherungen für Elektrokleinfahrzeuge.

Der Kläger ist Eigentümer, Halter und Besitzer folgender fünf im Inland befindlicher Elektrokraftfahrzeuge:

  • Ninebot one S2 (sog. MonoWheel); Serien-Nr. des Herstellers N20SA1623T0454; Höchstgeschwindigkeit: 24 km/h; Nettogewicht: 11,4 Kilogramm; Maße entfaltet 448 x 419 x 118 Zentimeter (Anmerkung des Gerichts: vermutlich handelt es sich hier um Millimeterangaben); Akkukapazität 310 mW; Leistung 500 W
  • OneWheel+ XR (sog. OneWheel); Serien-Nr. des Herstellers 1820058146; Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h; Gewicht 11 Kilogramm; Maße entfaltet 23 x 29,21 x 72,6 Zentimeter; Akkukapazität 324 W/h; Leistung 750 W
  • Boosted Stealth (sog. Elektroskateboard); Serien-Nr. des Herstellers S58250148; Höchstgeschwindigkeit: 38,6 km/h; Nettogewicht; 7,7 Kilogramm; Maße 96,5 x 28,7 x 14,5 Zentimeter; Akkukapazität 267 W/h; Leistung 2100 W
  • Ninebot-Segway ES2 (sog. E-Tretroller); Serien-Nr. des Herstellers N2GTI1742C0893; Höchstgeschwindigkeit: 25 km/h; Nettogewicht: 12,5 Kilogramm, Maße entfaltet 102 x 43 x 113 Zentimeter; Akkukapazität 187 W/h; Leistung 300 W
  • Mellow Drive Set an einem marktüblichen Longboard Deck montiert; Serien-Nr. des Herstellers MEL02073; Höchstgeschwindigkeit 42 km/h; Nettogewicht: 6,4 Kilogramm; Maße 36,6 x 17,4 x 5,9 Zentimeter; Akku 98,4 W/h; Leistung 1000 W.

Der Kläger möchte diese fünf Fahrzeuge auf öffentlichem Verkehrsgrund führen.

Eine Zulassung im technischen Bereich einer Zulassungsbehörde oder eine Typengenehmigung für die fünf Fahrzeuge besteht nicht.

Der Kläger hat auch keine Versicherung für die Fahrzeuge nach dem Pflichtversicherungsgesetz.

Er begehrt nunmehr für die fünf Fahrzeuge jeweils eine Pflichtversicherung von der Beklagten. Er beruft sich hierbei auf den Kontrahierungszwang nach § 5 Abs. 2, Abs. 4 Pflichtversicherungsgesetz.

Der Kläger ist der Meinung, dass eine Pflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz vor der Prüfung der Zulassungsfähigkeit durch die Zulassungsbehörde bestehen muss.

Der Kläger beantragt:

Kontrahierungszwang für Elektrokleinfahrzeuge - Kfz-Haftpflichtversicherung
(Symbolfoto: Matej Kastelic/Shutterstock.com)

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Versicherungsbestätigung nach § 5 Abs. 6 Pflichtversicherungsgesetzes für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis zum 28.2.2020 zur gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflicht für das Nine Board One S2 (sog. Monowheel); Serien-Nr. des Herstellers; Höchstgeschwindigkeit: 24 km/h; Nettogewicht: 11,4 Kilogramm; Maße entfaltet 448 x 419 x 118 Zentimeter; Akkukapazität 310 W/h; Leistung 500 W; zu erteilen und ein Versicherungskennzeichen zu übergeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Versicherungsbestätigung nach § 5 Abs. 6 Pflichtversicherungsgesetzes für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis zum 28.2.2020 zur gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflicht für das OneWheel+ XR (sog. OneWheel); Serien-Nr. des Herstellers; Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h; Gewicht 11 Kilogramm; Maße entfaltet 23 x 29,21 x 72,6 Zentimeter; Akkukapazität 324 W/h; Leistung 750 W; zu erteilen und ein Versicherungskennzeichen zu übergeben.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Versicherungsbestätigung nach § 5 Abs. 6 Pflichtversicherungsgesetzes für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis zum 28.2.2020 zur gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflicht für das Boosted Stealth (sog. Elektroskateboard); Serien-Nr. des Herstellers; Höchstgeschwindigkeit: 38,6 km/h; Nettogewicht; 7,7 Kilogramm; Maße 96,5 x 28,7 x 14,5 Zentimeter; Akkukapazität 267 W/h; Leistung 2100 W; zu erteilen und ein Versicherungskennzeichen zu übergeben.

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Versicherungsbestätigung nach § 5 Abs. 6 Pflichtversicherungsgesetzes für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis zum 28.2.2020 zur gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflicht für das Ninebot-Segway ES2 (sog. E-Tretroller); Serien-Nr. des Herstellers; Höchstgeschwindigkeit: 25 km/h; Nettogewicht: 12,5 Kilogramm, Maße entfaltet 102 x 43 x 113 Zentimeter; Akkukapazität 187 W/h; Leistung 300 W; zu erteilen und ein Versicherungskennzeichen zu übergeben.

5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Versicherungsbestätigung nach § 5 Abs. 6 Pflichtversicherungsgesetzes für den Zeitraum vom 1.7.2019 bis zum 28.2.2020 zur gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflicht für das Mellow Drive Set an einem marktüblichen Longboard Deck montiert; Serien-Nr. des Herstellers; Höchstgeschwindigkeit 42 km/h; Nettogewicht; 6,4 Kilogramm; Maße 36,6 x 17,4 x 5,9 Zentimeter; Akku 98,4 W/h; Leistung 1000 W; zu erteilen und ein Versicherungskennzeichen zu übergeben.

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Versicherungsbeiträge für die Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherungen der in Ziffern 1 – 5 genannten Kraftfahrzeuge in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nicht betrieben werden dürfen und damit weder eine Versicherungspflicht besteht noch ein Kontrahierungszwang gegeben ist.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung einer amtlichen Auskunft beim Kraftfahrtbundesamt zur Frage der Zulassungsfreiheit und zur Frage, inwieweit eine Zulassung erteilt wird.

Die amtliche Auskunft wurde unter dem 4.2.2020 erteilt (Bl. 49).

Zur Ergänzung des Tatbestandes darf auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen werden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf einen Kontrahierungszwang für die fünf in seinem Eigentum stehenden Fahrzeuge.

Der Kontrahierungszwang setzt zur Überzeugung des Gerichts denklogisch voraus, dass diese Fahrzeuge auch für das Führen auf öffentlichem Verkehrsgrund technisch zugelassen sind.

Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, zunächst eine Pflichtversicherung mit dem Kläger abzuschließen, um dann abzuwarten, ob die Fahrzeuge überhaupt von der Zulassungsstelle zugelassen werden.

7. Dem Kläger kann nur insoweit zugestimmt werden, dass die Frage der Notwendigkeit einer Zulassung in § 3 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom reinen Wortlaut her nicht eindeutig geregelt ist. Diese Bestimmung heißt:

„Fahrzeuge dürfen auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Die Zulassung wird auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherung besteht.“

Bei diesem Wortlaut wäre es tatsächlich möglich, dass ein Interessent die Reihenfolge der Voraussetzungen für die Zulassung frei wählen kann.

Zur Überzeugung des Gerichts wollte der Gesetzgeber hier jedoch eine Abstufung vornehmen. Logisch vorrangig ist, dass ein Fahrzeug aus technischer Sicht zugelassen werden kann. In diesem Sinne hat sich auch das Kraftfahrtbundesamt geäußert.

Die Beklagtenseite weist zurecht auf § 1 des Straßenverkehrsgesetzes hin, nachdem eine Zulassung des Fahrzeugs durch die zuständige Behörde vordringlich ist. Diese Bestimmung lautet in Absatz 1:

„Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden sollen, müssen von der zuständigen Behörde (Zulassungsbehörde) zum Verkehr zugelassen sein. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Verfügungsberechtigten des Fahrzeugs bei Vorliegen einer Betriebserlaubnis, Einzelgenehmigung oder EG_Typengenehmigung durch Zuteilen eines amtlichen Kennzeichens.“

Hieraus schließt das Gericht – auch wenn es im Wortlaut nicht expressis verbis zum Ausdruck kommt – dass im vorliegenden Fall zunächst eine technische Betriebserlaubnis oder Einzelgenehmigung vorliegen muss.

Zulassungsfreie Kraftfahrzeuge gem. § 3 Abs. 2 Ziffer 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung liegen nicht vor. In Betracht käme lediglich der Buchstabe g) aus der Ziffer 1 des Absatzes 2, nämlich „Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 1 der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung vom 6. Juni 2019 in der jeweils geltenden Fassung“.

Ein derartiges Fahrzeug liegt jedoch in keinem der fünf Fälle vor. Gemäß § 1 Abs. 1 der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung fallen unter diese Vorschrift nur Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h.

Die Fahrzeuge des Klägers weisen jedoch alle eine höhere Höchstgeschwindigkeit auf.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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