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Kfz-Vollkaskoversicherung: Leistungsfreiheit bei falschen Angaben zum Kaufpreis und zu Vorschäden

OLG Stuttgart, Az.: 7 U 114/16, Urteil vom 01.12.2016

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 23.06.2016 – 4 O 199/15 Ko – a b g e ä n d e r t : Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung einer Versicherungsleistung aus einer bei der Beklagten genommenen Vollkaskoversicherung, der die AKB mit Stand vom 01.07.2014 zugrunde liegen, aufgrund eines Unfalls mit dem versicherten Fahrzeug … vom 20.05.2015 auf der Autobahn A … in der … von … in Richtung … .

In erster Instanz hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe aus dem Versicherungsvertrag ein Betrag i.H.v. 21.600 Euro zu. Er habe das Fahrzeug für einen Restwert i.H.v. 36.900 Euro veräußert; unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung von 2.500 Euro und dem Wiederbeschaffungswert von 61.000 Euro ergebe sich dieser Betrag. Zudem stehe ihm ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.171,67 Euro zu.

Die Beklagte hat in erster Instanz geltend gemacht, es liege ein eintrittspflichtiger Schadenfall nicht vor. Sie sei nicht nur wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen des Klägers, sondern auch wegen arglistiger Falschangaben des Klägers im Zusammenhang mit der Schadenregulierung von der Leistung frei. Hierzu hat die Beklagte – im Tatsächlichen weitgehend unstreitig – vorgebracht, sie habe nach der Schadenmeldung die üblichen Überprüfungen vorgenommen; am 11.06.2015 sei dem Kläger in einem Telefonat mitgeteilt worden, dass sie den Restwert des Fahrzeuges prüfe. Bei dieser Gelegenheit habe der Kläger erklärt, er habe das Fahrzeug, das im Internet für 79.950 Euro angeboten worden sei, für 78.500 Euro gekauft. Von einem Vorschaden wisse er nichts. Am 18.06.2015 sei dem Kläger dann mitgeteilt worden, dass am Fahrzeug ein erheblicher Vorschaden vorhanden gewesen sein müsse, wodurch der Wiederbeschaffungswert beeinflusst werde. Er sei aufgefordert worden, eine Kopie des Kaufvertrags vorzulegen. Darauf habe der Kläger am 19.06.2015 geantwortet, er habe den Kaufvertrag schon zugeschickt; es seien 78.500 Euro von ihm bezahlt worden. Es sei ein Bekannter anwesend gewesen, der den Kaufpreis bestätigen könne. Zudem habe der Kläger am 19.06.2015 ein Fax mit dem „Angebot“ übermittelt (GA I 62). Am 23.06.2015 sei das Fahrzeug von einem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen besichtigt worden; es seien bei dieser Besichtigung Feststellungen dazu getroffen worden, dass am Fahrzeug ein Vorschaden vorhanden gewesen sei. Am 24.06.2015 sei dem Kläger ein Fragebogen übermittelt worden; Fragen zu weiteren Schadensereignissen und zu Vorschäden seien nicht beantwortet worden (GA I 65). Am 31.07.2015 habe der Kläger nochmals erklärt, dass es keinen Kaufvertrag gebe und dass er das Fahrzeug von einem Privatmann erworben habe.

Tatsächlich habe der Kläger das Fahrzeug aber von einer Fa. … GmbH erworben. Seitens dieser habe man den Kläger von einem Vorschaden und der entsprechenden Reparatur, bei der allein für Ersatzteile 25.000 Euro notwendig gewesen seien, in Kenntnis gesetzt; auch sei der Umstand des Vorschadens im Kaufvertrag notiert worden. Nach dem Kaufvertrag habe der Kläger das Fahrzeug lediglich für 61.000 Euro erworben; dort finde sich weiter der Hinweis, dass ein „Unfallschaden bekannt“ sei und zwar ein „reparierter Schaden“.

Daher stehe fest, dass der Kläger einerseits Kenntnis von massiven Vorschäden gehabt habe und andererseits einen wesentlich geringeren Kaufpreis gezahlt habe. Dieser habe sie – die Beklagte – durchgängig bezüglich maßgeblicher wertbildender Faktoren des Fahrzeugs getäuscht. Er habe arglistig gehandelt.

Dem hat der Kläger entgegnet, dass er die Beklagte zu keinem Zeitpunkt über wesentliche Umstände im Zusammenhang mit der Schadensregulierung getäuscht habe. Die Beklagte habe von Anfang an nicht versucht, den Schadensfall sachgerecht zu regulieren. Es könne nicht die Rede davon sein, dass er über die Höhe des Kaufpreises getäuscht habe. Letztlich seien die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit nicht einmal dargetan (§ 28 Abs. 4 VVG). An den Inhalt des Telefonats vom 11.06.2015 könne er sich im Einzelnen nicht mehr erinnern; allerdings ergebe sich der wesentliche Inhalt aus seinem Schreiben vom 14.06.2015, darin sei der Kaufpreis nicht genannt. Es treffe auch nicht zu, dass er behauptet habe, er habe das Fahrzeug zu einem Betrag von 78.500 Euro gekauft. Am Rande des Telefonats sei lediglich über den Verkehrswert gesprochen worden, dabei habe er einen Betrag in der Größenordnung von ca. 78.000 Euro genannt. Auch im E-Mail-Verkehr vom 18./19.06.2015 habe er keinen Kaufpreis genannt. Er habe im Übrigen auch nicht behauptet, es gebe keinen Kaufvertrag. Den übersandten Fragebogen habe er wahrheitsgemäß beantwortet, u.a. auch die Frage nach unreparierten Vorschäden. In Erledigung des Schreibens vom 24.06.2015 habe er am 27.08.2015 noch den Kaufvertrag für das Fahrzeug übersandt und damit alles richtiggestellt. Überdies könne sich die Beklagte nicht auf eine Leistungsfreiheit wegen Arglist berufen, da eine solche Sanktion aufgrund einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig sei; das sei hier jedenfalls mit Blick auf das Regulierungsverhalten der Beklagten anzunehmen. Letztlich müsse man ihm auch die Rechtsfigur eines sanktionsbefreienden Rücktritts zuerkennen (BGH, VersR 2002, 173; OLG Saarbrücken, VersR 2008, 1643).

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2016 durch Vernehmung der Zeugen … sowie den Kläger persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll dieser Verhandlung (GA I 93 ff.) und auf die dazu erfolgten Stellungnahmen der Parteien Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.06.2016, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 21.600 Euro nebst Zinsen seit dem 05.09.2015 und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.171,67 Euro nebst Zinsen seit dem 05.11.2015 verurteilt. Die Beklagte sei aus dem Kaskoversicherungsvertrag i.V.m. Ziff. A.2.1. und E.6.1 AKB zur Deckung für den streitbefangenen Verkehrsunfall verpflichtet. Nachdem keine spontan zu erfüllende Anzeigeobliegenheit vorliege und der Fragebogen vom 24.06.2015 keine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG enthalte, könne die Beklagten wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 28 Abs. 2 VVG nur leistungsfrei sein, wenn ein arglistiges Verhalten des Klägers festzustellen wäre. Das sei nicht der Fall. Eine Obliegenheitsverletzung (Ziff. E.1.3 AKB) liege vor. Der Kläger habe die beklagte Versicherung über den Erwerbspreis des PKW sowie über die Existenz eines schriftlichen Kaufvertrages getäuscht. Zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe das aber nicht. Es fehle an einer Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG; dem Kläger wäre es nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, sich darauf zu berufen, wenn ihm der Vorwurf arglistigen Verhaltens gemacht werden könnte. Diesen Beweis müsse die Beklagte führen; das könne sie nicht. Zunächst sei nicht in Abrede zu stellen, dass der Kläger im Zuge der Schadensregulierung gegenüber der Beklagten falsche Angaben zur Sache gemacht habe. Daraus ergäben sich mit Sicherheit Indizien für nicht nur vorsätzliches, sondern sogar arglistiges manipulierendes Handeln. Immerhin habe der Kläger Mitarbeiter der beklagten Versicherung über einen längeren Zeitraum belogen. Der Vorsitzende sei letztendlich aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einem arglistigen Handeln des Klägers überzeugt. Es erscheine schon fraglich, ob dem Kläger planvoll arglistiges Handeln intellektuell überhaupt möglich sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages geltend, das Erstgericht habe zu Unrecht angenommen, dass § 28 Abs. 2 VVG hier nicht eingreife. Sie habe den Kläger im Schreiben vom 24.06.2015 belehrt. Hätte das Gericht auf die vermeintlich fehlende Belehrung hingewiesen, dann hätte sie hierzu eine Stellungnahme abgeben können. Das Erstgericht habe seine Einschätzung offensichtlich nur an der vom Kläger unvollständig zurückgesandten Unterlage orientiert. Leistungsfrei sei sie – die Beklagte – darüber hinaus, weil der Kläger nicht nur vorsätzlich, sondern auch arglistig gehandelt habe. Dieser habe durchgängig und über einen längeren Zeitraum hinweg versucht, sie bezüglich wesentlicher wertbildender Faktoren zu täuschen. Aus den Angaben des Klägers ergebe sich sehr wohl, dass dieser gewusst habe, was Sache gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sei die Einschätzung, dass der Kläger an die Grenzen seiner geistigen Kapazitäten gestoßen sei. Anderes ergebe sich aus den vom Kläger geschilderten Umständen des Erwerbs; zudem lasse das Schreiben des Klägers vom 14.06.2016 erkennen, dass er sich „gestochen“ ausgedrückt und gezielt erklärt habe. Auch seien irgendwelche Ausflüchte des Klägers oder langatmige Erklärungen zu Sachverhalten, die nicht zwingend Gegenstand des Interesses gewesen seien, kein Grund, die geistigen Kapazitäten des Klägers anzuzweifeln; sie seien vielmehr ein Zeichen dafür, dass sich der Kläger bezüglich seiner Falschangaben habe „herumreden“ wollen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil Ko 4 O 199/15 LG Heilbronn vom 23.06.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Vortrages. Dazu führt er unter anderem aus, das Landgericht gehe zutreffend davon aus, dass er nicht nach § 28 Abs. 4 VVG belehrt worden sei. Insofern sei die Beklagte mit weitergehendem Vortrag hierzu ausgeschlossen; eines gesonderten Hinweises des Erstgerichts dazu habe es nicht bedurft, zumal er – der Kläger – mehrfach darauf hingewiesen habe. Das Landgericht habe aufgrund der gesamten Umstände ein arglistiges Handeln seinerseits verneint, was keinen ernsthaften Bedenken begegne. Er habe klargestellt, dass er die Verhandlungsbasis für den Ankauf dargestellt habe, und zwar aus dem Motiv heraus, dass die Beklagte die Entschädigungsleistung anhand objektiver Parameter ermittle, nachdem diese offensichtlich bemüht gewesen sei, die Versicherungssumme „niedrig“ zu halten. Unter Berücksichtigung der Parteiangaben und der Zeugenaussagen habe das Gericht überzeugend dargelegt, dass ihm eine Arglist im Zusammenhang mit der unrichtigen Angabe des Kaufpreises nicht vorzuwerfen sei. Selbst wenn man eine Arglist unterstelle, führe das nicht zum Erfolg der Berufung; die Beklagte handle angesichts ihres Vorgehens treuwidrig, wenn sie ihre Eintrittspflicht ablehne. Die Interessen der Beklagten seien immer gewahrt und zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Zu guter Letzt könne man ihm nicht absprechen, dass er mit der Vorlage des schriftlichen Kaufvertrages am 27.08.2015 seiner Aufklärungsobliegenheit vollständig nachgekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte noch keine Regulierungsentscheidung getroffen gehabt; auch ein sonstiger Nachteil sei nicht entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Vor dem Senat fand am 01.12.2016 eine mündliche Verhandlung statt, in der der Kläger ergänzend angehört worden ist und auf deren Protokoll Bezug genommen wird.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist ihrerseits unbegründet und daher abzuweisen.

Die Beklagte ist hier – entgegen der Annahme des Landgerichts – aufgrund einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach Ziff. E.1.3 AKB seitens des Klägers von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Der Kläger hat hinsichtlich der ihn im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Versicherungsfall treffenden Aufklärungsobliegenheit (unten 1) und der ihm vorzuwerfenden vorsätzlichen Verletzung dieser Obliegenheit (unten 2) zugleich auch arglistig gehandelt (unten 3).

1. Nach Ziff. E.1.3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger hier – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – verstoßen.

Die erstinstanzliche Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen … hat ergeben, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Versicherungsfall einen Kaufpreis von 78.500 Euro bzw. ca. 78.000 Euro angegeben hatte und auch mitgeteilt hatte, dass ein schriftlicher Kaufvertrag nicht existierte. Das war falsch, nachdem der Kaufpreis tatsächlich 61.000 Euro betragen hatte und es einen schriftlichen Kaufvertrag gab, den der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt selbst vorgelegt hat. Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber dem Zeugen …, der für die Beklagte tätig war, erklärt, das Fahrzeug habe keine Vorschäden. Auch das war – ebenso wie die Nichtbeantwortung der Frage 6 nach der Beteiligung an vorangegangenen Schadenereignissen aus dem Schreiben der Beklagten vom 24.06.2016 (GA II 136 f.) – falsch.

Die Feststellungen des Erstgerichts sind fehlerfrei getroffen. Die Zeugenaussagen decken sich auch mit den vorgelegten Notizen, die zeitnahe gemacht worden sind. Daher bestehen aus Sicht des Senats keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

2. Diese ihn treffende Obliegenheit nach Ziff. E.1.3 AKB hat der Kläger zunächst vorsätzlich verletzt.

Der Kläger wusste darum, dass seine Angaben hinsichtlich Kaufpreis, Kaufvertrag und Vorschäden falsch gewesen sind; er wollte diese Angaben auch machen und handelte in der Absicht, die Beklagte über einen für den Verkehrswert gegebenenfalls wesentlichen Aspekt im Unklaren zu lassen (vgl. dazu allgemein nur HK-VVG/Felsch, 3. Aufl. § 28 Rn. 82). Das wird allein durch die Einlassung des Klägers im Termin vom 03.06.2016 vor dem Landgericht deutlich (GA II 94), wenn er angibt, er habe Angst gehabt, dass das Auto zu nieder geschätzt werde. Daraus erhellt sich, dass es ihm gerade um eine Information ging, mit der er dieser Gefahr (vermeintlich) entgehen könnte. Zudem hat er deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Information über den tatsächlichen Kaufpreis bewusst zurückhalten wollte, wenn er meint, dass er mit dem Käufer seinerseits einen Preis ausgemacht zu haben, der hier keine Relevanz habe.

3. Der Kläger hat dabei überdies arglistig gehandelt.

a) Arglist erfordert zum einen mindestens bedingten Vorsatz bezüglich der Verletzung der Obliegenheit, der im hier zu beurteilenden Sachverhalt – wie dargelegt – gegeben ist, und zusätzlich mindestens bedingten Vorsatz bezüglich einer für den Versicherer nachteiligen Auswirkung der Obliegenheitsverletzung. Dies ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer bei der Verletzung der Obliegenheit den für den Versicherer nachteiligen Zweck verfolgt, durch die Manipulation von Beweistatsachen oder falschen Auskünften eine nach objektiver Rechtslage nicht gerechtfertigte Leistung des Versicherers zu erlangen. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist hierfür nicht erforderlich. Arglist kann deshalb auch dann vorliegen, wenn mit der Täuschung an sich berechtigte Ansprüche lediglich schneller oder einfacher durchgesetzt werden sollen oder wenn der Versicherungsnehmer lediglich Beweisschwierigkeiten überwinden oder den Versicherer von an sich gebotenen Ermittlungen abhalten will und der Versicherungsnehmer weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Das ist in aller Regel der Fall, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer über den Wert der versicherten und zu entschädigenden Sache oder über diesen Wert bestimmende Faktoren in erheblichem Maße zu täuschen versucht (vgl. zum Ganzen: BGH, Beschlüsse vom 23.10.2013 – IV ZR 122/13, r+s 2015, 215 Rn. 7 und vom 04.05.2009 – IV ZR 62/07, VersR 2009, 968 Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 27.07.2011 – 20 U 146/10, BeckRS 2011, 21995; OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.04.2008 – 5 U 614/07, BeckRS 2008, 12055; LG Saarbrücken, Urteil vom 06.09.2011 – 14 S 2/11, BeckRS 2012, 02211; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 28 Rn. 197; HK-VVG/Felsch, 3. Aufl. § 28 Rn. 87; Wandt in MünchKomm-VVG, 2. Aufl. § 28 Rn. 302).

b) Diese Voraussetzungen sind im hier zu beurteilenden Einzelfall in der Person des Klägers gegeben.

Hier hat der Kläger – wie sich aus seiner Einlassung in erster Instanz und der Beweisaufnahme vor dem Landgericht bereits ergibt – die Beklagte und deren Mitarbeiter sowie den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen nachhaltig und beharrlich über die Umstände des Erwerbs des Fahrzeuges getäuscht. Der Kläger hat es dabei insbesondere unterlassen, den Kaufvertrag vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass ein reparierter Vorschaden vorgelegen hat. Er hat sogar vorgetäuscht, es gebe keinen Kaufvertrag und der Erwerb sei im Wege des Privatkaufs erfolgt. Das alles ist – wie der Kläger angegeben hat – letztlich erfolgt, weil er „Angst“ gehabt habe, dass das Auto zu niedrig geschätzt werde. Damit hat der Kläger indes eingeräumt, dass es ihm gerade um eine Beeinflussung der Beklagten bzw. von deren Mitarbeitern gegangen ist, was er auch gewusst und beabsichtigt hat. Das begründet vor dem Hintergrund des Vorstehenden ohne weiteres die Annahme von Arglist.

Das alles hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat nochmals bestätigt. Dabei konnte der Senat – anders als das Landgericht – jedoch nicht den Eindruck gewinnen, dass es dem Kläger an intellektueller Kapazität mangele, um arglistig zu handeln. Bereits die vom Kläger geschilderten Rahmenumstände des Erwerbs sprechen gegen eine derartige geistige Beschränkung des Klägers, wie sie das Landgericht sehen will. Soweit der Kläger Erklärungen für sein Verhalten sucht bzw. vorgibt zu suchen, spricht das sicherlich nicht gegen seine Fähigkeit, eine Arglist zu bilden bzw. ein unredliches Verhalten an den Tag zu legen. Vielmehr zeigt das gesamte Verhalten des Klägers, dass er trotz Aufdeckung der Unrichtigkeit seiner Angaben sich dem noch immer nicht stellt und vielmehr Ausflüchte sucht. Auch das belegt aus Sicht des Senates ohne Zweifel, dass beim Kläger hinreichende intellektuelle Kapazität vorhanden ist.

c) Für die Leistungsfreiheit wegen Arglist wäre es unschädlich, wenn der Kläger nicht i.S. von § 28 Abs. 4 VVG belehrt worden wäre, denn eine vorherige Belehrung über die Folgen einer arglistigen Täuschung ist nicht erforderlich, da der arglistig Täuschende nicht schutzwürdig ist. Daher bedarf es – nach ganz herrschender Ansicht, der sich der Senat anschließt – auch im Rahmen des § 28 VVG im Falle der Arglist einer Belehrung nicht (vgl. dazu nur OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.02.2013 – 7 U 229/11, r+s 2013, 554 [556]; OLG Köln, Urteil vom 03.05.2013 – 20 U 224/12, r+s 2015, 84; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 28 Rn. 261; HK-VVG/Felsch, 3. Aufl. § 28 Rn. 226 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 306/13, NJW 2014, 1452 Rn. 16 ff.). Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach einer ordnungsgemäßen Belehrung seitens der Beklagten nach § 28 Abs. 4 VVG dahinstehen.

4. Die beim Kläger festzustellende Arglist führt auch dann zur (vollständigen) Leistungsfreiheit, wenn die Verletzung der Obliegenheit folgenlos geblieben wäre, § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 28 Rn. 194; HK-VVG/Felsch, 3. Aufl. § 28 Rn. 69; Wandt in MünchKomm-VVG, 2. Aufl. § 28 Rn. 301; OLG Hamm, Urteil vom 27.07.2011 – 20 U 146/10, BeckRS 2011, 21995). Daher kommt es auf Fragen der Kausalität insofern nicht an.

5. Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf eine Leistungsfreiheit zu berufen.

a) Der Versicherer kann nach Treu und Glauben eine Leistungsfreiheit dann nicht geltend machen, wenn der Zweck der Aufklärungsobliegenheit durch die Berichtigung der falschen Angaben doch noch erreicht wird. Die Bestimmungen über die Aufklärungsobliegenheiten tragen dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen können muss, dass der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht, und dass der drohende Verlust seines Anspruches geeignet ist, den Versicherungsnehmer zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben anzuhalten. Diesem Zweck der Aufklärungsobliegenheit entspricht es nicht, wenn es dem Versicherungsnehmer von vorneherein abgeschnitten wäre, die Sanktion der Leistungsfreiheit durch eine Korrektur seiner Angaben zu vermeiden. Das wirtschaftliche Interesse des Versicherers an richtigen Angaben besteht fort, so lange ihm durch die falschen Angaben noch kein Nachteil – vor allem durch Verlust von Aufklärungsmöglichkeiten – entstanden ist und ihm die Unrichtigkeit noch nicht aufgefallen ist.

Der Versicherungsnehmer, der die Vermögensinteressen des Versicherers durch falsche Angaben bereits gefährdet hat, kann dem drohenden Anspruchsverlust aber nur dann entgehen, wenn er dem Versicherer den wahren Sachverhalt aus eigenem Antrieb vollständig und unmissverständlich offenbart und nichts verschleiert. Dass dies geschehen ist, hat er darzulegen und zu beweisen. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass die falschen Angaben bereits zu einem Nachteil für den Versicherer geführt haben oder nicht freiwillig berichtigt worden sind, bleibt es bei der Leistungsfreiheit (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.04.2008 – 5 U 614/07, BeckRS 2008, 12055; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 05.12.2001 – IV ZR 225/00, NVersZ 2002, 122 unter 4 a d; Wandt in MünchKomm-VVG, 2. Aufl. § 28 Rn. 309, jeweils m.w.N.).

b) Hier hat der Kläger nach eigenen Angaben erst mit Schreiben vom 27.08.2015 (Anlage K 7) – in (vermeintlicher) Erledigung eines Schreibens der Beklagten vom Juni 2015 – den Kaufvertrag übersandt und damit seine vorangehenden fehlerhaften Angaben richtiggestellt. Dabei hat er sich jedoch nicht um eine weitgehende Klarstellung bemüht, sondern lapidar auf die Übersendung des Kaufvertrages Bezug genommen. Daher hat der Kläger sich nicht vollständig und unmissverständlich offenbart und auch nichts verschleiert (Wandt in MünchKomm-VVG, 2. Aufl. § 28 Rn. 311).

Darüber hinaus war zu diesem Zeitpunkt schon aufgedeckt, dass der Wert des Fahrzeuges durch die vorangegangene Reparatur beeinträchtigt gewesen ist. Die Frage von Vorschäden hatte überdies die Möglichkeiten der Veräußerung beeinträchtigt. Die Schäden waren insbesondere schon Gegenstand der Begutachtung durch den Sachverständigen …, die bereits im Juni 2015 in die Wege geleitet und mit der Reparaturkalkulation vom 29.06.2015 (Anlage K 2 = GA I 30 ff.) abgeschlossen worden war. In dieser ist als Wiederbeschaffungswert ein Betrag von 61.000 Euro brutto genannt, was zusätzlich vorab mit gesonderter E-Mail vom 24.06.2015 (Anlage K 4 = GA I 43) bestätigt worden war. Daher war das Schreiben des Klägers vom 27.08.2015 nicht mehr rechtzeitig, sondern konnte nur noch das Ergebnis des für die Beklagten als Gutachter tätigen Zeugen … bestätigen. Überdies erfolgte die Information der Beklagten nach Veräußerung des Fahrzeugs und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem weitere Aufklärungsmöglichkeiten nur noch in eingeschränktem Umfang bestanden haben.

c) Darüber hinaus führen die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte hinsichtlich der Regulierung nicht dazu, sein Verhalten auch nur im Ansatz in einem milderen Licht sehen zu können.

Es ist zunächst ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Beklagte die Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf eine etwa beabsichtigte Veräußerung hinterfragt. Anschließend hat die Beklagte jedoch mit Schreiben vom 29.06.2015 (Anlage K 3) mitgeteilt, sie werde berechtigte Ansprüche im Rahmen ihrer Eintrittspflicht regulieren. Das ist für sich genommen nicht zu beanstanden, ebenso wenig eine eingehende Begutachtung, nachdem vom Kläger hinreichende Unterlagen nicht zu erhalten waren und sich Grund zur berechtigten Annahme eines erheblichen, reparierten Vorschadens ergeben hatte.

Wenn die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2015 mitteilt, der Kläger habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, so lag dies angesichts der vorherigen – offenkundigen – Falschangaben des Klägers auf der Hand. Diese Obliegenheitsverletzung findet im Übrigen auch in der Klage keine Erwähnung, vielmehr wird gegenüber der Beklagten lediglich der Vorwurf erhoben, sie berufe sich auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, ohne dies zu konkretisieren.

Das alles zeigt, dass hier der Kläger die Regelung des § 242 BGB im Verhältnis zur Beklagten in keinem Fall zu seinen Gunsten reklamieren kann. Ein redlicher Versicherungsnehmer verhält sich in jeglicher Hinsicht anders – sowohl im unmittelbaren Zusammenhang mit der Begutachtung des Fahrzeugs und der Verwertung als auch im Anschluss daran.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

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