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Kfz-Vollkaskoversicherung – Klauselinhalt zu Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung

Kfz-Versicherer müssen aufpassen: Missverständliche Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen können dazu führen, dass Kunden trotz Obliegenheitsverletzungen vollen Versicherungsschutz genießen. Ein aktuelles Urteil des OLG Hamm zeigt die Fallstricke auf, die Versicherer im Kleingedruckten unbedingt vermeiden müssen. Autofahrer können dank dieser Entscheidung leichter aufatmen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 306/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Die Klägerin hatte eine Obliegenheitsverletzung begangen, jedoch steht der Beklagten kein Recht zu, den Erstattungsanspruch anteilig zu kürzen.
  • Die Rechtsfolgenvereinbarung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist aufgrund eines Verstoßes gegen das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unwirksam.
  • Bei einer Obliegenheitsverletzung muss der Vertrag die Rechtsfolgen klar und eindeutig regeln, einschließlich der Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises.
  • Die in den AVB festgelegte Sanktionsregelung war nicht transparent genug, insbesondere fehlte ein Hinweis auf die Abhängigkeit der Kürzung von der Art des Verschuldens.
  • Das Gericht entschied, dass die Rechtsfolgenregelung der AVB gegen das Transparenzgebot und § 28 VVG verstößt.
  • Die Klägerin hat daher Anspruch auf die volle Versicherungsleistung, trotz der Obliegenheitsverletzung.
  • Für Autofahrer bedeutet dies, dass unklare oder benachteiligende Klauseln in Versicherungsverträgen unwirksam sein können.
  • Versicherungsnehmer sollten ihre Verträge genau prüfen und bei Unklarheiten juristischen Rat einholen.
  • Die Entscheidung schützt Verbraucher vor ungerechtfertigten Leistungskürzungen durch Versicherer.
  • Klare und transparente Vertragsklauseln sind entscheidend, um Rechte und Pflichten im Schadensfall zu verstehen und zu wahren.

Kfz-Vollkaskovertrag: OLG Hamm erklärt Klausel zu Obliegenheitsverletzungen für unwirksam

Eine Kfz-Versicherung ist für viele Autofahrer unverzichtbar. Sie bietet einen wichtigen Schutz, sowohl für den Fahrzeugbesitzer als auch für Dritte im Falle eines Unfalls. Eine Vollkaskoversicherung geht dabei noch einen Schritt weiter und übernimmt die Kosten für Schäden am eigenen Fahrzeug, unabhängig vom Verschulden.

Allerdings haben Versicherungsverträge oftmals komplexe Klauseln, die genau regeln, unter welchen Bedingungen der Versicherer leisten muss. Eine dieser Klauseln betrifft die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers. Hier ist es wichtig, die Vertragsbestimmungen sorgfältig zu prüfen, um im Schadensfall keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.

Im folgenden Beitrag werden wir uns daher näher mit einem Gerichtsurteil befassen, das sich mit den Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung in einer Kfz-Vollkaskoversicherung auseinandersetzt. Dieses Urteil kann wertvolle Hinweise liefern, worauf Autofahrer bei ihrer Versicherung achten sollten.

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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm


Urteil des OLG Hamm zur Wirksamkeit von Klauseln in der Kfz-Vollkaskoversicherung

Im vorliegenden Fall ging es um die Rechtmäßigkeit einer Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Kfz-Vollkaskoversicherung. Diese Klausel regelte die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass diese Klausel unwirksam ist und der Versicherungsnehmer daher Anspruch auf die vollen Leistungen aus der Versicherung hat.

Streitpunkt: Klausel zu Obliegenheitsverletzungen

Im konkreten Fall ging es um die Bestimmung in § 14 der AVB. Darin wurde geregelt, dass ein Verstoß gegen Obliegenheiten des Versicherungsnehmers zum teilweisen oder vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes führen kann. Das OLG Hamm befand diese Klausel aber für unwirksam, da sie nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach:

  • Es wurde nicht zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit bei der Obliegenheitsverletzung unterschieden, wie es § 28 Abs. 2 VVG vorsieht.
  • Der für den Versicherungsnehmer wichtige Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 VVG wurde in der Klausel nicht eröffnet.

Unwirksame Klausel führt zu vollem Anspruch

Da die Klausel zu den Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung unwirksam war, kann der Versicherer im konkreten Fall die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nicht kürzen. Dem Versicherungsnehmer steht daher der volle Anspruch aus dem Vertrag zu, obwohl er gegen die Obliegenheiten verstoßen hat.

Das Gericht weist die Parteien darauf hin, dass die Berufung des Versicherungsnehmers voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Entscheidung stellt klar, dass Klauseln zu Obliegenheitsverletzungen transparent und im Einklang mit den zwingenden Vorgaben des VVG formuliert sein müssen. Andernfalls sind sie unwirksam.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung zeigt, dass Versicherer bei der Formulierung von Klauseln zu Obliegenheitsverletzungen in Versicherungsverträgen äußerste Sorgfalt walten lassen müssen. Unklare oder intransparente Bestimmungen, die nicht den zwingenden Vorgaben des VVG entsprechen, können zur Unwirksamkeit führen. Selbst bei Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers kann dieser dann Anspruch auf die volle Leistung haben.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Kfz-Vollkaskoversicherung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche Obliegenheiten muss ich als Versicherungsnehmer bei meiner Kfz-Vollkaskoversicherung beachten?

Versicherungsnehmer einer Kfz-Vollkaskoversicherung müssen verschiedene Obliegenheiten beachten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Zu den wichtigsten Obliegenheiten zählen:

Die fristgerechte Zahlung der Versicherungsprämie ist eine grundlegende Pflicht. Bei Nichtzahlung ist der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit.

Das versicherte Fahrzeug darf nur zu dem im Vertrag angegebenen Zweck verwendet werden. Eine zweckfremde Nutzung, z.B. die gewerbliche Personenbeförderung mit einem als Privatwagen versicherten Pkw, kann den Versicherungsschutz entfallen lassen.

Der Versicherungsnehmer darf das Fahrzeug nur mit einer gültigen Fahrerlaubnis führen. Wird ein Unfall durch einen Fahrer ohne Führerschein verursacht, kann dies zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.

In den Versicherungsbedingungen ist oft eine Alkoholklausel enthalten. Überschreitet der Fahrer die vertraglich definierten Promillegrenzen, erlischt die Leistungspflicht der Versicherung.

Laut Schwarzfahrerklausel dürfen nur berechtigte Fahrer das Fahrzeug lenken, um den Versicherungsschutz zu erhalten. Die Überlassung an einen unberechtigten Fahrer kann Nachteile nach sich ziehen.

Das Fahrzeug darf nicht bei verbotenen Rennveranstaltungen wie illegalen Straßenrennen eingesetzt werden. Ansonsten droht der Verlust des Versicherungsschutzes.

Wird das Fahrzeug vorübergehend stillgelegt, greift die Ruheversicherung. Das Fahrzeug darf dann maximal 18 Monate nicht im öffentlichen Verkehrsraum bewegt oder abgestellt werden.

Tritt ein Versicherungsfall ein, muss dieser dem Versicherer unverzüglich angezeigt werden. Die Frist dafür beträgt meist eine Woche. Bei schuldhafter Verspätung drohen Nachteile bis hin zur Leistungsfreiheit.

Nach einem Unfall muss der Versicherungsnehmer zur Aufklärung des Schadenhergangs beitragen und darf die Feststellung der Schadenshöhe nicht behindern. Auf Verlangen sind Nachweise und Belege einzureichen.

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Obliegenheiten vorsätzlich, ist der Versicherer von der Leistung befreit und kann den Vertrag fristlos kündigen. Bei grob fahrlässigen Verstößen kann die Versicherungsleistung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Nur bei einfacher Fahrlässigkeit bleibt der volle Versicherungsschutz bestehen.


Was passiert, wenn ich eine Obliegenheit in meiner Kfz-Vollkaskoversicherung verletze?

Bei einer Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Vollkaskoversicherung drohen dem Versicherungsnehmer je nach Schwere des Verschuldens abgestufte Rechtsfolgen bis hin zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes. Grundsätzlich gilt: Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Bei einer grob fahrlässigen Verletzung kann der Versicherer seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis kürzen. Beispiele für typische Obliegenheitsverletzungen in der Vollkaskoversicherung sind die Teilnahme an nicht genehmigten Rennveranstaltungen, Trunkenheitsfahrten oder die Benutzung des Fahrzeugs durch einen unberechtigten Fahrer.

Darüber hinaus treffen den Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Versicherungsfalls weitere Obliegenheiten wie die umfassende und wahrheitsgemäße Aufklärung des Versicherers über alle Umstände des Schadens. Macht der Versicherungsnehmer hier falsche Angaben, um eine Regulierung zu vereinfachen oder kritische Nachfragen zu verhindern, droht ihm wegen arglistiger Täuschung der vollständige Verlust des Versicherungsschutzes, selbst wenn sich die Falschangaben nicht auf den Schadensumfang ausgewirkt haben. Auch die grundlose Verweigerung der Herausgabe von Belegen oder Fahrzeugschlüsseln zu Prüfzwecken kann als arglistige Obliegenheitsverletzung gewertet werden.

Bei einfacher Fahrlässigkeit bleibt der Versicherungsschutz dagegen in der Regel unberührt. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer vor Verweigerung einer Leistung wegen Obliegenheitsverletzung in Textform über die Rechtsfolgen aufklären, sonst ist die Leistungskürzung unzulässig. Nur bei Arglist ist keine Belehrung erforderlich. Insgesamt zeigt sich, dass Obliegenheitsverletzungen in der Kfz-Vollkaskoversicherung schnell zu empfindlichen Nachteilen führen können. Versicherungsnehmer sollten die vertraglichen Pflichten daher unbedingt ernst nehmen.


In welchen Fällen kann meine Kfz-Vollkaskoversicherung die Leistung kürzen oder verweigern?

Ihre Kfz-Vollkaskoversicherung kann die Leistung in verschiedenen Fällen kürzen oder verweigern. Häufige Gründe sind grob fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten des Versicherungsnehmers. Dazu zählen beispielsweise:

  • Alkoholisiertes Fahren: Bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss wird die Versicherung in der Regel nicht zahlen, da dies als grobe Fahrlässigkeit gilt.
  • Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Unfallflucht): Verlässt der Versicherte nach einem Unfall den Unfallort, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, kann dies als Obliegenheitsverletzung gewertet werden. Die Versicherung ist dann leistungsfrei.
  • Falsche Angaben zum Schadenshergang: Macht der Versicherungsnehmer falsche Angaben zum Unfallhergang, kann die Versicherung bereits erbrachte Leistungen zurückfordern oder gänzlich verweigern.
  • Nichteinhaltung von Weisungen der Versicherung: Ignoriert der Versicherte Weisungen des Versicherers, z.B. bezüglich der Auswahl einer Vertragswerkstatt, kann dies die Leistung schmälern.
  • Verspätete Schadensmeldung: Eine unverhältnismäßig verspätete Meldung des Schadensfalls kann als Obliegenheitsverletzung gewertet werden und zur Leistungsfreiheit führen.

Generell gilt: Je höher das Verschulden des Versicherungsnehmers ist, desto eher kann die Versicherung die Leistung kürzen oder gänzlich verweigern. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz ist sie oft von der Leistungspflicht befreit. Die Versicherungsbedingungen sollten daher sorgfältig studiert werden.


Wie beeinflussen vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten die Leistungspflicht meiner Kfz-Vollkaskoversicherung?

Vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten haben erhebliche Auswirkungen auf die Leistungspflicht Ihrer Kfz-Vollkaskoversicherung. Bei vorsätzlicher Herbeiführung eines Versicherungsfalls besteht kein Versicherungsschutz. Die Versicherung ist von ihrer Leistungspflicht vollständig befreit. Ein Beispiel wäre, wenn Sie absichtlich Ihr Auto beschädigen.

Grobe Fahrlässigkeit führt hingegen nicht zwangsläufig zum vollständigen Leistungsausschluss. Hier muss die Versicherung im angemessenen Verhältnis zur Schwere Ihres Verschuldens die Leistung kürzen. Je höher das Maß an grober Fahrlässigkeit, desto stärker kann die Kürzung ausfallen. Bei besonders schwerwiegenden Fällen, wie einer Trunkenheitsfahrt mit über 1,1 Promille, kann die Versicherung sogar die gesamte Leistung verweigern.

Entscheidend ist immer, ob Sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt haben. Beispiele für grobe Fahrlässigkeit wären das Überfahren einer roten Ampel, überhöhte Geschwindigkeit oder das Bedienen des Handys während der Fahrt. Die Versicherung muss im Einzelfall die konkreten Umstände prüfen und abwägen.

Wichtig ist, dass in Ihrem Vertrag keine Klausel enthalten ist, mit der die Versicherung auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet. Dann müsste sie nämlich auch bei grob fahrlässigem Verhalten voll leisten, solange keine Vorsätzlichkeit vorliegt.


Was ist der Kausalitätsgegenbeweis und wie kann er mir bei einer Obliegenheitsverletzung helfen?

Der Kausalitätsgegenbeweis ist eine wichtige Möglichkeit für Versicherungsnehmer, trotz einer Obliegenheitsverletzung die volle Versicherungsleistung zu erhalten. Grundsätzlich berechtigt eine Obliegenheitsverletzung den Versicherer dazu, seine Leistung zu kürzen oder gänzlich zu verweigern. Allerdings kann der Versicherungsnehmer durch den Kausalitätsgegenbeweis aufzeigen, dass die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Feststellung des Leistungsumfangs ursächlich war.

Voraussetzung für den Kausalitätsgegenbeweis ist, dass der Versicherungsnehmer die Obliegenheit grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat. Bei einer einfachen Fahrlässigkeit bleibt die Obliegenheitsverletzung folgenlos und der Kausalitätsgegenbeweis ist nicht erforderlich. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Nachweis, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Obliegenheitsverletzung und dem Versicherungsfall besteht, ist der Versicherer zur vollständigen Leistung verpflichtet.

Die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Kausalzusammenhang trägt der Versicherungsnehmer. Er muss darlegen und beweisen, warum die verletzte Obliegenheit weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht ursächlich war. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, kann der Versicherer die Leistung kürzen oder verweigern, es sei denn der Versicherungsnehmer handelte arglistig.

Ein Beispiel: Bei einer Kfz-Vollkaskoversicherung besteht die Obliegenheit, nach einem Unfall die Unfallstelle nicht zu verändern. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Pflicht grob fahrlässig, kann er durch den Kausalitätsgegenbeweis darlegen, dass die Veränderung der Unfallstelle keine Auswirkungen auf die Schadensregulierung hatte. Der Versicherer wäre dann zur vollen Leistung verpflichtet.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 28 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Rechte und Pflichten im Falle einer Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer. Er differenziert zwischen vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten und legt fest, dass der Versicherer nur bei einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung von der Leistungspflicht befreit ist oder diese kürzen kann. Im vorliegenden Fall war die Klausel unwirksam, da sie diese Differenzierung nicht vornahm und somit gegen § 28 VVG verstieß.
  • § 32 VVG: Diese Vorschrift erklärt vertragliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den halbzwingenden Vorschriften des VVG abweichen, als unwirksam. Im vorliegenden Fall wurde § 32 VVG herangezogen, um die Unwirksamkeit der Klausel in den AVB der Versicherungsgesellschaft zu bestätigen.
  • § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph bezieht sich auf das Transparenzgebot und die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Klausel in den AVB wurde für unwirksam erklärt, da sie nicht klar und verständlich die Bedingungen für eine Leistungskürzung oder Leistungsfreiheit darlegte und somit gegen das Transparenzgebot verstieß.
  • § 139 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph gibt dem Gericht die Möglichkeit, den Parteien Hinweise zu geben und rechtliche Aspekte zu erörtern, die für den Ausgang des Verfahrens erheblich sind. Im vorliegenden Fall wies der Senat die Parteien darauf hin, dass die Berufung der Klägerin voraussichtlich Erfolg haben würde.
  • BGH-Urteile: In der Begründung des Urteils wurden mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zitiert, um die rechtliche Bewertung zu stützen. Diese Urteile betonen die Notwendigkeit klarer und verständlicher Regelungen in Versicherungsverträgen, insbesondere in Bezug auf Obliegenheitsverletzungen und deren Folgen.
  • AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen): Die spezifischen Regelungen in den AVB der Kfz-Vollkaskoversicherung wurden als unklar und ungenügend erachtet, da sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Dies führte zur Unwirksamkeit der Klausel und zum vollen Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen.
  • Kausalitätsgegenbeweis: Gemäß § 28 Abs. 3 VVG hat der Versicherungsnehmer das Recht, zu beweisen, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Schadensfall hatte. Dieser wichtige Aspekt wurde in der beanstandeten Klausel nicht berücksichtigt, was zur Unwirksamkeit führte.
  • Leistungsfreiheit und Leistungskürzung: Die Regelungen in den Versicherungsbedingungen müssen klar zwischen den unterschiedlichen Folgen einer Obliegenheitsverletzung (vollständige Leistungsfreiheit oder anteilige Leistungskürzung) unterscheiden. Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben, was zur Entscheidung führte, dass die Versicherung zur vollen Leistung verpflichtet ist.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm

OLG Hamm – Az.: I-20 U 306/22 – Beschluss vom 13.01.2023

In dem Rechtsstreit weist der Senat die Parteien gem. § 139 ZPO darauf hin, dass die Berufung Erfolg haben dürfte.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Der Beklagten steht kein Recht zu, bei der unstreitig vorliegenden Obliegenheitsverletzung nach § 13 Abs. 1 AVB einen aus einem Versicherungsfall folgenden Erstattungsanspruch anteilig gem. § 14 AVB i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung zu kürzen. Denn die Rechtsfolgenvereinbarung in § 14 AVB ist gem. § 32 S. 1 VVG wegen Verstoßes gegen die halbzwingende Vorschrift des § 28 Abs. 2, 3 VVG unwirksam. Der Verstoß der Klägerin gegen die in § 13 Abs. 1 AVB geregelte Obliegenheit bleibt deswegen folgenlos. Der Klägerin steht folglich der ungekürzte Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zu.

Im Einzelnen:

1. Für die wirksame Vereinbarung der Rechtsfolgen für Verletzungen vertraglich vereinbarter Obliegenheiten ist von folgenden rechtlichen Maßstäben auszugehen:

Will der Versicherer bei Verletzung einer vertraglich wirksam vereinbarten Obliegenheit (vollständige oder teilweise) Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen, setzt dies eine wirksame vertragliche Vereinbarung nicht nur der Obliegenheit selbst, sondern auch der Rechtsfolge voraus. Ebenso wie im Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, bei welcher § 28 Abs. 2 S. 1 VVG ausdrücklich anordnet, dass der Vertrag selbst bestimmen muss, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, gilt auch für den Fall der in § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geregelten groben Fahrlässigkeit, dass der Vertrag die Rechtsfolgen dieser Verletzung regeln muss (BGH, Urt. v. 12.10.2011 − IV ZR 199/10, VersR 2011, 1550 Rn. 34 m.w.N.; BGH, Urt. v. 02.04.2014 – IV ZR 124/13, Juris Rn. 15 ff.; Marlow, VersR 2019, 1289, 1294). § 28 Abs. 2 VVG begründet also keine Rechte des Versicherers, sondern beschränkt bzw. begrenzt vielmehr – vor allem verschuldensabhängig – dessen Regelungsmöglichkeiten bei Obliegenheitsverletzungen (Marlow, in: Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, Stand: 01.11.2022, § 28, Rn. 101).

Sofern – wie hier in § 14 VVG (Bl. 13 eGA-I) – in der Rechtsfolgenregelung in den AVB nicht auf die gesetzliche Regelung in § 28 VVG verweisen wird und somit eine eigenständige vertragliche Sanktionsregelung für Obliegenheitsverstöße getroffen wird, müssen dem Versicherungsnehmer in dieser Regelung die Voraussetzungen einer möglichen Leistungsfreiheit oder -kürzung deutlich gemacht werden. Nur so kann er seine Verteidigungsmöglichkeiten erfassen. Das bedeutet, dass eine solche vertragliche Sanktionsbestimmung neben einem klaren und eindeutigen Hinweis auf die vom Verschuldensgrad (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) abhängige Kürzung des Anspruchs auch den Hinweis auf die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises (§ 28 Abs. 3 VVG) enthalten muss (BGH, Urt. v. 02.04.2014 – IV ZR 124/13, Juris Rn. 20; Schimikowski, JurisPR-VersR 9/2017, Anm. 3; Pohlmann, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 116). Das ergibt sich über den Wortlaut des § 28 Abs. 2 VVG hinaus zudem aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Marlow, r+s 2015, 591, 592).

2. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich § 14 AVB gem. § 32 S. 1 VVG i.V.m. § 28 Abs. 2, 3 VVG als unwirksam.

In § 14 heißt es für Obliegenheitsverletzungen abschließend:

„Folgen der Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit

Ein Verstoß gegen die genannten Obliegenheiten (insbesondere nicht wahrheitsgemäße Schadensberichte, falsch angegebene Daten bezüglich des versicherten Gegenstandes oder des Versicherungsnehmers), können je nach Art der Pflichtverletzung zum gesamten oder teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führen.“

Es wird bei der vorgesehenen Leistungskürzung in dieser Regelung nicht- wie es § 28 Abs. 2 VVG vorsieht – hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen zur Folge haben können) differenziert, sondern es wird die „Art der Pflichtverletzung“ genannt. Die Art der Pflichtverletzung kann indes nicht gleichgesetzt werden mit dem Grad des Verschuldens. Zudem weicht § 14 AVB zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 28 Abs. 3 VVG ab, indem der Kausalitätsgegenbeweis nicht eröffnet wird (BGH, Urt. v. 02.04.2014 – IV ZR 124/13, Juris Rn. 20).

II.

1. Die Beklagte mag unter Kostengesichtspunkten ein Anerkenntnis der – lediglich in Höhe von 25 % der ursprünglich geltend gemachten Forderung – mit der Berufung weiterverfolgten Klage erwägen.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

 

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