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Kfz-Versicherungsvertrag: Beratungspflicht des Versicherungsvertreters vor Vertragsschluss

OLG Zweibrücken, Az.: 1 W 4/16, Beschluss vom 27.10.2016

Der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11.12.2015 – 3 O 414/15 – wird geändert:

Dem Antragsteller wird auch für die beabsichtigten Klageanträge zu 2) und 3) des Klageentwurfs vom 27.10.2015 Prozesskostenhilfe bewilligt unter den fortgeltenden Bedingungen einer monatlichen Ratenzahlung von … € und unter Beiordnung von … zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts.

Gründe

Die beabsichtigte Klage des Antragstellers hat über den Antrag Ziffer 1) vom 27.10.2015 hinaus, für den das Landgericht bereits Prozesskostenhilfe bewilligt hat, auch hinsichtlich der Klageanträge zu 2) (Feststellungsklage) und 3) (Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Kfz-Versicherungsvertrag: Beratungspflicht des Versicherungsvertreters vor Vertragsschluss
Symbolfoto: FreedomTumZ/ Bigstock

Der Kläger hatte im … das Fahrzeug … erworben und den Kaufpreis vollständig finanziert. Er unterhielt für das Fahrzeug zunächst bei der … eine Kraftfahrtversicherung. Ende … entschloss er sich zu einem Versicherungswechsel und ließ sich am … bei dem Versicherungsvertreter …der Beklagten beraten. Seinem Vorbringen zufolge wünschte er eine umfassende Beratung und erklärte gegenüber dem Versicherungsvertreter, dass er im Hinblick auf den hohen Fahrzeugwert und die Vollfinanzierung des Kaufpreises nicht nur eine bloße Haftpflichtversicherung wünsche. Er erwähnte zudem, dass er beabsichtige, mit seinen Familienangehörigen in den asiatischen Teil der Türkei zu fahren, um dort seine Herkunftsfamilie zu besuchen. Unstreitig wurde er im Rahmen dieses Beratungsgespräches weder darüber aufgeklärt, dass der von der Beklagten angebotene Kaskoversicherungsschutz nicht für den asiatischen Teil der Türkei galt, noch wurde ihm die Möglichkeit einer Fahrerschutzversicherung aufgezeigt.

Am … kam es in der Nähe des Heimatortes des Klägers, … zu einem Verkehrsunfall mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug, weil der Kläger bei dem Versuch, einem größeren Hund am Straßenrand, der vor das Fahrzeug zu laufen drohte, auszuweichen die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, so dass sich das Fahrzeug überschlug. Infolge des Unfalls verstarb die Ehefrau des Klägers, die Beifahrerin im Unfallfahrzeug war, der Kläger wurde verletzt – wobei die Verletzungen noch nicht völlig ausgeheilt sind – und das Fahrzeug erlitt einen Totalschaden.

Der Kläger hat – entgegen der Auffassung des Landgerichts – einen Beratungsfehler des Versicherungsvertreters der Beklagten auch insoweit schlüssig dargelegt, dass dieser ihn beim Beratungsgespräch am … nicht über die Möglichkeit, eine Fahrerschutzversicherung abzuschließen, beraten habe. Die Beklagte schuldete eine umfassende Beratung des Klägers zum Thema „Kraftfahrtversicherung“. Während nach einer Novelle des StVG im Jahr 2002 alle Insassen des Fahrzeugs in die Gefährdungshaftung aus § 7 StVG einbezogen sind und somit Versicherungsschutz aus der Kfz-Haftpflichtversicherung besteht, ist dies für den Fahrer nicht der Fall. Hier sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen einem verletzten Fahrer keine Schadensersatzansprüche gegen Dritte zustehen. Diese Lücke wird durch die von den meisten Kfz-Versicherern angebotene preiswerte Möglichkeit einer Fahrerschutzversicherung geschlossen (vgl. hierzu Prof. Dr. Karl Maier, Die Fahrerschutzversicherung – Neue Wege beim Versicherungsschutz für den Fahrer (zugleich Anmerkung zu OLG Koblenz r+s 2014, 223), r+s 2014, 219). Zwar ist die Fahrerschutzversicherung eine freiwillige und eigenständige Zusatzversicherung (Restschadensversicherung) zur Kfz-Versicherung bei gleichzeitigem Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung (u.U. auch Kaskoversicherung). Es handelt sich um eine als Schadenversicherung ausgeprägte spezielle Unfallversicherung zur Absicherung des berechtigten Fahrers, die sich hinsichtlich ihres Leistungsvolumens nicht an festen Summen, sondern an den Grundsätzen der Schadenversicherung mit näher bestimmten Anrechnungs- und Verrechnungsmodalitäten orientiert (vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24.Aufl. 2016, vor § 249 BGB, Rn. 181). Dass der Fahrerschutz nicht nur nach allgemeinem Verständnis, sondern auch nach dem Verständnis der Beklagten vom Thema „Kfz-Versicherung“ mit umfasst ist, zeigt eindrucksvoll auch der vorgelegte Versicherungsschein vom 12.12.2014 (Bl. 9 d.A), in dem unter dem Oberbegriff „Versicherungsumfang“ neben der Kfz-Haftpflichtversicherung, dem Schutzbrief, der Vollkaskoversicherung, dem Ausland-Schadensschutz und dem PLUS Baustein auch der Fahrerschutz aufgeführt ist. Damit hätte der Versicherungsvertreter der Beklagten, dessen Verhalten sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, im Rahmen einer umfassenden Beratung über eine Kfz-Versicherung auch auf die Möglichkeit einer Fahrerschutzversicherung hinweisen müssen und den Kläger darüber aufklären müssen, welche Risiken dadurch zusätzlich abgedeckt werden können. Der Umstand, dass bezüglich des Fahrerschutzes im Versicherungsschein „Nicht versichert“ vermerkt ist, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er habe nie zuvor von einer Fahrerschutzversicherung gehört und habe mit dem Begriff nichts anfangen können. In der Tat ist das Versicherungsprodukt der Fahrerversicherung unter der Bevölkerung noch nicht so weit verbreitet, dass man davon ausgehen könnte, dass mit dem Schlagwort „Fahrerschutz“ eine konkrete Vorstellung von den damit versicherten Risiken verbunden wäre.

Der Kläger hat auch dargelegt, dass er – wäre er durch den Versicherungsvertreter der Beklagten auf die Möglichkeit einer Fahrerschutzversicherung hingewiesen und über die hierdurch versicherten Risiken beraten worden – auch angesichts der vergleichsweise günstigen Beiträge eine solche Versicherung abgeschlossen hätte.

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