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Kfz-Kaskoversicherung – Verbissschäden durch Mäusebefall

OLG Frankfurt – Az.: 7 U 25/16 – Urteil vom 05.09.2018

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 29. Januar 2016, Az. 2-08 O 233/15 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem vom Kläger bei ihr für sein Fahrzeug der Marke1, amtliches Kennzeichen … zu VS-Nr: … unterhaltenen Fahrzeug-Versicherungsvertrag für den Teilkaskoschaden aus 2014 – Verbissschäden durch Mäusebefall – eintrittspflichtig ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankfurt a. M., Az. 2-08 OH 2/14.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass diese ihm gegenüber aus einem Fahrzeugversicherungsvertrag eintrittspflichtig ist.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine KFZ-Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150,- €. Dem Versicherungsschein vom 17. September 2013 liegen die AKB der Beklagten, Stand 1. April 2012, zugrunde. Darin ist unter Ziff. A.2.2.7 folgende Klausel enthalten:

„Versichert sind Schäden, die unmittelbar durch Tierbiss am Fahrzeug verursacht wurden. Schäden im Fahrzeuginnenraum sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Folgeschäden aller Art sind bis 2000 € mit versichert. Voraussetzung für den Ersatz eines Folgeschadens (z.B. Reparatur/Austausch von Steuergeräten, Lenkungsteilen, Motoren) ist, dass ein Sachverständiger der A, der B oder der C bestätigt, dass der Schaden ursächlich auf den Tierbissschaden zurückzuführen ist.“

Im Frühjahr 2014 brachte der Kläger das versicherte Fahrzeug in die Werkstatt des Zeugen D. Dieser stellte bei Untersuchung des Fahrzeugs fest, dass die Wasserabläufe des Panoramadaches zerbissen, der Kopfairbag auf der Beifahrerseite angefressen und hinter dem Armaturenbrett starke Bissschäden an der Dämmung und an der Isolierung der Verkabelung vorhanden waren. Der Kläger führte nach Leistungsablehnung durch die Beklagte zur Beweissicherung ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-08 OH 2/14) durch, in dessen Rahmen ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Schadenursache, zu weitergehenden Bissschäden und zu den voraussichtlichen Schadenbeseitigungskosten erstellt wurde; die Akte des selbständigen Beweisverfahrens lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Der Sachverständige stellte fest, dass weitere Bissschäden hinter diversen seitlichen Verkleidungsteilen, oberhalb des Dachhimmels und unterhalb des Bodenbelags vorhanden waren, die eindeutig Nagetiere, wahrscheinlich Mäuse, verursacht hätten. Eine Bezifferung des Schadens sei nur vorläufig möglich, weil zur genauen Schadenfeststellung eine teilweise Demontage erforderlich sei.

Der Kläger hat Feststellungsklage zum Landgericht Frankfurt am Main erhoben und vorgebracht, die Beschädigungen seien als Tierbissschäden vom Versicherungsschutz erfasst.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte aus dem vom Kläger bei der Beklagten für sein Fahrzeug der Marke1, amtliches Kennzeichen …, zur Versicherungsscheinnummer: … unterhaltenen Fahrzeug- Versicherungsvertrag für den Teilkaskoschaden aus 2014 – Verbissschäden durch Mäusebefall – eintrittspflichtig ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgebracht, es handele sich um Schäden im Fahrzeuginnenraum, die nach der zitierten Klausel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Schäden nach Satz 2 Ziff. A.2.2.7 der AKB vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen seien, da sie sich im Fahrzeuginnenraum befänden. Der Fahrzeuginnenraum sei nach allgemeinem Sprachverständnis in Abgrenzung zum Motorraum und zur Karosserie zu bestimmen und umfasse den gesamten Bereich, der sich innerhalb des Fahrgast- und Kofferraumes befinde, einschließlich Dämmung, Verkabelung, Karosserieverkleidung, Armaturenbrett usw. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne nicht davon ausgehen, dass mit der Regelung nur der Versicherungsschutz für die sich innenseitig der Karosserieverkleidung befindlichen Teile ausgeschlossen werde. Die Klausel enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur Schäden durch mitgeführte Tiere ausgeschlossen sein sollten. Erkennbarer Zweck der Leistungszusage sei, dass nur Schäden in Bereichen erfasst würden, die für Tiere leicht zugänglich und typischerweise durch Tierbiss gefährdet seien. Dies betreffe insbesondere Schläuche und Kabel im Motorraum und unter dem Fahrzeug.

Gegen das am 3. Februar 2016 zugestellte Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Kläger am 2. März 2016 Berufung eingelegt und diese mittels eines am 1. April 2016 eingegangenen Schriftsatzes begründet.

Kfz-Kaskoversicherung - Verbissschäden durch Mäusebefall
(Symbolfoto: Von romarti/Shutterstock.com)

Der Kläger trägt vor, das Landgericht habe unzureichend zwischen der Risikobeschreibung und der Ausschlussklausel differenziert und außer Acht gelassen, dass für Ausschlusstatbestände besondere, restriktive Auslegungskriterien gälten. Zudem sei das angenommene allgemeine Sprachverständnis nicht ordnungsgemäß festgestellt worden. Der Begriff „Innenraum“ könne nicht weitergehen als das, was von Mensch und Tier zum Zwecke der Nutzung des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel zugänglich sei. Hilfsweise sei die Unklarheitenregelung anzuwenden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2016, Az. 2-08 O 233 / 15, festzustellen, dass die Beklagte aus dem vom Kläger bei der Beklagten für sein Fahrzeug der Marke1, amtliches Kennzeichen …, zur Versicherungsscheinnummer: … unterhaltenen Fahrzeug-Versicherungsvertrag für den Teilkaskoschaden aus 2014 – Verbissschäden durch Mäusebefall – eintrittspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Leistungsbeschreibung umfasse nur Schäden „am“, nicht aber „im“ Fahrzeug. Dies werde durch den zweiten Satz der Klausel nur konkretisiert. Versichert seien nur typische Tierbissschäden, die sich an der Karosserie und im Motorraum fänden. Der Innenraum sei in Abgrenzung hierzu zu verstehen. Die Klausel sei nicht unklar. Der Versicherungsnehmer könne den Kern der Regelung erfassen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger kann die begehrte Feststellung gegenüber der Beklagten verlangen, da diese gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 VVG verpflichtet ist, die Versicherungsleistung aus dem Fahrzeugversicherungsvertrag zu erbringen.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein Feststellungsinteresse, denn er kann sich durch die Feststellung der Eintrittspflicht das Recht offenhalten, das in der Fahrzeugversicherung nach § 14 AKB a.F. (= Ziff. A.2.6 AKB 2015) vorgesehene bedingungsmäßige Sachverständigenverfahren zur Schadenshöhe noch durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1966 – II ZR 225/63, juris).

Das streitgegenständliche Schadensereignis bildet einen versicherten Kaskoschaden im Sinne der AKB der Beklagten. Am Fahrzeug des Klägers ist durch Tierbiss unmittelbar ein Schaden entstanden (Ziff. A.2.2.7 Satz 1 AKB).

Ein unmittelbarer Tierbissschaden entsteht durch die Substanzbeeinträchtigung, die durch die Krafteinwirkung des sich schließenden Gebisses eines Tieres und die schneidenden, reißenden und mahlenden Kaubewegungen hervorgerufen wird. Der Gutachter hat sachkundig ermittelt, dass im Fall des Fahrzeugs des Klägers Nagetiere (wahrscheinlich Mäuse) derart zugebissen haben, dass sie den Schaden verursacht haben.

Der Bissschaden befindet sich auch „am Fahrzeug“ im Sinne der Klausel. Das ortsangebende Schachtelmorphem „am“ (als Zusammenziehung der Präposition „an“ mit dem Artikel „dem“) verweist – unter Berücksichtigung des Auslegungshorizonts eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – nicht lediglich auf die Außenhülle des Fahrzeugs, sondern auf das Fahrzeug als Sachgesamtheit bzw. einheitliche Sache, denn diese ist Gegenstand des in Ziff. A.1.2.1.1 AKB beschriebenen Sachversicherungsschutzes. Andernfalls liefe der Versicherungsschutz in Anbetracht der in der mitteleuropäischen Fauna vertretenen potentiellen Schadtiere und ihrer Bissgewohnheiten gerade im typischen Anwendungsfall praktisch leer, denn Tierbissschäden, die jeder durchschnittliche Versicherungsnehmer und auch die Beklagte als vom versprochenen Schutz erfasst sieht, treten vor allem im Motorraum an durchbissenen Kabeln auf, der ebenfalls nicht „am“, sondern „im“ Fahrzeug liegt. Sämtliche vom Kläger angeführten Schäden befinden sich zudem an grundsätzlich versicherten Teilen des Fahrzeugs.

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, ihre Eintrittspflicht sei ausgeschlossen, weil der Schaden im Innenraum des Fahrzeugs im Sinne der „Innenraumklausel“ nach Ziff. A.2.2.7 Satz 2 AKB eingetreten sei. Hierunter fallen nur solche Schäden, die sich auf der dem Kofferraum und der Fahrgastzelle zugewandten Seite der Innenraumverkleidung befinden. Dies ist für die streitgegenständlichen Schäden zu verneinen.

Klauseln in der KFZ-Kaskoversicherung sind als allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (vgl. OLG Frankfurt, Teilurteil vom 15. Oktober 2014 – 7 U 202/13, juris Rn. 20; Urteil vom 26. Mai 2010 – 7 U 166/09, juris Rn. 12).

Dieser Grundsatz erfährt zwar dann eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, juris Rn. 16). Diese Ausnahme greift vorliegend jedoch nicht. Es handelt sich bei dem Begriff „Innenraum“ weder um einen festen Begriff der Rechtssprache noch um eine den Musterbedingungen des GDV nachgebildete Klausel noch war die spezielle Auslegungsfrage oder eine vergleichbare Bedingung bislang Gegenstand der veröffentlichten Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur. Anders als die bedingungsmäßigen Leistungsausschlüsse in der KFZ-Haftpflichtversicherung (vgl. § 4 KfzPflVV) ist die Klausel auch nicht durch eine gesetzliche Regelung vorgeprägt. Der Begriff „Innenraum“ erscheint in den Musterbedingungen der Fahrzeugversicherung nur bei der „Teileliste“ nach Ziff. A.2.1.2.2 AKB 2015, steht aber dort in anderem Sinnzusammenhang.

Die streitgegenständliche Klausel ist als Risikoausschluss zudem eng auszulegen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Oktober 2016 – 7 U 61/14, juris Rn. 29). Mit Risikoausschlussklauseln, durch die bestimmte, an sich in den durch die Versicherungsart gedeckten Gefahrenbereich fallende Gefahren ausgesondert werden, wird von den Versicherern in der Regel der Zweck verfolgt, ein für den Versicherer nicht überschaubares und berechenbares Risiko auszuklammern, um eine vernünftige Prämienkalkulation durchführen zu können. Dabei darf aber der von dem einzelnen Versicherungsnehmer verfolgte Sicherungszweck nicht außer Acht gelassen werden. Deshalb ist anerkannt, dass Risikoausschlussklauseln nicht weiter ausgedehnt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12. März 2008 – 7 U 224/05, juris Rn. 44; Urteil vom 4. März 1998 – 7 U 212/96, juris Rn. 82).

Daraus, dass A.2.2.7 S. 2 der AKB an die primäre Risikobeschreibung anknüpft und ein bestimmtes Teilrisiko dieser Risikobeschreibung vom Versicherungsschutz ausnimmt, nämlich den Tierbiss im Fahrzeuginnenraum, folgt, dass es sich bei der „Innenraumklausel“ um eine sekundäre Risikoabgrenzung und damit um eine Risikoausschlussklausel handelt, nach der nur ausschnittsweise Deckung nach einer besonderen räumlichen Anknüpfung gewährt wird.

Dabei ist im Hinblick auf den aus der Systematik der Klausel erkennbaren Regelungszweck zu berücksichtigen, dass der Versicherer Deckung gegen alle Tierbissschäden ohne Einschränkung auf bestimmte Tierarten gewährt und damit über dasjenige hinausgeht, was typischerweise im Fall eines „Marderschadens“ das Versicherungsversprechen ausmacht. Nach Ziff. A.2.2.7 S. 3 der AKB werden zudem Folgeschäden unabhängig davon ersetzt, ob sie im Innenraum eintreten oder nicht.

Ein aufmerksamer durchschnittlicher Versicherungsnehmer würde sich aufgrund dieser umfassenden Risikoübernahme im Schadenfall sowie nach der negativen Formulierung („Fahrzeuginnenraum…ausgeschlossen“) nur veranlasst sehen, seine Deckungschancen danach zu beurteilen, ob der Innenraum unmittelbare Bissspuren trägt, im Übrigen aber nicht danach fragen, wie die übrigen Fahrzeugteile gegeneinander abzugrenzen sind und ob dort Folgeschäden eingetreten sind. Als Innenraumschaden wird er all diejenigen Schäden werten, die er ohne Demontage des Fahrzeugs als Bissspuren qualifizieren kann, wenn er einen Blick in die Fahrgastzelle einschließlich des Kofferraumes wirft. Er wird danach als vom Versicherungsumfang nicht erfasste Bissschäden werten, die sich an der sichtbaren Seite der Innenraumverkleidung sowie an Einbauten (vor allem den Autositzen) und Zubehör des Innenraums (z. B. dem Verbandskasten, Fußmatten, Sonnenblenden, dem Ersatzrad etc.) befinden.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass der Innenraum durch Fahrgastzelle und Kofferraum definiert wird und sich im Zwischenraum hinter der Verkleidung Lüftungselemente, Klimaanlage, Kabel, Sicherheitseinrichtungen sowie Bordelektronik befinden, die zur Strom- und Datenversorgung durch Kabel mit der Lichtmaschine im Motorraum verbunden sind bzw. einen Luftschacht zum Motorraum aufweisen. Diesen Zwischenraum wird er als dem Motorraum funktionsverwandten technischen Bereich vom komfortabel durch Menschen benutzbaren und zugänglichen Innenraum abgrenzen. Kein vernünftiger Versicherungsnehmer würde zudem annehmen, dass sich mit dem Motorraum verbundene und vom Motorraum ausgehende Kabel ab dem Punkt an als nicht versichert erweisen, wenn sie diesen verlassen, dabei aber für den Versicherungsnehmer weiterhin unsichtbar verkleidet bleiben, es sei denn, die Klausel enthielte eine ausdrückliche Begrenzung des Versicherungsschutzes auf den Motorraum (vgl. zur Wendung „innerhalb“ des Gebäudes in den VGB 88: OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Oktober 1996 – 7 U 295/95, NJW-RR 1997, 1458, 1459). Auch wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung des zunehmend komplexeren Fahrzeugaufbaus und tendenzieller Abnahme technischer Strukturkenntnisse in der Bevölkerung nicht über das Wissen verfügen, um die von ihm nicht einsehbaren Teile gegeneinander sinnvoll technisch abzugrenzen.

Ein anderes Auslegungsergebnis folgt nicht aus dem gemeinen Wortsinn der Klausel. Die Wortlautauslegung ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht hinreichend ergiebig. Nach der Duden’schen Bedeutungsübersicht bezeichnet „Innenraum“ einen ringsum [von Wänden] umschlossenen, im Inneren von etwas liegenden, das Innere von etwas bildenden Raum (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Innenraum). Damit ist ein erheblicher Auslegungsspielraum eröffnet, weil die (gedachte) Grenze zwischen Innen und Außen nicht eindeutig feststeht. Dasselbe gilt für die Definition in Wikipedia, nach der der Innenraum ein Raum sei, der vor Witterungseinflüssen geschützt und zu großen Teilen umbaut sei (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Innenraum). Auch der unzweifelhaft vom Versicherungsschutz umfasste Motorraum ist im Wesentlichen umbaut und vor Witterungseinflüssen geschützt, nicht aber, da er von unten zugänglich ist, vor Tierbissschäden.

Auch allgemeine Risikoüberlegungen, unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks der Klausel, gestatten kein Auslegungsergebnis im Sinne des von der Beklagten vertretenen Verständnisses der Bedingung. Weder die generelle Schadenshäufigkeit noch die typischen Schadensbeseitigungskosten (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Oktober 1996 – 7 U 295/95, NJW-RR 1997, 1458, 1459) im hier betroffenen Fahrzeugbereich zwischen Karosserie und Fahrgastzelle sind derart hoch, dass sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aufdrängen müsste, dass sich bei Schäden, wie den streitgegenständlichen, ein für den Versicherer unkalkulierbares Risiko realisieren würde, das ersichtlich von der Deckung ausgeschlossen sein sollte.

Die Schadenshäufigkeit des für kleine Nagetiere frei zugänglichen Motorraums ist sogar höher einzuschätzen als im Zwischenraum. Tierbissschäden, insbesondere „Marderbisse“, treten vor allem im Motorraum auf, der besonders schadensanfällig ist. Dasselbe gilt für die generelle Schadenanfälligkeit im frei zugänglichen Innenraum. Mit diesem Bereich der Fahrgastzelle und des Kofferraums können mitgeführte Tiere bestimmungsgemäß in Kontakt kommen. Der Zwischenbereich, um den es hier geht, ist demgegenüber sowohl durch die Außenhaut als auch durch die Innenraumverkleidung geschützt, sodass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer annehmen wird, ein im Vergleich zu Motorraum und Innenraum im engeren Sinne weniger schadenanfälliger Bereich sei jedenfalls vom Versicherungsschutz gedeckt.

Auch die Schadenshöhe ist im Zwischenraum nicht generell größer als bei sonstigen Tierbissschäden außerhalb des Innenraums. Dies mag für typische Marderschäden zutreffen, die sich, soweit keine Folgeschäden eintreten, üblicherweise im Rahmen der Selbstbeteiligung halten. Eine Einschränkung auf bestimmte Tierarten und deren typisches Bissverhalten nimmt die Klausel aber gerade nicht vor. Es sind daher auch Konstellationen zu berücksichtigen, bei denen erhebliche Schäden an allen Fahrzeugteilen entstehen können. Solche Schäden kommen gelegentlich im räumlichen Geltungsbereich der KFZ-Teilkaskoversicherung vor, so beispielsweise in Schlitz im Vogelsberg, wo im Jahr 2016 ein Esel namens „Fitus“ einen orangenfarbenen McLaren 650S Spider annagte, weil er diesen, so die Mutmaßung der Öffentlichkeit, für eine Karotte gehalten haben soll, wodurch ein Schaden in vergleichbarer Höhe wie vorliegend entstand (vgl. FAZ v. 28.9.2017).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger war aufgrund der Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren bei identischem Gegenstand in der Hauptsache erfolgreich, sodass die Beklagte auch die Kosten des Beweisverfahrens zu tragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

 

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