Eine Fahruntüchtigkeit mit Folgen: Teilschuld bei Unfall unter Alkoholeinfluss
In einer komplexen rechtlichen Auseinandersetzung verklagte ein Fahrer seine Versicherungsgesellschaft auf volle Übernahme der Reparaturkosten nach einem Unfall. Trotz vorliegender Vollkaskoversicherung war das Urteil des Landgerichts Mosbach zugunsten der Versicherung, welche nur 50% der Kosten übernahm. Im Zentrum des Streits stand eine entscheidende Frage: Welche Rolle spielte der alkoholbedingte Fahrzustand des Klägers bei dem Unfall?
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Übersicht
Ein Unfall zu Neujahr
Der Kläger war Eigentümer eines Toyota, mit dem er an Neujahr 2020 einen Unfall hatte. Er fuhr auf einer Landstraße, kam von der Fahrbahn ab und landete im Straßengraben, wodurch das Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Der Unfall ereignete sich in einer langgezogenen Linkskurve, die laut Kläger schwierig zu befahren und bekannt für Unfälle ist.
Alkoholkonsum im Fokus
Ein wesentlicher Aspekt der Kontroverse war der Zustand des Fahrers zur Unfallzeit. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration von 0,55 Promille festgestellt. Für dieses Delikt wurde der Kläger in einem separaten Gerichtsverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt.
Versicherungsleistungen und Fahrlässigkeit
Der Kläger forderte die volle Deckung der Reparaturkosten von seiner Versicherung. Diese argumentierte jedoch, dass der Fahrer zum Unfallzeitpunkt alkoholbedingt fahruntüchtig war und deshalb grob fahrlässig gehandelt habe. Sie entschied, lediglich die Hälfte des Schadens zu decken.
Eine strittige Linkskurve
In seiner Verteidigung behauptete der Kläger, die Unfallstelle sei schwierig zu befahren, mit starken Fliehkräften, die ein Fahrzeug in der Kurve nach rechts ziehen würden. Er argumentierte, dass die physikalischen Gegebenheiten und nicht seine Trunkenheit der Hauptgrund für den Unfall gewesen seien.
Landgerichts Entscheidung
Trotz der Behauptungen des Klägers entschied das Gericht zugunsten der Versicherung. Die Klage wurde abgewiesen, und der Kläger musste die Kosten des Rechtsstreits tragen. Die Entscheidung unterstreicht die ernsten rechtlichen Konsequenzen, die mit Fahruntüchtigkeit durch Alkoholkonsum einhergehen können.
Das vorliegende Urteil
LG Mosbach – Az.: 7 O 32/20 – Urteil vom 22.01.2021
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
4. Der Streitwert des Rechtsstreits wird festgesetzt auf 5.980,19 €.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Vollkaskoversicherung.
Zwischen den Parteien besteht eine Kfz-Versicherung im Tarif Kfz-Police-Plus mit eingeschlossener Vollkaskoversicherung. Die Selbstbeteiligung in der Vollkaskoversicherung beträgt 300,00 €. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB mit Stand vom 01.07.2019 zugrunde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein vom 31.01.2020 verwiesen (AH, AS 25 ff).
Der Kläger ist Eigentümer des Fahrzeuges Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 01.01.2020 gegen 1 Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Fahrzeug auf der L 585 in Fahrtrichtung Buchen auf der Fahrt von Unterneudorf nach Buchen. Eingangs einer langgezogenen Linkskurve mit dem Verkehrszeichen VZ 625 kam der Kläger mit seinem Fahrzeug rechts von der Fahrbahn ab, fuhr etwa 70 m auf dem Grünstreifen, überfuhr dabei ein Verkehrszeichen VZ 625 und blieb mit seinem Fahrzeug im Straßengraben an einer Böschung stehen. Hierbei wurde das Fahrzeug beschädigt.
Der Kläger hielt einen vorbeifahrenden Fahrzeugführer an, der ihn nach Hause brachte. Von dort aus informierte der Kläger die Polizei über das Unfallereignis. Aufgrund festgestellter Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l (um 1:17 Uhr) wurde dem Kläger um 1:50 Uhr eine Blutprobe entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 0,55 Promille ergab.
Der Kläger ließ sein Fahrzeug bei der Firma … GmbH instand setzen. Hierfür wurden ihm Reparaturkosten in Höhe von 11.960,37 € in Rechnung gestellt (Anlage 2, AH, AS 7 ff).
Mit Schreiben vom 19.05.2020 teilte die Beklagte mit, den Fahrzeugschaden in Höhe von 50 % zu regulieren, da der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei und deshalb grob fahrlässig gehandelt habe. In der Folge zahlte die Beklagte auf den Fahrzeugschaden an den Kläger 5.830,19 €.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Buchen vom 17.06.2020 (1 Cs 25 Js 2012/20) wurde der Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von 8 Monaten angeordnet.
Der Kläger behauptet, bei der Unfallstelle handele es sich um eine äußerst schwierig zu befahrende Linkskurve auf abschüssiger, bergab führender Wegstrecke und schräg nach rechts abfallender Fahrbahn. Aufgrund der besonderen Fliehkräfte, denen ein Fahrzeug in der Kurvenfahrt ausgesetzt sei, komme es im Bereich der Schadenstelle immer wieder zu Verkehrsunfällen teilweise mit sogar tödlichem Ausgang. Schon allein aufgrund der physikalischen Gegebenheiten bewege sich jedes Fahrzeug, das die Kurve in Fahrtrichtung des Klägers durchfahre, aufgrund der Fliehkräfte nach rechts in Richtung Fahrbahnrand. Der Kläger habe auf das Geschehen angemessen reagiert, indem er sich nach dem Abkommen von der Fahrbahn dazu entschlossen habe, nicht spontan nach links zu lenken, um auf der schrägen Fahrbahn kein Querstellen des Fahrzeugs mit Überschlag zu provozieren. Bei der Fahrt sei der Kläger in keiner Weise durch den von ihm konsumierten Alkohol beeinträchtigt gewesen. Dies ergebe sich sowohl aus den Feststellungen im Rahmen des Blutentnahmeprotokolls als auch aus dem intaktes Handlungs- und Denkvermögen voraussetzenden Verhaltens des Klägers nach dem Unfall. Auch ein alkoholbedingter Fahrfehler sei auszuschließen. Er sei gerade nicht alkoholbedingt im Kurvenbereich geradeaus gefahren, sondern habe die Kurve erkannt und ordnungsgemäß in die Kurve eingesteuert. Die Tatsache, dass in der streitgegenständlichen Linkskurve ein Fahrzeug nach rechts an den Rand der Fahrbahn und dann in den Grünstreifen gerate, könne jedem Fahrzeugführer auch ohne alkoholische Beeinflussung passieren. Hinzukomme, dass sich der Unfall bei Nacht und damit eingeschränkten Sichtverhältnissen ereignet habe.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe Anspruch auf Leistungen aus der Vollkaskoversicherung. Unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 150,00 € und der vorgerichtlichen Zahlung von 5.830,19 € stehe dem Kläger bedingungsgemäß ein restlicher Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 5.980,19 € zu. Die Beklagte befinde sich seit ihrem Ablehnungsschreiben vom 19.05.2020 in Verzug.
Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, 5.980,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 19.05.2020 an die … GmbH, …, … auf deren Konto IBAN: … zur Rechnungs-Nr.: … zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe den Versicherungsfall grob fahrlässig verursacht. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalles alkoholbedingt fahruntauglich gewesen, was sich dem Kläger auch habe aufdrängen müssen. Schon die festgestellte BAK von 0,55 Promille sei für sich genommen für einen Normaltrinker schon unübersehbar. Das gelte umso mehr, als sich der Unfall weit nach Mitternacht ereignet habe, weshalb die alkoholische Beeinflussung stoffwechselbedingt noch deutlicher spürbar gewesen sei. Auch der Unfallverlauf zeige unübersehbare und deutliche Ursachen einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit. Der Kläger sei bei unproblematischer Verkehrssituation mit einem hervorragend funktionierenden und ausgerüsteten Fahrzeug ohne jede Verkehrsbeeinträchtigung oder Einfluss anderer Verkehrsteilnehmer in einer völlig unproblematischen langgezogenen Linkskurve bei griffiger und trockener Fahrbahn nach rechts von der Fahrbahn abgekommen. Er habe völlig reaktionslos 70 m auf dem Grünstreifen zurückgelegt, bis er im Graben massiv abgebremst worden sei. Aus rechtsmedizinischer Sicht seien gerade das zu späte Erkennen einer Kurve und die Fehleinschätzung von Kurvenverlauf und Kurvenradius alkoholtypische Fehlleistungen. Zudem habe der Kläger im Rahmen des Strafverfahrens als Angeklagter im Rahmen der Hauptverhandlung eingeräumt, das Lenkrad losgelassen zu haben. Auch hierbei handele es sich um eine alkoholbedingte Fehlleistung.
Die Beklagte ist der Ansicht, wegen der grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles sei eine Kürzung des Schadens um 50 % gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat den Kläger im Termin vom 07.01.2021 informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.01.2020 (AS. 83 ff.) verwiesen. Die Strafakte des Amtsgerichts Buchen zum Aktenzeichen 1 Cs 25 Js 2012/20 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen aus dem Kfz-Versicherungsvertrag zu, nachdem sich die Beklagte zu Recht auf eine Leistungskürzung in Höhe von 50 % wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles infolge relativer Fahruntüchtigkeit berufen hat, § 81 Abs. 2 VVG i.V.m. A. 2.6.7 lit. b AKB.
1. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Vollkasko-Versicherungsvertrag zustande gekommen. Versichertes Ereignis in der Vollkaskoversicherung ist gemäß A.2.3.2 AKB die Beschädigung des Fahrzeugs durch ein Unfallereignis.
2. Die Beklagte ist nach § 81 Abs. 2 VVG in Verbindung mit A.2.6.7 lit. b AKB berechtigt, die bedingungsgemäße Leistung um 50 % zu kürzen, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Zwar hat die Beklagte in A.2.6.7 lit. b AKB gegenüber dem Kläger bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet. Gemäß Satz 2 dieser Regelung gilt dies jedoch nicht, soweit der Schaden infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel herbeigeführt worden ist. In diesem Fall ist die Beklagte nach § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis die Leistung zu kürzen.
Die Beklagte hat den Nachweis grober Fahrlässigkeit geführt.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei muss es sich auch in subjektiver Hinsicht um ein unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH VersR 2003, 364).
Bei absoluter Fahruntüchtigkeit unter Überschreitung des Grenzwertes von 1,1 Promille ist grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit auszugehen. In diesem Fall wird im Wege des Anscheinsbeweises auch die Kausalität zwischen Alkoholbeeinflussung und Herbeiführung des Versicherungsfalles vermutet. Zur Entkräftung muss der hierfür beweispflichtige Versicherungsnehmer Umstände nachweisen, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt. Das Führen eines Kfz in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand stellt einen groben Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, so dass daraus in der Regel auch das gesteigerte Verschulden folgt.
Bei einer – wie hier – unter 1,1 Promille liegenden Alkoholisierung (relative Fahruntüchtigkeit) folgt die Fahruntüchtigkeit nicht allein aus dem Grad der Alkoholisierung. Zur Feststellung der relativen Fahruntüchtigkeit müssen zusätzliche Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hinzukommen, insbesondere alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen. Die relative Fahruntüchtigkeit ist vom Versicherer zu beweisen, ohne das kraft Anscheinsbeweises auf die Fahruntüchtigkeit geschlossen werden kann. Erforderlich sind vielmehr individuelle Feststellungen. Die Anforderungen an die Beweisanzeichen für das Vorliegen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen sind umso geringer, je stärker sich der Blutalkoholgehalt der Grenze von 1,1 Promille annähert. Der Anscheinsbeweis gilt allerdings für die Frage der Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Unfall (OLG Hamm NZV 1994, 112).
Beim Kläger lag zum Unfallzeitpunkt eine Alkoholisierung in Höhe von mindestens 0,55 Promille vor.
Ausweislich des im Urkundenbeweis verwerteten Blutalkoholgutachtens des Universitätsklinikums Heidelberg vom 09.01.2020 (beigezogene Strafakte, AS. 13) ergab die Blutprobenuntersuchung einen Alkoholgehalt zum Entnahmezeitpunkt (01.01.2020, 1:50 Uhr) von 0,55 Promille. Zweifel an der Wirksamkeit der Blutprobenerhebung bestehen nicht. Die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration erfolgt nach den für das Strafrecht aufgestellten Regeln (Stiefel/Meyer, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., 2017, A.2. AKB, Rdnr. 967). Das gilt auch für die Rückrechnung. Eine Rückrechnung des Blutentnahmewertes auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles mit einem gleichbleibenden Abbauwert von 0,1 Promille ist erst nach dem Ende der Resorptionsphase zwei Stunden nach Trinkende zulässig (BGH VersR 1990, 1269). Nach den Angaben des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat er zuletzt um 22:00 Uhr alkoholische Getränke zu sich genommen. Der Unfall ereignete sich damit schon nach Ablauf der Resorptionsphase von zwei Stunden nach Trinkende. Die Rückrechnung vom Zeitpunkt der Erhebung der Blutprobe (1:50 Uhr) auf den Unfallzeitpunkt um 1:00 Uhr ergäbe damit sogar eine Blutalkoholkonzentration von 0,65 Promille.
Über die Blutalkoholkonzentration hinaus lagen beim Kläger zum Unfallzeitpunkt zusätzliche Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vor.
Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen konnten indessen beim Kläger nicht festgestellt werden. Ausweislich des urkundlich verwerteten Blutentnahmeprotokolls vom 01.01.2020 (beigezogene Strafakte, AS. 11) lagen beim Kläger bei Erhebung der Blutprobe keine alkoholtypischen Beeinträchtigungen vor. Die Einzelerhebungen lagen durchweg im unauffälligen Bereich. Nach dem Eindruck der die Blutentnahme durchführenden Ärztin war von einer leichten äußerlich wahrnehmbaren Alkoholbeeinflussung auszugehen. Auch das gesamte Verhalten des Klägers nach dem Unfall (Anhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zur Heimfahrt, Anzeige des Unfalls bei der Polizei) lässt nicht auf alkoholtypische Ausfallerscheinungen schließen.
Der Beklagten ist jedoch der Nachweis gelungen, dass der Unfall vom 01.01.2020 auf einem alkoholbedingten Fahrfehler beruht.
Ausweislich der im Strafverfahren angefertigten Lichtbilder (beigezogene Strafakte AS. 24-15) sowie der polizeilich angefertigten Unfallskizze (beigezogene Strafakte AS. 7), die nach Angaben des Klägers bei seiner informatorischen Anhörung die Unfallstelle zutreffend wiedergeben, liegt die Unfallstelle am Beginn einer langgezogenen Linkskurve, die in Fahrtrichtung des Klägers bergab führt und auch leicht nach rechts abfällt. Der Kurvenverlauf ist mit Verkehrszeichen 625 gemäß der Anlage 4 zu § 43 Abs. 3 StVO beschildert, womit auf dauerhafte Hindernisse oder sonst gefährliche Stellen hingewiesen wird. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung besteht im Übrigen an der Unfallstelle nicht. Unstreitig ist der Kläger bei übersichtlicher Verkehrsführung, ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Hindernisse auf der Fahrbahn eingangs der Linkskurve von der Fahrbahn nach rechts in den Grünstreifen abgekommen. Grundsätzlich ist schon ein solches Abkommen von der Straße ein allgemein ungewöhnlicher grober Fahrfehler, selbst in dem mit Verkehrszeichen 625 gekennzeichneten Kurvenbereich, der beim alkoholisierten Fahrer den Schluss auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zulässt (OLG Saarbrücken, Urt. v. 15. 12. 1999 – 5 U 589/9942; OLG Hamm, 1994, ZfSch 1994, 133, 134; OLG Köln, SP 1996, 396; OLG Saarbrücken NZV 2004, 530). Dafür dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kurve eingefahren ist, haben sich – auch bei der informatorischen Anhörung des Klägers, wonach er seiner Schätzung zufolge mit 60-70 km/h in die Kurve eingefahren sei – keine Anhaltspunkte ergeben. Dass der Kläger allerdings, wie von der Beklagten behauptet, bei der Fahrt das Lenkrad losgelassen habe, konnte die Beklagte nicht nachweisen. Diese Behauptung, die auf den protokollierten Angaben des Klägers als Angeklagter im Rahmen der Hauptverhandlung beim Amtsgericht Buchen beruhte (beigezogene Strafakte, AS. 93), hat der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung widerlegt. Im Grünstreifen neben der Fahrbahn hat der Kläger etwa 70 m zurückgelegt und hierbei das Verkehrszeichen VZ 625 überfahren. Dass der Kläger auf das Abkommen der Fahrbahn oder das Überfahren des Verkehrszeichens reagiert hat, lässt sich den lichtbildlich dokumentierten Fahrspuren (beigezogene Strafakte, AS. 24-15) nicht entnehmen. Sie zeigen ein gleichmäßig geradeaus verlaufendes, Lenkbewegungen oder ein abruptes Bremsen ausschließendes Spurenbild. Der Kläger ist erst im angrenzenden Graben im Böschungsbereich zum Stehen gekommen. Umstände, die das Abkommen des Klägers von der Fahrbahn und seine völlige Reaktionslosigkeit erklären könnten, sind mit Ausnahme einer alkoholbedingten Herabsetzung seines Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögens nicht ersichtlich. Vielmehr zeigt das gesamte Unfallgeschehen in Gestalt eines gravierenden Fahrfehlers bei Ausscheiden äußerer Ursachen für den Unfallverlauf auf, dass das Schadenereignis auf eine alkoholbedingte Fehlleistung des Klägers wegen Herabsetzung seines Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögens zurückzuführen ist.
Eine andere denkbare Ursache für den konkreten Unfallverlauf hat der Kläger schon nicht schlüssig dargelegt. Zwar kann dann, wenn ein Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, einen plausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahn anzugeben, daraus keine Umkehr der Beweislast abgeleitet werden. Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nicht jede beliebige Erklärung eines Kraftfahrers, durch welche alkoholunabhängige Ursache es zu dem Unfall gekommen sein soll, genügt, um eine Leistungskürzung nach § 81 VVG, für die der Versicherer beweisbelastet ist, auszuschließen. Vielmehr muss die Darlegung des Versicherungsnehmers einen alkoholunabhängigen Geschehensablauf plausibel erklären. Es muss – mit zunehmender Höhe des Blutalkoholgehalts gewichtigere – Anhaltspunkte dafür geben, dass die Erklärung des Unfallverlaufs nicht fern liegt, sondern eine denkbare Möglichkeit darstellt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 7. 4. 2004 – 5 U 688/03-66 – NZV 2004, 530). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Dass das Abkommen von der Fahrbahn allein auf die vom Kläger geschilderten Fliehkräfte im Kurvenbereich bei nach rechts abfallender Fahrbahn zurückzuführen gewesen ist, konnte vom Gericht schon auf Grundlage der aussagekräftigen Lichtbilder der Linkskurve im Bereich der Unfallstelle ausgeschlossen werden, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eines Augenscheins an der Unfallstelle bedurfte. Die Lichtbilder zeigen eine gut ausgebaute, langgezogene Linkskurve, die ein leichtes Gefälle aufweist. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Streckenführung für einen sorgfältigen und pflichtgemäß handelnden Fahrzeugführer nicht gefahrlos zu bewältigen wäre. Nachdem der Kläger eingangs der Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen ist, konnten Fliehkräfte bei der Kurvenfahrt, wie vom Kläger behauptet, schon nicht wirksam geworden sein, zumal Fliehkräfte im Kurvenbereich bei den Straßenverhältnissen angepasster Fahrweise auch beherrschbar sind. Allerdings stellen gerade das zu späte Erkennen einer Kurve und die Fehleinschätzung von Kurvenverlauf und Kurvenradius alkoholtypische Fehlleistungen dar (OLG Hamm r+s 1994, 374; Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. A.2.9 Rn. 52). Nach den gesamten örtlichen Umständen an der Unfallstelle und dem konkreten Unfallverlauf ist ein nachvollziehbarer Grund für das Abkommen von der Fahrbahn und das Unfallgeschehen mit Ausnahme eines alkoholbedingten Fahrfehlers des Klägers nicht erklärlich.
Es besteht danach kein Zweifel daran, dass der Kläger gerade wegen seiner Alkoholisierung im Bereich einer Linkskurve geradeaus gefahren ist, das Verkehrszeichen überfahren hat und im Böschungsbereich zum Stehen gekommen ist und hierdurch den Versicherungsfall verursacht hat. Eine Alkoholbeeinflussung von mindestens 0,55 Promille ist für den Normaltrinker auch unübersehbar. Es ist für jeden pflichtgemäß Handelnden und damit auch für den Kläger offensichtlich, dass beim Konsum von Alkohol im Zusammenhang mit den Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr ein hohes Unfallrisiko mit beträchtlichem Schadensumfang für die versicherte Sache besteht. Indem er sich gleichwohl alkoholisiert ans Steuer gesetzt hat, ist ihm auch in subjektiver Hinsicht ein gesteigerter Vorwurf zu machen, da er besonders leichtsinnig und sorglos gehandelt hat.
3. Die Kürzung des Leistungsanspruchs des Klägers um 50 % entspricht der Schwere seines Verschuldens.
Die Kürzung im Verhältnis der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers hat unter wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu erfolgen. Das gilt auch bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit (BGH NJW 2011, 3299). Hierbei ist maßgeblich die jeweilige Blutalkoholkonzentration zu berücksichtigen, die mit mindesten 0,55 Promille dem noch unteren Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit zuzurechnen ist. Nachdem beim Kläger keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen erkennbar geworden sind, war auch der Grenzbereich zu einem Eventualvorsatz bei der Trunkenheitsfahrt nicht eröffnet. Das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (BGH NJW 2011, 3299). Auch der Kläger ist wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Verstoß gegen seine Pflichten als Fahrzeugführer war für den Kläger auch offenkundig. Es war für den Kläger unübersehbar, dass durch das Führen des Fahrzeugs in alkoholbedingt fahruntauglichen Zustand ein hohes Unfallrisiko mit beträchtlichem Schadensumfang für die versicherte Sache besteht. Dieses Risiko hat sich im Streitfall auch realisiert. Bei dem Unfall ist die Sache nicht unerheblich beschädigt worden. Die Gesamtwürdigung der dargestellten Gesichtspunkte ergibt, dass die von der Beklagten vorgenommene Kürzung von 50 % angemessen ist. Besondere Einzelfallumstände, die zu einem geringeren Verschulden führen, sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
4. Ausgehend von dem Kürzungsrecht des Versicherers hat der Kläger keinen weitergehenden Anspruch auf Versicherungsleistungen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 2 ZPO.
III.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 GKG, 3 ZPO und bestimmt sich nach dem Leistungsinteresse des Klägers in Höhe von 5.980,19 €.