AG Hagen (Westfalen) – Az.: 11 C 141/19 – Urteil vom 29.05.2020
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 439,83 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.3.2020 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 83,54 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat überwiegend Erfolg.
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 439,83 EUR aus Ziff. A.2.2.1.7 i.V. m. der Reparaturkostenklausel der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen.
Gemäß Ziff. A.2.2.1.7 S. 1 der Versicherungsbedingungen sind alle unmittelbar durch Marderbiss verursache Schäden am Fahrzeug versichert. Gemäß Ziff. A.2.2.1.7 S. 3 der Versicherungsbedingungen sind, wenn der Versicherungsnehmer die KOMPLETT-Deckung mit der Beklagten vereinbart hat, zusätzlich versichert […] Folgeschäden nach einem Marder- oder anderem Tierbiss bis maximal 3.000 EUR. Gemäß der Reparaturkostenklausel der Versicherungsbedingungen sind im Fall einer Reparatur die für die Reparatur erforderlichen Kosten zu erstatten.
Bei den noch offenen 439,83 EUR handelt es sich um für die Reparatur erforderliche Kosten nach einem Marderbiss. Hierfür kann offenstehen, ob die bei der Reparatur durch die Firma B GmbH ebenfalls vorgenommene Erneuerung des Zylinderkopfdeckels auf einer unsachgemäßen Reparatur durch diese beruhte. Denn entscheidend für die Ersatzpflicht der Kaskoversicherung ist, welche Kosten dem Versicherungsnehmer nach sorgfältiger Auswahl der Werkstatt entstanden sind. (Stiefel/Maier/Meinecke AKB 2015 Rn. 572), das Werkstattrisiko für eine nicht sachgerechte Reparatur trägt die Beklagte. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten für die Auslegung, welche Kosten als für die Reparatur erforderlich im Sinne von A.2.7.1 AKB 2008 anzusehen sind, die allgemeinen Maßstäbe. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind […] In dem Verständnis, dass es für die Frage der Erforderlichkeit der Kosten nicht ausschließlich auf die technisch einwandfreie Instandsetzung des Fahrzeugs ankommen muss, wird sich der Versicherungsnehmer durch den Zweck der Versicherung bestärkt sehen. Mit dem Abschluss einer Fahrzeugkaskoversicherung erstrebt er in der Regel nicht nur den Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens bei selbst verschuldeten Unfällen, sondern auch die Befreiung vom Risiko der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Unfallgegner bei unklarer Haftungslage. Die Praxis zeigt, dass Versicherungsnehmer es in derartigen Fällen vielfach vorziehen, ihren Fahrzeugschaden beim eigenen Kaskoversicherer zu regulieren und diesem die Prüfung eines Regresses beim Unfallgegner zu überlassen. Dass der Umfang ihres Anspruchs gegen den Versicherer insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadenfall von einem haftpflichtigen Unfallgegner verlangt werden kann, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff der erforderlichen Kosten jedenfalls nicht entnehmen (BGH, Urteil vom 11.11.2015 – IV ZR 426/14). Im Fall eines Ersatzanspruches nach §§ 7, 18 StVG, 249 BGB ist anerkannt, dass der Schädiger das Werkstattrisiko, also auch das Risiko einer nicht sachgerechten Reparatur, trägt: Ein Geschädigter, der das Unfallfahrzeug selbst zur Reparatur gibt, kann gem. § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen. Erforderlich ist der Geldbetrag, der vom Standpunkt eines verständigen wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeuges zweckmäßig und angemessen erscheint. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insofern geht das Werkstattrisiko zu Lasten des Schädigers. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn dem Geschädigten bei der Wahl der Reparaturwerkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 – 9 U 168/94). Ein Auswahlverschulden des Klägers ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. Der Anspruch auf Freistellung nach § 257 S. 1 BGB hat sich auch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Denn die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt. Mit der Verweigerung jeder weiteren Zahlung – wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.4.2020 vorgetragen und von der Beklagten unbestritten – hat die Beklagte zugleich auch die geschuldete Freistellung dem Grunde nach ernsthaft und endgültig verweigert. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur Freistellung des Klägers verletzt. Diese Pflichtverletzung berechtigt den Kläger gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB, statt der Freistellung Schadensersatz in Geld zu verlangen. Die an sich nach § 250 S. 1 BGB erforderliche Ablehnungsandrohung wird dabei durch die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Freistellung entbehrlich gemacht.
Der Zinsanspruch seit dem 13.3.2020 folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
Der Kläger kann aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB verlangen, von den nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten als Teil seiner Rechtsverfolgungskosten freigestellt zu werden, indem die Beklagten diese Kosten in Höhe von 83,54 EUR direkt an die Klägervertreter entrichten. Bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers befand sich die Beklagte – wie vom Kläger in der Klageschrift vorgetragen und von der Beklagten unbestritten – in Verzug. Die Höhe der zugesprochenen Rechtsanwaltskosten richtet sich nach der Höhe des dem Kläger zugesprochenen Betrags, berechnet sich mithin aufgrund eines Streitwertes in Höhe von 439,83 EUR, einer 1,3 Geschäftsgebühr, Nebenkosten in Höhe von 20,00 EUR sowie der Mehrwertsteuer in Höhe von 19%. Ein Zahlungsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Der Kläger hat nicht behauptet, dass er die Beklagte zur Freistellung von den oder Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgefordert hätte und diese die Freistellung oder Zahlung verweigert hätte.
Ein Zinsanspruch der Kläger gegen die Beklagte bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten besteht nicht. § 288 Abs. 1 BGB setzte eine Geldschuld voraus und ist auf einen Freistellungsanspruch nicht anwendbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 439,83 EUR festgesetzt.