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Kfz-Kaskoversicherung – Beschränkung der Entschädigungsleistung bei Fahrzeugverlust

OLG Dresden – Az.: 4 U 1002/17 – Urteil vom 28.11.2017

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 07.06.2017, Az. 3 O 1879/16 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.

II. Die Kosten beider Instanzen trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.876,00 EUR festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere entspricht sie §§ 517, 519 und 520 ZPO. Sie hat auch Erfolg. Anders als das Landgericht angenommen hat, ist die streitgegenständliche Klausel in C 3.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im folgenden AVB) der Beklagten nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam (1.). Ob der Kläger wegen der von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen einen Anspruch auf eine weitergehende Leistung aus der streitgegenständlichen Kaskoversicherung hat, bedarf mangels Durchführung des Sachverständigenverfahrens (C.14 AVB) keiner Entscheidung. Die Klage war vielmehr als derzeit unbegründet abzuweisen (2).

1. Grundlage für die vom Kläger begehrte weitergehende Leistung aus der streitgegenständlichen Versicherung ist die Regelung unter C.3.3. AVB mit der Überschrift „Kaufpreisentschädigung für Gebrauchtfahrzeuge“. Danach zahlt die Versicherung „in der Vollkaskoproduktlinie Klassik“ im Fall des Verlust des Fahrzeugs „den Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge nach C.1.4.“. Dieser ist durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisen und auf den von einem KfZ-Sachverständigen nach Schwacke.net ermittelten rechnerischen Wiederbeschaffungswert im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung auf den Versicherungsnehmer begrenzt, wobei der Zustand unmittelbar vor Schadenseintritt zugrunde gelegt wird. Die vom Landgericht geäußerten Bedenken an der Verständlichkeit dieser Vorschrift sind nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt. Die Klausel entspricht insbesondere den Erfordernissen des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (zuletzt BGH, Urteil vom 15.2.2017 – IV ZR 91/16, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 13.1.2016 – IV ZR 38/14, VersR 2016, 312, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 4.3.2015 – IV ZR 128/14, VersR 2015, 571 juris Rn. 14; BGH, Beschluss vom 11.2.2009 – IV ZR 28/08, VersR 2009, 533, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 9.12.2015 – VIII ZR 349/14, NJW 2016, 2101, juris Rn. 29). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind hierbei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15.2.2017 – IV ZR 91/16 -, a.a.O., juris Rn. 17).

Der verständige Versicherungsnehmer entnimmt der Regelung unter C.3.3., dass u.a. bei einem Verlust seines Fahrzeugs je nach gewähltem Tarif eine „Kaufpreisentschädigung für Gebrauchtfahrzeuge“ erstattet wird, deren Höhe sich nach der Versicherungsbedingung unter C.1.4. richtet. Anders als das Landgericht angenommen hat, handelt es sich bei der Regelung unter C.3.3. dabei nicht um eine Sonderbedingung, die den Begriff des „Kaufpreises“ definiert und damit anderen Bestimmungen vorgeht. Durch den Verweis auf die Bedingungen unter C.1.4. wird vielmehr klargestellt, dass sich dieser unter Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen in der Tarifvorschrift „unsere Leistungen“ definiert. Geht der Versicherungsnehmer diesem Verweis nach, wird er daher erkennen, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Versicherungsentschädigung zwar der durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisende Kaufpreis ist, dass dieser aber nach oben durch den von einem Sachverständigen auf der Grundlage der Schwacke-Liste zu ermittelnden Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung begrenzt ist. Für den Versicherungsnehmer, der das Bedingungswerk aufmerksam liest, ist damit klar ersichtlich, dass der Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge in C. 3.3. nicht in jedem Fall mit dem vertraglichen Kaufpreis identisch ist. Eine Unklarheit der Versicherungsbedingungen in dem Sinne, dass ein im täglichen Leben gängiger Begriff mit einem völlig anderen Inhalt aufgeladen würde, liegt hierin nicht. Der Wortlaut in C.3.3 greift mit dem „Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge nach C.1.4“ gerade keinen Alltagsbegriff auf, sondern definiert diesen eigenständig. Das entgegenstehende Verständnis, das der Kläger für sich in Anspruch nimmt, wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn der Verweis auf die Bedingungen unter C.1.4. – der auch hinreichend deutlich lesbar ist – nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Kaufpreisentschädigung genannt worden wäre.

Die Regelung ist auch nicht deswegen überflüssig, weil sie – wie das Landgericht angenommen hat – sich in einer bloßen Wiederholung der Aussage erschöpft, dass auch für Gebrauchtfahrzeuge in der Produktlinie „Klassik“ bei einem Versicherungsfall innerhalb der ersten sechs Monate lediglich der Wiederbeschaffungswert zu zahlen ist, was der Bezug auf den „Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge“ verschleiere. Denn während C.1 4 den Wiederbeschaffungswert als den Preis definiert, der für den Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses aufgewandt werden muss, ist der Kaufpreis nach C. 3.3 der durch den Wiederbeschaffungswert am Tag der erstmaligen Zulassung auf den Versicherungsnehmer begrenzte Rechnungspreis. Ein verständiger Versicherungsnehmer, der den Verweis von C.3.3 nach C. 1.4 aufgreift und beide Vorschriften im Kontext würdigt, wird unschwer erkennen, dass die Regelung in C.3.3. zur Kaufpreisentschädigung ihn günstiger stellt als er stünde, wenn er lediglich den reinen Wiederbeschaffungswert erhielte. Der Zusatznutzen der mit erhöhten Tarifleistungen verbundenen Vollkaskoproduktlinie „Klassik“ ergibt sich daraus, dass – wie bei Neuwagen auch – für Gebrauchtwagen ein erhöhter Leistungsumfang angeboten wird. An der Aufnahme einer Höchstentschädigungsregelung besteht demgegenüber ein rechtliches Interesse des Versicherers, der nicht für unerwartete Wertsteigerungen des Fahrzeugs oder für einen überteuerten oder durch Absprachen manipulierten Gebrauchtwagenpreis haften will. Eine entsprechende Regelung zur Begrenzung findet sich auch in Ziffer C.1.5. zum Neuwagenkauf.

Schließlich spricht gegen eine Intransparenz der Klausel, dass hiermit nicht vom gesetzlichen Leitbild abgewichen wird. Die Regelung in § 88 VVG gibt vielmehr grundsätzlich die Erstattung des Wiederbeschaffungswertes einer gleichwertigen gebrauchten Sache vor. Im Verhältnis hierzu ist die Regelung in C.3.3 i.V.m. C.1.4. wie ausgeführt günstiger. Die Klausel ist auch aus diesem Grund nicht überraschend, denn ausgehend von diesem Leitbild kann der Versicherungsnehmer ohnehin nicht damit rechnen, unabhängig von dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs den Kaufpreis zu erhalten.

2. Da die Parteien auch bei Anknüpfung an die von der Beklagten vorgelegte Wertermittlung vom 6.2.2016 (B2) weiterhin über die Höhe der angemessenen Entschädigungsleistung und die vorgenommene Kürzungen für eine Metallic-Lackierung, ein Businesspaket des Navigationssystems und für die Winterreifen streiten, wozu ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste, ist nach der weiteren Vertragsbestimmung in C.14 die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens als Fälligkeitsvoraussetzung erforderlich (vgl. Prölls/Martin, VVG, 28.Aufl. 2010, S. 1989 m.w.N.). Hierauf hat sich die Beklagte auch in der Klageerwiderung berufen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 3 ZPO, § 48 Abs. 2 GKG.

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