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Kfz-Kaskoversicherung – Abgrenzung Unfallschaden zu Betriebsschaden

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 934/16 – Beschluss vom 30.11.2016

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.03.2016, Az. 8 O 7495/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und mit zutreffenden Erwägungen Ansprüche des Klägers aus dem mit der Beklagten bestehenden Kraftfahrzeugversicherungsvertrag (hier: Vollkaskoschutz für Wohnmobil mit dem amtl. Kennzeichen …) für nicht gegeben erachtet und deshalb folgerichtig die Klage als unbegründet abgewiesen.

Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.

Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 01.06.2016 und das weitere Berufungsvorbringen aus dem Schriftsatz vom 11.10.2016 noch auszuführen:

1.

Der Kläger hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGHZ 158, 269 ff. = NJW 2004, 1876 ff.; BGHZ 162, 313 ff. = NJW 2005, 1583 ff.; BGH NJW 2003, 3480 ff.; OLG Bamberg, 13.11.2012, 5 U 66/12 Rn. 5-10 juris, r+s 2013, 573). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

2.

Kfz-Kaskoversicherung - Abgrenzung Unfallschaden zu Betriebsschaden
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Ohne Erfolg rügt die Berufung, dass das Überfahren der Bodenschwelle im Ortsbereich von E. M. auf der zu den Kanaren gehörenden Insel … am 10.05.2015 gegen 23.00 Uhr einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall darstelle und deshalb dem Kläger als geschädigtem Fahrzeugeigentümer Entschädigungsansprüche in eingeklagter Höhe (im Berufungsrechtszug noch 12.039,76 €) zustünden.

Das Erstgericht hat mit ersichtlicher Akribie und Sorgfalt die rechtlichen Voraussetzungen des Vorliegens eines „versicherten Unfallschadens“ in Abgrenzung zu einem „nicht versicherten Betriebsschaden“ dargestellt und dann die konkreten Einzelfallumstände (hierbei zugunsten des Klägers ausgehend von dessen Tatsachenvortrag) darunter subsumiert. Gegen die mit zahlreichen einschlägigen Belegstellen aus veröffentlichter Rechtsprechung und Kommentarliteratur versehenen Rechtsausführungen des Landgerichts hat die Berufung nichts Substanzielles vorzubringen. Explizit die von der Berufungsbegründung zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 22.06.2007 hat der Erstrichter im Rahmen seiner Urteilsbegründung ebenfalls herangezogen und mit berücksichtigt (vgl. EU S. 6 unten).

Für die hier streitentscheidende Frage des Vorliegens eines reinen „Betriebsschadens“ ist es entgegen dem Berufungsvorbringen unerheblich, ob dem Kläger wegen schlechter Straßenbeleuchtungsverhältnisse, wegen fehlender Verkehrszeichen oder wegen schlecht erkennbarer Farbmarkierungen auf der Fahrbahn bei Dunkelheit der Vorwurf mangelnder Sorgfalt gemacht werden kann oder nicht. Ein zu erfüllender Verschuldensmaßstab ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Hinsichtlich des Unfallbegriffs verdeutlicht die Voraussetzung „von außen“ dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeuges selbst sein darf. Einwirkungen von außen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den Witterungsverhältnissen liegen. „Betriebsschäden“ sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen. Betriebsschäden sind ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Fahrzeugs gehören. Ob ein Ereignis, das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist, hängt entscheidend von der Verwendung des Fahrzeugs ab. Wird ein Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb bestimmten Risiken ausgesetzt, so handelt es sich bei den daraus entstehenden Fahrzeugschäden im Zweifel um Betriebsschäden (OLG Hamm, Urteil vom 15. November 2013, 20 U 83/13 Rn. 26 juris m.w.N., VersR 2014, 698; OLG Stuttgart 22.02.2007, 7 U 163/06, VersR 2007, 1121 m.w.N.).

Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird, sind Betriebsschäden. Danach liegt ein Unfallschaden und kein Betriebsschaden vor, wenn ein Lkw beim Abkippen von Bauschutt mit hochgezogener Laderampe zur Seite umstürzt, weil der befahrene Untergrund plötzlich nachgibt (BGH VersR 1998, 179); ebenso, wenn eine landwirtschaftliche Zugmaschine, die in Steillagen eines Weinbergs eingesetzt wird, ins Rutschen gerät und einen Abhang hinabstürzt (OLG Koblenz RuS 1999, 405). Ein Unfall liegt auch dann vor, wenn eine Zugmaschine bei Holzrückarbeiten durch einen den Hang hinunterschießenden Baumstamm beschädigt wird (OLG Braunschweig VersR 2001, 579). Ein Betriebsschaden wurde in der Rechtsprechung demgegenüber angenommen, wenn ein in der Forstwirtschaft eingesetzter Traktor auf einen im Waldboden versteckten Stein auffährt (OLG Karlsruhe VersR 1988, 371). Maßgeblich für die Annahme eines Betriebsschadens ist, ob es sich bezogen auf die beabsichtigte konkrete Verwendung des Fahrzeugs um ein vorhersehbares oder um ein außergewöhnliches Ereignis handelt, mit dem der Versicherungsnehmer nicht rechnen musste (OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2007 – 7 U 163/06 –, Rn. 25 juris m.w.N.).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist dem Kläger der ihm obliegende Beweis des Aufsetzens seines Wohnmobils auf der Fahrbahnerhöhung aufgrund eines Unfalls nicht gelungen. Wie bereits ausgeführt, hängt die Abgrenzung, ob ein Ereignis, dass die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist, von der Verwendung des Fahrzeuges ab. Wird ein Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb bestimmten Risiken ausgesetzt, so handelt es sich bei den daraus entstehenden Fahrzeugschäden im Zweifel um Betriebsschäden. Danach stellt das Befahren einer zur Verkehrsberuhigung angebrachten Fahrbahnerhöhung in Form einer Bodenschwelle einen Betriebsvorgang dar. Denn ein Wohnmobil mit Straßenzulassung wird typischerweise im gewöhnlichen Fahrbetrieb dem Risiko ausgesetzt, beim Überfahren von absichtlich angebrachten Fahrbahnerhöhungen in Form von Bodenschwellen Schäden zu erleiden.

Der nach sorgfältiger rechtlicher Argumentation vom Landgericht gefundenen Bewertung, es liege „ein in jeder Hinsicht bestimmungsgemäßer und sorgfaltsgerechter Gebrauch des versicherten Fahrzeugs“ vor, ein „dabei eintretender Schaden“ könne dann „ebenso wie ein als klassischer Betriebsvorgang nicht versicherter Motorschaden keine Versicherungsansprüche auslösen“, es habe sich im Falle des Klägers mithin „also letztlich eine Gefahr verwirklicht, der das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist“, ist deshalb im vollen Umfang zuzustimmen.

3.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

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