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Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag – Auslegung eines Angebots auf Abschluss eines Versicherungsvertrags

AG Seligenstadt, Az.: 1 C 988/14 (3), Urteil vom 23.06.2015

1. Es wird festgestellt, dass dem zwischen den Streitparteien bestehenden KFZ-Haftversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … ein Schadensfreiheitrabatt der Schadensfreiheitsklasse 23 zu Grunde zu legen ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 289,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.01.15 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des durch das Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in selber Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag - Auslegung eines Angebots auf Abschluss eines Versicherungsvertrags
Symbolfoto: Von Andrey_Popov / Shutterstock.com

Der Kläger unterhält bei der Beklagten bereits seit dem Jahr 2010 eine KFZ-Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Anlass für den Vertragsschluss und den Wechsel des Klägers zur Beklagten war seinerzeit eine Sonderaktion der Beklagten, wonach diese das Zweitfahrzeug zu den gleichen Konditionen eines Erstfahrzeugs versicherte. Der Kläger versicherte daher sowohl seinen Saab (als Erstfahrzeug), als auch seinen Audi (als Zweitfahrzeug) bei der Beklagten. Beide Fahrzeuge wurden dabei in die Schadensfreiheitsklasse (SFK) 23 eingruppiert und in der Folgezeit bis 2014 in dieser SFK geführt.

Im Jahr 2014 entschied sich der Kläger, sein Zweitfahrzeug zu verkaufen und stattdessen einen Land Rover zu erwerben. Hierzu führte er zunächst mehrere telefonische Gespräche mit unterschiedlichen Mitarbeitern der Beklagten, deren Inhalt zwischen den Parteien umstritten ist.

Im Anschluss an diese Gespräche übersandte die Beklagte dem Kläger im April 2014 ein mit „KFZ PREMIUM, Antrag auf eine KFZ-Versicherung (AKB 2013)“ überschriebenes Formular, in welchem sie die Angaben des Klägers zu dem zu versicherten neuen Fahrzeug von ihr bereits eingefügt waren. Unter der Überschrift „Mein Wunschangebot“ war das KFZ von der Beklagten (weiterhin) in der SFK 23 eingruppiert, so dass ein jährlicher Gesamtbetrag in Höhe von 475,80 Euro ausgewiesen war. Unter der Überschrift „Unterschrift“ heißt es dort: „Diese und die abzugebenden Einwilligungserklärungen sind Vertrags-Bestandteil und werden mit geleisteter Unterschrift wirksam.“ Der Kläger vervollständigte das Formular und sandte es unterschrieben an die Klägerin zurück. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Mit Schreiben vom 14.5.15 bestätigte die Beklagte den Abschluss des Versicherungsvertrags. Gleichzeitig teilte sie dem Kläger mit, dass die Zweitwagen- Sondereinstufung mit Angleichung an die bessere SF-Klasse eines Erstvertrages nicht mehr möglich sei und der Vertrag daher in der SFK 5 fortgeführt würde. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Blatt 9 der Akten verwiesen. Mit Begleitschreiben vom gleichen Tag übersandte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschein. Dieser enthielt auf Seite 2 folgenden schwarz umrandeten Zusatz:

„Abweichung zum Antrag:

SF

Klasse Haftpflicht Versicherung

Beitragssatz Haftpflicht Versicherung

Abweichungen gelten als genehmigt, wenn Sie als Versicherungsnehmer nicht innerhalb von einem Monat nach Empfang dieses Versicherungsscheins in Textform widersprechen.“

Auf Seite 5 des Versicherungsscheins folgt unter der Überschrift „Beitragsberechnung“, eine Einstufung des KFZ in die Beitragsklasse 5 zu einem jährlichen Gesamtbetrag in Höhe von 745,31 Euro.

Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Anlage B 2 verwiesen.

In der Folgezeit stritten die Parteien schriftlich über die Frage, zu welchen Konditionen der Vertrag zustande gekommen ist, ohne eine Einigung zu erzielen. Hierzu wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Klageschrift nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger behauptet im Vorfeld telefonisch bei 3 Mitarbeitern der Beklagten nachgefragt zu haben, ob die Zweitwagen- Sondereinstufung mit der SF- Klasse 23 bei dem neuen Fahrzeug bestehen bleibe. Dies sei von diesen so bestätigt worden.

Er ist der Auffassung, zwischen den Parteien sei bereits durch seine Unterschrift über das Formular der Beklagten ein Vertrag dergestalt zustande gekommen, dass auch das neue KFZ in die SFK 23 eingestuft wird. Änderungen bzw. Abweichungen vom Angebot habe er nicht genehmigt.

Er ist ferner der Auffassung, die Beklagte habe gegen ihre Dokumentations- und Beratungspflichten verstoßen, so dass jedenfalls entsprechende Schadensersatzansprüche bestünden.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das dem zwischen den Streitparteien bestehenden KFZ-Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … für das mit dem amtlichen Kennzeichen … ein Schadensfreiheitsrabatt der Schadensfreiheitklasse 23 zu Grunde zu legen ist.

2. die Beklagte zu verurteilen an ihn 289,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.01.15 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ihr Vertragsformular sei lediglich eine invitatio ad offerendum gewesen. Das Angebot auf Abschluss des Vertrages sei damit vom Kläger ausgegangen und von ihr durch Zusendung des Versicherungsscheins lediglich in modifizierter Form angenommen worden. Nachdem auf diese Abweichungen deutlich hingewiesen worden sei, sei auch der Vertrag zu den geänderten Konditionen (SFK 5) wirksam zustanden gekommen, zumal kein Widerspruch im Sinne des § 5 I VVG des Klägers vorgelegen habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Zwischen den Parteien ist ein Versicherungsvertrag nach §§ 1 VVG, §§ 145 ff BGB über den Land Rover des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … mit dem Schadensfreiheitsrabatt der Schadensfreiheitsklasse 23 zustande gekommen, indem dieser das Formular der Beklagten unterschrieben an diese zurück gesandt hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war dieses Formular aus der maßgeblichen objektiven Empfängersicht nicht lediglich als invitatio, sondern bereits als konkretes annahmefähiges Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrags zu verstehen. Dieses Angebot hat der Kläger durch seine Unterschrift am 25.4.14 angenommen, so dass der Vertrag zu diesem Zeitpunkt wirksam zu den dort festgehaltenen Konditionen zustande gekommen ist.

Dieses enthielt nämlich sämtliche wesentlichen Vertragsbestandteile, hierbei insbesondere die relevante Einstufung in die Typklasse 23 einschließlich des präzise sich hieraus ergebenden Jahresbeitrages. Auch die im Formular verwendete Passage „Diese und die abzugebenden Einwilligungserklärungen sind Vertragsbestandteil und werden mit geleisteter Unterschrift wirksam“ lassen aus objektiver Empfängersicht allein den Schluss zu, dass der Vertrag wie dort ausgeführt, bereits mit geleisteter Unterschrift des Klägers wirksam zustande kommt. Ebenso lässt sich die weitere Passage oberhalb der Unterschrift, wonach der „Einverständnis erklärt wird, dass der Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt..“ objektiv allein so verstehen, dass der Vertrag nicht erst durch Übersendung des Versicherungsscheines, sondern bereits durch Unterschriftsleistung zustande kommt.

Doch selbst wenn man hierbei der Rechtsauffassung der Beklagten folgen würde, so bleibe es bei obigem Ergebnis:

Auf die (nach dem Verständnis der Klägerin vom Antrag des Klägers) abweichende Änderung der SFK im Versicherungsschein hat die Beklagte nicht durch einen auffälligen Hinweis im Sinne des § 5 II 2 VVG hingewiesen, so dass der Vertrag nach § 5 III VVG als zu den Konditionen des Angebots und damit der SFK 23 geschlossen gilt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügen deren Hinweise auf die Abweichungen in ihrem Versicherungsschein den Anforderungen des § 5 II VVG nicht. Zwar ist der Hinweis durch die Umrandung erfolgt, jedoch ist er nicht deutlich genug. So wird nicht klar, was sich genau geändert hat und welche Rechtsfolge sich daraus ergibt. Der konkrete Hinweis auf geänderte SFK und die sich hieraus konkret ergebenden (v. a. finanziellen) Konsequenzen ergibt sich erst bei gezielter Suche einige Seiten später in nicht exponierter Stelle.

Der Kläger hat gegen diese Abweichungen hat der Kläger mit Schreiben vom 19.5.14 (Blatt 10 der Akten) fristgerecht und wirksam Widerspruch im Sinne des § 5 II 1 VVG eingelegt, so dass die Inhaltsabweichung nicht als genehmigt, sondern der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrages (des Klägers) genehmigt gilt, vgl. § 5 III VVG. Auch wenn er dieses nicht ausdrücklich als „Widerspruch“ bezeichnet hat, so ist der Inhalt unmissverständlich allein als solcher zu verstehen. Die Benennung der rechtlichen Bezeichnung braucht es nicht.

Aus den genannten Gründen steht dem Kläger gegen die Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der zu viel errichteten Beitragssätze in Höhe von (unstreitig) 289,83 € (Differenz der SFK 23 zu 5) zu, gemäß § 812 I 1 1. Alt. BGB.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291S.1, S.2, 288 I 2 BGB. Seit dem 21.01.15 ist Rechtshängigkeit eingetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt dem §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 ZPO.

 

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