Skip to content

Kfz-Haftpflichtversicherung – Wirkung einer abgegebenen Anerkenntniserklärung

LG München I – Az.: 19 O 27030/13 – Urteil vom 03.07.2014

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.742,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28.05.2013 zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin die der Beklagten gewährten Versicherungsleistungen aufgrund des Unfalles vom 29.04.2010 wieder zurückverlangen kann.

Am 29.04.2010 kam es auf der BAB 45 bei Kilometer 126.555 in Fahrtrichtung Dortmund im Bereich der Anschlussstelle Haiger Burbach zu einem Verkehrsunfall, an dem der bei der Klägerin versicherte Pkw mit dem amtl. Kennzeichen L… sowie der im Eigentum der Beklagten stehende Pkw BMW 320 d Touring, beteiligt waren.

Die Beklagte forderte unmittelbar nach dem Unfall von der Klägerin als Versicherer des beteiligten gegnerischen Fahrzeugs Ersatz des ihr aufgrund des Unfalls entstandenen Schadens.

Die Klägerin zog einen Ermittlungsaktenauszug mit den Stellungnahmen der beiden Fahrer bei. Daraus ergab sich, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin mit seinem Pkw auf der Einfädelspur der Einfahrt zur Autobahn fuhr und nach links auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn wechseln wollte. Plötzlich sei es dabei zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug gekommen, wobei der Versicherungsnehmer der Klägerin wörtlich ausführte: „Ich kann dabei nicht genau sagen, wie weit ich schon links drüben war.“.

Aus den Ermittlungsakten ergab sich weiter, dass die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs angab, mit ca. 120 km/h oder weniger auf der linken Fahrspur gefahren zu sein, als sie auf dem Beschleunigungsstreifen das Klägerfahrzeug mit  Hänger gesehen habe,  wobei der Hänger hin und her geschaukelt sei. Plötzlich sei der linke hintere Teil des Hängers direkt vor ihrem Auto gewesen.

Die Klägerin erstattete der Beklagten ohne Mithaftungseinwand den geltend gemachten Schaden zu 100%, da sie aufgrund obigen Sachverhalts davon ausging, dass ihr eigener Versicherungsnehmer einen Verstoß gegen § 7 V StVO nicht ausschließen konnte und zudem der Anscheinsbeweis gegen ihn sprach.

Der Versicherungsnehmer  der  Klägerin führte später  beim  Amtsgericht  Dillenburg einen eigenen Prozess zur Erstattung seines Schadens.

In diesem Verfahren wurde ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt, aus dem sich ergab, dass der Unfall nicht vom Versicherungsnehmer der Klägerin, sondern ausschließlich und allein von der Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs verursacht und verschuldet worden sei, weil diese aus welchen Gründen auch immer, sei es aus Übermüdung oder Unachtsamkeit, nach rechts auf den Beschleunigungsstreifen geraten war. Die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung des Pkw’s der Beklagten erkannte ihre Haftung  zu 100% an.

Die Klägerin forderte daraufhin mit Schreiben vom 15.04.2013 die der Beklagten bezahlten Beträge unter Fristsetzung vom 27.05.2013 zurück. Am 08.08.2013 erfolgte erneut eine Mahnung.

Kfz-Haftpflichtversicherung - Wirkung einer abgegebenen Anerkenntniserklärung
Symbolfoto: Von interstid /Shutterstock.com

Die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.742,93 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28.05.2013 zu bezahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, dass die Klägerin die streitgegenständliche Zahlung vorliegend vorbehaltslos erbracht habe und daher kein Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung gegenüber der Beklagten bestehen würde.

Die Klägerin habe die Forderung der Beklagten vorbehaltslos ohne weitere Nachforschungen anzustellen, bezahlt. Im Abrechnungsschreiben vom 22.07.2010 befänden  sich keinerlei Vorbehalte, es heißt dort lediglich: „Wir weisen darauf hin, dass die Abrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für künftige Fälle erfolgt.“.

Die Beklagte trägt weiter vor, dass außergerichtlich im Vorfeld zur Klageerhebung ihr gegenüber keine Zahlungsaufforderung zur Rückzahlung erfolgt sei. Die  Beklagte  habe somit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.

Die Klägerin habe zudem in Kenntnis ihrer Nichtschuld bezahlt, so dass die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen sei.

Eine Rückforderung sei darüberhinaus entsprechend den einschlägigen Urteilen des OLG Koblenz vom 20.09.1983 so wie des OLG Hamm vom 07.05.1986 jedenfalls ausgeschlossen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

I.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des zu Unrecht erstatteten Betrages aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I Satz 1 BGB.

1) Die Beklagte hat keinen Anspruch auf die erstattenden und mit diesem Verfahren zurückgeforderten Beträge.

Unstreitig steht nunmehr aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Dillenburg fest, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin den Unfall nicht verursacht hat, sondern der Unfall allein von der Fahrerin des Pkw’s der Beklagten verursacht und verschuldet wurde.

Die Leistung wurde daher ohne Rechtsgrund gewährt.

2) Eine Rückforderung ist hier nicht ausgeschlossen.

a) Die Klägerin hat hier bezahlt, ohne sich eine Rückforderung vorzubehalten. Im Abrechnungsschreiben vom 22.07.2010 (Anlage K10) ist lediglich ein Hinweis darauf erfolgt, dass die Abrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für künftige Fälle erfolgte.

Dies hindert jedoch nicht eine Rückforderung.

b) Die Klägerin hat durch die vorbehaltlose Zahlung den Anspruch der Beklagten zwar quasi „anerkannt“, jedoch ist trotz des abgegebenen Anerkenntnisses ihrer Leistungspflicht die Klägerin nicht gehindert, die geleistete Entschädigung nach den Vorschriften der Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuverlangen, wenn sich der zunächst anerkannte Entscheidungsanspruch als unbegründet erweist (vgl. BGH, IV ZR 222/74, Entscheidung vom 24.03.1976).

Es ist hier auch nicht so, dass die Klägerin bezahlt hat, obwohl sie nicht von ihrer Einstandspflicht überzeugt war, sondern aufgrund der – mindestens missverständlichen Formulierung – ihres Versicherungsnehmers in der Unfallanzeige vom 30.04.2010 und aufgrund des gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin sprechenden Anscheinsbeweises ging die Klägerin hier davon aus, dass ihre Einstandspflicht bestehen würde. Aus der Formulierung des Versicherungsnehmers der Klägerin „… die Autobahn im hinteren Sichtfeld und vor uns war völlig frei. Ich beschleunigte auf der Einfädelspur bis ca. 90 km/h und wollte ca. 50 m vor Ende des Streifens in die rechte  Fahrspur der A45 einfahren. Dabei schaute ich erneut in den linken Rückspiegel, sah plötzlich Scheinwerfer und es kam zu einem Aufprall am linken Heckteil unseres Anhängers.“. lässt sich nicht entnehmen, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin weiterhin vollständig in seiner Beschleunigungsspur geblieben ist.

Die Klägerin hatte somit entgegen den Ausführungen der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Einstandspflicht nicht gegeben sei. Die spätere Äußerung des Versicherungsnehmers der Klägerin, er könne „aber ausschließen, dass er bereits in die rechte Spur der Autobahn eingefahren sei“ wurde erst nach der Leistung der  Klägerin getätigt.

Die von der Klägerin durch die Zahlung abgegebene „Anerkenntniserklärung“ bewirkt keine vertragliche Festlegung des Schuldverhältnisses im Sinne eines Anerkenntnisses ohne einen rechtlichen  Verpflichtungswillen.  Die  anerkennende  Erklärung  ist  lediglich  ein  einseitiger Bescheid ohne rechtsgeschäftliche Bedeutung (vgl. BGH a.a.O.). Der BGH führt dabei weiter aus, dass nur durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens die Tragweise eines derartigen (nicht abstrakten) Anerkenntnisses zu ermitteln ist. Dabei sei insbesondere auf den mit dem Anerkenntnis verfolgten Zweck, die beiderseitige Interessenlage im konkreten Fall und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses wichtig.

Diese Auslegung ergibt hier, dass die Klägerin nur deshalb geleistet hat, weil sie von ihrer Einstandspflicht überzeugt war. Bei der „Abrechnung des Schadensfalles“ gemäß Schreiben der Klägerin vom 22.07.2010 wird erkennbar davon ausgegangen, dass eine Einstandspflicht der Klägerin besteht.

Diese Einstandspflicht hat sich allerdings im Nachhinein als nicht bestehend herausgestellt.

Damit ist grundsätzlich ein Anspruch aus § 812 I Satz 1 BGB gegeben, der nicht durch irgendwelche Formulierungen bzw. Erklärungen mit entsprechenden Rechtsbindungswillen zwischen den Parteien ausgeschlossen wurde.

Die Ausführungen der Beklagten würden letztendlich darauf hinauslaufen der Erklärung des Versicherers eine einseitig gestaltende Wirkung beizumessen ist. Dem ist bereits der BGH in seiner obigen Entscheidung nicht gefolgt.

c) Die von der Beklagten vorgebrachten Entscheidungen sind nicht vergleichbar.

Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Koblenz ist lediglich der allgemeine Rechtsgrundsatz zu erkennen, dass ein Rückforderungsrecht dann ausgeschlossen ist, wenn der Leistende dem Empfänger zu erkennen gegeben hat, dass diesem das Geleistete selbst im Falle des Nichtbestehens der Leistung verbleiben soll. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.

Es kann der Klägerin hier der Anspruch auf Rückforderung, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass eine Einstandspflicht überhaupt nicht besteht, nicht abgesprochen werden. Ansonsten wären die Versicherer gezwungen, in sämtlichen Versicherungsangelegenheiten entweder lediglich „unter Vorbehalt“ zu zahlen, wobei sodann eine schuldbefreiende Wirkung nicht eintreten würde oder aber mit der Zahlung der Versicherungsleistungen so lange zu warten, bis die entsprechende Rechtslage gegebenenfalls nach gerichtlicher Klärung, eindeutig ist.

Insbesondere im Hinblick auf die relativ kurze Prüfungsfrist, die den Versicherungen von der Rechtsprechung eingeräumt wird, kann ist es nicht gerechtfertigt, eine Zahlung sodann nicht mehr zurückfordern zu können.

d) Auch § 814 BGB schließt eine Rückforderung nicht aus, da es dabei gemäß ständiger Rechtsprechung auf die positive Kenntnis desjenigen, der die Leistung anordnet, ankommt (vgl. Brandenburgisches OLG, Entscheidung vom 11.03.2013). Eine positive Kenntnis der Nichtschuld ist hier in keinster Weise erkennbar.

II.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Ein Anspruch auf höhere Zinsen gemäß § 288 II BGB besteht hier nicht, da die Zahlung der Klägerin kein Rechtsgeschäft, das zwischen den beiden Parteien besteht, zugrunde liegt.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

V.

Der Streitwert bemisst sich nach § 3 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!