OLG Frankfurt – Az.: 3 U 66/17 – Beschluss vom 07.11.2017
In dem Rechtsstreit wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.
I.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr Begehren, den Beklagten nach der Regulierung eines Kfz-Haftpflichtversicherungsschadens in Regress zu nehmen, weiter.
Zwischen den Parteien bestand ein Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag für den Pkw des Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen … Mit Beitragsrechnung vom 16.6.2014 (Bl. 22 d.A.) verlangte die Klägerin von dem Beklagten, ihr für den Zeitraum vom 1.7.2014 bis zum 1.10.2014 den geschuldeten Vierteljahresbetrag in Höhe von 149,86 € zu zahlen. Der Beklagte bezahlte diese Rechnung nicht.
Mit Schreiben vom 6.8.2014 (Bl. 23-24 d.A.), dessen Zugangszeitpunkt bei dem Beklagten streitig ist, verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 24.8.2014 von dem Beklagten, den dort genannten Gesamtbetrag von 176,68 € zu zahlen. Zudem wies sie den Beklagten darauf hin, dass der Versicherungsschutz mit dem Fristablauf enden werde.
Am 25.8.2014 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem der bei der Klägerin haftpflichtversicherte Pkw beteiligt war.
Die mit dem Mahnschreiben vom 6.8.2014 vom dem Beklagten geforderte Summe von 176,68 € ging am 26.8.2014 bei der Klägerin ein. Der Unfallgegner nahm die Parteien als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch. Die seitens der Klägerin zur Akte gereichten Unterlagen ergeben, dass die Klägerin an diesen insgesamt 20.063,46 € gezahlt hat.
Diesen Betrag – nebst Zinsen – hat die Klägerin mit der Klage geltend gemacht. Sie hat behauptet, das Schreiben vom 6.8.2014 sei von ihrem Mitarbeiter am gleichen Tag zur Post gegeben worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es zwei Tage später dem Beklagten zugegangen sei. Sie vertritt die Auffassung, dass die Mahnung form- und fristgerecht erfolgt sei und der Beklagte wegen seiner verspäteten Leistung zum Unfallzeitpunkt keinen Versicherungsschutz gehabt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat behauptet, das Mahnschreiben sei ihm erst am 13.8. oder 14.8.2014 zugegangen. Die Zahlung der geforderten 176,68 € habe er am 22.8. oder 23.8. und somit rechtzeitig veranlasst.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin den Beklagten nicht gemäß §§ 426, 116 Abs. 1 Satz 2 VVG in Rückgriff nehmen könne, da die Klägerin hinsichtlich des Zugangszeitpunktes des Mahnschreibens beweisfällig geblieben sei. Es sei Sache der Klägerin, den Zugang einer qualifizierten Mahnung mindestens 2 Wochen vor der Zahlung durch den Beklagten nachzuweisen. Nachdem die Zahlung bei der Klägerin am 26.8.2014 eingegangen sei, müsse der Nachweis geführt werden, dass das Mahnschreiben dem Beklagten spätestens am 12.8.2014 zugegangen sei. Es könne dahin stehen, ob der seitens der Klägerin als Zeuge benannte Mitarbeiter bestätigen könne, das Schreiben vom 6.8.2014 noch am gleichen Tag zur Post gegeben zu haben, da die Abgabe eines Schreibens zur Post keine Indizwirkung für den Zugang habe. Einen Anscheinsbeweis dahingehend, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger überhaupt bzw. zu einem konkreten Zeitpunkt erreicht habe, gebe es ebenso wenig wie einen Erfahrungssatz, dass und in welcher Zeit Postsendungen den Empfänger erreichen. Der vom Beklagten behauptete Zugangszeitpunkt sei unter Berücksichtigung des dazwischen liegenden Wochenendes auch nicht völlig außergewöhnlich. Im Übrigen habe es der Versicherer selbst in der Hand, durch Auswahl eines förmlichen Zustellungsverfahrens entsprechende Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter. Sie macht geltend, das Landgericht habe den Nachweis des Zugangs der Ladung nicht verneinen dürfen. Nachdem der Zugang des Schreibens an sich unstreitig sei, müsse davon ausgegangen werden, dass Postsendungen den Empfänger innerhalb von 2 Tagen erreichen. Es sei weiterhin zu beachten, dass der Beklagte aus eigener Kenntnis zum Zugangszeitpunkt nichts sagen könne. Der Beklagte, der sich im August 2014 im Ausland befunden habe, könne die Information nur von seinem Sohn haben, der den Briefkasten geleert haben soll. Es sei aber lebensfremd anzunehmen, dass dieser sich 2 1/2 Jahre später noch an den Zeitpunkt erinnere. Außerdem müsse der Tag, an dem der Sohn das gegenständliche Schreiben aus dem Briefkasten genommen habe, nicht mit dem Tag des Zugangs übereinstimmen, zumal der Beklagte nichts dazu vorgetragen habe, wie oft der Sohn den Briefkasten geleert habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 2.3.2017 verkündeten Urteils des Landgerichtes Gießen, Az. 4 O 388/16, zugestellt am 20.3.2017, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 20.063,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids aus 17.442,58 € und aus weiteren 2.620,88 € seit Zustellung der Anspruchsbegründung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Es werde weiterhin bestritten, dass das Schreiben noch am 6.8.2014 aufgegeben worden sei. Darüber hinaus entspräche die Mahnung nicht den Voraussetzungen des § 39 VVG, da es an einer ordnungsgemäßen Belehrung fehle. Die Belehrung stelle nämlich auf den Zahlungseingang bei der Klägerin und nicht – wie es korrekt sei – auf die Leistungshandlung ab.
II.
Die zulässige Berufung führt nach Auffassung des Senats nicht zum Erfolg. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Ein Haftpflichtversicherer ist dazu berechtigt, seinen Versicherungsnehmer im Innenverhältnis gemäß § 116 Abs. 1 Satz 3 VVG in Anspruch zu nehmen, wenn sie an dessen Unfallgegner gemäß § 117 VVG geleistet hat, obwohl sie ihrem Versicherungsnehmer gegenüber wegen dessen Zahlungsverzugs mit der Folgeprämie gemäß § 38 Abs. 2 VVG nicht zur Leistung verpflichtet war. Ein Regress setzt voraus, dass dem Versicherungsnehmer eine qualifizierte, die Anforderungen des § 38 Abs. 1 VVG erfüllende Mahnung mindestens 2 Wochen vor dessen Zahlung zugegangen ist.
Es kann dahin stehen, ob die Mahnung der Klägerin überhaupt die formalen Anforderungen des § 38 Abs. 1 VVG erfüllt, nachdem dort davon die Rede ist, dass der Zahlungseingang bei der Klägerin entscheidend sei (verneinend Prölss-Martin, 29. Auflage 2015, § 38 VVG, Rz. 25).
Jedenfalls ist auch nach Auffassung des Senats die insoweit beweisbelastete Klägerin für den tatsächlichen Zugang des Mahnschreibens beim Beklagten beweisfällig geblieben.
Zutreffend hat das Landgericht von der Durchführung einer Beweisaufnahme zu der klägerischen Behauptung, dass das Schreiben bei der Klägerin bereits am 6.8.2014 versandt worden sei, abgesehen, da sich selbst bei Nachweis dieser Tatsache keine Erkenntnisse ergeben würden, welche einen hinreichend sicheren Schluss auf den Zeitpunkt des Zugangs beim Beklagten zuließen.
Weder bei normalen Postsendungen noch bei Einschreiben erbringt die Absendung den Beweis des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) für den Zugang der Erklärung, da nach allgemeiner Lebenserfahrung abgeschickte Postsendungen den Empfänger in nicht wenigen Fällen nicht erreichen (BGHZ 24, 308 (312 f.) = NJW 1957, 1230; BGH NJW 1996, 2033 (2035).
Anders als die Klägerin meint, besteht auch kein Erfahrungssatz dahingehend, dass unstreitig zugegangene Postsendungen den Empfänger grundsätzlich nach 2 Tagen erreicht haben (OLG Hamm Urteil vom 11. Mai 2007 – 20 U 272/06 -, juris). Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf mehrere, von ihr in Kopie vorgelegte Entscheidungen verschiedener Amts-, Land- und Oberlandesgerichte (Bl. 85-111 d.A.) beruft, folgt auch aus diesen Entscheidungen kein solcher Erfahrungssatz. Dass dort der Nachweis des Zugangs als erbracht angesehen worden ist, lag in besonderen Umständen des Einzelfalls begründet, etwa weil dort der Zugang an sich bereits bestritten worden war, gleichwohl aber der exakte, um Mahnkosten erhöhte Betrag überwiesen wurde, den der Versicherungsnehmer ohne Kenntnis des Mahnschreibens nicht hätte kennen können. Hier ist ein damit vergleichbarer Sachverhalt aber nicht gegeben.
Bei den im Streitfall vorliegenden Zeitläufen liegt – wie auch das Landgericht bereits ausgeführt hat – bei Zugrundelegung des vom Beklagten vorgetragenen Zugangszeitpunkts keine ungewöhnlich lange Postlaufzeit vor, so dass das Vorbringen des Beklagten auch nicht vor diesem Hintergrund als offensichtlich unglaubhaft angesehen werden kann, zumal die Klägerin für den von ihr begehrten Regress nachweisen müsste, dass die Mahnung innerhalb von nur 6 Tagen nach Erstellungsdatum zugegangen ist.
Im Übrigen wäre nicht einmal dann der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs erbracht, wenn es – vom Landgericht zutreffend verneinte – Ungereimtheiten und Widersprüche im Vortrag des Beklagten gäbe. Der Versicherungsnehmer kann sich grundsätzlich damit begnügen, den Zugang zu bestreiten, auch damit, er könne sich nicht daran erinnern, wann die Mahnung zugegangen ist (OLG Hamm, Urteil vom 11. Mai 2007 – 20 U 272/06 -, Rn. 22, juris). In Anbetracht dessen kann die Klägerin aus dem Umstand, dass der Beklagte keine eigenen Wahrnehmungen zum Zugangszeitpunkt gemacht hat und sich nach erheblichem Zeitablauf nur auf ihm mitgeteilte Wahrnehmungen seines Sohnes berufen kann, ebenso wenig eine für sich günstige Rechtsfolge herleiten wie sie erwarten darf, dass der Beklagte konkret vorträgt, wie oft der Sohn den Briefkasten geleert hat und wann er letztmals, bevor er das Mahnschreiben aus dem Briefkasten genommen hat, am Briefkasten des Vaters war und die Post entnommen hat.
III.
Da der Senat dem Rechtsmittel aus den vorgenannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg beimisst, wird aus Kostengründen angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.