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Kfz-Haftpflichtversicherung – Regress nach Verkehrsunfallflucht nach Parkplatzunfall

AG Mettmann – Az.: 25 C 477/15 – Urteil vom 12.09.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin war am 05.09.2013 die Kfz-Haftpflichtversicherung des Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX. Versicherungsnehmerin war zu diesem Zeitpunkt Frau C1. Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Klägerin war die Geltung der AKB der Klägerin, Stand 6/2009 vereinbart. Diese hat die Klägerin auszugsweise als Anlage K1 (Bl. 14 ff. GA) zur Akte gereicht.

Am 05.09.2013 gegen 13:40 Uhr parkte der Beklagte, der früher hauptberuflich mit der Aufbereitung von Oldtimern beschäftigt gewesen ist, als berechtigter Fahrer mit dem oben genannten PKW rückwärts auf dem Parkplatz der Firma T in Wülfrath aus. Hierbei kam es zu einer Berührung mit der Stoßstange eines dort geparkten Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX der im Eigentum von Frau U stand.

Der Beklagte stieg nach der Kollision aus und betrachtete sich die Stoßstange des Pkw VW und verließ danach den Parkplatz.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Mettmann vom 11.12.2014 (31 Cs – 422 Js 4011/13 – 312 /14), rechtskräftig seit dem 04.08.2015, wurde der Beklagte wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt (Anlage K2, Bl. 30 ff. GA).

Die Klägerin leistete an Frau U 984,87 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 930,37 EUR Reparaturkosten gem. Rechnung der H GmbH & Co.KG vom 19.09.2013 (Anlage K3, Bl. 33 ff. GA) sowie Akteneinsichtsgebühren in Höhe von insgesamt 54,- EUR (Anlage K4, Bl. 35 f. GA).

Mit Schreiben vom 11.09.2015 und vom 21.10.2015 mit Fristsetzung bis zum 06.11.2015 wurde der Beklagte erfolglos aufgefordert den vorgenannten Betrag an die Klägerin zu zahlen (Anlage K5, Bl. 37 GA).

Die Klägerin behauptet, nach dem Zusammenstoß seien Kratzspuren an der Stoßstange des Pkw der Geschädigten U zu sehen gewesen. Die Klägerin ist der Ansicht, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort stelle eine arglistige Obliegenheitsverletzung dar, die dazu führe, dass sie gegenüber dem Beklagten leistungsfrei sei und die gegenüber der Geschädigten erbrachten Aufwendungen vom Beklagten zurückfordern könne. Es genüge die abstrakte Gefährdung ihrer Interessen an einer vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursache.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 984,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.11.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe beim Untersuchen der Stoßstange keine Beschädigungen feststellen können und habe daher seine Fahrt fortgesetzt. Er sei sich keiner Schuld bewusst gewesen. Es liege weder ein Unfall, noch ein Schadensereignis im Sinne der AKB der Klägerin vor. Es fehle auch an einem Vorsatz.

Er behauptet zudem, dass sich selbst bei einer unterstellten Pflichtverletzung sich an der Leistungspflicht der Klägerin nichts geändert hätte. Selbst wenn er am „Unfallort“ geblieben wäre und unmittelbare Feststellungen zu seiner Person ermöglich hätte, hätte die Klägerin den Schaden von Frau U regulieren müssen.

Die auf den von Klägerseite vorgelegten Fotos (Bl. 69 f. GA) sichtbaren Schäden seien nicht auf das Ereignis vom 05.09.2013 zurückzuführen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der an die vermeintliche Geschädigte – Frau T. – gezahlten Versicherungsleistung. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 426 Abs. 2 BGB, 116 Abs. 1 S. 2 VVG, 18 StVG, 28 Abs. 2, 3 VVG in Verbindung mit E.6.1, E.6.2, F.1, F.3 AKB.

Nach § 116 Abs. 1 S. 2 VVG ist – abweichend von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB – im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander der Versicherungsnehmer allein verpflichtet, soweit der Versicherer dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung nicht verpflichtet ist. Diese Regelung gilt für alle Mitversicherten im Sinne von § 1 PflVG und damit auch für den Beklagten als berechtigten Fahrer des versicherten Pkw.

Vorliegend beruft sich die Klägerin darauf, sie sei infolge einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten von ihrer Leistung befreit.

Es kann dahin stehen, ob der Beklagte durch eine Unfallflucht eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen hat, welche geeignet wäre, die vollständige Leistungsfreiheit der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten zu begründen, § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. den AKB. Jedenfalls schließt diese behauptete vorsätzliche Obliegenheitsverletzung eine Leistungspflicht der Klägerin im Entscheidungsfall nicht aus, da dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis, § 28 Abs. 3 S. 1 VVG, offensteht. Der Beklagte hat vorliegend nämlich eingewandt, dass die etwaige Beachtung der aus § 142 Abs. 2 StGB folgenden Rechtspflichten durch ihn der Klägerin keine zusätzlichen Aufklärungsmöglichkeiten verschaffte hätte (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012, IV ZR 97/11, juris).

Der Kausalitätsgegenbeweis ist nicht durch § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen, da ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht festzustellen ist, was zu Lasten der Klägerin geht, die als Versicherer die Beweislast für das Vorliegen der Arglist trägt (Prölls/Martin-Prölls, VVG, 28. Aufl., zu § 28 Rz. 120).

Eine arglistige Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012, IV ZR 97/11; Urteil vom 04.05.2009, IV ZR 62/07, juris). Allein der Umstand, dass sich der Beklagte vorsätzlich unerlaubt vom Unfallort entfernt haben könnte, lässt nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten zu seinen Lasten zu. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, damit stets gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, gibt es nicht (LG Duisburg, Urteil vom 15. März 2013 – 7 S 104/12 -, Rn. 6; LG Offenburg, Urteil vom 23. August 2011 – 1 S 3/11 -; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08. August 2011 – 8 T 5263/11 -; LG Bonn, Urteil vom 15. November 2012 – 6 S 63/12 -; juris). Vielmehr müssen besondere weitere Umstände hinzutreten, die für sich allein oder in ihrer Gesamtschau einen anderen Schluss als denjenigen auf Arglist ernstlich nicht in Betracht kommen lassen.

Die gegenteilige – nicht differenzierende – Auffassung, wonach jegliche vorsätzliche Verkehrsunfallflucht eine arglistige Aufklärungsobliegenheitsverletzung im Verhältnis zum Versicherer darstelle (vgl. beispielhaft LG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – 9 S 27/14 -, juris), ist abzulehnen. Insoweit schließt sich das Gericht insbesondere der überzeugenden Argumentation des Landgerichts Bonn (vgl. Urteil vom 15. November 2012 – 6 S 63/12 -, Rn. 30, juris) an, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen wird.

Die demnach erforderliche Verfolgung eines gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zwecks kann in aller Regel nur auf der Grundlage von Indizien bejaht werden, da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt. Diese Indizien können sich aus dem vorgetragenen Hergang des Unfalls und dem nachfolgenden Verhalten des Versicherungsnehmers bzw. des Fahrers ergeben. Hierzu fehlt jedoch jeglicher Vortrag der Klägerin, obwohl das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2016 ausdrücklich auf seine Rechtsauffassung hingewiesen hatte.

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Es kann daher auch dahinstehen, dass die Klägerin ihren Vortrag, die behaupteten Beschädigungen an der Stoßstange des Pkw der Geschädigten seien auf das Ereignis vom 05.09.2013 zurückzuführen, bereits nicht unter Beweis gestellt hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 984,37 EUR.

 

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