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Kfz-Haftpflichtversicherung – Regress bei Unfallflucht

Die Kfz-Haftpflichtversicherung kann nach einer Unfallflucht von ihrer Versicherungsnehmerin einen Regress in Höhe von 2.500 € fordern, wenn die Unfallflucht als arglistige Obliegenheitsverletzung zu werten ist und die Versicherungsnehmerin keine weiteren schwerwiegenden Folgen nachweisen kann. Ein fehlender Führerschein hat keinen Einfluss auf den Regress, wenn er nicht kausal für den Unfall war.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 S 11/15

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Beklagte wurde wegen Unfallflucht zu einer Zahlung von 2.500 € plus Zinsen an die Klägerin verurteilt.
  • Das fehlende gültige Führerschein war nicht kausal für den Unfall und daher irrelevant für die Regressforderung.
  • Die Unfallflucht stellt eine arglistige Obliegenheitsverletzung dar, die der Regressanspruch der Versicherung begründet.
  • Die Entfernung von der Unfallstelle allein rechtfertigt noch keine besonders schwerwiegende Obliegenheitsverletzung im Sinne von 5.000 € Regress.
  • Die Beklagte verlor das Recht auf Kausalitätsgegenbeweis, da sie arglistig gehandelt hat.
  • Die Zeugenaussagen zur Unfallflucht wurden trotz Anschuldigungen der Beklagten als glaubhaft bewertet.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, die Kosten wurden zwischen den Parteien aufgehoben.
  • Eine Revision wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen.

Regress bei Unfallflucht: Wie viel muss der Versicherungsnehmer zahlen?

Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist ein wesentlicher Bestandteil der Autoversicherung und bietet Schutz bei Unfällen. Sie kommt für Personenschäden und Sachschäden auf, die der Versicherungsnehmer gegenüber Dritten verursacht. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, in denen die Versicherung den Regress nehmen und Zahlungen vom Versicherungsnehmer verlangen kann – etwa bei Obliegenheitsverletzungen wie einer Unfallflucht. In solchen Fällen stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Versicherung tatsächlich Rückgriff nehmen darf und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Das folgende Urteil gibt Aufschluss über die Rechtslage in einem solchen Fall.

Der Fall vor dem Landgericht Köln im Detail

Kfz-Haftpflichtversicherung: Regressanspruch bei Unfallflucht

Dieser Fall dreht sich um einen Rechtsstreit zwischen einer Kfz-Haftpflichtversicherung (Klägerin) und ihrer Versicherungsnehmerin (Beklagte) nach einem Verkehrsunfall mit Unfallflucht. Die Beklagte verursachte einen Unfall, entfernte sich anschließend unerlaubt vom Unfallort und wurde erst durch die Intervention von Zeugen gestoppt. Die Versicherung regulierte den Schaden des Unfallgegners, forderte aber anschließend von der Beklagten einen Teil der Zahlung (Regress) zurück, da sie ihre Obliegenheiten als Versicherungsnehmerin verletzt hatte. Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Unfallflucht als arglistige Obliegenheitsverletzung zu werten ist und ob die Beklagte aufgrund der Umstände des Falls einen Kausalitätsgegenbeweis führen kann.

Arglist und Kausalität im Fokus des Gerichts

Das Landgericht Köln bestätigte zunächst, dass die Unfallflucht eine Obliegenheitsverletzung darstellt, da sich die Beklagte unerlaubt vom Unfallort entfernt hat und damit gegen ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verstieß (§§ 142 StGB, E.1.3, E.6.1, E.6.2, E.6.3 AKB, § 28 VVG). Die Beklagte hatte behauptet, sich nur wenige Meter vom Unfallort entfernt zu haben und die polizeiliche Unfallaufnahme sei fehlerhaft. Diesen Einwand wies das Gericht zurück, da es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Polizei gab und die Beklagte im Strafverfahren keine entsprechende Aussage gemacht hatte.

Die Arglist der Beklagten wurde durch ihre Aussage gegenüber einer Zeugin belegt: „Ist doch nicht schlimm, wir haben beide den Spiegel kaputt und dann kann ich weiterfahren“. Diese Aussage verdeutlicht, dass die Beklagte den Unfall bewusst wahrgenommen und die Flucht vom Unfallort vorsätzlich begangen hat. Aufgrund der Arglist war der Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis verwehrt. Sie konnte also nicht geltend machen, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Höhe des Schadens hatte (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG).

2.500 € Regress – Keine besonders schwerwiegende Obliegenheitsverletzung

Das Landgericht Köln verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 2.500 € an die Klägerin. Es stellte fest, dass eine einfache Unfallflucht – selbst mit Arglist – noch keine besonders schwerwiegende Obliegenheitsverletzung darstellt. Nur bei einem deutlich schwerwiegenderen Verstoß, der über den Normalfall einer Unfallflucht hinausgeht, wäre ein Regress von 5.000 € gerechtfertigt (E.6.4. AKB). Da die Unfallflucht im vorliegenden Fall keine weiteren schwerwiegenden Folgen hatte, beschränkte sich der Regress auf 2.500 €.

Fehlender Führerschein ohne Einfluss auf den Unfall

Das Amtsgericht hatte zunächst angenommen, dass die Beklagte auch wegen des Fahrens ohne gültige Fahrerlaubnis regresspflichtig sei. Diese Entscheidung wurde vom Landgericht Köln aufgehoben, da der fehlende Führerschein nicht kausal für den Unfall war. Da der ausländische Führerschein der Beklagten später ohne Weiteres umgeschrieben werden konnte, konnte die fehlende Fahrerlaubnis nicht als relevante Obliegenheitsverletzung angesehen werden.

✔ FAQ zum Thema: Regress bei Unfallflucht


Was versteht man unter Regress bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung?

Unter Regress versteht man bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung das Recht des Versicherers, vom Versicherungsnehmer oder einer mitversicherten Person unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückerstattung der an einen geschädigten Dritten geleisteten Entschädigung zu verlangen. Dies ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer oder die mitversicherte Person eine Obliegenheitsverletzung begangen hat, die für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls ursächlich war.

Typische Obliegenheitsverletzungen, die einen Regress der Kfz-Haftpflichtversicherung auslösen können, sind das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (Unfallflucht) oder das Führen des Fahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand, z.B. unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Die Regressforderung ist in der Regel auf maximal 5.000 Euro begrenzt, wenn die Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls erfolgte. Bei Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalls, wie einer Verletzung von Aufklärungs- und Schadenminderungspflichten, beträgt die Obergrenze meist 2.500 Euro.

Der Versicherer muss jedoch nachweisen, dass sich die Obliegenheitsverletzung negativ auf die Feststellung des Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Ist dies nicht der Fall, weil z.B. der Unfallhergang trotz kurzzeitiger Entfernung vom Unfallort vollständig aufgeklärt werden konnte, entfällt der Regressanspruch. Auch gegen Personen, die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben, kann ein Regress nur bei vorsätzlichem Handeln geltend gemacht werden.


Welche Pflichten hat ein Versicherungsnehmer nach einem Verkehrsunfall?

Nach einem Verkehrsunfall hat der Versicherungsnehmer als Unfallbeteiligter verschiedene Pflichten zu erfüllen, die sich aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) und dem Versicherungsvertrag ergeben:

  • Anhalten und Sichern der Unfallstelle: Unmittelbar nach Bemerken des Unfalls muss der Versicherungsnehmer anhalten und die Unfallstelle absichern, um Folgeunfälle zu vermeiden.
  • Hilfeleistung: Verletzte Personen müssen versorgt und Erste Hilfe geleistet werden. Bei schweren Unfällen mit Verletzten oder hohem Sachschaden ist die Polizei zu verständigen.
  • Feststellung der Unfallbeteiligten: Der Versicherungsnehmer muss warten, bis die Personalien, Fahrzeug- und Versicherungsdaten der anderen Beteiligten festgestellt sind. Erscheint trotz angemessener Wartezeit niemand, muss er den Unfall selbst bei der Polizei melden.
  • Anzeige des Unfalls bei der Versicherung: Der Versicherungsnehmer muss das Schadenereignis unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche seiner Kfz-Haftpflichtversicherung melden und jede Auskunft zur Aufklärung erteilen.
  • Aufklärung und Schadenminderung: Der Versicherungsnehmer muss alles tun, was der Aufklärung des Unfalls dient. Fragen der Versicherung zum Hergang muss er wahrheitsgemäß und vollständig beantworten.

Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheiten, indem er z.B. Fahrerflucht begeht, kann ihn seine Kfz-Haftpflichtversicherung in Regress nehmen. Sie kann dann einen Teil der an den Geschädigten gezahlten Entschädigung zurückfordern, in der Regel bis zu 2.500 Euro bei einfacher und bis zu 5.000 Euro bei schwerer Obliegenheitsverletzung.


Was bedeutet arglistige Täuschung im Kontext einer Kfz-Haftpflichtversicherung?

Eine arglistige Täuschung im Kontext einer Kfz-Haftpflichtversicherung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Versicherungsvertrags oder im Schadenfall vorsätzlich falsche Angaben macht oder erhebliche Gefahrumstände verschweigt, um eine für ihn günstigere Entscheidung des Versicherers zu erwirken.

Beispiele für eine arglistige Täuschung sind:

  • Bewusst falsche Angaben im Versicherungsantrag, z.B. zur Fahrleistung oder zum Fahrzeugnutzer, um eine niedrigere Prämie zu erhalten.
  • Vorsätzliches Verschweigen von Vorschäden oder früheren Unfällen bei Vertragsschluss.
  • Fingieren eines Unfalls, um unrechtmäßig Versicherungsleistungen zu erlangen (Versicherungsbetrug).
  • Bewusst falsche Schilderung des Unfallhergangs gegenüber der Versicherung, um eine Regulierung zu erreichen.

Kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung nachweisen, hat er ein Anfechtungsrecht. Er kann den Versicherungsvertrag dann rückwirkend für nichtig erklären, so als hätte nie Versicherungsschutz bestanden. Selbst wenn die Täuschung erst nach einem Schadenfall auffliegt, muss die Versicherung nicht leisten. Zudem kann der Versicherer bereits gezahlte Leistungen zurückfordern.

Im Gegensatz zu einer Obliegenheitsverletzung, bei der Versicherungsnehmer meist „nur“ mit einer Kürzung des Schadenersatzes rechnen müssen, sind die Folgen einer arglistigen Täuschung also wesentlich gravierender. Der Versicherungsnehmer verliert den Versicherungsschutz komplett und rückwirkend. In besonders schweren Fällen kann sogar der Straftatbestand des Betrugs erfüllt sein.


Wie beeinflusst das Verhalten des Versicherungsnehmers nach einem Unfall seine Regresspflicht?

Das Verhalten des Versicherungsnehmers nach einem Unfall hat entscheidenden Einfluss darauf, ob und in welcher Höhe die Kfz-Haftpflichtversicherung Regress gegen ihn geltend machen kann.

Begeht der Versicherungsnehmer nach dem Unfall eine Obliegenheitsverletzung, indem er beispielsweise Unfallflucht begeht, kann ihn die Versicherung grundsätzlich in Regress nehmen. Die Versicherung reguliert dann zwar zunächst den Schaden gegenüber dem Geschädigten, fordert die Kosten aber anschließend vom Versicherungsnehmer zurück.

Allerdings muss die Versicherung nachweisen, dass sich die Obliegenheitsverletzung negativ auf die Feststellung des Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Konnte der Unfallhergang trotz des Fehlverhaltens, z.B. einer kurzzeitigen Entfernung vom Unfallort, vollständig aufgeklärt werden, entfällt der Regressanspruch. Auch eine bloße zeitliche Verzögerung der Unfallaufnahme rechtfertigt noch keinen Regress, wenn letztlich alle relevanten Umstände festgestellt werden konnten.

Die Höhe des Regresses ist bei Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalls, wie einer Unfallflucht, in der Regel auf 2.500 Euro begrenzt. Nur wenn der Versicherungsnehmer zusätzlich vorsätzlich und erheblich gegen Aufklärungs- und Schadenminderungspflichten verstößt, kann sich der Regress auf bis zu 5.000 Euro erhöhen. Liegen Obliegenheitsverletzungen sowohl vor als auch nach dem Versicherungsfall vor, z.B. Trunkenheitsfahrt und anschließende Unfallflucht, können die Beträge addiert werden.

Zusammenfassend hängt es stark von den Umständen des Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang die Versicherung nach einem Unfall Regress gegen den Versicherungsnehmer geltend machen kann. Entscheidend ist, ob die Obliegenheitsverletzung ursächlich für Probleme bei der Aufklärung des Versicherungsfalls war. Pauschale Regressforderungen der Versicherungen sind daher oft angreifbar.


Welche Rolle spielt der Kausalitätsgegenbeweis bei der Regulierung von Schäden?

Der Kausalitätsgegenbeweis spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, ob eine Kfz-Haftpflichtversicherung Regress gegen den Versicherungsnehmer nehmen kann, wenn dieser eine vertragliche Obliegenheit verletzt hat.

Grundsätzlich darf der Versicherer seine Leistung kürzen oder ganz verweigern, wenn der Versicherungsnehmer z.B. Unfallflucht begangen und damit seine Aufklärungs- und Schadenminderungspflichten verletzt hat. Allerdings muss der Versicherer beweisen, dass sich die Obliegenheitsverletzung negativ auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ausgewirkt hat.

Gelingt dem Versicherungsnehmer jedoch der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG, entfällt das Recht des Versicherers zur Leistungskürzung. Der Versicherungsnehmer muss dafür nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war.

Dies kann ihm im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung oft gelingen, wenn trotz Unfallflucht der Unfallhergang und die Haftungsfrage eindeutig geklärt werden konnten. Entscheidend ist, dass dem Versicherer durch die verspätete Anzeige keine konkreten Feststellungsnachteile entstanden sind. Pauschale Vorwürfe einer möglichen Alkoholisierung reichen nicht aus, solange es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt.

Gelingt dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis, muss die Versicherung den Schaden in voller Höhe regulieren und darf keinen Regress gegen ihn geltend machen. Der Kausalitätsgegenbeweis ist somit ein wichtiges Instrument, um ungerechtfertigte Regressforderungen abzuwehren, wenn die Obliegenheitsverletzung im Ergebnis folgenlos geblieben ist.



§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 142 StGB (Unfallflucht): Dieser Paragraph stellt das unerlaubte Entfernen vom Unfallort unter Strafe. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagten eine Obliegenheitsverletzung zur Last gelegt, da sie sich nach dem Unfall entfernt hat, was gemäß der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) und dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.
  • § 28 VVG (Verletzung von Obliegenheiten): In der Kfz-Haftpflichtversicherung führt eine Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer, wie in diesem Fall die Unfallflucht, unter Umständen zu einer Leistungskürzung oder -freiheit des Versicherers. Das Gericht befasste sich mit der Frage, inwieweit die arglistige Obliegenheitsverletzung des Beklagten die Rechte der Klägerin auf Regress beeinflusst.
  • E.1.3, E.6.1, E.6.2, E.6.3 AKB: Diese Bestimmungen der Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen regeln die Pflichten des Versicherten im Schadensfall, einschließlich der Meldepflicht und des Verhaltens am Unfallort. Die spezifische Verweisung auf diese Abschnitte zeigt, dass die Verletzung dieser Pflichten im konkreten Fall eine Rolle spielte.
  • § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Bezugnahme auf das angefochtene Urteil): Erlaubt es dem Gericht, in der Berufungsinstanz auf die Feststellungen der Vorinstanz Bezug zu nehmen, was die Prozessführung vereinfacht und auf die Effizienz des Verfahrens abzielt.
  • §§ 92, 708, 713 ZPO (Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit): Diese Vorschriften regeln die Kostenverteilung im Prozess sowie die Bedingungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils, was für die rechtlichen Folgen der Entscheidung und die Rechtssicherheit der Parteien von Bedeutung ist.
  • § 28 Abs. 3 S. 2 VVG (Kausalitätsgegenbeweis): Bestimmt, dass im Fall einer arglistigen Täuschung dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis verwehrt bleibt. Dies bedeutet, dass der Beklagte nicht darlegen kann, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Leistung des Versicherers hatte, was im vorliegenden Fall relevant war.


➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Köln

LG Köln – Az.: 20 S 11/15 – Urteil vom 28.10.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.500,00 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des AG Bergheim vom 30.03.2015, Bl. 77 ff. d. A.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs. 1, 313 a ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist im zuerkannten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht Bergheim angenommen, die Beklagte sei in Höhe eines Betrages von 5.000,00 € regresspflichtig, weil sie keine gültige Fahrerlaubnis gehabt habe. Insoweit hat das Amtsgericht verkannt, dass dieser Umstand nicht kausal für den Unfall gewesen ist. Es ist anerkannt, dass dann, wenn ein ausländischer Führerschein später ohne Weiteres umgeschrieben wird, nicht von der Kausalität der Obliegenheitsverletzung ausgegangen werden kann (vgl. die Anmerkung zu dem vorliegend mit der Berufung angegriffenen Urteil des AG Bergheim in r + s 2015, 286 m. w. N.).

Anzulasten ist der Beklagten jedoch eine Obliegenheitsverletzung in Form der Unfallflucht: E.1.3, E.6.1, E.6.2, E.6.3 AKB, § 28 VVG.

Indem die Beklagte nach dem Unfall nicht angehalten hat und erst nach der Intervention von Passanten, die den Unfall beobachtet hatten, in einem Abstand von mehr als 75 m gestoppt worden ist, hat die den Straftatbestand des § 142 StGB erfüllt. Nicht gefolgt werden kann der Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin, diese habe sich allenfalls 10 m von der Unfallstelle entfernt und die Polizeibeamten hätten die Distanz zwischen Unfallort und Stopp des Fahrzeuges der Beklagten in der Skizze Bl. 6 BA falsch eingetragen, weil die Unfallgegnerin Bekannte/Verwandte bei der Polizei habe. Abgesehen davon, dass dieser Einwand im Strafverfahren nicht erhoben worden ist und die Beklagte erstinstanzlich in der Klageerwiderung immerhin eine Distanz von 30 m eingeräumt hat, bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das nunmehr den Polizeibeamten vorgeworfene Verhalten.

Die Obliegenheitsverletzung wurde auch arglistig verübt, wie sich aus der Tatsache ergibt, dass die Beklagte gegenüber der Zeugin …, wie diese in ihrer schriftlichen Anhörung wie auch bei ihrer Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung bekundet hat, sinngemäß erklärt hat: „Ist doch nicht schlimm, wir haben beide den Spiegel kaputt und dann kann ich weiterfahren“. Daraus folgt zwanglos, dass die Beklagte den Zusammenstoß wahrgenommen hat, dies aber bewusst nicht zum Anlass genommen hat, an der Unfallstelle anzuhalten.

Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Vorhalt dieser Aussage erklärt, diese sei durch die Polizeibeamten „platziert“ worden; aber auch für ein solches inkriminiertes Verhalten der Polizeibeamten bestehen keinerlei Anhaltspunkte, zumal die Zeugin ihre Aussage in der Hauptverhandlung vor Gericht wiederholt hat. Diese Beschuldigung durch die Beklagte ist offensichtlich „ins Blaue hinein“ erfolgt, wofür spricht, dass diese weder im Strafverfahren noch in erster Instanz erhoben worden ist.

Im Hinblick darauf, dass arglistiges Handeln der Beklagten gegeben ist, steht ihr der Kausalitätsgegenbeweis – § 28 Abs. 3 S. 2 VVG – nicht offen.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass diese Obliegenheitsverletzung der Beklagten, zumal sie folgenlos geblieben ist, nicht als besonders schwerwiegend im Sinne von E.6.4. AKB zu qualifizieren ist, weshalb sich die Regressforderung der Klägerin auf 2.500,00 € beschränkt. Denn auch wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt hat, ist bei einer normalen Obliegenheitsverletzung – auch bei einer Unfallflucht – die Leistungsfreiheit des Versicherers beschränkt. Nur wenn zur vorsätzlichen Begehungsweise dem Versicherungsnehmer ein besonders schwerer Fall zur Last gelegt wird, erweitert sich die Leistungsfreiheit auf 5.000,00 €. Besonders schwerwiegend ist ein Verhalten, das sich von dem Normalfall einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, d. h. hier einer Unfallflucht, deutlich abhebt, wofür im Fall einer Unfallflucht wie hier die bloße Entfernung des Versicherungsnehmers und seines Fahrzeuges von der Unfallstelle nicht genügt (vgl. zu Vorstehendem: Maier, in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, AKB-Kommentar, 18. Aufl., AKB E, Rn 45 m. w. N.).

Die zugesprochenen Zinsen sind verzugsbedingt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichtes ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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