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Kfz-Haftpflichtversicherung – Nachweis eines manipulierten Verkehrsunfalls

OLG Dresden – Az.: 4 U 187/18 – Urteil vom 23.10.2018

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30.01.2018, Az 8 O 1507/14, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.513,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2011 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 97 % und der Beklagte 3 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 90 % und der Beklagte 10 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 24.077,29 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten – neben vier weiteren Beklagten – als Gesamtschuldner wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges durch fingierte Verkehrsunfälle in den Jahren 2005 und 2006 auf Schadenersatz und Rückzahlung von Versicherungsleistungen für insgesamt sieben Schadensereignisse in Anspruch.

Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin für seinen Pkw Audi A6, amtliches Kennzeichen …, eine Kfz-Haftpflichtversicherung.

Am 7.7.2006 zeigte der Beklagte der Klägerin einen Sturmschaden an seinem Fahrzeug an, der sich auf der T…straße in B. ereignet haben soll. Die Reparatur des Schadens wurde durch eine Fa. A. Service durchgeführt, deren Inhaber der vormalige Beklagte zu 4 war. Die Klägerin zahlte nach ihrer Behauptung nach Vorlage einer von dem Beklagten unterschriebenen Reparaturkostenübernahmebestätigung an die Fa. A. Service auf deren Rechnung vom 20.07.2006 einen Betrag von 2.303,56 EUR sowie weitere 210,31 EUR an Gutachterkosten.

Am 13.07.2006 gegen 22.30 Uhr kam es zu einem Schadensereignis, an dem der Beklagte beteiligt war. Er befuhr mit einem von der Autovermietung … gemieteten Ford Transit, amtl. Kennzeichen …, die M…strasse aus B. kommend in Richtung L. und kollidierte vor dem Ortseingang L. mit einem Mercedes mit dem amtl. Kennzeichen …, der von dem Zeugen B. geführt wurde. Halter des Fahrzeugs war der vormalige Beklagte zu 2., der bei der Klägerin eine Kaskoversicherung unterhielt. Nachdem die Versicherung der Fa. … die Regulierung des Schadens ablehnte, zahlte die Klägerin nach ihrer Behauptung auf eine Reparaturrechnung der Fa. A. Service insgesamt 21.420,62 EUR an diese Firma.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat gegen eine Reihe von Beschuldigten, darunter auch den Beklagten, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von betrügerischen Unfallmanipulationen zum Nachteil der Klägerin und anderer Versicherungsgesellschaften geführt (Az 320 Js 660/08). Das Amtsgericht Dresden hat mit Beschluss vom 13.11.2013 ( 206 Ls 320 Js 660/08) die Anklage gegen den Beklagten und den vormaligen Beklagten zu 2 nicht eröffnet.

Das Landgericht Dresden hat die vorliegende Klage gegen den Beklagten mit Beschluss vom 14.04.2014 von dem gegen die weiteren Gesamtschuldner geführten Verfahren abgetrennt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere zu weiteren Schadensereignissen, wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft Dresden 320 Js 660/08 und Einholung von Sachverständigengutachten den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Rückzahlung der Versicherungsleistungen für die Schadensereignisse vom 07.07. und 13.07.2006 verurteilt. Zum einen sei er zur Rückzahlung der Versicherungsleistungen für den von ihm als Versicherungsnehmer geltend gemachten Sturmschaden verpflichtet, da sich aus dem Gutachten ergäbe, dass die Beschädigungen nicht mit dem behaupteten Schadenshergang korrespondieren würden. Zum anderen sei bei dem Schadensereignis vom 13.07.2006 von einem manipulierten Unfall auszugehen und der Beklagte daher zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin durch betrügerische Handlungen entstanden sei, indem sie die Reparaturkosten für den beschädigten Pkw des vormaligen Beklagten zu 2 als ihrem Versicherungsnehmer gezahlt habe.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zu deren Begründung rügt er, dass der Sachvortrag der Klägerin zu den Schadensfällen und zur Beteiligung des Beklagten unsubstantiiert sei. Das zu dem Schadensereignis vom 07.07.2006 eingeholte Gutachten sei unergiebig. Zudem habe Beklagte bestritten, dass die Klägerin Zahlungen geleistet habe. Hinsichtlich des Schadensereignisses vom 13.07.2006 habe das Landgericht das eingeholte unfallanalytische Sachverständigengutachten fehlerhaft gewürdigt und sei überdies von unzutreffenden Annahmen bezüglich weiterer angeblicher Indizien für ein manipuliertes Unfallgeschehen ausgegangen. Der Beklagte habe den Fahrer des gegnerischen Fahrzeuges nicht gekannt, der Mercedes sei schon angesichts einer Laufleistung von 100.000 km und einem Alter von 4 Jahren nicht hochwertig gewesen, der von den Beteiligten geschilderte Unfallhergang sei keineswegs durch das Gutachten widerlegt. Mit Unstimmigkeiten hinsichtlich der angegebenen Vorschäden des Mercedes habe der Beklagte nichts zu tun. Schließlich habe sich das Landgericht mit dem Verjährungseinwand nicht bzw. unzureichend auseinandergesetzt.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30.01.2018, Az 8 O 1507/14, aufzuheben, soweit der Kläger unter Ziff. 1 des Urteilstenors in Höhe von 24.077,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.01.2011 stattgegeben wurde und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Leipzig zum Az 320 Js 660/08 (im folgenden E-Akte) wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen H. und B.. Wegen der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2018, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2018 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Sie bleibt ohne Erfolg, soweit sich der Beklagte gegen die Rückzahlung von Versicherungsleistungen für das Schadensereignis vom 07.07.2006 wendet. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz für das Schadensereignis vom 13.07.2006 hat die Klägerin die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beklagten nicht ausreichend bewiesen.

1. Der von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch folgt aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.

a) Der Beklagte hat in Höhe der von der Klägerin ausgezahlten Beträge etwas durch Leistung der Klägerin erlangt. Eine Leistung der Klägerin an den Beklagten liegt auch vor, soweit die Klägerin direkt auf die Forderungen Dritter gegen den Beklagten – vorliegend an die Fa. A. Service und an den TÜV Leipzig für Gutachtenkosten – gezahlt hat. Die Zahlung an die Fa. A. Service erfolgte aufgrund der von dem Beklagten unterschriebenen Reparaturkosten-Übernahmebestätigung, mit der die Klägerin unwiderruflich angewiesen wurde die Zahlungen direkt an die Firma A. Service zu leisten (vgl. E-Akte Bd. 6, Fallakte 16, Bl. 02759). Die Klägerin hat hierfür einen Betrag in Höhe von 2.303,56 EUR aufgewendet, wie der Zeuge H. in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2018 glaubhaft und überzeugend bekundete. Die Zahlung an den TÜV Leipzig in Höhe von 210,31 EUR ist ebenfalls eine Leistung der Klägerin an den Beklagten, denn der Beklagte hat dadurch einen Vermögensvorteil in Form der Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt. Dass die Zahlung der Klägerin tatsächlich erfolgt ist, wird durch die dementsprechende Rechnung des TÜV Leipzig vom 17.7.2006 (vgl. E-Akte Bd. 6, Fallakte 16, Bl. 02762) und die Aussage des Zeugen H. belegt.

b) Für die Zahlungen der Klägerin bestand kein Rechtsgrund. Die Klägerin war für die am Fahrzeug des Beklagten vorhandenen Beschädigungen nicht einstandspflichtig, da der Versicherungsleistung kein versichertes Ereignis zugrunde gelegen hat. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis geführt, dass die Beschädigungen des Fahrzeugs des Beklagten nicht in der von ihm behaupteten Weise entstanden sind. Dies ergibt sich aus dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Der Sachverständige kommt darin zu dem überzeugend begründeten Ergebnis, dass zumindest ein Teil der fotografierten Beschädigungen nicht mit dem behaupteten Sturmschaden in Einklang zu bringen ist. Zum einen betrifft dies die tiefen Verkratzungen im Bereich des linken Kotflügels, die nicht einem Kontakt mit faseriger Struktur entsprechen würden, wie Holz oder Blattwerk aufweisen würde. Zudem stehe auch die nahezu kreisrunde Ausprägung auf der Motorhaube im Widerspruch zu einem möglichen Aufprall eines Astes, da in diesem Fall keine exakt ausgeprägte geometrische Beschädigung der Außenhaut zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kämen nicht näher bestimmbare bräunliche Einfärbungen. Die Beschädigung der Windschutzscheibe sei zudem typisch für einen Steinschlagschaden, da keine Rissbildungen vorgefunden wurden, die aber bei einem Sturmschaden zu erwarten gewesen wären. Schließlich würden auch Verkratzungen und Verschürfungen um die Haupteinschlagstellen fehlen, die bei Verformungen durch Äste zu erwarten gewesen wären. Zu den Widersprüchlichkeiten, die der Sachverständige aufzeigt, kommt hinzu, dass auch durch die vorliegende Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 13.09.2007 (E-Akte, Bl. 02781) ein Gewitterereignis mit hohen Windgeschwindigkeiten bzw. starken Windböen im Bereich der T.straße in B. nicht bestätigt wird. Angesichts dessen kann auch die Darstellung des Beklagten zum Schadenshergang in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.07.2018 nicht überzeugen. Auffällig war, dass der Beklagte an keiner Stelle ein Gewitter erwähnt oder die Einzelheiten der an seinem Fahrzeug vorgefundenen Beschädigungen näher schildern konnte. Die Schilderung der Fahrt, der Abstell- und Wiederauffindesituation ist insgesamt detailarm und daher nicht geeignet, dem Senat eine hinreichende Überzeugung von dem behaupteten Hergang des Schadensereignisses zu verschaffen. Der Beklagte konnte auch nicht plausibel erklären, wie es zu der auffälligen kreisrunden Beschädigung der Motorhaube seines Fahrzeugs und den tiefen Kratzern kommen konnte. Bereits die Schadensanzeige des Beklagten ist auffällig substanzlos und beschränkt sich darauf, einen Sturmschaden auf der T…straße zu behaupten, ohne nähere Details zu nennen. Da der behauptete Hergang des Schadensereignisses nicht geeignet ist, die Beschädigungen des Fahrzeugs vollumfänglich zu erklären, bestehen begründete Zweifel am Vorliegen eines versicherten Ereignisses. Der Beklagte ist daher zur Rückzahlung der zu Unrecht erlangten Versicherungsleistungen verpflichtet.

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist begann gem. § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit Schluss des Jahres, in dem der Rückforderungsanspruch entstand und die Klägerin Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die Klägerin hat spätestens am 17.03.2008 Kenntnis erlangt, da sie zu diesem Zeitpunkt Strafanzeige erstattet hat. Somit begann die Verjährung mit Schluss des Jahres 2008 und war bei Klageerhebung am 27.12.2010 noch nicht abgelaufen. Die Verjährungsfrist wurde durch Erhebung der Klage gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Hemmung der Verjährung bestand während der Aussetzung des Verfahrens fort (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 204 Rn. 48 m.w.N.).

2. Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen den Beklagten wegen der zugunsten ihres Versicherungsnehmers erbrachten Kaskoversicherungsleistungen aus dem Schadensereignis vom 13.07.2006 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263, 25 Abs. 2, 27 StGB, § 826 BGB zu. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen manipulierten Unfall gehandelt hat, an dem der Beklagte in Bereicherungsabsicht mitwirkte.

Der Versicherer ist für das Vorliegen eines gestellten, manipulierten Unfalls beweispflichtig. An diesen Beweis sind keine überzogenen Ansprüche zu stellen; es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der sich aus der Gesamtwürdigung von Indizien und aus der Häufung von ungeklärten, für einen fingierten Unfall typischen Umständen ergeben kann; ein mathematischer lückenloser Grad an Gewissheit ist nicht erforderlich (vgl. BGH VersR 1978, 862 1979, 514; 1981, 1158; OLG Köln, NZV 2017, 33 m.w.N.; OLG Köln MDR 2015, 826 OLG Braunschweig Beschluss vom 24.9.2014 – 7 U 99/13 OLG Frankfurt Beschluss vom 21.3.2014 – 13 U 100/12 jeweils – juris; ARGE VR-M 1997, 52 (anders, wenn Unfall nicht ausgeschlossen werden kann); OLG Karlsruhe VersR 1995, 953 OLG Köln zfs 1994, 284 = RuS 1994, 212 OLG Koblenz SP 1993, 68; Böhme/Biela/Tomson in: Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl. 2018, 1. Der „gestellte“ Unfall, Rn. 100). Für einen manipulierten Unfall sind nach der Rechtsprechung unter anderem folgende Umstände typisch: Das Schadensbild passt nicht in allen Bereichen zum geschilderten Unfall; der Unfall, insbesondere die Endstellung der Kfz, wurde nicht polizeilich aufgenommen; Unfallverursachung durch ein „schweres“ Mietfahrzeug; Geschädigter und Schädiger sind gute Bekannte; es sind keine Zeugen vorhanden; objektive Unfallspuren fehlen (OLG München Urteil vom 19.5.2017 – 10 U 1209/15 m.w.N – juris; OLG Celle NZV 2016, 275 OLG Köln VersR 2014, 996 OLG Düsseldorf SP 2014, 327; OLG Düsseldorf SP 2013, 351; OLG Köln VersR 1999, 865 OLG Hamm VersR 1998, 734 (20 Auffahrunfälle in 26 Monaten); OLG Düsseldorf RuS 1996, 132 OLG Hamm zfs 1995, 50 = RuS 1995, 212VersR 1993, 1094 KG VersR 1992, 107NZV 1991, 73 LG Aachen Urteil vom 17.2.2017 – 8 O 438/14 – juris; LG Wuppertal DV 2015, 106 LG Hagen, LG Düsseldorf, LG Essen, jeweils in SP 2013, 67). Gegen einen gestellten Unfall können hingegen bspw. die Uhrzeit und Örtlichkeit des Geschehens sowie insbesondere das Einnehmen einer aktiven Prozessrolle eines Unfallverursachers sprechen.

Vorliegend sind die von der Klägerin vorgetragenen Indizien für sich genommen aber auch in der Gesamtschau nicht ausreichend, um mit einem brauchbaren Grad an Gewissheit die Feststellung einer Unfallmanipulation treffen zu können. Auch die Anhörung des Beklagten selbst und die Aussage des Zeugen B. sprechen gegen die Annahme, dass das Schadensereignis vom 13.07.2006 zwischen den Beteiligten verabredet war, um Versicherungsleistungen zugunsten des vormaligen Beklagten zu 2 zu erlangen. Im Einzelnen:

Zunächst wird von der Klägerin nicht behauptet und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte aus dem Unfallgeschehen einen Vermögensvorteil für sich selbst erlangt hat. Versicherungsleistungen erfolgten ausschließlich an den Halter des Fahrzeugs des Unfallgegners. Ein Vermögensvorteil des Beklagten besteht auch nicht in der Befreiung von einer Verbindlichkeit, hier von der Schadensersatzforderung des Halters des beschädigten Mercedes. Denn eine solche Verbindlichkeit wäre im Fall eines gestellten Unfalls „freiwillig“ zustande gekommen, so dass in der Befreiung von der ohne Grund übernommenen Verbindlichkeit kein gesonderter Vorteil für den Beklagten zu sehen ist.

Zudem ist die Schilderung des Unfallhergangs durch den Beklagten und durch den hierzu vernommenen Zeugen B. in wesentlichen Punkten stimmig und überzeugend. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass es tatsächlich zu einem Unfall zwischen den beteiligten Fahrzeugen gekommen ist. Der Unfall wurde am Unfallort polizeilich aufgenommen, es wurde eine Lichtbildmappe erstellt, die Fahrzeuge waren nicht fahrbereit und mussten abgeschleppt werden, was auch durch einen Abschleppauftrag belegt wird (E-Akte Bd. 7, Bl. 02902). Der von dem Beklagten im Rahmen der Anhörung vor dem Senat angegebene Grund für die Fahrt mit dem gemieteten Kleintransporter – Hilfe beim Umzug seiner tschechischen Bekannten – ist schlüssig und erklärt sowohl die Anmietung, die angegebene Fahrtstrecke und die späte Uhrzeit. Der Umstand, dass er zunächst gegenüber der Fa. … angegeben hat, er habe Möbel abholen sollen und hierbei die Bekannte nicht erwähnte, ist ebenfalls angesichts der vom Beklagten in seiner Anhörung geschilderten besonderen Umstände nachvollziehbar. Er hat ausgeführt, er sei verheiratet gewesen und seine Ehefrau habe von dieser Bekannten keine Kenntnis gehabt. Unfallzeit und -örtlichkeit sind mit dem behaupteten Unfallgeschehen in Übereinstimmung zu bringen. Soweit im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen Bedenken geäußert wurden, da die Unfallörtlichkeit abgelegen sei, hat der Beklagte dies nachvollziehbar und schlüssig damit erklären können, dass es Baumaßnahmen auf der B 170 gegeben habe und er daher eine Nebenstrecke gefahren sei, die neu für ihn gewesen sei. In seiner Anhörung hat er diese Angaben ergänzt und ausgeführt, er habe sich nicht ausgekannt und sich verfahren, da er keinen Navi und nur die Adresse dieser Freundin gehabt habe. Soweit laut Auskunft des zuständigen Straßenbauamtes zum fraglichen Zeitpunkt „keine Baustelle auf der B 170 bestanden habe, die zu und einer Umleitung des Verkehrs über die S 178 führte“ spricht dies nicht gegen die Schilderung des Beklagten, da er nicht behauptet hat, eine Umleitungsstrecke gefahren zu sein. Im Übrigen hat auch der Zeuge B. in seinem Schreiben an die Klägerin vom 5.2.2007 (E-Akte Bl. 02802) die Angaben des Beklagten bestätigt, da er angegeben hat, er sei „wegen dichten Verkehr auf der B 170 über die S 178 zurück nach D.“ gefahren. Auch konnte er einen schlüssigen Grund für die späte Fahrt angeben. („Tanken und Rauchen“).

Gegen die durchweg konstante Unfallschilderung des Beklagten bestehen auch im Hinblick auf das eingeholte Sachverständigengutachten keine durchgreifenden Bedenken. Der Sachverständige hat bestätigt, dass der von dem Beklagten geführte Ford Transit durch nach links Lenken aus der normalen Rechtskurve heraus auf die Gegenfahrbahn gekommen sei. Als Grund für das Linkslenken hat der Beklagte bereits bei der polizeilichen Unfallaufnahme einen Wildwechsel auf der rechten Fahrbahnseite angegeben. Dies konnte der Sachverständige nicht ausschließen, da sich das Tier die Felsformation hinunter und sich auch längsparallel zur Fahrbahn bewegt haben könnte. Auch soweit der Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass der Mercedes zum Zeitpunkt der Reaktion des nach links Lenkens bereits für den Beklagten erkennbar gewesen sei, wird hierdurch eine Kollisionsabsicht des Beklagten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt, denn der Zeuge B. befand sich – wie der Sachverständige ebenfalls festgestellt hat – nahe der Mittellinie, so dass der Beklagte möglicherweise in der Annahme, der Zeuge werde noch weiter ausweichen oder die durchgeführte Bremsung würde eine Kollision verhindern, nach links gelenkt hat. Der Zeuge B. schilderte in dem Schreiben vom 05.02.2007 seinerseits, er habe eine Vollbremsung durchgeführt und auszuweichen versucht, sei aber gerammt worden. Der vom Beklagten geschilderte Unfallhergang wird zudem im Wesentlichen durch die Aussage des Zeugen B. in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2018 bestätigt. Nachdem er nachvollziehbar an den mittlerweile 12 Jahre zurückliegenden Unfall keine konkrete Erinnerung mehr hatte, konnte er auf Vorhalt bestätigen, dass er gerammt worden sei, und zwar aufgrund eines Ausweichmanövers des Beklagten, der wohl auch damals angegeben hatte, dass er irgendeinem Tier habe ausweichen müssen. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, der Zeuge zeigte keine Tendenz, dem Beklagten unterstützen zu wollen und gab den ihm noch erinnerlichen Sachverhalt mit Details über das bisher Bekannte hinaus freimütig und überzeugend wieder.

Der Umstand, dass die allein von dem Versicherungsnehmer der Klägerin geltend gemachten und abgerechneten Schäden nicht sämtlich mit dem dargestellten Unfallhergang korrespondieren, kann schon deshalb nicht dem Beklagten zugerechnet werden, da dieser nicht Anspruchsteller bei dem Schadensereignis war und die Klägerin an keiner Stelle näher dargelegt hat, inwieweit der Beklagte in die Geltendmachung des Schadens einbezogen war. Anhaltspunkte für eine Einbeziehung des Beklagten in die konkrete Schadensabrechnung oder für eine Kenntnis des Beklagten von möglicherweise nicht durch den Unfall verursachten Schäden am gegnerischen Fahrzeug finden sich auch nicht in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren.

Schließlich bestehen entgegen der Behauptung der Klägerin auch keine hinreichenden Indizien für die Annahme einer besonderen Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigten, hier zwischen dem Beklagten und dem Versicherungsnehmer der Klägerin. Der Zeuge B. hat bestätigt, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt der Lebensgefährte seiner Mutter gewesen ist. Aus diesem Grund sei er Besitzer des Fahrzeugs gewesen, dessen Halter der Versicherungsnehmer der Klägerin war. Bei der Annahme der Klägerin, dass die Mutter ihres Versicherungsnehmers – gemeint ist wohl die Mutter des Zeugen B. – die Lebensgefährtin des Beklagten gewesen sei, handelt es sich um ein offensichtliches Missverständnis. Von einer näheren Bekanntschaft zwischen dem Beklagten einerseits und dem Versicherungsnehmer der Klägerin und/oder dem Zeugen B. andererseits ist auch nicht deshalb auszugehen, weil die Mutter des Zeugen B. die frühere Berufsschullehrerin des Beklagten gewesen ist. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es sich bei dem Beklagten um den „Lehrling“ der als Berufsschullehrerin tätigen Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers der Klägerin gehandelt hat, wie der Versicherungsnehmer der Klägerin in einem anderen Verfahren ausgesagt haben soll. Hierdurch wird schon nicht belegt, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin den Beklagten vor dem Unfallgeschehen näher kannte, denn der Beklagte war nicht bei diesem oder bei seiner Lebensgefährtin beschäftigt. Es bestehen angesichts dessen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass es zwischen dem zum Unfallzeitpunkt 25-jährigem Beklagten, der in M. wohnte und dessen Berufsschulzeit längere Zeit zurück gelegen haben muss, und dem Versicherungsnehmer der Klägerin oder dem Zeugen B. vor dem Unfallgeschehen private Kontakte gegeben hat. Der Zeuge B. hat in seiner Vernehmung vor dem Senat vielmehr bestätigt, man habe wegen des unüblichen Namens des Beklagten erst nach dem Unfall herausgefunden, dass der Beklagte möglicherweise Schüler seiner Mutter gewesen sei. Schließlich konnte der Zeuge ebenfalls bestätigen, dass die Handynummern wahrscheinlich aufgrund des Unfalls ausgetauscht wurden. Dies erklärt nachvollziehbar, warum bei einem späteren Gespräch mit von der Klägerin beauftragten Detektiven sowohl der Zeuge als auch der Beklagte eine Bekanntschaft bestätigten und die jeweiligen Handynummern herausgeben konnten.

Auch in der Gesamtschau sind die vorgetragenen Indizien nicht geeignet, eine Unfallmanipulation mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu beweisen. Bei näherem Hinsehen verbleiben zwar gewisse Bedenken, die darin begründet sind, dass der Beklagte – soweit ersichtlich – in dem fraglichen Zeitraum vier weitere Schadensereignisse gemeldet hat, die somit auffällig gehäuft in einem relativ kurzen Zeitraum aufgetreten sind. Hinzu kommt noch eine gewisse Nähe des Beklagten zu einem Hauptbeschuldigten des Ermittlungsverfahrens, bei dem er die Reparaturen seines Fahrzeugs durchführen ließ. Es ist aber auch festzustellen, dass es bei den weiteren von der Klägerin vorgetragenen Schadensfällen zu keiner Auszahlung kam, auch weil der Beklagte Ansprüche aus den gemeldeten Schadensfällen nicht weiter verfolgte. Soweit die Klägerin den Beklagten für sämtliche in der Klageschrift aufgeführten Schadensfälle mitverantwortlich sieht, ist mit dem Landgericht festzustellen, dass sie für ihre unsubstantiierte und pauschale Behauptung keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen hat.

Die Einschätzung des Senats, nach der die Klägerin keine ausreichenden Tatsachen für die Annahme einer Unfallmanipulation unter Beteiligung des Beklagten bewiesen hat, wird zudem indiziell durch den Umstand bestätigt, dass auch das Amtsgericht auf der Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung wegen Betruges gem. § 263 StGB und damit die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen den Beklagten verneint hat, da eine eigene Tatbeteiligung des Beklagten weder dargestellt noch ersichtlich ist. Mit diesen Ermittlungsergebnissen wird aber auch der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Schadenersatzanspruch entscheidend begründet.

3. Wegen des fehlenden Nachweises einer Unfallmanipulation scheitert im Ergebnis auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 und 2 BGB, ohne dass es eines näheren Eingehens auf die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs bedarf.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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