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Kfz-Haftpflichtversicherung – Kausalitätsgegenbeweis bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort

AG Borna, Az.: 4 C 1354/13, Urteil vom 13.11.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 2.320,49 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Beklagte befuhr am 28.10.2010 gegen 8.00 Uhr mit seinem bei der KRAVAG-Allgemeine Versicherungs-AG haftpflichtversicherten PKW Daimler Benz, amtliches Kennzeichen … die Rathenaustraße in Markkleeberg. Dabei stieß er gegen den dort geparkten PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen … . Ausweislich seiner später gegenüber der Haftpflichtversicherung abgegebenen Schadensschilderung hatte der Beklagte zumindest bemerkt, dass der rechte Außenspiegel seines Fahrzeuges den Außenspiegel des Golfs streifte. Gleichwohl setzte er seine Fahrt fort und brachte seine Ehefrau, bei der Verdacht auf Knochenmarkkrebs bestand, zu einer Grunduntersuchung in die Onkologie. Nachdem die Untersuchung abgeschlossen waren, begab sich der Beklagte zusammen mit seiner Ehefrau zurück zu seiner Wohnung, wo ihm nachmittags Polizeibeamte aufsuchten und darüber informierten, dass gegen ihn eine Verkehrsunfallanzeige in Verbindung mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort vorläge. Daraufhin meldete der Beklagte gegen 14.15 Uhr den Schadensvorfall einer Mitarbeiterin der seiner Haftpflichtversicherung. Einen ihm von dieser zugesandten Fragebogen zum Unfallgeschehen schickte der Beklagte am 04.11.2010 ausgefüllt zurück. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte den Schaden der Halterin des VW Golfs in Höhe von 2.320,49 EUR. Der Beklagte wurde durch das Amtsgericht Borna vom 10.11.2012 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Klägerin, die gemäß Vollmacht vom 02.05.2011 grundsätzlich berechtigt ist, Regressforderungen der KRAVAG-Allgemeine Versicherungs-AG im eigenen Namen einzuziehen und gerichtlich durchzusetzen, macht geltend, der Beklagte habe entgegen seiner gesetzlichen Obliegenheit nach § 28 VVG und der Bestimmungen im Versicherungsvertrag die erforderlichen Feststellungen nach dem Zusammenstoß nicht ermöglicht. Dabei ergebe sich bereits aus seiner eigenen Einlassung gegenüber den Polizeibeamten, dass er das Unfallgeschehen wahrgenommen und sich deshalb unerlaubt vom Unfallort entfernt habe. Seine erst nachmittags vorgenommene Schadensmeldung gegenüber der Haftpflichtversicherung stelle sich jedenfalls nicht als unverzüglich dar. Zwar sei in § 31 VVG keine Zeit und Frist für die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit geregelt. Doch sei die Obliegenheit nach § 28 VVG jedenfalls so ausgestaltet, dass es die vertragliche Vereinbarung enthalte, eine Unfallstelle nicht zu verlassen. Darüber könne nicht der Beklagte disponieren. Wenn er vorliegend unverzüglich nach dem Schadensereignis seiner Pflichtversicherung den Schaden gemeldet hätte, hätte diese veranlassen können, dass er die Polizei rufe bzw. zu einer Polizeidienststelle fahre. Dort hätte wiederum festgestellt werden können, dass der Beklagte selbst Fahrer des Unfallfahrzeuges gewesen sei und es hätte eine Alkoholkontrolle oder eine Kontrolle für Anzeichen der Fahruntüchtigkeit durchgeführt werden können. Diese Weisungsmöglichkeit sei auch nicht nur theoretischer Natur. Vielmehr hätte die Versicherung, sofern der Beklagte in der morgendlichen Situation ggf. bei der Schadensmeldung am Telefon Anzeichen dafür gezeigt hätte, nicht in der Lage zu sein, ein Fahrzeug sicher zu führen, darauf bestehen können, dass der Beklagte die Polizei zur Klärung des Unfallereignisses herbeirufe. Eine entsprechende Weisung habe der Beklagte durch sein Verhalten verhindert. Sofern der Beklagte nunmehr am Unfalltag um 13.00 Uhr anstelle um 8.00 Uhr von der Polizei angetroffen worden sei, hätten sich sämtliche Feststellungen hinsichtlich seiner möglichen Alkoholisierung oder etwaigen medikamentenbeeinflussten Fahruntüchtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes verflüchtigt. Es deute auch alles daraufhin, dass sich der Beklagte ohne das Erscheinen der Polizei bei seiner Haftpflichtversicherung überhaupt nicht gemeldet hätte. Diese habe aufgrund des Verhaltens des Beklagten auch nicht feststellen können, ob der Beklagte den Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt habe, was für die Feststellung des Versicherungsfalles erheblich gewesen wäre. Zudem habe der Umfang der Leistungspflicht nicht festgestellt werden können, da bei einer Alkoholisierung des Beklagten die Haftpflichtversicherung im Innenverhältnis bis zu einer Höhe von mindestens 2.500 EUR bzw. sogar bis zu 5.000 EUR leistungsfrei gewesen wäre. Soweit der Beklagte nunmehr selbst die Schadensherbeiführung bzw. die Schadenshöhe bestreite, wäre dies für die Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht der Haftpflichtversicherung erheblich gewesen. Ebensowenig sei feststellbar, ob ein Berechtigter, Versicherter oder der Beklagte selbst das Fahrzeug gefahren habe. Unabhängig davon sei dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis aber auch schon deshalb nicht eröffnet, da der Beklagte wegen des Verlassens der Unfallstelle und der nicht unverzüglichen, aber möglichen Nachholung der Feststellungen, seine Obliegenheit arglistig verletzt habe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilten, an sie 2.320,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass sich vorliegend aus dem Sachverhalt des Unfallhergangs keine realistischen Möglichkeiten ergeben würden, wonach sich hinsichtlich der Feststellung und des Umfangs der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ein anderes Ergebnis als dessen volle Leistungspflicht hätte ergeben können. Seine alleinige Unfallverursachung sei klar gewesen. Es habe sich um einen kleineren Verkehrsunfall gehandelt, bei welchem er in Folge von Unachtsamkeit ein parkendes Fahrzeug touchiert habe. Gerade dieser Hergang spreche nicht für eine alkohol- bzw. betäubungsmittelbedingte Fahruntüchtigkeit oder einer anderweitig grob fahrlässige Verursachung des Verkehrsunfalles. Er sei auch weder alkoholisiert gefahren, noch hätte er Medikamente genommen, die seine Fahrtüchtigkeit hätten beeinträchtigen können. Aus seiner Sicht habe er aber auch nur beim Vorbeifahren den Außenspiegel des Golfs gestreift, ohne Geräusche oder andere Unregelmäßigkeiten festzustellen. Darüber, dass hierdurch erhebliche Beschädigungen hätten entstehen können, sei er sehr überrascht gewesen. Im Übrigen hätte die Haftpflichtversicherung selbst bei einer Schadensmeldung um 8.10 Uhr keine anderen oder weiteren Aufklärungsmaßnahmen eingeleitet, als tatsächlich geschehen. Dies folge schon aus dem klägerischen Sachvortrag, wonach die Haftpflichtversicherung schon gar nicht vor Ort eine Schadensbegutachtung bei einem Schadenswert in der vorliegenden Summe vorgenommen hätte. Darüberhinaus habe die Haftpflichtversicherung auch selbst keinerlei Anlass gesehen, die von der Geschädigten verlangten Reparaturkosten in Frage zu ziehen und schließlich seien auch sowohl von dem anderen unfallbeteiligten Fahrzeug als auch von seinem PKW in unveränderten Zustand Fotos gefertigt worden. Soweit an dem anderen Fahrzeug nach dem Gutachten der DEKRA Beschädigungen an der Tür hinten rechts sowie Beschädigungen des Stoßfängers vorliegen würde, seien diese nicht auf den streitgegenständlichen Vorfall zurückzuführen. Darüberhinaus werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2014, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 2.320,49 EUR aus den §§ 426Abs. 2, 398 BGB i.V.m. § 116 VVG. Der Inanspruchnahme des Beklagten steht hier zwar nicht die Einrede der Verjährung entgegen, da durch die am 31.12.2013 bei Gericht eingereichte und am 16.01.2014 alsbald zugestellte Klage die Verjährung unterbrochen wurde. Indes kann sich der Beklagte gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 VVG entlasten. Soweit dem Beklagten zwar ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und damit eine vertragliche Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 VVG vorzuwerfen ist, hat sich diese Pflichtverletzung nicht kausal auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles bzw. die Feststellung und der Umfang der Leistungspflicht der KRAVAG-Allgemeine Versicherungs-AG als Haftpflichtversicherin des Beklagten ausgewirkt.

Dabei ist hier grundsätzlich der Kausalitätsgegenbeweis nicht nach § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen. Dafür wäre Voraussetzung, dass sich die Obliegenheitsverletzung des Beklagten als arglistiges Verhalten darstellte. Dies ist in der vorliegenden Situation zu verneinen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung bereits jegliches unerlaubtes Entfernen vom Unfallort den Vorwurf einer Arglist rechtfertigen soll. Dem kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, da die Frage , ob sich ein Verhalten als fahrlässig, vorsätzlich oder arglistig darstellt, ohne konkrete Betrachtung des Einzelfalls nicht beantwortet werden kann. Mithin ist es für die Bejahung von Arglist im Rahmen des § 28 Abs. 3 S.2 VVG erforderlich, dass, über den bloßen Vorsatz hinausgehend, der Versicherungsnehmer bzw. der Versicherte eine gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten dem Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Ist dies wiederum in aller Regel nur auf der Grundlage von Indizien, die sich aus dem vorgetragenen Hergang des Unfalls und dem nachfolgenden Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben, zu bejahen, ist danach für die Annahme eines arglistigen Verhaltens des Beklagten vorliegend kein Raum.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Unfallbeteiligung und auch alleinige Unfallverursachung durch den Beklagten schon aufgrund der am Unfallort anwesenden Zeugen ohne Weiteres zweifelsfrei zu belegen war. Auch wurde vom Beklagten, nachdem er von den Polizeibeamten insbesondere über die Folgen des Unfallereignisses in Kenntnis gesetzt worden war, seine grundsätzliche Beteiligung nicht in Abrede gestellt. Zumindest hat er den Besuch der Polizeibeamten zum Anlass genommen, nahezu umgehend seine Haftpflichtversicherung zu informieren. Im Übrigen hätte aber auch eine etwaige Absicht des Beklagten, generell die Unfallbeteiligung des versicherten Fahrzeugs und damit seine eigene Unfallbeteiligung als Fahrer zu verschleiern, so dass der Geschädigte im Ergebnis mangels Feststellbarkeit des Verursachers bzw. der Halters des unfallverursachten Fahrzeugs keine Ansprüche hätte geltend machen können, kein gegen die Interessen des Haftpflichtversicherers gerichteten Zweck begründet, da dann auch dieser Versicherer nicht belastet worden wäre. Ein gegen die Interessen des Versicherers gerichteter Zweck kann sich bei einer Verkehrsunfallflucht vielmehr nur daraus ergeben, dass der Versicherungsnehmer Feststellungen verhindern wollte, die zu einer auch nur anteiligen Leistungsfreiheit im Verhältnis des Versicherers zum Versicherungsnehmers hätten führen können, was insbesondere dann von Relevanz ist, wenn sich der Versicherungsnehmer vom Unfallort entfernt hat, um eine etwaige Fahruntüchtigkeit zu verschleiern. Ein derartiges Ansinnen des Beklagten kann vorliegend insbesondere auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme allerdings zur Überzeugung des Gerichts ohne weiteres ausgeschlossen werden. Dabei ergeben sich unter Berücksichtigung der detaillierten und nachvollziehbaren Angaben der Zeugin … keinerlei konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte hier in irgendeiner Form alkohol- oder medikamentenbedingt nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Anhaltspunkte dafür, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage zu ziehen, sind nicht ersichtlich. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Zeugin als Ehefrau des Beklagten zu diesem in einem besonderen Näheverhältnis steht.

Soweit die Zeugin gerade die Frage einer Beeinträchtigung auf Grund der vom Beklagten eingenommenen verschiedenen Medikamente nur nach ihrer laienhaften Sicht hat beurteilen können, besteht gleichwohl kein Anlass, den in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gestellten Beweisantrag durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Vielmehr kann bei der Einschätzung der Zeugin nicht unbeachtet bleiben, dass hier der Beklagte offensichtlich seit mehr als 8 Jahren die Medikamente nimmt, ohne dass die Frage einer Fahruntüchtigkeit diesbezüglich in irgendeiner Form in Zweifel gezogen wurde. Insoweit hat die Zeugin … nachvollziehbar dargelegt, dass der Beklagte in dem genannten Zeitraum von 8 Jahren ohne jegliche Einschränkung am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dass trotz der Einnahme der Medikamente eine Fahruntüchtigkeit vorgelegen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte entsprechend eine ärztliche Belehrung nahegelegen, welche sich aus der Aussage der Zeugin, die hiervon schon aufgrund ihres Näheverhältnisses zum Beklagten Kenntnis gehabt hätte, nicht ergibt. Im Übrigen hält es das Gericht aber auch für fernliegend, dass sich der Beklagte jahrelang über derartige ärztliche Hinweise hinweggesetzt hätte. Im Hinblick auf eine mögliche alkoholbedingte Beeinträchtigung ist wiederum darauf abzustellen, dass der Beklagte jedenfalls am Morgen des Unfallgeschehens keinen Alkohol zu sich genommen hat. Dies wurde von der Zeugin plausibel geschildert, wobei das Gericht nicht verkennt, dass sie in Bezug auf den Alkoholkonsum am Abend zuvor von der Darstellung des Beklagten abweichende Angaben gemacht hat. Nur kann daraus nicht gefolgert werden, dass der Beklagte mehr als nur 0,3 l Bier, wie gegenüber der Versicherung angeben, zu sich genommen hatte und sich am Unfalltag noch Restalkohol ausgewirkt haben könnte. Schließlich spricht auch das Unfallgeschehen an sich nicht dafür, dass es auf eine irgendwie geartete Fahruntüchtigkeit zurückzuführen war. Vielmehr erfolgte hier in einer Engstelle eine streifende Kollision, was im täglichen Straßenverkehr regelmäßig vorkommen dürfte, ohne dass dies damit im Zusammenhang steht, dass der jeweilige Unfallverursacher unter Einfluss von Alkohol oder Medikamente stand.

Soweit danach die Fahrtüchtigkeit des Beklagten nicht in Frage zu ziehen ist, stellt es sich für das Gericht auch ohne weiteres als plausibel dar, dass vom Beklagten in der konkreten Situation zumindest die Verursachung eines erheblichen Schadens nicht realisiert worden ist und es vielmehr für ihn wichtig war, seine Frau zur Krebsuntersuchung zum Arzt zu fahren. Ein derartiges Verhalten mag zwar nichts an der Verwirklichung des Tatbestandes des § 142 StGB zu ändern, nur ist darin nach Auffassung des Gerichts gerade kein arglistiges Verhalten im Bezug auf ein Feststellungsinteresses der Haftpflichtversicherung zu sehen.

Steht damit dem Beklagten grundsätzlich die Möglichkeit offen, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen, ist hier nicht erkennbar, welchen konkreten Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht der Haftpflichtversicherung das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bzw. die daran anknüpfende Obliegenheitsverletzung gehabt haben könnte. Dabei gilt grundsätzlich, dass der Versicherte den negativen Beweis nur so führen kann, dass er zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenen Möglichkeiten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer über Art und Ausmaß der Kausalität aufstellt, die der Versicherungsnehmer dann ebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muss dazu die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen, in dem er z.B. vorträgt, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte. Gerade unter Berücksichtigung dieser Kriterien und insbesondere auch unter Würdigung des allein pauschal gebliebenen Sachvortrages der Klägerin, ist hier der Kausalitätsgegenbeweis als geführt anzusehen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte noch am Tag des Unfallgeschehens in den Nachmittagsstunden seine Haftpflichtversicherung über das Unfallgeschehen informiert hat. Darüberhinaus wurde er im Nachgang an das zwischenzeitlich unstreitige Telefonat zudem von der Haftpflichtversicherung angeschrieben, woraufhin er zeitnah das Unfallgeschehen aus seiner Sicht nochmals schriftlich dargestellt hat. Für die Frage des Kausalitätsgegenbeweises ist es mithin letztlich entscheidend von Relevanz, welchen Einfluss es gehabt haben könnte, dass der Beklagte statt um 8.10 Uhr seine Versicherung zu informieren, diese erst zwischen 14.00 und 15.00 Uhr unterrichtet hat. Dabei ist schon nichts dafür ersichtlich, dass vorliegend die Haftpflichtversicherung bei einer früheren Mitteilung um 6 bis 7 Stunden anders reagiert hätte, als dem Beklagten einen schriftlichen Fragebogen zu übersenden. Ebensowenig ist erkennbar, dass dieser Fragebogen zu einem früheren Zeitpunkt beim Beklagten eingegangen und von diesem beantwortet wäre. Mithin hätte sich die Situation für die Haftpflichtversicherung in Bezug auf die erforderlichen Prüfungen hinsichtlich des Eintritts und die Feststellung des Versicherungsfalles bzw. die Feststellung um den Umfang der Leistungspflicht in keiner Weise geändert. Dies gilt auch deshalb, da der Beklagte die Haftpflichtversicherung statt wie von der Klägerin gefordert telefonisch ohne weiteres auch schriftlich von dem Unfallgeschehen in Kenntnis hätte setzen können. Auch die Klägerin wird nicht ernsthaft geltend machen wollen, dass seitens der Haftpflichtversicherung der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung wegen nicht rechtzeitiger Anzeige eines Versicherungsfalls erhoben worden wäre, wenn der Beklagte zunächst am Unfallort verblieben wäre, sich anschließend um die Belange seiner erkrankten Ehefrau gekümmert und nachmittags allein eine schriftliche Mitteilung vom Unfallgeschehen gemacht hätte. Im Übrigen war der Beklagte weder nach den Allgemeinen Bedingungen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung noch nach der schon nicht zugunsten der Haftpflichtversicherung wirkende Norm des § 142 StGB verpflichtet, die Polizei zu verständigen. Soweit er daher der Unfallgeschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt war, ermöglicht hätte, ist wiederum nicht ersichtlich, inwieweit ein solches Verhalten die Feststellungsmöglichkeiten der Haftpflichtversicherung beeinflusst hätte. Es kann hier aber auch ohne Weiteres unterstellt werden, dass von der Geschädigten die Polizei auch dann verständigt worden wäre, wenn sich der Beklagte nicht unerlaubt vom Unfallort entfernt hätte. Nur wird schon nicht aufgezeigt, welche Auswirkungen damit verbunden gewesen wären, wenn der Beklagte noch vor Ort gewesen wäre, als die Polizei am Unfallort erschien. Denn nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin … kann hier gerade nicht ernsthaft angenommen werden, dass die Polizei eine etwaige Fahruntüchtigkeit des Beklagten ermittelt hätte, welche wiederum für die Leistungspflicht der Haftpflichtversicherung im Innenverhältnis von Relevanz gewesen wäre. Doch selbst wenn hier die Zeugin Unger keinerlei Angaben zu einer Fahrtüchtigkeit des Beklagten hätte machen können, reicht lediglich die allein theoretische Möglichkeit einer alkohol- bzw. betäubungsmittelbedingten Verursachung eines Verkehrsunfalles nicht aus, um den Kausalitätsgegenbeweis bereits als nicht geführt anzusehen. Dabei lässt das Gericht nicht unbeachtet, dass die Beweislast hinsichtlich des Kausalitätsgegenbeweises beim Versicherungsnehmer liegt, so dass beim Verbleib von erheblichen Zweifeln an der mangelnden Kausalität diese zu dessen Lasten gehen. Indes ist zumindest erforderlich, dass eine Fahruntüchtigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben könnte. Können sich Anhaltspunkte dafür insbesondere aus dem Unfallhergang oder aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben, sind diese in der konkreten Situation allerdings nach Auffassung des Gerichts nicht feststellbar. Wie bereits zuvor ausgeführt, handelt es sich um ein Unfallgeschehen, welches bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht für eine Alkoholisierung des Fahrers spricht. Auch lagen die Beweggründe des Beklagten, den Unfallort zu verlassen, offensichtlich darin, dass er die Folgen des Unfallgeschehens falsch eingeschätzt hat und seine Ehefrau einen wichtigen Arzttermin hatte. Die Einnahme selbst verschiedener Medikamente vermag zwar theoretische, ins Blaue hineinführende Erwägungen, nicht aber die gebotene gewisse Wahrscheinlichkeit zu stützen. Liegen mithin schon keinerlei konkreten Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit vor, welche Einfluss auf eine Leistungsfreiheit der Haftpflichtversicherung hätte haben können, ist schließlich auch sonst nicht ersichtlich, dass sich das konkrete Verhalten des Beklagten in sonstiger Weise nachteilig auf die Feststellungsmöglichkeiten der Versicherung ausgewirkt hat. Vielmehr ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten festzuhalten, dass nicht nur unmittelbar nach dem Unfallgeschehen vom Fahrzeug der Geschädigten sondern auch vom Fahrzeug des Beklagten nach Eintreffen der Polizei Lichtbilder gefertigt wurden. Daneben hat die Haftpflichtversicherung offensichtlich auch nach Kenntnis der schriftlichen Stellungnahme des Beklagten vom 04.11.2010 keinerlei Anlass gesehen, irgendwelche weitere Maßnahmen gerade in Bezug z.B. auf die Schadenshöhe oder die Kompatibilität des Schäden am Fahrzeug der Geschädigten vorzunehmen. Soweit schließlich die Klägerin wiederholt darauf abstellen möchte, es sei ihr auf Grund der um 6 Stunden verspäteten Angaben des Beklagten nicht möglich gewesen, auch Ermittlungen dazu anzustellen, ob tatsächlich der Beklagte gefahren ist oder ggf. den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat, ist diese allgemein gehaltene Darlegung letztlich unverständlich. Insoweit kann abschließend nur nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Beklagte, anders als es die Klägerin zunächst noch vorgetragen hat, nach dem Unfallgeschehen gerade nicht untätig geblieben ist sondern seine Haftpflichtversicherung sehr wohl zeitnah vom Ereignis informiert hat. Gerade dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt auch von der Konstellation, welcher dem von der Klägerin als instruktiv erachteten Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf zugrunde lag.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO.

 

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