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Kfz-Haftpflichtversicherung – Batterie-Explosion beim Startvorgang

OLG Dresden – Az.: 4 W 475/21 – Beschluss vom 19.07.2021

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 27.5.2021 aufgehoben und dem Antragsteller ratenlose Prozesskostenhilfe für folgenden Klageantrag bewilligt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.615,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit 11.3.2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Ansprüche nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit 25.1.2019 zu ersetzen, die dem Kläger aktuell zustehen und zukünftig zustehen werden, im Hinblick auf das Unfallereignis vom 25.1.2019, welches er auf dem Grundstück …… xx, 00000 …… erlitten hat, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

II. Im Umfang der Bewilligung wird dem Antragsteller Rechtsanwältin A. L. G., beigeordnet.

Gründe

I.

Kfz-Haftpflichtversicherung – Batterie-Explosion beim Startvorgang
(Symbolfoto: Bilanol/Shutterstock.com)

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin als Haftpflichtversicherin des Herrn J…… S…… für ein Schadensereignis vom 25.1.2019 in Anspruch. Er behauptet, zusammen mit seinem Bekannten R…… H…… den vom Versicherungsnehmer zum Verkauf angebotenen LKW ……, Fahrzeug-Identifikationsnummer x xxxxxx auf dem Grundstück …… xx, 00000 …… besichtigt zu haben. Da sich das Fahrzeug nicht habe starten lassen, sei es über ein Starthilfekabel mit einem anderen LKW verbunden worden. Beim Versuch, nunmehr das Fahrzeug anzulassen, sei die Batterie explodiert und habe ihn schwer im Gesicht verletzt. Er macht Verdienstausfall, Fahrtkosten und die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren geltend und nimmt die Antragsgegnerin zusätzlich auf Feststellung des Ersatzes von Zukunftsschäden in Anspruch. Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Starthilfevorgang sei unter den gegebenen Umständen eine besonders gefährliche Situation gewesen, in die der Antragsteller sich nicht hätte begeben dürfen. Das Fahrzeug hätte vielmehr in eine Werkstatt verbracht und anschließend wieder zum Verkehr zugelassen werden müssen. Der sofortigen Beschwerde hat es nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde vom 30.6.2021 gegen den der Prozessbevollmächtigten am 7.6.2021 zugestellten Beschluss führt zu dessen Abänderung und zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des bedürftigen Antragstellers hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens sind die Erfolgsaussichten anhand des vorgetragenen Sachverhaltes und der angebotenen Beweise lediglich im Wege einer summarischen Prüfung zu beurteilen, die sich sowohl auf die rechtliche als auch auf die tatsächliche Seite, d.h. die Frage der Beweisbarkeit, erstreckt. Dabei ist – was die tatsächliche Ebene betrifft – auch eine Beweisantizipation nicht generell unzulässig, so dass Prozesskostenhilfe verweigert werden kann, wenn rechtlich erheblicher Vortrag erkennbar nicht zu beweisen ist (BGH VersR 1988, 174; OLG Stuttgart, VersR 2005, 524; Senat, Beschluss vom 07. März 2012 – 4 W 123/12 -, Rn. 4, juris Zöller-Philippi, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 26). Dies setzt jedoch voraus, dass die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (Senat, Beschluss vom 02. Januar 2017 – 4 W 1155/16 -, Rn. 15, juris). Auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers kommt vorliegend ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG, 115 VVG, A.1.1, H.1 AKB wegen der Explosion der Batterie des im Eigentum des Herrn J…… S…… stehenden Fahrzeugs …… am 25.1.2019 in Betracht.

a) Die Beklagte ist für einen solchen Anspruch passivlegitimiert. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auch direkt gegen die Haftpflichtversicherung geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung setzt dies gem. A.1.1 AKB 2015 voraus, dass der streitgegenständliche Schaden beim Gebrauch des bei der Antragsgegnerin versicherten Fahrzeuges i.S.v. § 1 PflVG entstanden ist. Zwar geht der Begriff des Gebrauches des Fahrzeuges über den Betriebsbegriff des § 7 StVG hinaus und umfasst jeden Vorgang und jede Handlung, die mit dem Verwendungszweck des Fahrzeugs oder seiner Einrichtungen zeitlich oder örtlich in unmittelbarem Zusammenhang steht (BGHZ 45, 168). Bestimmend ist das Interesse des Versicherungsnehmers, durch den Einsatz des Kfz nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden (BGH VersR 1995, 90). Entscheidend ist danach, ob der Schadensfall mit dem für ein Kfz typischen Gefahrenbereich in einem haftpflichtrechtlich relevanten Zusammenhang steht (Terno r+s 2011, 364; Prölss/Martin-Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. A_1_1 A.1.1 Rn. 8). Mit dieser Regelung wird auf das besondere Kraftfahrzeugrisiko abgestellt. Unter Gebrauch des Fahrzeugs fallen danach alle mit der Benutzung typischerweise verbundenen Gefahren, die vom Fahrzeug unmittelbar und selbst ausgehen. Es ist ein adäquater Zurechnungszusammenhang erforderlich (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 87, 1246 = r+s 1987, 213). Demgegenüber ist es grundsätzlich nicht Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung andere Haftungsrisiken als die unmittelbar vom versicherten Fahrzeug ausgehende Gefahr abzudecken. Kein Gebrauch des Fahrzeugs liegt daher dann vor, wenn das versicherte Fahrzeug lediglich zur Starthilfe für ein anderes Fahrzeug verwendet wird und an diesem ein Schaden entsteht (AG Fürstenfeldbruck, r+s 2012, 237). Hiermit ist der vorliegende Sachverhalt indes nicht vergleichbar. Zwar ist auch nach der Behauptung des Klägers ein Starthilfekabel eingesetzt worden, allerdings sollte die Starthilfe hier zur Inbetriebnahme des versicherten Fahrzeugs dienen. Das versicherte Fahrzeug wurde hier gerade nicht lediglich als Energiequelle genutzt, der Schaden ereignete sich vielmehr nach dem der Prüfung zugrunde zu legenden Antragstellervortrag beim Startvorgang im Rahmen einer Funktionsprüfung und vor der anschließenden Probefahrt. Der vom Antragsteller erlittene Schaden selbst ist dabei durch Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs im Rahmen dieses Startvorgangs eingetreten. Damit hat sich zugleich eine vom Fahrzeug, nämlich der offensichtlich defekten und explosionsgefährdeten Batterie, ausgehende Gefahr realisiert, die es rechtfertigt, den konkreten Startvorgang als „Gebrauch“ des Fahrzeugs im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen.

b) Anders als die im Rahmen des PKH-Verfahrens angehörte Antragsgegnerin meint, lässt die Abmeldung des Fahrzeugs durch die ursprüngliche Versicherungsnehmerin am 28.3.2018 und dessen anschließende Veräußerung am 30.11.2018 an Herrn S…… die Passivlegitimation der Beklagten für den hier streitgegenständlichen Unfall unberührt.

a. Die Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs im Sinne des § 14 FZV bedeutet keinen Wagniswegfall nach G.8 AKB 2015, da das Kfz als versichertes Objekt oder als Ausgangspunkt einer Haftung nicht wegfällt und sie außerdem im Zweifel nicht als endgültig gedacht ist. Bei einer vom Versicherungsnehmer gewollten, nur vorübergehender Stilllegung eines Fahrzeugs, die länger als 2 Wochen, aber nicht länger als 18 Monate andauert, wandelt sich eine uneingeschränkte Fahrzeugversicherung vielmehr gem. H.2 AKB 2015 (automatisch) in eine beitragsfreie Ruheversicherung um, wenn der Versicherungsnehmer mit der Abmeldung des Fahrzeugs dieses (noch) nicht endgültig aus dem Verkehr ziehen wollte (OLG Jena, Urteil vom 13. März 2012 – 4 U 151/11 –, juris). Von letzterem ist bis zu einer gegenteiligen Äußerung des Versicherungsnehmers auszugehen, der Versicherer hat einen fehlenden Wiederzulassungswillen des Versicherungsnehmers zu beweisen (LG Nürnberg-Fürth ZfS 2013, 156). Hierfür reicht der Vortrag der Antragstellerin spätestens im Zeitpunkt der Abholung des Fahrzeugs durch Herrn S…… habe der Wille der Versicherungsnehmerin festgestanden, das Fahrzeug nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder zuzulassen, ersichtlich nicht aus. Die Stilllegung beendet den Versicherungsvertrag nicht, der Haftpflichtversicherungsschutz bleibt vielmehr unverändert bestehen (Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. H_1 H.1 Rn. 1). Die Ruhensversicherung endet nach H.7 AKB erst 18 Monate nach Außerbetriebsetzung, nach dem hier zugrunde zu legenden Vorbringen mithin am 28.9.2019.

b. Dass die Veräußerung des Fahrzeugs den Versicherungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung unberührt lässt, folgt aus G.7.1 AKB 2015. Voraussetzung hierfür ist allein eine wirksame Veräußerung durch den Versicherungsnehmer (Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. G_7 G.7 Rn. 2). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist den AKB 2015 nichts dafür zu entnehmen, dass der Übergang der Versicherung auf den Erwerber nur dann gelten soll, wenn das Fahrzeug im Zeitpunkt der Veräußerung noch angemeldet war. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bedingungen reicht hierfür ein noch bestehender Versicherungsvertrag aus, mag es sich hierbei auch um eine Ruhensversicherung nach H.1 AKB 2015 handeln. Ausgenommen von dem Übergang sind hiernach allein die Kfz-Unfall und die Fahrerschutzversicherung.

c. Ob, wie die Antragstellerin behauptet, die Veräußerung und Außerbetriebssetzung fristgerecht durch die Versicherungsnehmer angezeigt wurden, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Die Haftung der KfZ-Haftpflichtversicherung gegenüber dem Geschädigten wird durch eine etwaige Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nicht berührt, § 117 Abs. 1 VVG.

c) Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung verneinen. Den behaupteten Unfall hat der Antragsteller hinreichend substantiiert geschildert und unter Beweis gestellt. Ohnehin trifft den nach einem Verkehrsunfall in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer die Pflicht, sich bei seinem Versicherungsnehmer und etwaigen unfallbeteiligten Mitversicherten zu erkundigen, ob der Vortrag des Geschädigten zum Unfallgeschehen zutrifft, bevor er sich zum klägerischen Vorbringen einlässt. Will er sich mit Nichtwissen erklären, muss er hinreichende Gründe dafür darlegen, warum er sich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte nicht dazu einlassen kann, ob das Vorbringen des Geschädigten zutrifft (BGH, Urteil vom 23. Juli 2019 – VI ZR 337/18 -, juris). Ob der Antragsteller selbst das Starhilfekabel angebracht hat und sich deshalb im Gefahrenbereich befand und ob ihm ein überwiegendes Mitverschulden im Sinne einer Obliegenheitsverletzung anzulasten ist, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Ohnehin lässt sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden durch eine Starthilfe ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten, nicht begründen. Ob – wie die Antragstellerin behauptet hat – solche Umstände vorlagen, weil das Starthilfekabel falsch angeschlossen war, wird das Landgericht ebenso durch eine Beweisaufnahme abzuklären haben, wie deren Behauptung, die Explosion habe sich gar nicht während des Startvorgangs, sondern außerhalb des Gebrauchs des Fahrzeugs ereignet.

d) Die behaupteten Ansprüche sind schließlich auch der Höhe nach hinreichend substantiiert behauptet worden. Es bestehen auch keine Bedenken, die nach Zahlungsaufforderung an die Versicherung entstandenen Schäden im Wege des Feststellungsantrags geltend zu machen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteile vom 9.1.2007 – VI ZR 133/06, NJW-RR 2007, 708, 709; vom 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431, 1432). Befindet sich der Schaden noch in der Entwicklung, ist es überdies zulässig, von einer Bezifferung auch der bereits eingetretenen immateriellen Schäden abzusehen und diese insgesamt einem Feststellungsantrag vorzubehalten.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Da die sofortige Beschwerde erfolgreich war, fallen keine Gerichtsgebühren an (Ziff. 1812 KV GKG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

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