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Kautionsversicherungsvertrag – Inanspruchnahme aus Bürgschaft

LG Hannover – Az.: 10 S 8/16 – Urteil vom 01.07.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.02.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover (436 C 11009/15) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.974,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2013 sowie 161,48 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.974,54 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Wiedergabe des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gemäß §§ 675, 670 BGB ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen und Kosten gegen die Beklagte zu.

1.

Der Anspruch der Klägerin folgt allerdings entgegen ihrer Ansicht nicht aus § 10 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kautionsversicherung (AVB). Diese Regelung lautet wie folgt:

„Der Versicherungsnehmer hat der … die von ihr zu zahlenden Beträge unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche nebst Kosten zu erstatten.“

Nach dem eindeutigen Wortlaut und auch nach Sinn und Zweck setzt diese Regelung für Ersatzansprüche eine Anspruchsgrundlage voraus, schafft aber keine (zur entsprechenden früheren Fassung der AVB der Klägerin ebenso KG, Urteil vom 17.05.2013, 9 U 110/12, Rz. 7, zitiert nach juris). Etwaige Zweifel an dieser Auslegung gingen im Übrigen zu Lasten der Klägerin, § 305 c Abs. 2 BGB (vgl. und näher KG, aaO). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 11.11.2004, 5 U 107/04, verweist, welches ebenfalls die frühere Fassung der AVB der Klägerin zum Gegenstand hatte, bleibt dies ohne Erfolg. Denn jene Entscheidung betraf die „Bearbeitungsgebühr“, die allerdings nicht in § 10 Nr. 2 AVB, sondern in § 10 Nr. 1 AVB geregelt ist. Eine Bearbeitungsgebühr wird von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht geltend gemacht.

2.

Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch folgt allerdings aus §§ 675, 670 BGB.

Im Auftrag (§ 675 BGB) der Beklagten hat es die Klägerin übernommen, für die Beklagte die streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften zu übernehmen. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Es ist anerkannt, dass Prozesskosten, die dem Auftraggeber im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags entstehen, ersatzfähige Aufwendungen sein können (vgl. u.a. KG, aaO, Rz. 11 m. w. N.). Zu ersetzen sind sie aber nur, wenn sie zum Zweck der Auftragsausführung erbracht worden sind. Sofern es sich – wie hier – nicht um Aufwendungen handelt, die der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags macht, sind alle Ausgaben vom Zweck der Auftragsausführung erfasst, die die Geschäftsbesorgung vorbereiten, sie fördern oder sich in deren Nachwirkungen ergeben, die der Auftraggeber also erfahrungsgemäß auch dann hätte tragen müssen, wenn er anstelle des Beauftragten tätig geworden wäre (KG, aaO).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei den von der Klägerin aufgewandten Prozesskosten um ersatzfähige Aufwendungen. Denn die Abwehr der Inanspruchnahme vor dem Landgericht Darmstadt liegt jedenfalls auch im Interesse der hiesigen Beklagten und erfolgt damit zum Zwecke der Auftragsausführung. Zwar mag die hiesige Klägerin naturgemäß in erster Linie die Abwehr ihrer eigenen unmittelbaren Inanspruchnahme verfolgen. Anders als im erwähnten Urteil des Kammergerichts (vgl. insofern KG, aaO, Rz. 13) wendet sich die hiesige Klägerin im Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt jedoch auch gegen die Hauptverbindlichkeit, d.h. gegen das Bestehen der gegen die hiesige Beklagte geltend gemachten Gewährleistungsansprüche (vgl. insofern die als Anlage K 6 in Ablichtung vorgelegte Klagerwiderung in jenem Rechtsstreit). Mit Recht hat der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung im Übrigen darauf verwiesen, dass auch die Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Hinblick auf die Rückgriffsmöglichkeit des Bürgen (gesetzlicher Forderungsübergang gemäß § 774 BGB) ebenfalls im Interesse des Schuldners liegt.

Soweit der Beklagtenvertreter in der Berufungsverhandlung zu einer „arbeitsteiligen“ Abwehr der Inanspruchnahme vor dem Landgericht Darmstadt ausgeführt hat, verfängt dies bereits deshalb nicht, weil sich die Klägerin tatsächlich auch damit verteidigt, dass es bereits an der Hauptverbindlichkeit fehle (siehe oben). Soweit die Beklagte insofern weiter einwendet, die Klägerin beschränke sich im Prozess vor dem Landgericht Darmstadt unzulässigerweise auf ein Bestreiten mit Nichtwissen, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Zweifelhaft erscheint zunächst, ob die Frage der Zulässigkeit des Bestreitens von Baumängeln mit Nichtwissen im vorliegenden Zusammenhang überhaupt relevant sein kann. Jedenfalls dürfte aber im Hinblick auf die verschiedenen Kenntnisstände bei den Beteiligten ein solches Bestreiten mit Nichtwissen seitens der hiesigen Klägerin als Bürgin gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig sein; im Übrigen ist auch nicht vorgetragen, dass das Landgericht Darmstadt das Vorgehen als unzulässig erachtet.

Die Klägerin durfte die Aufwendungen für ihren Prozessbevollmächtigten vor dem Landgericht Darmstadt auch für erforderlich halten. Entgegen der Ansicht der Beklagten musste sich die Klägerin nicht darauf verweisen lassen, sich in jenem Rechtsstreit vom Prozessbevollmächtigten der hiesigen Beklagten vertreten zu lassen. Mit Recht hat der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung darauf verwiesen, dass es einer Partei grundsätzlich freistehe, einen eigenen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen.

Vorliegend kommt hinzu, dass im Hinblick auf den Rückgriffsanspruch des Bürgen (§ 774 BGB) eine Interessenkollision zumindest möglich erscheint.

Schließlich ist die Klägerin nicht im Hinblick auf § 775 BGB gehindert, bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Aufwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte durchzusetzen. Dieser Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil kann nicht gefolgt werden. Denn § 775 BGB betrifft lediglich den Anspruch aus der Bürgschaft selbst, wofür Wortlaut („…Befreiung von der Bürgschaft…“) und Systematik (§ 774 BGB regelt den Übergang der Forderung des Gläubigers nach dessen Befriedigung durch den Bürgen, § 775 BGB betrifft die Zeit davor) ohne Weiteres sprechen. Die vom Amtsgericht herangezogene Kommentierung besagt vor diesem Hintergrund nichts anderes. Der hier geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch ist danach nicht von der Regelung des § 775 BGB erfasst.

3.

Die Nebenforderungen folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der streitgegenständliche Anspruch folgt aus § 670 BGB unter Zugrundelegung seiner höchstrichterlichen Auslegung; zudem weicht die Kammer insoweit nicht von der unter Ziffer II. in Bezug genommenen Entscheidung des Kammergerichts, die vom Ausgangspunkt her einen vergleichbaren Sachverhalt betraf, ab.

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