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Kaskoversicherung – manipulierter Diebstahl – Beweiswürdigung

OLG Dresden – Az.: 4 U 428/22 – Beschluss vom 02.08.2022

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.08.2022 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 45.200,00 EUR festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer Kaskoversicherung wegen eines behaupteten Diebstahls seines Pkw Audi A6 Quattro.

Zwischen den Parteien besteht für das in Rede stehende Auto eine Pkw-Haftpflichtversicherung unter Einschluss einer Kaskoversicherung. Der Kläger hat das Fahrzeug von dem Zeugen S… im Mai 2017 erworben. Im Kaufvertrag wird der abgelesene Kilometerstand mit 10.200, die Erstzulassung am 27.10.2014 und der Kaufpreis mit 45.500,00 EUR angegeben. Der Kläger hat am Nachmittag des 03.12.2017 Strafanzeige wegen des Diebstahles seines Fahrzeuges bei der Polizei erstattet. Im April 2018 wurde das Fahrzeug in vollständig demontierten Zustand bei K… in Polen wieder aufgefunden. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.05.2018 ihre Eintrittspflicht ab.

Der Kläger hat behauptet, er habe am späten Abend des 02.12.2017 das Fahrzeug gemeinsam mit dem Zeugen … im …weg in L… abgestellt. Den Zeugen … habe er mitgenommen, weil dessen Fahrrad beschädigt gewesen sei. Am 03.12.2017 habe ihn ein in Halle wohnender Bekannter – Herr K… – angerufen und ihm mitgeteilt, dass er dessen auffälliges Fahrzeug nicht in unmittelbarer Nähe vor dessen Wohnhaus – … x in L… – vorgefunden habe. Dies habe der Kläger zum Anlass genommen, nach seinem Fahrzeug zu sehen, das er an dem Abstellort im …weg nicht mehr vorgefunden habe.

Die Beklagte hat die Entwendung bestritten und fehlerhafte Angaben des Klägers zur Kilometerleistung des Fahrzeuges gerügt. Im Übrigen meint die Beklagte, dass Bedenken am Hergang des Kaufvertragsabschlusses bestehen, da der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen könne, woher er als Bühnentechniker im Theater L… das Geld für die Anschaffung des Fahrzeuges gehabt habe.

Das Landgericht hat die Zeugen … und S… gehört und die Klage mit Urteil vom 30.11.2021 abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass das äußere Bild eines Diebstahles nicht bewiesen sei. Er habe sowohl für das Abstellen des Fahrzeuges am 02.12.2017 sowie für das Nichtwiederauffinden Zeugen benannt. Darüber hinaus sei das Auffinden des Fahrzeuges in Polen ein Beweis für den Diebstahl. Diesbezüglich hätte die Verfahrensakte der polnischen Polizei beigezogen werden müssen. Das Landgericht habe des Weiteren die Glaubwürdigkeit des Zeugen … fehlerhaft verneint. Es habe Mutmaßungen angestellt, soweit es angenommen habe, der Zeuge … hätte von dem Abstellort des Fahrzeuges sein Fahrrad zu Fuß 10 bis 15 Minuten tragen müssen. Davon habe der Zeuge nichts berichtet. Zudem seien zum Zeitpunkt seiner Einvernahme bereits vier Jahre vergangen, weshalb sich der Zeuge nachvollziehbar nicht an Einzelheiten erinnern könne.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht den Zeugen … für unglaubwürdig gehalten, denn der von ihm geschilderte Sachverhalt sei konstruiert und wenig plausibel. Im Übrigen sei auffallend, dass die Handschrift in den schriftlichen Aussagen des Zeugen … und des Klägers gleich sei. Die Laufleistungsangaben des Klägers seien schon deshalb falsch, weil es sich bei dem Pkw um einen „Rechtslenker“ mit Erstzulassung in Großbritannien handele und daher die Laufleistung in Meilen angezeigt werde.

II.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der Kaskoversicherung vom 30.05.2017 zu. Dem Kläger ist der Beweis für einen bedingungsgemäßen Diebstahl des Fahrzeuges nicht gelungen.

Kaskoversicherung - manipulierter Diebstahl - Beweiswürdigung
(Symbolfoto: Andrii Spy_k/Shutterstock.com)

Beim Fahrzeugdiebstahl kommen dem Kläger Beweiserleichterungen zugute. Er muss den Beweis für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung erbringen. Der Beweis für das äußere Bild ist erbracht, wenn ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen, bewiesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2002 – IV ZR 263/00 – juris; vgl. Senat, Urteil vom 04.09.2018 – 4 U 427/18 – juris). Dieses Mindestmaß wird in der Regel erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug vom Versicherungsnehmer an einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit abgestellt, dort aber nicht wieder aufgefunden worden ist (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. Senat a.a.O.). Für das äußere Bild ist der Vollbeweis nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilverfahrensrechtes erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1999 – IV ZR 172/98 – juris). Kann der Kläger den Beweis durch Zeugen führen, kommt es auf seine Redlichkeit nicht an. Sind keine Zeugen vorhanden und kann sich der Kläger nur auf seine eigenen Angaben stützen, so ist seine Glaubwürdigkeit entscheidend (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2002 – IV ZR 263/00 – juris).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Beweis für das Abstellen des Fahrzeuges nicht durch den Zeugen … führen können.

Der Senat hat seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Solche Anhaltspunkte sind vorliegend nicht gegeben. Dass das Landgericht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen … gezweifelt hat, verstößt weder gegen Denkgesetze noch ist aus anderen Gründen eine Wiederholung der Beweisaufnahme geboten.

Der Zeuge … gab bei seiner Einvernahme vor dem Landgericht an, dass sein Fahrrad nicht mehr fahrbereit gewesen sei und er daher den Kläger angerufen habe. Das Fahrrad sei im Kombi des Klägers transportiert worden. Der Kläger habe dann sein Fahrzeug in der Nähe seiner (des Klägers) Wohnung abgestellt. Warum dieser ihn nicht nach Hause gefahren habe, könne er nicht sagen. Er könne sich vorstellen, dass man so einen Modus im Kopf habe, dass man eine bestimmte Wegstrecke fahre und gar nicht groß darüber nachdenke. Das sei nur eine Vermutung. Möglicherweise sei der Kläger auch leicht alkoholisiert gewesen. Außerdem fahre keiner um diese Zeit gerne durch C…. Der Abstellort des Fahrzeuges sei etwa 50 m bis 100 m entfernt von der Wohnung des Klägers gewesen. Er wisse nicht mehr, ob er mit dem Fahrrad, das er dann geschoben hätte, oder ohne Fahrrad nach Hause gekommen sei. Von der Wohnung des Klägers laufe er ca. 10 bis 15 Minuten nach Hause. Er habe mehrere Fahrräder in der Wohnung stehen. Er sei Mechaniker und repariere auch Fahrräder. Da könne es schon sein, dass er nicht mehr den Überblick habe. Definitiv sei es aber so, dass er das Fahrrad noch habe.

Auch nach Auffassung des Senats ist wenig plausibel, dass der Kläger, den Zeugen … nicht nach Hause gefahren haben will, obwohl ihn dieser wegen seines defekten Fahrrades angerufen haben will. Die Entfernung vom Abstellort des Pkw im …weg in L… zum Wohnort des Zeugen … in der …straße xx beträgt ca. 1,8 km (google maps), wofür ca. 23 Minuten Gehzeit benötigt werden. Die Vermutungen des Zeugen zu diesem Umstand sind wenig lebensnah und kaum überzeugend. Nicht glaubhaft ist seine Angabe, dass er nicht mehr wisse, ob er das Fahrrad mit nach Hause genommen und geschoben habe oder ohne Fahrrad nach Hause gegangen sei. Dies kann auch nicht mit der langen Zeit zwischen dem behaupteten Diebstahlsereignis und der Einvernahme des Zeugen erklärt werden, weil dieser bereits am 26.02.2018 und damit zeitnah zu dem behaupteten Diebstahl gegenüber der Beklagten (Bl. 140 d.A.) ausgesagt hat, dass er nicht mehr wisse, ob er das Rad mitgenommen oder abgestellt habe. Widersprüchlich und damit nicht glaubhaft ist auch die Angabe, das Fahrzeug des Klägers sei vielleicht 50 m oder jedenfalls nicht weit über 100 m entfernt von dessen Wohnung abgestellt worden, nachdem der Zeuge zuvor in der Aussage vom 26.02.2018 angegeben hatte, das Fahrzeug ca. 5 m bis 10 m und damit unmittelbar neben der Haustür des Klägers gesehen zu haben. Dies ist auch unter Berücksichtigung von Unsicherheiten bei der Schätzung ein erheblicher Unterschied, zumal der vom Kläger angegebene Abstellort des Pkw in der …straße gewesen sein soll und damit zwei Straßen weiter auf der anderen Seite der mehrspurigen Straße mit einer Entfernung von ca. 260 m zwischen Abstellort und Wohnort des Klägers. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Entfernungsschätzungen schwierig sind, ist dies nicht mehr nachvollziehbar, zumal dies nicht mehr als „sehr nah“ bezeichnet werden kann, wie der Zeuge … bei seiner Aussage vor dem Landgericht (Seite 4) angegeben hat.

Die Beweiserleichterung des „äußeren Bildes“ kommt dem Kläger auch nicht aufgrund seiner eigenen Angaben zugute.

An seiner Glaubwürdigkeit bestehen erhebliche Bedenken. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten zu den Angaben des Klägers hinsichtlich des Erwerbs des Fahrzeuges will er dieses über das Onlineportal yyy Kleinanzeigen gefunden und er habe anlässlich eines …..-Besuches besichtigt haben. Danach will er am 18.05.2017 erneut nach ….. gefahren sein, um einen Kaufvertrag über das Fahrzeug abzuschließen. Anschließend seien die Fahrzeugpapiere übergeben worden, und er habe dem Käufer Zug um Zug 45.500,00 EUR in bar ausgehändigt. Sodann sei er nach Hause gefahren, um das Fahrzeug anzumelden und habe das Fahrzeug im Juni 2017 abgeholt, wo ihm der Verkäufer einen zweiten Fahrzeugschlüssel übergeben habe. Ein Nachweis über die Herkunft des Bargeldes sei nicht vorhanden. Er habe es über 10 Jahre angespart.

Wenn der Kläger am 18.05.2017 den Kaufvertrag in ….. abgeschlossen haben will, ist unverständlich, weshalb als Ort des Kaufvertragsabschlusses sowohl bei der Unterschrift des Verkäufers als auch des Käufers „L…“ eingetragen wurde (Anlage K1). Es erscheint auch ungewöhnlich, dass der Kläger einen Betrag von 45.500,00 EUR in bar über einen Zeitraum von 10 Jahren angespart haben will. Dies entspricht einer monatlichen Sparrate von ca. 380,00 EUR. Diese Sparrate ist angesichts der Verdienstmöglichkeiten des Klägers als Bühnentechniker, die nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten bei 2.500,00 EUR liegen, schwer nachvollziehbar und vom Kläger auch nicht erklärt worden. Es ist auch mehr als ungewöhnlich, einen derart hohen Betrag in bar in der Wohnung zu horten. Im Übrigen ergibt sich aus den Angaben des Klägers, dass er den Betrag von 45.500,00 EUR Zug um Zug gegen Übergabe der Fahrzeugpapiere ausgehändigt haben will. Im Kaufvertrag wird die Zahlung von 45.500 EUR am 18.05.2017 bestätigt. Im Widerspruch hierzu hat der Verkäufer des Fahrzeuges – der Zeuge S… – jedoch angegeben, dass der Kläger eine Anzahlung gemacht und die Restzahlung geleistet habe, als er das Auto abgeholt habe.

Auch die Schilderungen des Klägers zum Nichtmehrwiederauffinden des Fahrzeuges sind nicht plausibel und nachvollziehbar. Hierfür hat der Kläger Herrn K… als Zeugen nicht benannt. Dieser will ihn am 03.12.2017 telefonisch darauf aufmerksam gemacht haben, dass er das auffällige Fahrzeug des Klägers nicht – wie erwartet – in unmittelbarer Nähe von dessen Wohnhaus vorgefunden habe und daraus geschlossen habe, dass der Kläger nicht zu Hause sei. Dies ist für sich gesehen schon nicht nachvollziehbar, denn es ist nicht erklärlich, weshalb Herr K… angenommen haben will, dass das Fahrzeug des Klägers in unmittelbarer Nähe von dessen Hauseingangstür abgestellt ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge … angegeben hat, dass der Kläger für den Audi den Carport in der Kohlestraße 9 – 11 und damit 3,4 km entfernt vom Wohnort des Klägers (google maps) genutzt und meist dort abgestellt hatte. Angesichts dessen wäre es aber keineswegs ungewöhnlich, wenn das Fahrzeug nicht vor der Haustür des Klägers gestanden hätte.

Der Beiziehung der polnischen Polizeiakte bedarf es nicht. Es kann als wahr unterstellt werden, dass die Reste des streitgegenständlichen Fahrzeuges in Polen aufgefunden worden sind. Dies ist jedoch kein Beweis für das äußere Bild eines Diebstahles.

Für den behaupteten Anruf des Zeugen K… hätte dann aber auch keine Veranlassung bestanden.

Weshalb der Kläger einen solchen Anruf zum Anlass genommen haben will, nach seinem Fahrzeug am Sonntag, den 03.12.2017, zu sehen, erschließt sich ebenso wenig. Denn ihm war positiv bekannt, dass er das Auto nicht in der Straße seines Wohnortes – … -, sondern in der …straße abgestellt hatte. Ein nachvollziehbarer Anlass zu überprüfen, ob das Auto noch am Abstellort steht, ist nicht ersichtlich.

Der Senat rät angesichts dessen zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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