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Kaskoversicherung – Leistungsfreiheit bei relativer Fahruntüchtigkeit?

LG Kaiserslautern – Az.: 3 O 323/13 – Urteil vom 07.02.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlungen aus einer mit dieser abgeschlossenen Vollkaskoversicherung in Anspruch.

Der Kläger erlitt am 2.12.2012 gegen 5.20 Uhr mit seinem Pkw auf der Straße zwischen Otterberg und Schneckenhausen einen Verkaufsunfall. Dieser ereignete sich so, dass der Kläger bei geradem Fahrbahnverlauf unabhängig von einer verkehrsbedingten Ursache in den Gegenverkehr geriet und es dort zu einem Frontalzusammenstoß mit dem Fahrzeug der Zeugin … kam. Am Fahrzeug des Klägers entstand Totalschaden. Der Wiederbeschaffungsaufwand beläuft sich auf 8.734,00 €.

Eine Messung der BAK des Klägers um 8.45 Uhr ergab einen Wert von 0,76 Promille. Zuvor hatte der Kläger sowohl im Rettungswagen als auch in der Notaufnahme bereits Infusionen erhalten. Eine frühere Blutentnahme konnte nicht ausgewertet werden, da keine ausreichende Menge Blut entnommen worden war.

Der Kläger trägt vor, er sei er unter Umständen am Steuer eingeschlafen, bevor es zu dem Unfall kam. Zuvor habe er sich jedoch ausgeruht gefühlt, da er auf der besuchten Feier auch noch geschlafen habe. Zudem sei er es aufgrund seiner Tätigkeit im Schichtdienst gewöhnt, zu ungewöhnlichen Zeiten zu schlafen.

Jedenfalls beruhe der Unfall nicht darauf, dass er zuvor Alkohol getrunken habe. Er habe ohnehin allenfalls zwei bis drei Bier in einer Größe von 0,3 l getrunken.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.734,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn 718,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei alkoholbedingt und wegen völliger Übermüdung absolut fahruntüchtig gewesen. Angesichts der nach dem Unfall gemessenen BAK habe im Unfallzeitpunkt eine Alkoholisierung von 1,1 Promille oder jedenfalls 0,9 Promille Vorgelegen. Damit greife ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein alkoholbedingter Fahrfehler Ursache des Unfalls gewesen sei. Er habe den Unfall damit grob fahrlässig verursacht, weswegen ein Leistungsausschluss gegeben sei.

Der Kläger ist persönlich angehört worden. Zudem hat die Kammer Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … . Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 5.9.2013 (Bl. 51 ff. d. A.) Bezug genommen. Der Sachverständige hat … in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2013 ein mündliches Gutachten erstattet (vgl. Bl. 72 ff. d. A.).

Die Akte der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern … ist beigezogen worden.

Die Kammer hat am 10.12.2013 auf Antrag der Beklagten beschlossen, dass nach Lage der Akte entschieden werden soll.

Entscheidungsgründe

Kaskoversicherung - Leistungsfreiheit bei relativer Fahruntüchtigkeit?
Symbolfoto: Von WDnet Creation /Shutterstock.com

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 8.734,00 € aus dem abgeschlossenen Vollkaskoversicherungsvertrag zu, Ziff. A.2.3 AKB. Zwar ist sein Fahrzeug unstreitig bei dem Verkehrsunfall vom 2.12.2012 beschädigt worden. Bei diesem handelte es sich auch um ein plötzlich und unmittelbar von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, das geeignet ist, die Leistungspflicht des Versicherers auszulösen (siehe dazu: Feyock/ Jacobsen/ Lemor, Kraftfahrzeugversicherung, 3. Auflage, Teil A.2 Rn 79). Allerdings ist die Beklagte berechtigt, die dem Kläger im Ansatz zustehenden Leistungen auf Null zu kürzen, § 81 Abs. 2 VVG. Denn der Verkehrsunfall wurde vom Kläger grob fahrlässig herbeigeführt, Ziff. A.2.16 AKB.

1.

Die grob fahrlässige Herbeiführung eines Verkehrsunfalls wird insbesondere bei Alkohol im Straßenverkehr bejaht.

a.

Im Fall so genannter absoluter Fahruntüchtigkeit – also bei einer Blutalkoholkonzentration von über 1,1 Promille – ist regelmäßig eine grob fahrlässige Herbeiführung eines Verkehrsunfalls anzunehmen, die den Versicherer zur Kürzung der Versicherungsleistungen auf Null berechtigt (BGH, VersR 2011, 1037; BGH, VersR 2001, 454; BGH, VersR 1991, 136; BGH, VersR 1986, 141; BGH, VersR 1972, 292). Die Ursächlichkeit der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit für den Verkehrsunfall folgt hierbei bereits aus einem Anscheinsbeweis (vgl. nur OLG Düsseldorf, RuS 2008, 9).

b.

Bei Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit – also bei einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,1 Promille – bedarf es zur Leistungskürzung weiterer Umstände, die die Alkoholbedingtheit des Unfalls belegen (vgl. BGH, VersR 2002, 1413). Diese können insbesondere daraus folgen, dass der Versicherungsnehmer ohne erkennbaren äußeren Anlass und insbesondere ohne Fremdbeteiligung von der Straße abkommt (siehe dazu insgesamt: Römer/ Langheid, VVG, 3. Auflage, § 81 Rn 50 m. w. N.).

Soweit nach diesem Maßstab eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit gegeben ist, kann für die Ursächlichkeit derselben für den Unfall wiederum auf einen Anscheinsbeweis zurückgegriffen werden (so auch: OLG Karlsruhe, VersR 1991, 181). Dies überzeugt schon deswegen, weil es sich bei der Differenzierung zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit lediglich um Regeln des Beweisrechts handelt, die relative Fahruntüchtigkeit aber keine mindere Form der Fahruntüchtigkeit ist (Burmann/ Heß/ Jahnke/ Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Auflage, § 81 VVG Rn 16). Vielmehr unterscheiden sich die relative und die absolute Fahruntüchtigkeit lediglich in den Voraussetzungen, die ihre Feststellung ermöglichen: Während die absolute Fahruntüchtigkeit alleine eine bestimmte Blutalkoholkonzentration erfordert, bedarf es für die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit einer bestimmten Blutalkoholkonzentration sowie zusätzlicher Umstände, die auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hindeuten.

Soweit einer dieser Wege zu der Feststellung einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit führt, kann dies hinsichtlich der damit für die Leistungspflicht des Versicherers verbundenen Folgen keinen Unterschied machen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Anscheinsbeweises für die Ursächlichkeit der Alkoholisierung für den Unfall, als auch für den Umfang der Kürzung, zu dem der Versicherer berechtigt ist (vgl. zu letzterem: KG, DAR 2011, 23; OLG Hamm, NZV 2011, 293).

2.

Nach diesem Maßstab ist die Kammer überzeugt davon, dass der Kläger den Verkehrsunfall vom 2.12.2012 grob fahrlässig verursacht hat, weil er im Unfallzeitpunkt alkoholbedingt fahruntüchtig war. Hiervon geht die Kammer aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … aus, denen sie sich vollumfänglich anschließt.

a.

Die Kammer entnimmt den Ausführungen des Sachverständigen zunächst, dass der Kläger den Umfang des konsumierten Alkohols in seiner persönlichen Anhörung offensichtlich nicht wahrheitsgemäß angegeben hat. Nach Angaben des Sachverständigen hätte der Genuss des vom Kläger behaupteten Bieres – zwei bis drei Bier in der Größe von 0,3 I – lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,54 Promille begründet, die im Zeitpunkt der Blutentnahme bereits vollständig abgebaut gewesen wäre. Dies war aber gerade nicht der Fall. Vielmehr wurde auch mehr als drei Stunden nach dem Unfall noch eine Blutalkoholkonzentration von 0,76 Promille gemessen.

b.

Die Kammer geht auf der Grundlage der Angaben des Sachverständigen davon aus, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,27 Promille hatte. Zu diesem Ergebnis gelangt der Sachverständige unter Zugrundelegung des realistischen bzw. physiologischen Alkoholabbaus. Dieser beruht darauf, dass ein Alkoholabbau von 0,15 Promille pro Stunde angenommen und eine Resorptionszeit nicht berücksichtigt wird. Der Umstand, dass dem Kläger zwischen dem Unfall und der Blutentnahme bereits Infusionen gegeben wurden, wirkt sich auf die Messung der Blutalkoholkonzentration nicht aus.

Mit dem Sachverständigen geht die Kammer davon aus, dass sich die Berücksichtigung einer Resorptionszeit realistisch und physiologisch nicht erklären lässt. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend angegeben, dass es sich offensichtlich nicht auf die Blutalkoholkonzentration auswirken könne, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch geringe Mengen Alkohol getrunken würden.

Hinzu kommt, dass eine Resorptionszeit ohnehin nur für einen Zeitraum von zwei Stunden ab dem Ende des Alkoholkonsums berücksichtigt werden kann. Dieses ist vorliegend aber gerade nicht bekannt. Nachdem der Kläger die Menge des konsumierten Alkohols offensichtlich nicht der Wahrheit entsprechend angegeben hat, vermag die Kammer seiner Behauptung, er habe bis unmittelbar vor Antritt der Heimfahrt Bier getrunken, keinen Glauben zu schenken.

c.

Auch die Anwendung der für den Kläger günstigen Ermittlung seiner Blutalkoholkonzentration führt vorliegend indes zu keinem anderen Ergebnis.

aa.

Wenn zu Gunsten des Klägers lediglich von einem Alkoholabbau von 0,10 Promille pro Stunde sowie von einer Resorptionszeit von zwei Stunden ausgegangen wird, hätte er im Unfallzeitpunkt zwar lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,90 Promille und damit eine der relativen Fahruntüchtigkeit entsprechende gehabt. Allerdings kann diese – wie dargelegt – jedenfalls verbunden mit weiteren Umständen dazu führen, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Unfall auf dem Alkoholgenuss des Versicherungsnehmers beruhte. An das Vorliegen dieser weiteren Umstände sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Blutalkoholkonzentration der absoluten Fahruntüchtigkeit nähert (vgl. BGH, NJW 1982, 2612; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2004, 1404). Bei der vorliegend gegebenen Mindestblutalkoholkonzentration von 0,90 Promille sind die an die Auffälligkeit des Fahrverhaltens zu stellenden Anforderungen daher vergleichsweise gering.

bb.

Das Fahrverhalten des Klägers war vorliegend jedenfalls insofern auffällig, als dass er auf gerader Fahrbahn ohne verkehrsbedingte Ursache von der Straße abgekommen ist. Hierbei übersieht die Kammer nicht, dass ein Abkommen von der Straße im Allgemeinen auch dadurch erklärt werden kann, dass ein Autofahrer übermüdet ist und während der Fahrt einschläft. Allerdings vermag dies das Fahrverhalten des Klägers nicht vollständig zu erklären.

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, sich jedenfalls bei Fahrtantritt gut – und damit jedenfalls subjektiv ausgeruht – gefühlt zu haben. Dies lässt sich angesichts seiner ergänzenden Angabe, er habe auf der besuchten Feier zuvor etwa von 1 Uhr bis 3 Uhr geschlafen, auch nachvollziehen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst betont hat, aufgrund seiner Tätigkeit im Schichtdienst an ungewöhnliche Schlafzeiten gewöhnt zu sein. Dass er tatsächlich eingeschlafen ist und deswegen von der Straße abgekommen ist, konnte er dabei nur vermuten. Entsprechend hatte er auch unmittelbar nach dem Unfall gegenüber der Zeugin … lediglich eine entsprechende Vermutung geäußert.

Hinzu kommt, dass es im Rahmen der relativen Fahruntüchtigkeit lediglich eines Fahrfehlers bedarf, der typischerweise auf Alkoholgenuss zurückzuführen ist. Es ist also nicht erforderlich, dass sich der Fahrfehler ausschließlich durch die Alkoholisierung des Fahrers erklären lässt. Eine entsprechende Feststellung wäre im Übrigen auch nicht möglich.

3.

Da der Verkehrsunfall vom 2.12.2012 auf der Alkoholisierung des Klägers beruhte und dieser ihn damit grob fahrlässig herbeigeführt hat, war die Beklagte berechtigt, ihre Leistungen auf Null zu kürzen, § 81 Abs. 2 WG. Dies gilt – wie dargestellt – unabhängig davon, ob die Alkoholbedingtheit des Unfalls auf Grund einer mittels der realistischen Berechnungsmethode anzunehmenden absoluten Fahruntüchtigkeit oder aufgrund der Kombination aus der relativen Fahruntüchtigkeit – die nach der dem Kläger günstigsten Berechnungsmethode gegeben ist – und dem auffälligen Fahrverhalten des Klägers angenommen wird.

Nur ergänzend kommt es daher darauf an, dass der Kläger – abgesehen von der ausdrücklich nur als Vermutung geäußerten Möglichkeit des Einschlafens – keine vernünftige Erklärung für den Verkehrsunfall hat. Die zunächst schriftsätzlich aufgestellte – allerdings bereits an Hand des vorgerichtlich eingeholten Gutachtens (vgl. Bl. 5 ff. d. A.) nicht nachvollziehbare – Behauptung, er habe kurz vor dem Unfall ein knallendes Geräusch gehört, hat er in seiner Anhörung nicht aufrecht erhalten.

4.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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