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Kaskoversicherung – Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers

OLG Frankfurt – Az.: 12 U 338/19 – Beschluss vom 15.05.2020

Der Kläger wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 25.09.2019 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Er erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 15.06.2020 – eingehend bei den Zivilsenaten in Darmstadt – Stellung zu nehmen.

Gründe

Die Berufung wird im Beschlussverfahren zurückzuweisen sein, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Der Senat verweist wegen der mangelnden Erfolgsaussicht zunächst auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils und fügt im Hinblick auf die Berufungsbegründung das Folgende hinzu:

Zwar ist sowohl das Bestehen eines Kaskoversicherungsvertrages als auch der Eintritt des Versicherungsfalles zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist aber – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend gesehen hat – nach E.2.1 AKB 2017, § 31 VVG i.V.m. E.1.1.3 AKB 2017, § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei, da der Kläger die ihn treffende Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt hat und er den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis nicht erbringen kann.

Nach E.1.1.3 AKB 2008 muss der Versicherungsnehmer alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer darf danach insbesondere „den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartepflicht zu beachten (Unfallflucht)“.

Nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich ein Unfallbeteiligter strafbar, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen.

Die Voraussetzungen der Verwirklichung dieses Tatbestandes hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise angenommen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die S. 5 ff. des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

1. Zunächst kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Versicherungsfalls und damit inzident die Verwirklichung des Tatbestandes der Unfallflucht ist vom Zivilgericht eigenständig zu prüfen.

2. Der Kläger hat auch entgegen seiner Auffassung in der Berufungsbegründung keine angemessene Zeit im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewartet, ohne dass jemand bereit war, Feststellungen zu treffen. Im Rahmen der Anhörung hat der Kläger erklärt, er habe nach dem Unfall schnell „weg gewollt“ und habe lediglich kurz geschaut, dass das Auto nicht so weit auf der Straße stehe (vgl. S. 4 des Protokolls vom 07.08.2019, Bl. 190 d.A.). Er hat also zusammen mit den weiteren Insassen schon nach seinen eigenen Abgaben kurz nach dem Unfall die Unfallstelle verlassen (LE. S 5 unten f. des landgerichtlichen Urteils, Bl. 219 d.A.).

3. Die landgerichtlichen Feststellungen sind auch nicht zu beanstanden, soweit es nach der Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass der Kläger – auch hinsichtlich des Fremdschadens – zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat (S. 6 f. des Urteils).

Dabei beschränkt sich die Prüfung des Senats nicht darauf, ob das Landgericht in erster Instanz den Prozessstoff und die Beweisergebnisse umfassend und widerspruchsfrei geprüft hat und seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist, ohne gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu verstoßen. Der Senat hat den vorgelegten Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen vielmehr auch dahin zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sachlich überzeugend ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2011, Az.: VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rdnr. 22 m.w.N; Beschluss vom 19. November 2014, Az.: IV ZR 317/13).

Das ist hier der Fall. Zum einen stellt das Landgericht auf die Angaben des Klägers selbst ab, wonach er die Beschädigung nicht gesehen habe, weil das Auto auf den Steinen gestanden habe. Dies war ausweislich der Lichtbilder (Bilder 003-006 der Beiakte) aber gerade nicht der Fall.

Weiterhin stützt das Landgericht seine Überzeugung auf die Aussage der Zeugen. Der Zeuge … habe glaubhaft ausgesagt, dass die Steine gut erkennbar waren. Der Zeuge hat auch bekundet, man habe die Steine gesehen, wenn man um das Auto rumgelaufen sei (S. 6 des Protokolls, Bl. 192 d.A.).

Der Zeuge … wiederum hat ausgesagt, sie seien zu dritt um das Fahrzeug herumgelaufen und seien auch hinter dem Auto gewesen (S. 9 des Protokolls, Bl. 195 d.A.). Der Zeuge … hat ebenfalls angegeben, sie hätten sich zunächst die Lage angeschaut, bevor sie die Unfallstelle verlassen hätten.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht in der Gesamtschau der Aussagen davon ausgeht, es stelle eine bloße Schutzbehauptung dar, wenn der Kläger in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen … und … behaupte, er habe die Schäden nicht gesehen. Insbesondere hat das Landgericht dies nachvollziehbar auch damit begründet, dass sich der Zeuge … im Rahmen der Vernehmung auffällig bemüht habe, auch ohne konkrete Nachfrage mehrfach klarzustellen, dass kein Fremdschaden vorhanden gewesen sei und dass der Schaden ausweislich der Lichtbilder klar erkennbar war.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Tageszeit des Unfalls und den Witterungsverhältnissen. Der Unfall fand ausweislich der Verkehrsunfallanzeige vor 17 Uhr statt. Die Lichtbilder, die der Zeuge … gegen 17.40 Uhr angefertigt hat (Auffindebericht), zeigen keine Einschränkungen in Bezug auf die Sichtverhältnisse.

Auch die Behauptung des Klägers, man habe versucht zu telefonieren, es sei allerdings kein Handyempfang vorhanden gewesen, entlastet ihn nicht. Es ist schon unklar, wer überhaupt versucht haben will, die Polizei zu rufen. Der Kläger selbst konnte sich im Rahmen seiner Anhörung nicht erinnern, wann er gemerkt hat, dass er keinen Handy-Empfang hat. Er wusste auch nicht, ob die anderen beiden Beteiligten versucht haben, jemanden anzurufen (S. 5 des Protokolls, Bl. 191 d.A.).

Der Zeuge … hat ausgesagt, dass man die Polizei gar nicht habe anrufen wollen (S. 9 des Protokolls, Bl. 195 d.A.).

Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass die Zeugen … und … versucht hatten zu telefonieren, was mangels Handyempfang nicht gelang, hat keiner der Zeugen ausgesagt, dass man vorgehabt hätte, die Polizei zu rufen.

4. Nach alledem kann hier dahingestellt bleiben, ob die Regelung in E 1.1.3 AKB 2017 so auszulegen ist, dass es gar nicht darauf ankommt, ob der Kläger zugleich den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 142 StGB erfüllt hat (vgl. OLG Stuttgart, 7 U 121/14; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 2.4.2015 – 14 U 208/14 – beck online, jeweils zu E.1.3 AKB 2008).

Der Senat stellt eine Rücknahme der Berufung aus Kostengründen anheim. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).

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