LG Hamburg – Az.: 302 O 395/16 – Urteil vom 23.05.2017
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einem Versicherungsvertrag.
Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Haftpflicht- und Teilkaskoversicherungsvertrag für den Pkw Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen … mit Versicherungsbeginn am 16.12.2014 (Anlage K1). Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AKB) (Anlage K2) zugrunde. Es war eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 € für die Teilkaskoversicherung vereinbart.
Der Kläger stellte sein Fahrzeug am 08.12.2015 gegen 17:00 Uhr in der W. Allee in H. verschlossen ab. Als der Kläger am 10.12.2015 gegen 11:30 Uhr wieder zu seinem Fahrzeug kam, stellte er fest, dass das Dreiecksfenster hinten rechts eingeschlagen war und die Motorhaube offenstand. Die Autobatterie, das Radio, die Abdeckung für den Luftfilter, der Turbolader nebst Einspritzanlage und Pumpe fehlte. Der Kläger erstattete Anzeige bei der Polizei.
Der Kläger zeigte den Schadensfall bei der Beklagten an. Den Pkw ließ der Kläger in eine Werkstatt verbringen, die die Kosten für die Instandsetzung auf Nachfrage des Klägers auf 4.500,00 bis 5.500,00 € schätzte. Unter dem 14.12.2014 fertigte der Kläger die schriftliche Schadensanzeige (Anlage B1) und übermittelte diese an die Beklagte. Die Beklagte lehnte eine Regulierung ab (Anlage K4).
Nach dem vom Kläger eingeholten Kostenvoranschlag belaufen sich die Kosten für die Instandsetzung des Pkws auf 5.528,00 € netto und 6.578,32 € brutto (Anlage K7). Der Kläger ließ das Fahrzeug instand setzen und veräußerte es im Anschluss.
Der Kläger trägt vor, er habe die Schadensanzeige nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt.
Neben den Nettoreparaturkosten abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung macht der Kläger für das von ihm am 17.06.2013 angeschaffte Radio (Anlage K5) 420,17 € geltend.
Nach teilweiser Klagerücknahme beantragt der Kläger
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.798,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, sie sei wegen arglistiger Obliegenheitsverletzungen des Klägers sowohl durch Verschweigen eines reparierten Vorschadens wie auch unreparierter Altschäden im Rahmen der Schadensanzeige leistungsfrei geworden.
Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2017 verwiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Klageschrift und die Klageerwiderung nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem Teilkaskoversicherungsvertrag wegen der Entwendung von Fahrzeugteilen.
1. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zwischen ihnen in der Zeit vom 08.12.2015 bis 10.2.2015 ein Versicherungsvertrag in Form einer Teilkaskoversicherung bestand, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB) der Beklagten zu Grunde lagen.
2. Die Beklagte ist jedenfalls nach § 28 Abs. 2 und 3 S. 2 VVG und E.2.1 und E.2.2 AKB leistungsfrei. Der Kläger hat seine sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Obliegenheiten im Zusammenhang mit der Schadensanzeige arglistig verletzt.
a) Nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsvertrag bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist und der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Dementsprechend sieht E. 2.1 AKB bei einer vorsätzlichen Verletzung der Pflichten aus dem Versicherungsvertrag einen Wegfall des Versicherungsschutzes vor.
Nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG und E.2.2 S.1 AKB ist der Versicherer abweichend von den vorgenannten Regelungen dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Die gilt jedoch nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG, E.2.2 S.2 AKB).
So liegt der Fall hier.
b) Der Kläger hat die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Obliegenheiten objektiv verletzt.
Nach E.1.1.3 war der Kläger verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses erforderlich ist und dabei insbesondere die von der Beklagten gestellten Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses und zum Umfang des Schadens wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.
Die Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls haben den Sinn, den Versicherer in die Lage zu versetzten, sachgemäße Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen, ihm unnötige Kosten zu sparen und ihn vor Fehlentscheidungen zu bewahren (Stiefel/Maier-Maier AKB E Rn. 2 m.w.N. aus der Rspr.) aber auch Verdachtsmomenten nachzugehen, die gegen die Berechtigung der geltend gemachten Forderung sprechen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.10.2003, Az. 5 U 300/03, abrufbar bei juris; Stiefel/Maier-Maier AKB E.1 Rn. 21).
Der Kläger hat im Rahmen der Schadensmeldung (Anlage B1) mehrere Fragen falsch beantwortet. So hat der die Laufleistung des Fahrzeug mit 171.000 km angegeben. Die tatsächliche Laufleistung betrug aber 179.750 km. Als Beruf/Gewerbe hat der Kläger Rentner angegeben, obwohl er freiberuflich als Berater tätig ist. Die Frage nach unreparierten Vorschäden im Zeitpunkt des Schadens hat der Kläger verneint. Tatsächlich wies der Pkw eine Beschädigung am Stoßfänger vorn, eine Eindellung am Kotflügel vorn rechts und eine Beschädigung am Stoßfänger hinten auf. Zudem war die Verkleidung am Seitenschweller vorne links lose. Es wird insoweit Bezug genommen auf das von der Beklagten eingereichte Sachverständigengutachten (Anlage B2), in dem die Schäden im Einzelnen dokumentiert sind.
c) Der Kläger hat dabei auch vorsätzlich und sogar arglistig gehandelt.
Vorsätzlich handelt ein Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er eine Obliegenheitsverletzung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Vorsatz ist dabei auch gegeben, wenn der Handelnde die Augen vor der Schädigungsmöglichkeit verschließt oder „ins Blaue hinein“ handelt, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.07.2006, Az. 5 U 6/06, VersR 2007, 532 m.w.N.). Arglist erfordert neben der gegebenen vorsätzlichen Falschangabe zusätzlich, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers jedenfalls bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen, der nicht auf einen Vermögensnachteil gerichtet sein muss, sondern bereits darin liegen kann, denn Versicherer von weiteren berechtigten Ermittlungen abzuhalten. Es ist ausreichend, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 04.05.2009, Az. IV ZR 62/07, abrufbar bei juris).
Danach ist von einem vorsätzlichen und sogar arglistigen Verhalten des Klägers auszugehen. Dass der Kläger die Fragen in der Schadensanzeige entgegen seiner Behauptung nicht nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hat, ergibt sich aus den Umständen.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger die Relevanz der Fragen in der Schadensanzeige erkannt hat. Der Kläger wusste, dass die Reparaturkosten unter Umständen den von ihm bei Ankauf gezahlten Kaufpreis übersteigen würden. Er hat insoweit bekundet, er habe mit seiner Werkstatt Rücksprache gehalten, die die Reparaturkosten auf 4.500,00 € bis 5.500,00 € geschätzt habe. Dies findet sich so auch in der Schadensanzeige wieder. Der Kläger hatte selbst beim Ankauf des Fahrzeugs etwa ein Jahr zuvor nur einen Kaufpreis von 5.400,00 € gezahlt. Ausweislich der Kaufvertrags (Anlage K6) war das Fahrzeug bereits bei Ankauf im Frontbereich vorgeschädigt. Im Dezember 2015 wies das Fahrzeug weitere Schäden auf, wie sich aus dem Gutachten (Anlage B2) ergibt. Dass sich dies negativ auf den Wert des Fahrzeugs ausgewirkt hat, liegt auf der Hand. Dass der Kläger all dies realisiert hat, steht zur Überzeugung des Gerichts nach der Anhörung des Klägers fest. Auf Vorhalt hat der Kläger lediglich bekundet, dass das Fahrzeug ja noch gut gewesen sei und noch nicht viele Kilometer runter gehabt habe. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass der Kläger das Fahrzeug für sich und seine Zwecke für gut befunden hatte. Dabei hat der Kläger keinen Wert auf den optischen Zustand gelegt, sondern nur auf die Fahrtüchtigkeit und Fahrbereitschaft. So hat er bekundet, dies sei für ihn der wesentliche Punkt gewesen. Dabei spielte die verhältnismäßig niedrige Laufleistung des Fahrzeugs für den Kläger offensichtlich eine große Rolle. Selbst einem Laien drängt sich aber ohne weiteres auf, dass Fahrbereitschaft und Laufleistung nicht die einzigen wertbestimmenden Faktoren eines Fahrzeugs sind und die den seinerzeitigen Anschaffungspreis übersteigenden Reparaturkosten einer Regulierung des Schadens auf Basis der Reparaturkosten entgegen stehen könnten.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger aus diesem Grund in der Schadensanzeige an mehreren Stellen unzutreffende Angaben gemacht hat, um eine Regulierung in seinem Sinne zu beeinflussen. In der Schadensanzeige war nach „unreparierten Vorschäden“ gefragt. Soweit der Kläger unter Schäden nur solche verstanden haben will, die die Fahr- und Verkehrstauglichkeit beeinträchtigen, ist dies nicht nachvollziehbar. In der Formulierung findet sich für diese Einschränkung kein Anhaltspunkt. Der Kläger hat auch selbst auf Nachfrage eingeräumt, dass es auf der Hand liegt, dass auch Schäden wie Beulen und Kratzer den Wert des Fahrzeugs beeinflussen können. Dass er sich darüber keine Gedanken gemacht haben will, wertet das Gericht als Schutzbehauptung. Der Kläger hat darüber hinaus die Laufleistung seines Fahrzeugs falsch angegeben. In der mündlichen Verhandlung hat er auf Nachfrage bekundet, er habe den Stand seinerzeit auch tatsächlich vom Tacho abgelesen. Der Tachostand betrug aber 179.750 km (vgl. Abbildung 5, Seite 20 des Gutachtens, Anlage B2) anstatt der angegebenen 171.000 km. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger die Laufleistung bewusst und vorsätzlich nach unten korrigiert hat. Angesichts der Angaben des Klägers kann nicht von einem Schätzfehler ausgegangen werden. Ein nachvollziehbare Erklärung, wie es zu der Abweichung gekommen ist, hat der Kläger nicht abgeben. Dass die Abweichung bei nur 5% liegt, ist unerheblich, da der Kläger nach den gegebenen Umständen im Zusammenwirken mit den verschwiegen unreparierten Vorschäden davon ausgehen konnte, so die Regulierungsentscheidung unter Inkaufnahme von Nachteilen für die Beklagte zu seinen Gunsten beeinflussen zu können. Der Zustand des Fahrzeugs wurde insgesamt geschönt.
Der Gesamteindruck wird noch dadurch unterstrichen, dass der Kläger als Beruf/Gewerbe „Rentner“ angegeben hat, obwohl er freiberuflich als Berater tätig war und ist. Die Frage „Sind sie Unternehmer“ hatte der Kläger, wie sich aus der Schadensanzeige ergibt, zunächst auch mit „ja“ beantwortet und dies dann ausgekreuzt. Der Erklärungsversuch des Klägers, er könne ja auch als Rentner dazu verdienen, vermag nicht zu überzeugen. Die Fragen in Ziffer 4. in der Schadensanzeige waren eindeutig darauf ausgerichtet, dass die Beklagte die für Art und Umfang der Regulierung notwendigen Informationen erhält. Aus den Angaben des Klägers ergibt sich, dass er auch die Frage nach seiner Vorsteuerabzugsberechtigung zumindest ins Blaue hinein mit „nein“ beantwortet hat. In der mündlichen Verhandlung hat er auf Nachfrage bekundet, gerade nicht genau zu wissen, ob er vorsteuerabzugsberechtigt sei. Er müsse das mit seinem Steuerberater klären. Durch die Angabe „Rentner“ als Beruf/Gewerbe konnte der Kläger sicher sein, sich weitere Nachfragen zu ersparen. Damit hat er die tatsächlichen Umstände jedenfalls verschleiert.
Schließlich hat der Kläger auch im vorliegenden Rechtsstreit noch unzutreffend vorgetragen, indem er schriftsätzlich hat vortragen lassen, er haben den Pkw unfallfrei erworben. Aus dem vorgelegten Kaufvertrag (Anlage K6) geht Gegenteiliges hervor.
d) Auf den Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG und E.2.2, der vom Kläger zu führen gewesen wäre, kommt es auf Grund der Arglist nicht mehr an.
e) Auch lag die nach § 28 Abs. 4 VVG erforderliche Belehrung über die Obliegenheitsverletzungen und deren Folgen rechtzeitig vor. Es genügt eine Belehrung auf dem Schadensanzeigeformular, die drucktechnisch hervorgehoben ist (LG Bonn, Urteil vom 12.11.2013, Az. 10 O 151/13, RuS 2014, 449). Eine entsprechende Belehrung befand sich auf dem Formular der Schadensanzeige optisch hervorgehoben über der Unterschriftenzeile.
2. Die Nebenforderungen entfallen mit der Hauptforderung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.