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Kaskoversicherung – Fahrzeugdiebstahl und Zeugen ohne Beweiskraft

AG Spandau, Az.: 4 C 249/12, Urteil vom 06.03.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Teilkaskoversicherung wegen eines behaupteten Diebstahls aus ihrem Pkw Daimler Benz (A-Klasse) mit dem amtlichen Kennzeichen … in Anspruch.

Am 14. Juni 2011 meldete die Klägerin den fraglichen Schaden der Beklagten. In der Folgezeit wurde der Wagen von einem Sachverständigen begutachtet. Dieser veranschlagte die Reparaturkosten auf 9.600,08 Euro brutto und den Wiederbeschaffungswert auf 8.700,00 Euro brutto. Wegen der Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl.11-29 d. A.) verwiesen.

Zwischenzeitlich veräußerte die Klägerin das Auto für 3.500,00 Euro weiter. Sie beansprucht nunmehr klageweise den o. g. Wiederbeschaffungswert abzüglich 2 % Differenzbesteuerungsanteil, 150,00 Euro Selbstbeteiligung und 3.500,00 Euro Verkaufserlös.

Vorprozessual wurde die Beklagte mehrfach vergeblich zur Zahlung aufgefordert.

Bereits im Jahr 2010 gab es einen ähnlichen Schadensfall: Auf die Meldung der Klägerin, dass bei dem damals in ihrem Besitz befindlichen Mercedes der A-Klasse, den sie am 24. März 2010 auf einem Werkstatt-/Industriegelände abgestellt hatte, die Seitenscheibe eingeschlagen und Beifahrersitz, Airbag und Navigationsgerät entwendet worden seien, leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 3.834,63 Euro.

Kaskoversicherung – Fahrzeugdiebstahl und Zeugen ohne Beweiskraft
Symbolfoto: plantic/Bigstock

Die Klägerin behauptet, sie habe den Wagen am 13. Juni 2011 gegen 16.30 Uhr auf dem Parkplatz Pionierstraße 65 in Berlin-Spandau abgestellt. Bei ihrer Rückkehr gegen 23.30 Uhr desselben Tages habe sie festgestellt, dass der Pkw aufgebrochen und Beifahrersitz, Rückbänke, Airbag und Tacho entfernt worden seien.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.879,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (15. November 2012) sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 489,45 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält den Abstellort des Fahrzeugs für eher ungewöhnlich und das finanzielle Umfeld der Klägerin für auffällig. Unstreitig bezieht die Klägerin „Hartz IV“-Leistungen und gab 2009 und 2010 jeweils die eidesstattliche Versicherung ab. 2010 und 2011 mahnte die Beklagte insgesamt fünf Mal Folgeprämien an.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin und ihr Lebensgefährte, der Zeuge …, hätten zwei Wochen nach dem Kauf des nunmehr in Rede stehenden Fahrzeugs dem sie betreuenden Versicherungskaufmann, dem Zeugen …, von einem Motorschaden an dem Wagen erzählt und hierzu dessen Rat haben wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört und auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 16. Januar 2013 (Bl.59, 60 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … . Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 16. Januar 2013 und 13. Februar 2013 (Bl.58, 59, 84-89 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatzleistung aus der Teilkaskoversicherung wegen des Diebstahls von Beifahrersitz, Rückbänken, Airbag und Tacho aus ihrem Pkw.

Dem Versicherungsnehmer, der eine Entschädigung wegen des Diebstahls seines kaskoversicherten Fahrzeugs bzw. von Teilen des Autos verlangt, kommen nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, VersR 1997, 733, VersR 1999, 1535 f. m. w. N., zitiert nach juris) Beweiserleichterungen zugute. Der Versicherungsnehmer braucht nur darzulegen und zu beweisen, dass ein äußeres Bild vorliegt, das nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Entwendung schließen lässt. Dafür genügt es, dass er darlegt und beweist, dass er das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort nicht wieder (vollständig) vorgefunden hat (vgl. BGH aaO). Insoweit ist der Vollbeweis nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilverfahrensrechts erforderlich. Ist dieser Beweis geführt, dann hat der Versicherungsnehmer den ihm obliegenden Beweis einer bedingungsgemäßen Entwendung erbracht (vgl. BGH aaO).

a) Vorliegend ist der Klägerin indes der ihr obliegende Beweis des äußeren Bildes der Entwendung von Fahrzeugteilen nicht gelungen. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sie den Wagen am 13. Juni 2011 abgestellt und später am Abend aufgebrochen und ohne Tacho, Airbag, Beifahrersitz und hintere Sitzbank wieder aufgefunden hat.

Der Zeuge … hat den dahingehenden Vortrag der Klägerin zwar bestätigt. Seinen Angaben kommt indes nicht die erforderliche Beweiskraft zu.

Eine Behauptung ist bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, WM 1998, 1689). Hierfür genügt ein für einen vernünftigen Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGHZ 53, 245, 256).

Hier sind nach der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen … geblieben.

Zum einen hatte das Gericht nicht den Eindruck, dass der Zeuge lebendige, eigene Erinnerungen geschildert hat: So war es ihm nicht möglich, anzugeben, wie das Wetter an dem fraglichen Tag war und wie lange er sich auf dem Friedhof, auf dessen Parkplatz die Klägerin ihren Wagen abgestellt hatte, aufgehalten hat, bevor er mit der Klägerin zum Essen gefahren ist, und ob er Blumen auf dem Grab seiner Großmutter abgelegt hat. Der Zeuge war sich auch nicht ganz sicher, welches Restaurant er mit der Klägerin besucht hat, und konnte nicht berichten, was er an dem fraglichen Abend konsumiert hat.

Aus hiesiger Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar ist ferner der Umstand, dass der Zeuge sich nicht daran erinnern konnte, dass das fragliche Geschehen sich am Pfingstmontag ereignet hat. Im Hinblick darauf, dass es in der Bundesrepublik Deutschland nur eine Handvoll gesetzlicher Feiertage gibt, ist davon auszugehen, dass es im Gedächtnis bleibt, wenn sich ein außergewöhnliches Geschehen – Einbruchsdiebstahl zu Lasten der Lebensgefährtin – an einem solchen Tag ereignet.

Zum anderen ist der vom Zeugen geschilderte Geschehensablauf auch inhaltlich nicht plausibel: Es bietet sich angesichts der örtlichen Gegebenheiten – die Klägerin wie der Zeuge wohnen nur rund ein bis zwei Kilometer von der Pionierstraße entfernt- gerade nicht an, sich mit zwei Fahrzeugen am Friedhof zu treffen, einen Wagen dort stehen zu lassen und mit dem anderen Richtung Savignyplatz zu fahren. Auf dem Weg nach Charlottenburg kommt man fast an der Wohnung der Klägerin und der des Zeugen vorbei, so dass es nur einen kurzen Abstecher bedeutet hätte, eines der beiden Autos dort abzustellen, wohingegen die nach Darstellung des Zeugen gewählte Variante – Abholen des zweiten Fahrzeugs nach dem Restaurantbesuch – einen Umweg beinhaltete und damit einen zeitlichen wie auch finanziellen Mehraufwand. Dieses Vorgehen erscheint gerade nicht bequemer, sondern umständlich und unpraktikabel, zumal dann, wenn das geparkte Auto spätabends wieder abgeholt wird. Abgesehen davon ist von jemandem, der – wie die Klägerin – ein relativ bescheidenes Einkommen hat, zu erwarten, dass er sparsam mit seinen finanziellen Ressourcen umgeht und unnötige Ausgaben – etwa für Benzin – vermeidet.

Auch die vom Zeugen beschriebene weitere zeitliche Abfolge erscheint dem Gericht nicht lebensnah: Für den Weg von der Pionierstraße nach Charlottenburg zum Savignyplatz braucht man bei normalem Verkehrsfluss an einem Feiertag nicht mehr als 30 bis 40 Minuten und nicht 60 bis 90 Minuten. Was die vom Zeugen geschilderte Fahrt durch die Waschstraße anbelangt, ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage schon daraus, dass die Autowäsche von der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung nicht erwähnt worden ist. Hinzu kommt, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass man gerade an einem Feiertag und mit dem eigentlichen Ziel eines Restaurantbesuchs in Begleitung der Lebensgefährtin noch eine Reinigung seines Fahrzeugs „dazwischen schiebt“.

Darüber hinaus ist die Verweildauer des Zeugen und der Klägerin mit mindestens fünf Stunden – nämlich zumindest von etwa 17.00 bis 22.00 Uhr – als ungewöhnlich lange anzusehen. Selbst wenn man im übrigen annimmt, dass ein Abendessen sich über einen solchen Zeitraum hinzieht, wäre zumindest zu erwarten, dass der Zeuge dann genauere Angaben zum Verlauf dieses Abends machen kann, erst recht dann, wenn an dessen Ende die Entdeckung steht, dass das Auto der Lebensgefährtin aufgebrochen worden ist.

Die Richtigkeit der Angaben des Zeugen unterliegt schließlich auch deswegen nicht unerheblichen Zweifeln, weil der Zeuge der Lebensgefährte der Klägerin ist und schon aufgrund dieses Näheverhältnisses dem Ausgang des Rechtsstreits nicht unbeteiligt gegenüber stehen dürfte. Abgesehen davon hat der Zeuge auch ein eigenes Interesse am Ergebnis des Prozesses, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass er – nach den eigenen Angaben der Klägerin – den in Rede stehenden Mercedes (mit-)finanziert hat. Dafür spricht weiter, dass der Zeuge … – wie von ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung erwähnt und der zu den Gerichtsakten gelangten Zahlungsanzeige zu entnehmen – den Zeugenvorschuss für seine Person selbst eingezahlt hat.

b) Das Gericht sieht sich auch nicht aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin in der Lage, den Versicherungsfall bzw. das äußere Bild eines solchen anzunehmen.

Zwar kann der Tatrichter im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) den Behauptungen und Angaben des Versicherungsnehmers (vgl. § 141 ZPO) unter Umständen auch dann glauben, wenn dieser ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (vgl. BGH, VersR 1993, 571 f., zitiert nach juris). Hierfür genügen allerdings die doch eher spärlichen Angaben der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2013 nicht. Nicht nur, dass die Darstellung der Klägerin von ihrem schriftsätzlichen Vortrag abweicht, als sie persönlich gegenüber dem Gericht angegeben hat, gegen 23.00 Uhr zum Wagen zurückgekehrt zu sein, während in der Klageschrift die Uhrzeit 23.30 Uhr genannt wird, ihre Angaben decken sich auch teilweise mit denen des Zeugen … So hat die Klägerin die Autowäsche gar nicht erwähnt, sondern erklärt, man sei direkt zum Savignyplatz gefahren. Auch der Klägerin war im übrigen nicht präsent, dass sich der fragliche Vorfall am Pfingstmontag abgespielt hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin sich im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung sehr nervös gezeigt hat; dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass sie das erste Mal vor Gericht aufgetreten ist, könnte sich aber auch darauf zurückführen lassen, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hat.

Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob der Versicherungsfall vorgetäuscht worden ist, kam es nach alledem nicht mehr an.

2. Im Hinblick auf die Unbegründetheit der Hauptforderung ist auch für Nebenansprüche kein Raum.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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