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Kaskoversicherung –  Einholung von Weisungen vor Reparaturbeginn

KG Berlin – Az.: 6 U 157/16 – Beschluss vom 08.06.2018

In dem Rechtsstreit hat der Senat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 42 des Landgerichts Berlin vom 16. November 2016 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.

1) Das Landgericht ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte gemäß § 28 Abs. 2 VVG in Verbindung mit E.5.1, E.3.2 der hier für den Versicherungsvertrag vereinbarten AKB 2008 leistungsfrei geworden ist.

a) Die AKB sind dem neuen Versicherungsrecht angepasst, gegen die Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Klausel zur Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen bestehen keine Bedenken.

b) Gemäß E.3.2 (“Einholung unserer Weisung”) hat der Versicherungsnehmer vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur die Weisungen der Beklagten einzuholen und zu befolgen, soweit die Umstände dies gestatten und dies dem Versicherungsnehmer zumutbar ist. Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger hier objektiv verstoßen, denn er hat sein unfallbeschädigtes Fahrzeug teilweise instand setzen lassen, ohne vorher Weisungen der Beklagten einzuholen und ihr die Besichtigung des Fahrzeuges mit dem unveränderten Schadensbild nach dem Unfall zu ermöglichen.

c) Die Obliegenheitsverletzung ist vom Kläger auch vorsätzlich begangen worden. Ihm war der Inhalt der AKB bekannt. Der Kläger hatte einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er von den Polizeibeamten, die den Unfall aufnahmen, als Verursacher eingestuft wurde. Er wusste deshalb, dass er anhand der AKB prüfen musste, ob er die Beklagte als Haftpflichtversicherer von dem Schadensfall informieren musste, weil eine Inanspruchnahme durch den Unfallgegner drohte. Er musste auch überlegen, ob er unter Umständen später die Beklagte als Kaskoversicherer wegen der erlittenen Schäden am eigenen Fahrzeug in Anspruch nehmen muss und ob ihm insoweit jetzt schon bestimmte Verhaltensweisen nach dem Unfall durch die AKB auferlegt waren. Jeder Versicherungsnehmer an der Stelle des Klägers hätte sich deshalb anhand der AKB informiert, welche Informationen er der Beklagten zukommen lassen musste, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Es steht der Annahme von Vorsatz deshalb nicht entgegen, sollte der Kläger die AKB anlässlich des Schadensfalls vor der Inangriffnahme der Reparatur nicht zur Kenntnis genommen haben. Denn der Kläger hätte sich bewusst einer Kenntnisnahme des Inhalts der Obliegenheiten verschlossen und damit vorsätzlich das unterlassen, was jedem Versicherungsnehmer eingeleuchtet hätte. Abgesehen davon gehört es zum Allgemeinwissen eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, dass Versicherer, wenn sie auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch genommen werden, regelmäßig eigene Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls und zum Umfang der möglicherweise berechtigten Entschädigungsleistung treffen wollen (KG, Hinweisbeschluss vom 12.12.2014 – 6 U 122/14 -, VersR 2015, 1247, Rdnr. 5 Zit. nach Juris). Er hat zumindest die Nichteinhaltung von Obliegenheiten billigend in Kauf genommen, was den Vorwurf des bedingten Vorsatzes rechtfertigt.

d) Dem Kläger gelingt auch der Kausalitätsgegenbeweis nicht, dass die Veränderung des Schadensbildes an seinem Fahrzeug keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles und den Umfang der geschuldeten Versicherungsleistung hatte. Der Bundesgerichtshof hat in drei jüngeren Entscheidungen, bei denen die Verletzung der Sachaufklärungsobliegenheit durch den Versicherungsnehmer jeweils dadurch begangen wurde, dass entgegen dem Verlangen des Vermögensschadenshaftpflichtversicherers die persönliche Stellungnahme einer Sachbearbeiterin zum Sachverhalt nicht beigebracht wurde, deren fehlerhafte Sachbearbeitung die Leistungspflicht der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung begründet haben soll, die Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung verneint (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2014, – IV ZR 243/13 – zitiert nach juris: Rdnr. 21; – IV ZR 242/13 – zitiert nach juris: Rdnr. 24; – IV ZR 303/13 – zitiert nach juris: Rdnr. 34). Denn es stand nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht fest, ob und gegebenenfalls welche weiteren Erkenntnisse eine Befragung der Mitarbeiterin erbracht hätte, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich die Unterlassung auf die Möglichkeit zur Feststellung des Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Nicht anders liegt der Sachverhalt hier. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte bei einer Besichtigung des Fahrzeuges durch einen von ihr beauftragten Gutachter Erkenntnisse gewonnen hätte, die für die Feststellung des Versicherungsfalls, namentlich den genauen Schadensumfang und die Kausalität des Unfallereignisses für das Schadensbild von Bedeutung gewesen wären. Der Gutachter hätte eigene Untersuchungen auf Vorschäden und deren vollständige und fachgerechte Beseitigung im Schadensbereich treffen können, die nach der Veränderung des Schadensbildes nicht mehr getroffen werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte bei einer eigenen Untersuchung Erkenntnisse gewonnen hätte, die über die Feststellungen des Privatgutachters …, den der Kläger beauftragt hatte, hinausgegangen wären. Auch die teilweise Widerlegung der Feststellung im Gutachten ist nicht ausgeschlossen.

Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Januar 2001 (IV ZR 63/00 – VersR 2001, 756 f. – zitiert nach juris) zugrunde lag. Dort war der Versicherungsfall zwar ebenfalls sehr spät angezeigt worden, wobei zwischenzeitlich die Brandreste abgebrochen und das Grundstück neu bebaut worden war (vgl. BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 2). Der Unterschied zum hier in Rede stehenden Sachverhalt lag jedoch darin, dass die notwendigen Feststellungen zum Versicherungsfall durch einen Sachverständigen zum Gebäude-Feuerschaden sowie die Ermittlungsbehörden getroffen und dokumentiert waren (vgl. BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 11 – 14). Deshalb hätte der Versicherer nach Auffassung des Bundesgerichtshof darlegen müssen, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Anzeige ergriffen hätte und weshalb sich daraus über die von der dortigen Klägerin aufgezeigten Erkenntnismöglichkeiten hinausgehende Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalles oder ihrer Leistungspflicht hätten treffen lassen, woran es dort fehlte. Hier hat der Kläger zwar ein Privatgutachten zum Schadensbild am Fahrzeug des Klägers auf Grund einer eigenen Besichtigung des Gutachters … vorgelegt. Dieses Gutachten kann als Parteigutachten jedoch nicht die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung des Fahrzeugs durch einen vom Versicherer beauftragten Gutachter ersetzen. Die Beklagte hat auch einen eigenen Gutachter mit der Untersuchung des Fahrzeuges beauftragt, der die Teilreparatur und damit die Veränderung des Schadensbildes festgestellt hat. Die Regelungen in A 2.17 der AKB zum Sachverständigenverfahren zeigen, dass Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens häufig vorkommen und dass das Interesse der Beklagten gerade dahin geht, die Feststellungen von Gutachtern, die der Versicherungsnehmer selbst beauftragt hat, überprüfen zu lassen. Diese eigene Erkenntnismöglichkeit – gerade in Bezug auf Vorschäden im Schadensbereich- ist der Beklagten nach einer Teilreparatur genommen. Die Obliegenheitsverletzung ist deshalb hier nicht folgenlos geblieben, weil die Beklagte keine Erkenntnisse zu Vorschäden und zum genauen Schadensbild mehr erlangen konnte.

2) Auf Fragen der Verletzung der Anzeigeobliegenheit kommt es nach dem Vorstehenden deshalb nicht an. Im übrigen hat der Kläger auch in der Berufungsbegründung nicht konkretisiert, auf welchem Wege er die Anzeige “sofort” gemacht hat. Aus dem Schriftsatz vom 18.03.2016 ergibt sich dies nicht.

3) Der Beklagten ist es nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung zu berufen. Sie hat nach der Vorlage des Gutachtens des Dipl.-Ing. … die Leistung verweigert und lediglich später bei einem Telefonat einen Vergleichsvorschlag zur Beendigung der Angelegenheit unterbreitet, den der Kläger nicht angenommen hat. Ein Vertrauen darauf, dass sie sich auf Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung nicht berufen wird, hat sie jedoch nicht geweckt.

4) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision nicht erforderlich. Zur Rechtsfortbildung eignet sich die hier streitige Sache nicht. Sonstige Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten, liegen nicht vor.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Zurücknahme der Berufung erwogen werden.

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