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Hausratversicherung – Vertragsabschluss durch Ehegatten als Geschäft des täglichen Lebens

OLG Hamm – Az.:  I-20 U 15/20 – Beschluss vom 23.04.2020

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung auf Feststellung in Anspruch, dass die Beklagte nach einem Brand in der Nacht vom 00. auf den 00.02.2018 bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren habe.

Die Klägerin bewohnte zusammen mit ihrem Ehemann und mehreren Kindern eine Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus in I. Mit Beginn zum 01.10.2015 schloss sie über den Versicherungsmakler H unter anderem einen Vertrag über eine Hausratversicherung. Der schriftliche Antrag (Bl. 154 ff. der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I) enthielt keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin verheiratet ist und der gemeinsame Hausrat versichert sein sollte.

Ab Dezember 2016 zahlte die Klägerin die Folgeprämien nicht mehr. Ob die Beklagte daraufhin qualifizierte Mahnschreiben an die Klägerin verschickte und ob solche der Klägerin auch zugingen, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig versandte die Beklagte derartige Mahnungen nicht an den Ehemann der Klägerin. Im weiteren Verlauf gab die Beklagte die Sache wegen der aufgelaufenen Prämienrückstände an ein Inkassounternehmen ab, das den Erlass eines Mahnbescheides erwirkte.

In der Nacht vom 00.02.2018 auf den 00.02.2018 wurden die Wohnung der Klägerin und der darin befindliche Hausrat durch einen Brand beschädigt. Eine Woche später, nämlich am 00.02.2018, veranlasste die Klägerin über den Makler H die Nachzahlung der rückständigen Prämien. Wiederum eine Woche später wurde der Schaden bei der Beklagten gemeldet. Die Beklagte lehnte eine Zahlung jedoch unter Berufung auf § 38 Abs. 2 VVG ab.

II.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin aus der Berufungsbegründung vom 23.03.2020 (Bl. 61 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II) greifen nicht durch.

Der Klägerin kann nicht die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten für den Brandschaden verlangen, weil die Beklagte hinsichtlich dieses Versicherungsfalls gemäß § 38 Abs. 2 VVG leistungsfrei ist.

1.

Unstreitig befand sich die Klägerin im Zeitpunkt des Brandes mit der Zahlung mehrerer Folgeprämien im Verzug.

2.

Der Versicherungsfall trat auch nach Ablauf einer gemäß § 38 Abs. 1 VVG wirksam von der Beklagten bestimmten Zahlungsfrist ein.

a)

Der Senat hat keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Feststellung des Landgerichts, wonach die Behauptung der Klägerin, sie habe keines der von der Beklagten versandten Mahnschreiben erhalten, durch die Beweisaufnahme widerlegt ist.

aa)

Soweit die Berufungsbegründung zu Recht hervorhebt, dass der Versicherer für den Zugang der Mahnschreiben beweisbelastet ist und ihm – auch bei feststehender Absendung – die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht zugute kommen, ist auch das Landgericht hiervon bei seiner Beweiswürdigung zutreffend ausgegangen.

bb)

Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der landgerichtlichen Überzeugung begründen würden, wonach der Zugang eines Mahnschreibens durch die Aussage des Zeugen H bewiesen sei, zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der Zeuge bei seiner Aussage erkennbar eine Erinnerung an den konkreten Vorgang in der Wohnung der Frau N hatte, weil er auch Einzelheiten dazu bekunden konnte. Seine Aussage war in sich widerspruchsfrei und ließ einseitige Be- oder Entlastungstendenzen nicht erkennen.

Zu keiner anderen Beurteilung führt das Vorbringen in der Berufungsbegründung, der Zeuge habe sich nicht an den konkreten Inhalt des ihm vorgelegten Mahnschreibens erinnern können, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob dieses eine rechtswirksame Belehrung im Sinne von § 38 Abs. 1 S. 2 VVG enthielt. Da der Vortrag der Klägerin, ihr sei überhaupt kein Mahnschreiben zugegangen, wie dargelegt durch die Beweisaufnahme widerlegt ist, durfte sie sich gemäß § 138 Abs. 2 ZPO nicht darauf zurückziehen, über den Inhalt des ihr nachweislich zugegangenen Schreibens zu spekulieren.

Die von der Berufungsbegründung in den Raum gestellte Möglichkeit, dass es sich bei dem von der Klägerin dem Zeugen H übergebenen Schreiben um den Mahnbescheid oder eine Kopie davon gehandelt haben könnte, ist aus Sicht des Senats durch die Aussage des Zeugen widerlegt. Denn dieser hat bekundet, dass es sich bei dem ihm übergebenen Schreiben um eine „von der Versicherung selbst“ ausgestellte Mahnung gehandelt habe; er könne sich weder an eine Mahnung durch das Inkassobüro noch an einen Mahnbescheid erinnern (eGA-I 99). Da dem Zeugen aber zahlreiche Einzelheiten ersichtlich noch vor Augen standen, geht der Senat – ebenso wie das Landgericht – davon aus, dass er sich wegen der möglicherweise im weiteren Verlauf drohenden Vollstreckungsfolgen, die von erheblicher Bedeutung für die Klägerin sein konnten, an die Vorlage eines solchen gerichtlichen Mahnbescheides erinnert hätte.

Dass es sich, wie die Berufungsbegründung ferner anführt, auch um die „Erstprämienrechnung“ gehandelt haben könne, ist aus Sicht des Senats fernliegend. Da der Zeuge aufgrund des ihm vorgelegten Schreibens in der Lage war, den tatsächlich bestehenden Prämienrückstand auszugleichen und also Kenntnis von dessen Höhe hatte, muss es sich um ein Schreiben gehandelt haben, in dem der bestehende Rückstand ausgewiesen wurde.

b)

Die Mahnung war auch nicht deshalb unwirksam, weil sie nur an die Klägerin und – unstreitig – nicht auch an deren Ehemann versandt wurde.

aa)

Allerdings trifft es zu, dass bei mehreren Versicherungsnehmern die Mahnung an jeden von ihnen gerichtet werden muss, und zwar auch dann, wenn sie unter derselben Anschrift wohnen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – IV ZR 206/13, VersR 2014, 229, juris Rn. 11).

bb)

Der Ehemann der Klägerin ist aber nicht (Mit-)Versicherungsnehmer.

Da ausdrückliche Willenserklärungen der Parteien mit einem solchen Inhalt unstreitig nicht abgegeben wurden, könnte sich die Stellung des Ehemanns als (Mit-)Versicherungsnehmer allenfalls aus § 1357 Abs. 1 BGB ergeben.

Der Senat unterstellt mit der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, dass diese Vorschrift auch auf den Abschluss von Versicherungsverträgen Anwendung finden kann (für eine Vollkaskoversicherung BGH, Urteil vom 28.02.2018 – XII ZR 94/17, VersR 2018, 557; bejahend für Hausratversicherung z.B. Hahn, in: BeckOK BGB, 53. Edition Stand 01.02.2020, § 1357 Rn. 17 m.N.; siehe dazu aber etwa auch Rixecker, ZfS 2018, 514 f.). Jedenfalls aber kommt eine Anwendung dieser Vorschrift gemäß § 1357 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB nur dann in Betracht, wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergibt.

Im vorliegenden Einzelfall führt die tatrichterliche Würdigung der Umstände zu dem Ergebnis, dass die Klägerin allein Versicherungsnehmerin geworden ist.

(1)

Ausweislich des schriftlichen Antragsformulars (eGA-I 154 ff.) war Antragstellerin allein die Klägerin. Der Ehemann taucht in dem Formular nicht auf.

(2)

Auch aus der von der Klägerin vorgelegten handschriftlichen Aufstellung über die Familienmitglieder (eGA-I 195) ergab sich für die Beklagte als Versicherer nicht ansatzweise, dass es dem Willen der Klägerin entsprochen hätte, dass ihr Ehemann ebenfalls Versicherungsnehmer wird. Aus der Aufstellung ergibt sich nicht einmal, dass es sich bei der unter Ziffer 8 aufgeführten Person überhaupt um den Ehemann der Klägerin handelt.

Es kann deshalb dahinstehen, ob der Inhalt der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung überreichten Aufstellung überhaupt noch zu berücksichtigen wäre.

(3)

Die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 13.11.2019 (eGA-I 193 f.), wonach der Zeuge H im Rahmen eines mit der Beklagten geführten Telefonats „ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass eine Absicherung für die gesamte Familie gewünscht war“, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch daraus ergibt sich nichts für die Frage, ob der Ehemann (Mit-)Versicherungsnehmer werden sollte oder ob hinsichtlich des in seinem (Mit-)Eigentum stehenden Hausrats eine Fremdversicherung gewünscht war. Das Vorbringen der Klägerin würde darauf hinauslaufen, dass letztlich „die gesamte Familie“, also sämtliche Familienmitglieder Versicherungsnehmer geworden seien, was ersichtlich nicht gewollt war.

Auch insoweit kann daher dahinstehen, ob das Vorbringen in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatz verspätet war.

(4)

Der von der Klägerin vorgelegte „Nachtrag zum Versicherungsschein“ (eGA-I 205) bezieht sich auf die Haftpflichtversicherung und besagt damit nichts für die hier in Rede stehende Hausratversicherung.

(5)

Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände ist es im vorliegenden Einzelfall nach der erkennbaren Interessenlage der Parteien, auch schon allein nach der erkennbaren Interessenlage der Klägerin so, dass diese allein Versicherungsnehmerin werden sollte – und nicht beispielsweise für Obliegenheitsverletzungen ihres Ehemanns einzustehen hat, was aber unweigerlich die Folge gewesen wäre, wenn dieser die Stellung eines (Mit-)Versicherungsnehmers erlangt hätte.

c)

Aus Sicht des Senats spricht schließlich viel für die Auffassung des Landgerichts, dass es der Klägerin selbst dann, wenn man § 1357 Abs. 1 BGB für anwendbar hielte, gemäß § 242 BGB verwehrt wäre, sich auf die fehlende Mahnung gegenüber ihrem Ehemann zu berufen.

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – für die Beklagte nicht erkennbar, dass es sich bei der unter Ziff. 8 der handschriftlichen Aufstellung aufgeführten Person um den Ehemann der Klägerin handelte. Für den Senat ist daher ebenso wenig wie für das Landgericht ersichtlich, wie die Beklagte daraus oder aus einer pauschalen telefonischen Mitteilung, die „gesamte Familie“ solle abgesichert sein, hätte erkennen können, dass es neben der Klägerin noch einen weiteren Versicherungsnehmer geben konnte und wer dies konkret war.

Letztlich kommt es darauf aber aus den dargelegten Gründen nicht an.

III.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

 

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