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Hausratversicherung – Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste

LG Köln, Az.: 26 O 216/16, Urteil vom 07.12.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) geltend.

Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte verwendet in den Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen VHB 2014 (09.14) und den VHB 2014 alternativ (09.14) die folgende Klausel:

㤠8 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers

( … )

2. Obliegenheiten bei und nach Eintritt des Versicherungsfalls

a) Der Versicherungsnehmer hat bei und nach Eintritt des Versicherungsfalles

( … )

ff) dem Versicherer und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis aller abhanden gekommenen Sachen (Stehlgutliste) einzureichen;“

Mit Schreiben vom 16.03.2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die anwaltlich vertretene Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 31.03.2016 ab.

Hausratversicherung - Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste
Symbolfoto: alexraths/Bigstock

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB, da sie nicht hinreichend klar und verständlich sei. Der Klausel sei nicht die Verpflichtung zu entnehmen, eine detaillierte Liste vorzulegen. Weder aus dem Begriff „Verzeichnis“ noch aus dem Begriff „Liste“ ergebe sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, wie detailgenau das Verzeichnis ausgestaltet werden solle. Die Anforderungen an die Detailgenauigkeit der Liste ließen sich auch nicht anhand ihrer Funktion bestimmen. Es streite keine Vermutung für den Erfolg polizeilicher Ermittlungen bei Einreichung einer Stehlgutliste. Ferner sei der Klausel nicht zu entnehmen, ob sowohl der Polizei als auch dem Versicherer unterschiedliche Listen vorzulegen seien. Auch die Formulierung „bei und nach“ lasse vermuten, dass zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten Listen einzureichen seien. Die Formulierung „unverzüglich“ mache zudem nicht hinreichend deutlich, in welchem Zeitraum Angaben erforderlich seien. Die Klausel führe dazu, dass sich die Beklagte bei Vorlage einer unzureichenden Liste auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht berufen könne.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 5.001,00 EUR, zu unterlassen, beim Abschluss von Verträgen über Hausratversicherungen die nachfolgend wiedergegebene Klausel oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge der vorgenannten Art auf diese oder inhaltsgleiche Klauseln zu berufen:

„Der Versicherungsnehmer hat bei und nach Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis aller abhanden gekommenen Sachen (Stehlgutliste) einzureichen.“

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1.219,04 EUR an außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klausel benachteilige die Vertragspartner nicht unangemessen. Der erforderliche Detaillierungsgrad ergebe sich aus dem Zweck der Liste, eine polizeiliche Fahndung zu ermöglichen und den Versicherer vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen. Darüber hinaus entspreche die Klausel inhaltlich als auch sprachlich den branchenweiten Musterbedingungen für die Hausratversicherung VHB (Anlage B 2) und sei seit 30 Jahren üblich. Die Bereitstellung einer Liste gegenüber der Polizei läge sowohl im eigenen Interesse der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer, da dadurch das Wiederauffinden der Gegenstände durch die Strafverfolgungsbehörde erleichtert werde. Entscheidend sei, dass durch eine Stehlgutliste die Wahrscheinlichkeit erhöht werde, die Gegenstände wiederzufinden. Auch sei nicht von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen, da nur eine schuldhafte Verletzung der Obliegenheit zur Vorlage einer Stehlgutliste eine Leistungskürzung ermögliche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 3 UKlaG zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung (§ 1 UKlaG). Die von der Beklagten verwendete Klausel § 8 Nr. 2.a) ff) ist wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.

Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln und des Bundesgerichtshofes an, wonach keine Bedenken gegen vergleichbare Klauseln bestehen (OLG Köln, Urteil vom 15.10.2013 – 9 U 69/13; BGH, Urteil vom 17.09.2008 – IV Z 317/05, Beschluss vom 13.01.2010 – IV ZR 28/09; a.A.: OLG Celle, Urteil vom 11.12.2014 – 8 U 190/14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2011 – 12 U 89/11).

Die Klausel führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Für die Beurteilung der Angemessenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es in erster Linie auf eine sorgfältige und alle Umstände des Falles in Betracht ziehende Ermittlung der Interessen an. Bei dieser Prüfung muss der gesamte Vertragsinhalt „als Wertungshintergrund“ berücksichtigt werden (Wurmnest, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 307 Rn. 34).

Ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten besteht nicht. Das Interesse der Beklagten an der streitgegenständlichen Klausel liegt darin, dass durch die Vorlage einer Stehlgutliste die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, die gestohlenen Gegenstände wiederzuerlangen. Darüber hinaus hat der Versicherer im Schadensfall ein Interesse daran, eine Schadensauflistung zu erhalten, um die behaupteten Schäden auf Plausibilität überprüfen zu können. Dies ergibt sich daraus, dass der Versicherer zunächst weder Kenntnis darüber hat, welche Gegenstände überhaupt Teil des Hausrates waren, noch welche Gegenstände abhanden gekommen sind. Ein Interesse der Vertragspartner am Wegfall ist dagegen nicht ersichtlich. Ganz im Gegenteil entspricht es dem erforderlichen Vorgehen des Geschädigten selbst, die entwendeten Gegenstände dem Versicherer und der Polizei so konkret wie möglich aufzuzeigen, um eine Leistung aus der Versicherung zu erhalten oder gar die entwendeten Gegenstände zurückzuerhalten.

Entscheidend ist ebenfalls nicht, ob die Klausel als belehrungspflichtige Obliegenheit einzustufen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15.10.2013 – 9 U 69/13; a.A: OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2011 – 12 U 89/11). In jedem Fall bedürfte es für eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung durch den Versicherer einer schuldhaften Verletzung der Obliegenheit, sodass eine unangemessene Benachteiligung nicht schon daraus hergeleitet werden kann, dass sich der Versicherer auf eine nicht ausreichende Liste berufen könne.

Die Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (BGH, Urteil vom 21. 7. 2010 – XII ZR 189/08; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 307 Rn. 20). Auch nach dem im Verbandsprozess nach §§ 1, 3 UKlaG geltenden Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung (BGH, Urteil vom 23.01.2003 – III ZR 54/02) bestehen keine Zweifel daran, dass die streitgegenständliche Klausel hinreichend klar formuliert ist. An der Formulierung „unverzüglich“ bestehen entgegen der klägerischen Ansicht keine Bedenken. Die Formulierung macht einem verständigen Vertragspartner hinreichend deutlich, dass die Einreichung so schnell wie möglich zu erfolgen hat. Sie ermöglicht zudem eine dem Einzelfall gerechte Auslegung des erforderlichen Zeitraums. Auch unter Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung folgt aus der Vorgabe „dem Versicherer und der Polizei“ ein Verzeichnis vorzulegen, nicht der Eindruck, dass zwei verschiedenen Listen einzureichen seien. Dies ergibt sich schon nicht aus dem Wortlaut und ist auch nach dem Sinn und Zweck der Klausel nicht geboten. Entgegen der Ansicht der Klägerseite verstößt auch die Vorgabe „bei und nach Eintritt des Versicherungsfalles“ nicht gegen das Transparenzgebot. Von einem verständigen Vertragspartner kann die Klausel nur dahingehend verstanden werden, dass einmalig eine Liste einzureichen ist, sobald der Versicherungsfall eingetreten ist.

Nach Auffassung der Kammer sind die Begriffe „Verzeichnis“ und „Stehlgutliste“ hinreichend klar und verständlich. Anhand der Formulierungen wird einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass eine möglichst genaue Beschreibung verlangt wird, die eine Individualisierung ermöglicht. Diese Anforderungen werden nach der Rechtsprechung an eine Stehlgutliste gestellt (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.1988 – IVa ZR 205/86; OLG Köln, Urteil vom 19.11.2007 – 9 U 193/06, Rüffer, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl.,§ 32 Rn. 173). Zwar ergibt sich dies nicht explizit aus dem Wortlaut (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2011 – 12 U 89/11; OLG Celle, Urteil vom 11.12.2014 – 8 U 190/14), durch den Sinn und Zweck der Klausel kann die Regelung aber nicht anders verstanden werden. Die Stehlgutliste soll der Polizei bei der Auffindung und Identifizierung der entwendeten Gegenstände behilflich sein. Dem Versicherer soll sie ermöglichen, die vom Versicherungsnehmer geforderte Summe nachvollziehbar zu prüfen. Außerdem soll sie verhindern, dass der Versicherungsnehmer den Schaden nachträglich aufbauscht (OLG Köln, Urteil vom 15.10.2013, 9 U 69/13).

Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist ersichtlich, dass der Polizei eine Aufstellung nur dann nützt, wenn diese die Gegenstände detailliert zur Identifizierung bezeichnet. Ferner muss ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkennen, dass eine Leistung des Versicherers nur möglich ist, wenn ihm der Schaden offengelegt wird. Dies ist aber nur bei konkreter Bezeichnung der Fall. Auch wenn es der Beklagten ohne weiteres möglich wäre, eine Konkretisierung in die Klausel aufzunehmen, so bedarf es eines solchen Zusatzes nicht. Die Erforderlichkeit der Konkretisierung ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus der Obliegenheit selbst, andernfalls wäre die Liste sowohl der Polizei als auch dem Versicherer nicht sachdienlich.

Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

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