OLG Düsseldorf – Az.: 4 U 141/17 – Urteil vom 13.07.2018
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf – Einzelrichter – vom 23.05.2017 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.667,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2014 zu zahlen und ihn von Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwalts P. S., H.-straße …, 4… N., in Höhe von 887,03 Euro freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Beklagte zu 82 Prozent und der Kläger zu 18 Prozent. Die Kosten des Rechtsstreits der zweiten Instanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger, Rechtsanwalt, macht Ansprüche aus einer Hausratversicherung bei der Beklagten geltend, der von den Parteien nicht weiter konkretisierte Musterbedingungen der VHB zugrunde liegen.
Im Zeitraum vom 12.05.2014, 23.30 Uhr, bis 13.05.2014, 5.45 Uhr, drang zumindest ein Dieb in die Hochparterre-Wohnung des Klägers ein und entwendete Bargeld und verschiedene Gegenstände. Der Dieb drang dabei durch ein zur Straße hin gelegenes Wohnzimmerfenster ein; wegen der Örtlichkeiten wird auf die Ablichtung auf Bl. 88 GA verwiesen. Noch am 13.05.2014 zeigte der Kläger den Diebstahl der Beklagten an und erstattete Anzeige bei der Polizei (11 UJs 119/14A, StA Düsseldorf); gegenüber dieser machte er auch bereits am 13.05.2014 Ausführungen zu entwendeten Gegenständen (Bl. 72 f. GA = Bl. 22 f. EA). Die Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 13.05.2014 unter anderem um eine Aufstellung aller entwendeten Sachen und Übersendung aller noch vorhandenen Eigentumsnachweise (Bl. 49 ff. GA). Mit Schreiben vom 06.06.2014 übersandte der Kläger darauf sowohl der Polizei als auch der Beklagten eine Stehlgutliste und überschlug den Schaden mit 17.500 Euro (Bl. 41 ff. GA). Unter dem 02.07.2014 besuchte der Schadensregulierer der Beklagten Axel Heyer den Kläger zu Hause, um den geltend gemachte Schaden durchzusprechen. Im Nachgang des Gesprächs ergänzte der Kläger seine Angaben mit E-Mail vom 07.07.2014 (Bl. 53 GA) und übersandte mit Schreiben vom 23.07.2014 eine Bescheinigung des Uhrmachers H. P. vom 08.07.2014 (Bl. 54 ff. GA). Ferner übersandte der Kläger mit einem mit dem Datum 06.05.2014 versehenen Schreiben eine Quittung der R. W. KG vom 11.06.2014 über 1900 Euro als Nachweis für den Ehering seiner Ehefrau (Bl. 57 f. GA), mit Schreiben vom 12.08.2014 eine Rechnung über die ausgetauschte Sicherheitsanlage (Bl. 5 GA) und mit Schreiben vom 21.08.2014 eine Rechnung für die Ersatzanschaffung der – angeblich – gestohlenen Rolex-Uhr seiner Ehefrau (Bl. 6 GA). Die Beklagte leistete entsprechend ihrem Schreiben vom 04.09.2014 eine Vorauszahlung in Höhe von 10.000 Euro (Bl. 7 GA); weitere Zahlungen l eistete sie trotz Fristsetzung durch den Kläger mit Schreiben vom 02.10.2014 bis zum 16.10.2014 nicht (Bl. 8 GA).
Der Kläger hat behauptet, bei dem Einbruch seien auch der Ehering und die Rolex-Uhr seiner Ehefrau, Modell Daytona Stahl weiß, entwendet worden; insgesamt habe der Schaden bei 21.769,68 Euro gelegen, so dass er nun- abzüglich der Vorauszahlung – noch 11.769,68 Euro zu erhalten habe. Die Rolex-Uhr habe er 2002/3 über einen Bekannten gekauft, nämlich den Mietwagenunternehmer Schützendorf, den er über geschäftliche Kontakte kennengelernt habe, und der ihm und anderen Bekannten günstig auch andere Rolex-Uhren beschafft habe. Ob er seinerzeit eine Kiste oder ein Garantiezertifikat dazu erhalten habe, wisse er nicht mehr – unstreitig ist solches jedenfalls jetzt nicht mehr vorhanden. Die Uhr sei mehrfach bei P., der bei B. in Düsseldorf beschäftigt sei, zur Reparatur / Inspektion gewesen. Als Ersatz für die Uhr habe er 9650 Euro bezahlt; als Ersatz für den gestohlenen Ehering seiner Ehefrau habe er 1900 Euro gezahlt. Ob das Wohnzimmerfenster, durch das der Dieb eingedrungen sei, gekippt gewesen sei, wisse er nicht mehr; ohnehin stelle dies keine grobe Fahrlässigkeit dar.
Die Beklagte hat das Vorliegen eines Einbruchs bestritten und hinsichtlich eines Einsteigediebstahls aufgrund eines auf Kipp gestellten Fensters ihre teilweise Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers geltend gemacht. Ferner hat sie die Entwendung des Eherings und der Rolex-Uhr mit Nichtwissen und die Echtheit der Rolex-Uhr in Abrede gestellt. Der Kläger habe außerdem unzutreffende Angaben hinsichtlich der Rolex-Uhr gemacht und seine Obliegenheit zur unverzüglichen Einreichung der Stehlgutliste verletzt.
Wegen der weiteren (umfangreichen) Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.05.2017 und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 19.11.2015 (Bl. 102 f. GA) Beweis erhoben über das Vorhandensein der Rolex-Uhr und des mit Brillanten besetzten Eheringes der Ehefrau des Klägers vor dem Einbruch durch Vernehmung der Zeugen A. U., M. E., H. P., F.-J. L. und A. H.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.02.2016 (Bl. 140 ff. GA) verwiesen. Sodann hat es aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16.02.2016 Beweis über die Frage erhoben, ob sich der Neuwert einer Rolex-Uhr mindere, wenn Echtheitszertifikat und Verpackung fehlen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wegen dessen Inhalts auf Bl. 215 f. GA verwiesen wird. Sodann hat es mit Urteil vom 23.05.2017 die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 8943,75 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (Bl. 250 ff. GA). Ein versichertes Ereignis liege vor, da der Täter jedenfalls in die Wohnung eingestiegen sei. Selbst wenn sich das Wohnzimmerfenster in Kippstellung befunden habe, liege keine – jedenfalls keine grob fahrlässige – Obliegenheitsverletzung des Klägers vor. Auch ein etwaiges verspätetes Einreichen der Stehlgutliste sei nicht relevant, da die hier allein streitigen Gegenstände Rolex-Uhr und Ehering bereits Gegenstand der Strafanzeige waren und insoweit keine Relevanz für die Feststellung des Versicherungsfalles vorgelegen habe. Den Entwendungsnachweis hinsichtlich der Rolex-Uhr und des Eherings habe der Kläger geführt. Hinsichtlich der Entschädigungsberechnung sei allerdings nicht nachvollziehbar, wie der Kläger auf den Betrag von 21.769,68 Euro gekommen sei. Ausgehend von dem von ihm vorgerichtlich in der Stehlgutliste vom 06.06.2014 geltend gemachten Betrag in Höhe von 17.500 Euro seien noch 2650 Euro hinzuzurechnen, da die Rolex-Uhr in der Stehlgutliste lediglich mit 7000 Euro und nicht mit den vom Kläger für die Ersatzanschaffung aufgewandten 9650 Euro berücksichtigt sei. Da der Kläger für diese Uhr allerdings von vorneherein kein Echtheitszertifikat gehabt habe, sei ein Abschlag in Höhe von 12,5 % entsprechend den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen in Abzug zu bringen.
Mit seiner gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Das Landgericht sei unzutreffend von einem Schaden in Höhe von 17.500 Euro bzw. 20.150 Euro ausgegangen, da sich die von ihm behauptete Schadenshöhe aus den dargelegten und weitestgehend unstreitigen Schadenspositionen ergebe. Das Nichtvorliegen eines Echtheitszertifikats sei unerheblich.Der Kläger beantragt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.05.2017, die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn 11.769,68 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2014 zu zahlen;
2. ihn von Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwalts P. S., H.-straße …, 4… N. in Höhe von 958,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2014 freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.05.2017 über einen oberhalb von 1900 Euro liegenden Betrag insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
II.
Die Berufung des Klägers ist weit überwiegend begründet, während die Anschlussberufung der Beklagten in nur geringerem Umfang begründet ist.
1.
Im Ergebnis zutreffend hat der Kläger beanstandet, dass das Landgericht von einer unzutreffenden Gesamtschadenshöhe ausgegangen ist.
a)
Zwar war aus dem erstinstanzlichen Sachvortrag des Klägers in der Tat kaum nachvollziehbar, wie sich der von ihm geltend gemachte Betrag in Höhe von 21.769,68 Euro errechnen soll. Aus der Klageschrift ergibt sich der Betrag nicht. Auch die Replik zur Klageerwiderung hilft nur teilweise weiter, da insbesondere der Betrag für die Schlüsselrechnung nicht konkret vorgetragen ist. Erst mit der Berufungsbegründung ist nachvollziehbar, wie sich der beanspruchte Betrag errechnet.
b)
Die Berechnung des Klägers ist als solche auch (nahezu) zutreffend. Es errechnet sich ein Gesamtschadensbetrag in Höhe von 21.768,58 Euro:
- Gesamtbetrag 21.768,58 Euro
- Liste 1 2640,00 Euro
- Liste 2 145,60 Euro
- Liste 3 1465,63 Euro
- Liste 4 (inklusive Ehering, exklusive Rolex-Uhr) 3310,00 Euro
- Liste 5 2087,80 Euro
- Liste 6 335,00 Euro
- Rolex-Uhr 9650,00 Euro
- Schlüsselrechnung 2134,55 Euro
Soweit der Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 21.769,68 Euro geltend gemacht hat, geht der Senat angesichts der geringen Differenz von 1,10 Euro von einem bloßen Rechenfehler aus.
2.
Wegen des Nichtvorliegens eines Echtheitszertifikats und der Originalverpackung der Rolex-Uhr ist kein Abschlag vorzunehmen.
Ersetzt wird gemäß § 27 Nr. 1 lit. a) VHB 2000 – welche VHB Vertragsgrundlage sind, ist von den Parteien nicht mitgeteilt; die sich ebenfalls in dem von der Beklagten angegebenen Kommentar befindlichen VHB 2008 unterscheiden sich insoweit inhaltlich von den VHB 2000 jedoch nicht – bei abhanden gekommenen Sachen der Versicherungswert im Sinne von § 12 VHB 2000 zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls. Gemäß § 12 Nr. 4 Satz 1 VHB 2000 ist der Versicherungswert der Wiederbeschaffungswert von Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustande (Neuwert). Entscheidend ist damit der Einkaufspreis des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls (Knappmann, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage 2015, VHB A. § 9 Rn. 10) – hier also der vom Kläger gezahlte Betrag in Höhe von 9650 Euro.
Dabei ist unerheblich, dass der Kläger hinsichtlich der abhanden gekommenen Rolex-Uhr über kein Echtheitszertifikat und keine Originalverpackung verfügte, da der Zustand der versicherten Sache für die Neuwertversicherung keine Rolle spielt. Das Vorhandensein eines Echtheitszertifikats ist nur für den Wert einer gebrauchten Uhr erheblich, nicht aber für die Feststellung des Neuwerts einer Uhr, deren Echtheit – wie hier, entsprechend der unten stehenden Ausführungen – feststeht (OLG Köln, Urteil vom 13. März 2007 – 9 U 26/05 -, Rn. 15, juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Vielmehr gibt der Sachverständige an, dass alle neuen Uhren des Unternehmens Rolex ausschließlich mit einer Uhren-Box und zugehörigen Papieren (Echtheitszertifikaten) geliefert und entsprechend verkauft werden. Das Fehlen von Originalverpackung und Echtheitszertifikat hat daher nur für den Sekundärmarkt eine Bedeutung. Dass die dem Kläger abhanden gekommene Uhr auf dem Sekundärmarkt einen geringeren Wert hatte, ist für die Neuwertversicherung indes unerheblich, da nicht der Zeitwert, sondern der Neuwert zu ersetzen ist. Dass der dem Kläger durch das Abhandenkommen entstandene Schaden geringer ist als die vom Versicherer zu leistende Entschädigung, ist der Neuwertversicherung immanent und Teil des Leistungsversprechens der Beklagten (vgl. Knappmann, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage 2010, VHB 2000 § 13 Rn. 10). Es macht dann keinen Unterschied, ob der versicherte Gegenstand beispielsweise durch Abnutzung oder Beschädigungen einen geringeren Zeitwert hat, oder durch die Abwesenheit anderer, für einen Weiterverkauf erheblichen, wertbildenden Faktoren.
3.
Die Anschlussberufung der Beklagten hat nur im Hinblick auf die in der ersten Instanz noch unstreitigen Kosten hinsichtlich der Schlüsselrechnung Erfolg.
a)
Die Beklagte ist dem Grunde nach einstandspflichtig. Der Senat kann aufgrund des unstreitigen Sachvortrags der Parteien zumindest ein Einsteigen im Sinne von § 5 Nr. 1 lit. a) VHB 2000 feststellen. Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung beanstandet, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, dass der Täter durch ein sich zumindest in Kippstellung befindendes Fenster eingedrungen sei, war entsprechender Vortrag nicht mehr erforderlich, nachdem die Beklagte dies bereits in der Klageerwiderung ausdrücklich unstreitig gestellt hatte (Bl. 31 GA).
b)
Hinsichtlich des Abhandenkommens der Rolex-Uhr – das Abhandenkommen des Eherings der Ehefrau des Klägers ist nunmehr unstreitig – ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Tatsachenfeststellung des Landgerichts gebunden. Im Ergebnis liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen. Es bestehen keine Bedenken dahingehend, dass die Rolex-Uhr zeitnah unmittelbar vor dem Diebstahl vorhanden war. Konkrete Angriffe gegen die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts trägt die Beklagte nicht vor. Sie beruft sich lediglich auf Umstände, die letztlich nur für die Frage der Echtheit der Rolex-Uhr von Relevanz sind, aber nicht die Aussage der Zeugin in Frage stellen. Dass der Kläger bzw. seine Ehefrau den konkreten Gegenstand – mag er auch nicht authentisch gewesen sein – im Besitz hatte, wird durch das Fehlen der von der Beklagten angeführten Unterlagen nicht in Zweifel gezogen.
c)
Hinsichtlich des Wertes des Eheringes bestehen zumindest keine erheblichen Zweifel. Dass sich die vom Kläger vorgelegte Quittung nicht auf den entwendeten Ehering, sondern auf die Ersatzbeschaffung bezogen hat, ist anders vom Kläger niemals vorgetragen worden. Die Beklagte stellt dies mit der Berufungserwiderung auch unstreitig.
d)
Der Senat hat im Ergebnis auch keine Bedenken hinsichtlich der Echtheit der Rolex-Uhr; auch diesbezüglich ist der Senat an die Tatsachenfeststellung des Landgerichts gebunden. Das Landgericht hat sich maßgeblich auf die Aussage des Uhrmachers P. gestützt, dessen Glaubwürdigkeit in dieser Sache auch nicht durch den Umstand in Zweifel gezogen wird, dass er neben seiner Hauptbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber noch Nebentätigkeiten nachgeht. Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung die Echtheit der Uhr klar und eindeutig bestätigt und dies insbesondere damit begründet, dass er als Fachmann dies an der Verarbeitung und am Werk erkenne.
Der Senat berücksichtigt, dass die Kaufhistorie der gestohlenen Uhr sicherlich schillernder ist, als wenn sie direkt bei einem offiziellen Händler in Düsseldorf gekauft worden wäre – wie zum Beispiel bei dem Arbeitgeber von P.. Allerdings handelte es sich bei Sch. nicht um „irgendeinen“ Autovermieter auf Mallorca, sondern um den sogenannten „König von Mallorca“ (https://de.wikipedia.org/wiki/H._Sch.), der, auch wenn er selbst eine bewegte Vergangenheit hatte, angesichts seiner vielfältigen Geschäftsverbindungen und Kontakte ohne weiteres über Möglichkeiten verfügte, Rolex-Uhren zu beschaffen. Der Senat hält es auch für eher unwahrscheinlich, dass eine derartige Person – gerade wenn sie mehr oder weniger im Rampenlicht steht und über vielfältige finanzielle Möglichkeiten verfügt – mit gefälschten Uhren handelt und diese dann auch noch seinem Rechtsanwalt verkauft. Jedenfalls bestehen angesichts der Aussage des Zeugen P. keine durchgreifenden Zweifel an der Echtheit der Uhr.
Hier hat mit dem Zeugen P. ein Fachmann, der seit etwa 40 Jahren Rolex-Uhren repariert, aus der eigenen Erinnerung heraus bestätigt, die streitgegenständliche Uhr in Händen gehabt, repariert und dabei erkannt zu haben, dass es sich um ein Original handelt; dass im Rahmen der Arbeiten nie das Gehäuse von ihm geöffnet wurde, wie die Beklagte vorträgt, hat der Zeuge jedenfalls nicht bekundet. Eine solche Bestätigung durch einen fachkundigen Zeugen ist ausreichend – auch um den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu lassen, der sich auf eine entsprechende Aussage eines Experten verlassen können muss. Die Anforderungen an das Beweismaß würden übersteigert, würde in einem solchen Fall wie hier, in dem ein fachkundiger Zeuge zweifelsfrei die Echtheit des Gegenstands bestätigt hat, zusätzlich gefordert werden, die Echtheit gestohlenen Schmucks und gestohlener Wertsachen nachträglich, nach Abhandenkommen, in allen Einzelheiten völlig zweifelsfrei nachzuweisen. Dann würde der Versicherungsschutz in vielen Fällen leerlaufen, sobald der Versicherer den Einwand erhebt, gestohlener Schmuck sei gefälscht. Letztlich liefe dies darauf hinaus, dass ein Versicherer nur dann Versicherungsschutz gewähren würde, wenn ein Echtheitszertifikat des Herstellers vorgelegt werden kann (bei einem gleichzeitigen Diebstahl des Echtheitszertifikats könnte er einwenden, dieses sei gefälscht worden). Wenn ein Versicherer seinen Versicherungsschutz derart eng verstehen möchte, müsste er dies in seinen Versicherungsbedingen vereinbaren.
e)
Eine Obliegenheitsverletzung wegen einer angeblich nicht unverzüglichen Einreichung der Stehlgutliste führt bereits deshalb nicht zu einer Anspruchskürzung gemäß § 28 Abs. 2 VVG, weil ein entsprechender Hinweis gemäß § 28 Abs. 4 VVG unterblieben ist. Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung behauptet, sie habe den Kläger im Schreiben vom 13.05.2014 (Anlage B2, Bl. 49 f. GA) ausreichend belehrt, ist dies nicht zutreffend. Dieses Schreiben enthält an keiner Stelle eine Belehrung über die Rechtsfolgen des § 28 Abs. 2 VVG.
Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 82 Abs. 3 VVG zu kürzen. Dabei kann dahinstehen, ob die Einreichung einer Stehlgutliste überhaupt eine Schadensminderungsobliegenheit ist (dafür: OLG Köln, Urteil vom 15. Oktober 2013 – I-9 U 69/13 -, juris; dagegen: OLG Celle, Urteil vom 11. Dezember 2014- 8 U 190/14 -, juris; vgl. auch Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Aufl. 2018, VVG § 28 Rn. 263 m.w.N.). Denn hier ist es der Beklagten gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die fehlende Unverzüglichkeit zu berufen, da sie den Kläger in ihrem Schreiben vom 13.05.2014 (Anlage B2, Bl. 49 f. GA) mit keinem Wort auf dieses Erfordernis der Unverzüglichkeit hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2008 – IV ZR 317/05 -, Rn. 11, juris); aus dem Schreiben geht auch nicht hervor, dass die Einreichung der Stehlgutliste überhaupt eine Obliegenheit sein soll. Vielmehr wird in dem Schreiben durch den Eingangssatz „Um Ihren Schadenfall schnell bearbeiten zu können, möchten wir Sie um Folgendes bitten:“ und den Abschlusssatz „Sobald uns die Unterlagen/Angaben vollständig vorliegen, kümmern wir uns umgehend um die weitere Bearbeitung.“ der Eindruck vermittelt, als ob eine schnelle Erfüllung der Bitten der Beklagten allein diesem Zweck dient und eine verzögerte Erfüllung lediglich zu einer verzögerten Deckungsentscheidung der Beklagten führt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den Hinweis, dass die Meldung bei der Polizei sofort nach Schadeneintritt erforderlich sei – mit dieser Meldung ist aber aufgrund des Sachzusammenhangs lediglich der Diebstahl als solcher im Allgemeinen, aber nicht eine Stehlgutliste im Besonderen gemeint. Der einzige Hinweis auf eine Unverzüglichkeit betrifft die Nachmeldung von Sachen, deren Entwendung später bemerkt wird. Dies betrifft aber eine andere Situation; darüber hinaus hätte es nahe gelegen, dann einen Hinweis auf d ie Unverzüglichkeit hinsichtlich der erstmaligen Einreichung der Stehlgutliste in das Schreiben aufzunehmen.
Falsche Angaben des Klägers hinsichtlich der Rolex-Uhr hat die Beklagte jedenfalls nicht nachgewiesen.
Eine Anspruchskürzung gemäß § 81 Abs. 2 VVG kommt ebenfalls nicht in Betracht, selbst wenn das Wohnzimmerfenster in der Nacht auf Kipp stand: Der Kläger war in der Wohnung anwesend, ein Hund war vor Ort, der Eindringling hat sich offensichtlich eines Hilfsmittels bedient, um hochzusteigen und musste eine jedenfalls nicht unerhebliche Höhe überwinden; ferner war die Straße unstreitig vielbefahren und gut beleuchtet. Dabei ist auch unschädlich, dass die als Hilfsmittel dienende Gartenbank direkt vor Ort stand. Entsprechende Gegebenheiten sind nichts Besonderes und Teil des von der Beklagten versicherten allgemeinen Lebensrisikos. Von einem Grenzfall kann mithin keine Rede sein. Wenn die Beklagte bei sich im Erdgeschoss befindenden Wohnungen nicht möchte, dass die Bewohner Fenster in Kippstellung belassen, wenn sie sich in anderen Räumen der Wohnung aufhalten, dann müsste sie solches ausdrücklich in den AVB vereinbaren, damit der Versicherungsnehmer – schon vor Vertragsschluss – erkennen kann, welches Verhalten von ihm von seinem Vertragspartner erwartet wird. Ob eine entsprechende Obliegenheit überhaupt wirksam vereinbart werden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
f)
Soweit die Beklagte in ihrer Anschlussberufung meint, der Vortrag zur Schlüsselrechnung sei nicht substantiiert, geht dies ins Leere. Der Kläger hat – bereits erstinstanzlich und unbestritten – vorgetragen, der Beklagten mit Schreiben vom 12.08.2014 (Bl. 5 GA) die Rechnung vom 31.07.2014 über den Austausch der Schlüsselanlage übersandt zu haben; offensichtlich bezieht sich der Kläger in der Klageschrift und insbesondere auch in der Berufungsbegründung auf diese nunmehr auch im Rechtsstreit vorgelegte Rechnung.
Die abgerechneten Kosten sind als gemäß § 8 Nr. 1 lit. e) VHB 2008 bzw. § 2 Nr. 1 lit. e) VHB 2000 versicherte Schlüsseländerungskosten allerdings nur teilweise zu erstatten. Unstreitig wurde der Generalschlüssel des Klägers entwendet (Bl. 47 GA), damit ist der Einbau eines neuen Schlosses in der Wohnung zu erstatten. Die Kosten für weitere Schlösser sind indes nicht zu ersetzen, da nur die Kosten anteilig erstattet werden, die auf die versicherte Wohnung entfallen, wenn Schlüssel für eine zentrale Schließanlage gestohlen werden (Jula in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 8 Versicherte Kosten, Rn. 22 m.w.N.; Prölss/Martin/Klimke, 30. Aufl. 2018, VHB § A_8 Rn. 15 m.w.N.; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 20. Dezember 1991 – 20 U 198/91 -, Rn. 7, juris). Dies ist angesichts des Klauselwortlauts zwingend, da lediglich Kosten für Schlossänderungen der „Wohnung“ versichert sind. Dementsprechend sind auch nicht die Kosten für den Austausch des Schlosses der Haustür zu ersetzen (Walker, MDR 1987, 981, 985).
Der Kläger konnte bei seiner persönlichen Anhörung nicht erklären, welche Positionen der Schlüsselrechnung vom 31.07.2014 seine Wohnung und welche Positionen sonstige Türen betrafen. Er hat indes unstreitig gestellt, dass hinsichtlich seiner Wohnung lediglich eine einzige Tür betroffen war. Aufgrund dessen ist insoweit auch unerheblich, dass die Beklagte die Schlüsselkosten erstmals in der Berufungsinstanz bestritten hat, da unstreitiges Vorbringen der Parteien nicht verspätet ist und auch nicht aufgrund einer Bindungswirkung des erstinstanzlichen Urteils unbeachtlich ist. Der Senat geht daher von einem Mindestbetrag in Höhe von 27,90 Euro netto (= 33,20 Euro brutto) für einen Profil-Doppelzylinder inkl. 3 Schlüssel aus (Rechnungsposition 5). Angesichts des senatsbekannt geringen handwerklichen Aufwands, einen Profil-Doppelzylinder auszutauschen und dem Umstand, dass auf der Schlüsselrechnung für den Austausch der kompletten Schließanlage mit 39 Schlössern ein Pauschalpreis von 320 Euro netto aufgeführt ist, sind darüber hinaus besondere Einbaukosten nicht zu erstatten.
4.
Der von der Beklagten geschuldete Betrag errechnet sich damit wie folgt:
- Restbetrag 9.667,23 Euro
- Liste 1 2.640,00 Euro
- Liste 2 145,60 Euro
- Liste 3 1.465,63 Euro
- Liste 4 (inklusive Ehering, exklusive Rolex-Uhr) 3.310,00 Euro
- Liste 5 2.087,80 Euro
- Liste 6 335,00 Euro
- Rolex-Uhr 9.650,00 Euro
- Schlüsselrechnung 33,20 Euro
- Zwischensumme 19.667,23 Euro
- abzgl. Vorauszahlung – 10.000,00 Euro
Der Zinsanspruch des Klägers beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger lediglich einen verzugsbedingten Freistellungsanspruch, den der Kläger – unter konkludenter Rücknahme des zunächst auch in der Berufungsinstanz angekündigten Zahlungsantrags – in gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässiger Weise geltend gemacht hat. Die Rechtsanwaltskosten errechnen sich nach einem Streitwert von bis zu 10.000 Euro und betragen 887,03 Euro. Da der Kläger nicht dargetan hat, sich hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten im Verzug zu befinden, schuldet die Beklagte auch nicht die Freistellung von einem etwaigen entsprechenden Zinsanspruch.
III.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 2 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Die vom Kläger mit seiner Berufung verfolgte Zuvielforderung bzw. die in dem Übergang vom Zahlungs- auf den Freistellungsantrag liegende teilweise Klagerücknahme ist geringfügig, während der Grund für das teilweise Obsiegen der Beklagten mit ihrer Anschlussberufung darin liegt, dass sie erstmals in der Berufungsinstanz eingewandt hat, dass die Schlüsselkosten nicht allein die Wohnungstür beträfen. Solches wäre der Beklagten aber auch bereits in der ersten Instanz möglich gewesen, da ihr die entsprechende Schlüsselrechnung bereits vorgerichtlich vorlag.
Soweit der Kläger mit seiner Berufung obsiegt, weil er erstmals in der zweiten Instanz nachvollziehbar vorträgt, wie sich der von ihm geltend gemachte Anspruch errechnet, kommt eine – grundsätzlich denkbare – Anwendung von 97 Abs. 2 ZPO im Ergebnis nicht in Betracht, weil das Landgericht diesbezüglich gegen seine Hinweispflicht verstoßen hat. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Berechnung schon seinerzeit vorgetragen hätte, wenn ihm das Landgericht einen entsprechenden Hinweis erteilt hätte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 9869,68 Euro (2825,93 Euro zzgl. 7043,75 Euro) festgesetzt.