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Hausratversicherung – Nachweis eines Einbruchdiebstahls bei einem Zahlenschloss

LG Frankfurt –  Az.: 2/8 O 154/13 –  Urteil vom 22.11.2013

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Hausratsversicherung betreffend ein von ihr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihren zwei Kindern bewohntes Reihenhaus in F. Die Eingangstür des Reihenhauses ist durch ein Zahlenschloss gesichert.

Am 07.11.2011 verließ die Klägerin gegen 07:00 Uhr das Haus. Die beiden Kinder verließen gegen 07:30 Uhr und der Lebensgefährte der Klägerin gegen 08:15 Uhr das Haus. Nachdem die Kinder der Klägerin um ca. 18:45 Uhr wieder nach Nutzung des Zahlenschlosses zur Öffnung der Eingangstür das Haus betraten, fanden sie den ersten und zweiten Stock des Hauses stark verwüstet vor. Die herbeigerufene Polizei führte eine Spurensuche durch. Hierbei wurden Fragmente von Handschuhspuren an verschiedenen, durchsuchten und aufgebrochenen Gegenständen und Mobiliar vorgefunden. An keinem möglichen Eingang konnten Spuren eines gewaltsamen Eindringens ausgemacht werden. Bei Inaugenscheinnahme des Zahlencodefeldes am Hauseingang wurden keine Spuren festgestellt.

Gegen 22.00 Uhr erhielt die Tochter der Klägerin von einem Bekannten eine SMS mit dem Wortlaut „Hahaha”. Der Bekannte der Tochter wurde polizeilich vernommen. Auf das auszugsweise vorgelegte Vernehmungsprotokoll (Anlage B 4, Bl. 91 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Beklagte lehnt eine Schadensregulierung aus der Hausratversicherung ab.

Die Klägerin behauptet, in der Zeit der Abwesenheit der Familie habe sich ein Einbruchdiebstahl in ihrem Haus ereignete. Die Täter seien durch eine Manipulation des Zahlenschlosses in das Haus gelangt. Dabei seien Wertgegenstände im Gesamtwert von ca. € 17.000,00 entwendet worden. Auf die Aufstellung auf Seite 3 bis 5 der Klageschrift (Bl. 3 ff. d. A.) wird insoweit Bezug genommen.

Von dem erst im Sommer 2011 eingebauten Zahlenschloss der Haustür würden nur die Bewohner des Hauses den Zugangscode kennen. Keiner der Bewohner des Hauses habe den Zahlencode an Dritte weitergegeben.

Hausratversicherung - Nachweis eines Einbruchdiebstahls bei einem Zahlenschloss
Symbolfoto: Von Lost Mountain Studio/Shutterstock.com

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 17.151,31 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 08.05.2012 sowie außergerichtliche Anwaltskosten von € 961,28 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Tochter der Klägerin habe den Zugangscode einem Bekannten mitgeteilt. Es sei demnach nicht auszuschließen das weitere Personen Kenntnis von dem Code haben.

Ergänzend wird auf das gesamte Sachvorbringen der Parteien, insbesondere auf den Inhalt der wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus keiner erdenklichen Anspruchsgrundlage heraus, namentlich nicht aus dem unstreitig bestehenden Versicherungsvertrag über die Hausratsversicherung i. V. m. § 1 VVG, der erhobene Anspruch zu.

Denn zwar ist davon auszugehen, dass in die versicherten Räumlichkeiten unbefugte Dritte eingedrungen sind. Es ist jedoch durch die Klägerin nicht hinreichend dargetan, dass eine unter den Versicherungsschutz fallende Art und Weise des Eindringens vorliegt. Nach Ziffer 4 der hier maßgeblichen VHB 2008 ist nicht jede Form der Entwendung von Gegenständen aus den versicherten Räumlichkeiten versichert, sondern einzig ein Diebstahl und Vandalismus nach einem Einbruch. Ein Einbruchsdiebstahl liegt nach Ziffer 6.1.1 der VHB 2008 wiederum vor, wenn der Dieb in einen Raum des Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels falscher Schlüssel oder anderer nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmter Werkzeuge eindringt.

Anhaltspunkte für die Annahme dieser Begehungsweise hat die Klägerin, auch unter Beachtung der grundsätzlich zu ihren Gunsten bestehenden Beweiserleichterungen, nicht hinreichend dargelegt. In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass einem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Diebstahl Beweiserleichterungen zugute kommen. Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1995, Az.: IV ZR 221/94, Rn. 10, zitiert nach juris).

Zu dem Minimum an Tatsachen, die bei einem Einbruchdiebstahl das äußere Bild ausmachen, gehört einerseits – sofern nicht ein unberechtigter Einsatz von Nachschlüsseln in Betracht kommt – das Vorhandensein von Einbruchspuren (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2006, Az.: IV ZR 233/05, Rn. 10, zitiert nach juris). Weiter gehört dazu, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1995, Az.: IV ZR 116/94, Rn. 9, zitiert nach juris).

Ein schlüssiges Spurenbild für die Annahme eines Einbrechens im Sinne eines gewaltsamen Öffnens einer den Zutritt verwehrenden Umschließung von außen oder eines Einsteigens im Sinne eines Eindringens des Täter auf außergewöhnliche Weise unter Überwindung von den Zugang nicht unerheblich erschwerenden Hindernissen liegt unstreitig nicht vor. Es wurden von den aufnehmenden Polizeibeamten unstreitig keinerlei Spuren aufgefunden, die auf ein Einbrechen oder Einsteigen hindeuten.

Auch die Verwendung eines falschen Schlüssels im Wortsinne kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Das Zugangsschloss bzw. die Codierung stellen keinen Schlüssel im Sinne der Versicherungsbedingungen dar. Zwar sind Schlüssel nicht nur metallische Öffnungsinstrumente, sondern auch beispielsweise mechanische oder elektronische Kunststoffkartenschlüssel. Elektronische Sicherungen, bei denen manuell ein Code eingegeben werden muss, sind hingegen nach ihrer Art der Verwendung, insbesondere wegen ihrer Immobilität, nicht als Schlüssel anzusehen.

Das damit einzig verbleibende einen Versicherungsfall begründende Eindringen mittels eines nicht zum Öffnen bestimmten Werkzeugs ist nicht hinreichend dargetan.

Dabei ist zum einen zu sehen, dass ein Überwinden der Eingangstür unter Eingabe des zutreffenden Codes – unabhängig von der Frage, wie der Täter die Kenntnis von der Zahlenkombination erlangt hat – bereits begrifflich keinen Anwendungsfall der Verwendung eines Werkzeuges darstellt. Doch selbst wenn man den Weg ginge, und den Zugangscode gedanklich dem Schlüssel gleichstellt, wäre bei einer Eingabe des zutreffenden Codes kein Versicherungsfall begründet.

Entweder hätte nämlich der Täter den Zugangscode aufgrund einer Weitergabe des Codes durch einen der Berechtigten an ihn direkt oder an einen seinerseits weitergebenden Dritten erlangt, oder der Täter hätte die Kenntnis des Codes durch gezieltes Beobachten des Eingabevorganges (Ausspähen) erlangt. Alle diese Möglichkeiten der Kenntniserlangung entsprächen keinem der in den Ziffern 6.1.5 oder 6.1.6 aufgeführten Fälle, in denen eine Nutzung des richtigen Schlüssels durch den Täter aufgrund der vorangegangenen qualifiziert widerrechtlichen Besitzerlangung ausnahmsweise doch zur Annahme eines Versicherungsfalles führen. Selbst wenn man ein Ausspähen dem in Ziffer 6.1.6 genannten Diebstahl des richtigen Schlüssels gleich stellen wollte, wäre schwerlich eine Sachkonstellation denkbar, in der ein Ausspähen des Codes ohne gleichzeitig fahrlässiges Verhalten der zur Codeeingabe berechtigten Person stattfinden soll.

Soweit die Klägerin behauptet, das Eindringen sei aufgrund einer Manipulation des Zahlenschlosses erfolgt, könnte ein solcher Vorgang zwar grundsätzlich eine Nutzung eines nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeugs begründen, jedoch fehlt es auch insoweit an der Darlegung einer entsprechenden Spurenlage. Werkzeuge im Sinne der Versicherungsbedingungen sind solche, durch die der Mechanismus des Verschlusses ordnungswidrig in Bewegung gesetzt wird, so dass der Schließmechanismus ähnlich wie mit einem Schlüssel betätigt wird. Dazu können elektronische Instrumente zum Ersatz elektronischer Schließvorrichtungen gehören. Insoweit könnte ein zum Auslesen des Zahlencodes geeignetes technisches Gerät grundsätzlich als Werkzeug angesehen werden.

Unstreitig lagen aber Spuren einer Manipulation am Zahlenschloss nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin läuft auch nicht eine derartige Manipulation spurenlos ab. Wäre dies so, würde es keinen Sinn ergeben, dass die ermittelnden Polizeibeamten im Spurensicherungsbericht (Anlage B 3, Bl. 88 ff. d. A.) auf Seite 2 oben ausgeführt haben „auch am Zahlencodefeld konnten keine Manipulationsspuren festgestellt werden”. Vielmehr muss ein Ablesegerät zur Durchführung des Auslesevorganges auf das Zahlenschloss aufgesetzt werden, so dass hierbei regelmäßig Abrieb- und Abnutzungsspuren entstehen. Die Klägerin hat auch bei Erörterung dieser Frage in der Verhandlung nicht substantiiert dargetan, dass es Gerätschaften gibt, die ohne körperlichen Kontakt zwischen dem Zahlenschloss und dem Gerät den Auslesevorgang bewältigen können oder dass es möglich ist, das Auslesegerät in einer Weise auf das Zahlenschloss aufzusetzen, bei der keinerlei Abrieb- oder Abnutzungsspuren an dem Zahlenschloss entstehen.

Soweit die Klägerin argumentiert, dass die Vortragsanforderungen nicht überspannt werden dürften, ist zu sehen, dass es ohnehin zweifelhaft sein könnte, inwieweit die oben beschriebenen Beweiserleichterungen zu Gunsten der Klägerin eingreifen.

Dies vor dem Hintergrund, dass mit Blick auf die unstreitige SMS des Bekannten der Tochter der Klägerin am Abend des Ereignisses, der von den Polizeibeamten im Spurensicherungsbericht (Anlage B 3, Bl. 88 f. d. A.) festgehaltenen Äußerung des Erstverdachts betreffend diesen Bekannten und dem Inhalt der Angaben, die der Bekannte unstreitig gegenüber der Polizei gemacht hat, es sehr nahe liegt, dass vorliegend ein Eindringen unter Verwendung eines zutreffenden Zahlencodes, das eben keinen Versicherungsfall begründet (vgl. LG Dortmund Hinweisbeschluss vom 31.01.2011, Az. 2 S 63/10, zitiert nach juris) stattgefunden hat.

Dies korrespondiert auch mit der Wertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei fehlenden Einbruchsspuren. Denn hiernach kann der Versicherungsnehmer den Mindestbeweis auch dadurch führen, dass nachgewiesen wird, dass von mehreren möglichen Begehungsweisen der Tat die nicht versicherten zumindest unwahrscheinlich sind und sich daraus und aus den anderen Umständen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Begehungsweise ergibt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.06.2009, Az.: 7 U 32/09, Rn. 18 m. w. N., zitiert nach juris). Vorliegend erscheint aber gerade das Eindringen in einer Art und Weise, die nicht unter den Versicherungsschutz fällt, als eher wahrscheinlich als eine vom Versicherungsschutz umfasste Form des Eindringens.

Aus der beiläufigen Erwähnung des Umstandes, dass in der Wohnung Gegenstände und Mobiliar auch aufgebrochen waren, kann nicht gefolgert werden, dass hierdurch ein Einbruch im Sinne von Ziffer 6.1.2 von der Klägerin geltend gemacht werden soll. Hätte die Klägerin sich hierauf berufen wollen, hätte es der Darlegung bedurft, welche Gegenstände genau aufgebrochen wurden, ob diese Gegenstände verschlossen oder nur geschlossen waren (weil nur im zuerst genannten Fall ein „Behältnis” im Sinne der Versicherungsbedingungen vorläge) und ob das Aufbrechen zur Ermöglichung einer Entwendung von Gegenständen oder lediglich im Rahmen des im Anschluss an die Entwendung erfolgten Vandalismus erfolgte. Auch wurde nicht angegeben, welche Gegenstände überhaupt nach einem Aufbrechen entwendet wurden, was von Relevanz wäre, weil eine Entschädigungspflicht beim Aufbrechen eines Behältnisses nur im Umfang der im Behältnis befindlichen und entwendeten Gegenstände bestünde. Da all dies nicht einmal im Ansatz dargetan ist, kann alleine aus der Verwendung des Begriffes „aufgebrochene Gegenstände” nicht gefolgert werden, dass hier ein Fall der Ziffer 6.1.2 der Versicherungsbedingungen vorliegen könnte.

Letztlich ist auch zu sehen, dass die Klägerin ihrer Darlegungspflicht betreffend die entwendeten Gegenstände nicht nachgekommen ist und diesbezüglich auch nach dem entsprechenden Hinweis der Beklagte auf Seite 7 der Klageerwiderung in der Replik keine weiteren Darlegungen folgen ließ. Denn zur Darlegung des äußeren Bildes gehört, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1995, Az.: IV ZR 116/94, Rn. 9, zitiert nach juris).

Die Klägerin beschränkte sich hier auf eine Auflistung der entwendeten Gegenstände ohne hierbei Angaben zum Vorhandensein und der Aufbewahrung und zur Feststellung des Verschwindens zu machen oder Zeugen zu benennen. Was das behauptete Verschwinden der Unterlagen bei dem Regulierungsbeauftragten mit der Möglichkeit der Darlegung und des Nachweises des Vorhandenseins und des Verschwindens des Stehgutes zu tun haben soll, erschließt sich dem Gericht nicht.

Mangels Bestehens einer Hauptforderung besteht auch weder ein Zinsanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Vollstreckbarkeitsausspruch findet seine Grundlage in § 709 ZPO.

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