Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 15/15, Urteil vom 13.01.2016
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2.3.2015 – 12 O 93/14 – teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit wegen eines Betrages von 4.000 € erledigt ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.200 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2013 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 413,64 € zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.200 € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verfolgt – aus abgetretenem Recht – in zweiter Instanz noch einen Anspruch gegen den beklagten Versicherer auf Erstattung weiterer Kosten der Unterbringung in Höhe von 2.200 € wegen eines Wasserschadens.
Zwischen der Beklagten und dem Versicherungsnehmer, dem Zeugen P. H., besteht seit dem 26.6.2009 für die Wohnung W. 62, 66127 S. ein Hausratversicherungsvertrag (Versicherungsschein Nr., Bl. 13 d.A.) unter Einschluss des Leitungswasserrisikos (Bl. 15 d.A.). Ausweislich des Versicherungsscheins liegen dem Vertrag unter anderem die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2008) zu Grunde. Zwischen den Parteien ist jedoch – gemäß deren übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 1.9.2014 (Bl. 84 d.A.) – unstreitig, dass die VHB 2013 (Bl. 20 ff. d.A.) einschlägig sind.
Als „beitragsfrei mitversichert“ führt der Versicherungsschein unter anderem auf:
„- Ersatz von Hotelkosten für max. 100 Tage
Höchstentschädigung je Tag
– gemäß Ziff. 4.1 i) VHB 100 €“
Unter Ziff. 3.1. VHB 2013 heißt es:
„3.1. Welche Kosten übernimmt Ihre Hausratversicherung?
Versichert sind die folgenden, aufgrund eines Versicherungsfalls notwendigen und tatsächlich angefallenen Kosten:
…
3.1.8 Hotelkosten
Wir ersetzen Kosten für die Hotelunterbringung ohne Nebenkosten (z.B. Frühstück oder Telefon), wenn Ihre ansonsten ständig bewohnte Wohnung … unbewohnbar wurde und Ihnen die Beschränkung auf einen etwa bewohnten Teil nicht zumutbar ist. Auch die Unterbringung in Pensionen, Gaststätten oder Ferienwohnungen gilt als Hotelunterbringung.
Die Hotelkosten übernehmen wir bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Ihre Wohnung wieder benutzbar ist. Höchstens erstatten wir die Unterbringungskosten jedoch für ein Jahr. Die Entschädigung pro Tag ist auf 3 Promille der Versicherungssumme begrenzt. Errechnet sich dabei ein Betrag von weniger als 100 € pro Tag, stellen wir Ihnen dennoch täglich 100 € zur Verfügung.
Unstreitig war die versicherte Wohnung infolge eines versicherten Wasserschadens vom 13.8.2013 vorübergehend unbenutzbar. Mit Schreiben vom 26.8.2013 richtete der Sachbearbeiter der Beklagten H. folgendes Schreiben an den Versicherungsnehmer:
„wir möchten Sie informieren, dass Sie aufgrund ihres Hausratvertrages (VHB 2008) Anspruch auf Hotelkosten haben. Die Leistung ist auf 100,- Euro pro Tag für längstens 100 Tage begrenzt. Bei Rückfragen können Sie uns unter o.g. Telefonnummer erreichen.“
In der Zeit vom 10.9. bis zum 10.11.2013 bewohnten der Versicherungsnehmer und dessen Lebensgefährtin eine im Eigentum dessen Vermieters, des Zeugen M. S., stehende Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von ca. 110 qm im K. W. 10, 66113 S.. Die Klägerin, die Lebensgefährtin des Zeugen M. S., stellte dem Versicherungsnehmer unter dem 11.11.2013 „zur Weiterleitung an ihre Hausratversicherung“ „wie besprochen und vereinbart 62 Tage pauschal zum Tagessatz à € 100,00“ für die „Vermietung möbliertes Ferienhaus inklusive aller Abgaben und Nebenkosten“ in dem o.g. Zeitraum einen Betrag von 6.200 € in Rechnung. Der Versicherungsnehmer übersandte der Beklagten die Rechnung mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 35 d.A.). Unter dem 5.12.2013 trat der Versicherungsnehmer der Klägerin die Forderung aus dem streitgegenständlichen Versicherungsfall ab (Bl. 38 d.A.) und zeigte dies der Beklagten mit Schreiben vom 6.12.2013 an (Bl. 36 d.A.). Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 6.12.2013 (Bl. 37 d.A.) unter Vorlage der Abtretungserklärung erfolglos zur Zahlung bis zum 14.12.2013 aufgefordert hatte, bestellten sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und forderten die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 8.1.2014 (Bl. 39 d.A.) zur Zahlung des Betrages von 6.200 € und der Anwaltskosten in Höhe von 650,34 € (Bl. 41 d.A.) bis spätestens zum 18.1.2014 auf.
Hierauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 31.1.2014 (Bl. 42 d.A.), mit welchem sie die Rechnung der Klägerin in formaler Hinsicht beanstandete und weitere Informationen zur Ersatzunterkunft – „Größe, Verwendung und sonstige Vereinbarungen zu Nutzung“ etc. – verlangte. Mit Schreiben vom 19.3.2014 (Bl. 45 d.A.) erhob die Beklagte weitere Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Unterbringungskosten und bot – „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ – einen Betrag von 2.000 € an.
Unter dem 24.2.2014 hat die Klägerin einen Mahnbescheid über 6.200 € erwirkt, der der Beklagten am 26.2.2014 zugestellt wurde. In dem – nach Widerspruch der Beklagten am 21.3.2014 an das Landgericht abgegebenen – Klageverfahren hat die Beklagte am 23.4.2014 einen Teilbetrag in Höhe von 4.000 € auf die Klageforderung gezahlt. Der mit Schriftsatz der Klägerin vom 19.5.2014 (Bl. 55 d.A.) erklärten Erledigung des Rechtsstreits hat die Beklagte widersprochen (Bl. 84 d.A.).
Die Klägerin hat im vorliegenden Klageverfahren ihren Anspruch auf Unterbringungskosten in Höhe von weiteren 2.200 € und auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 650,34 € weiterverfolgt. Sie hat auf das Schreiben der Beklagten vom 26.8.2013 verwiesen, das vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass die Wohnung des Versicherungsnehmers unter Wasser gestanden habe, weswegen dieser „von jetzt auf gleich“ mit seiner gesamten persönlichen Habe habe umziehen müssen (Bl. 70 d.A.).
Die Beklagte hat die Forderung dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Sie hat die erstattet verlangten Unterbringungskosten für überhöht gehalten und hat dem Versicherungsnehmer einen Verstoß gegen die vertragliche Pflicht zur Schadensminderung vorgeworfen. Der Versicherungsnehmer habe offensichtlich keine Versuche unternommen, Konkurrenz- oder Vergleichsangebote einzuholen (Bl. 64 d.A.). Es erscheine durchaus möglich, eine Ferienwohnung für allenfalls den hälftigen Betrag pro Tag zu mieten (Bl. 65 d.A.). Die geltend gemachten Kosten enthielten außerdem nicht erstattungsfähige (Neben-) Kosten.
Dem hat die Klägerin entgegen gehalten, dass auch Hotelkosten „Nebenkosten“ – wie Wasser, Abwasser, Heizung, Handtücher etc. – enthielten.
Mit dem am 2.3.2015 verkündeten Urteil (Bl. 143 d.A.) hat das Landgericht Saarbrücken die Klage nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen M. S. (Bl. 125 d.A.) und P. H. (Bl. 128 d.A.) sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen H. P. A. (Bl. 89, 133 d.A.) abgewiesen. Die von der Klägerin – nach Auslegung ihres Klagebegehrens – beantragte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in Höhe eines Betrages von 4.000 € sei zulässig und begründet, da ihr in dieser Höhe ein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht zugestanden habe, den die Beklagte nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch Zahlung erfüllt habe. Die darüber hinausgehende Klage hat das Landgericht hingegen für unbegründet erachtet. Zwar stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die streitgegenständlichen Kosten dem Versicherungsnehmer aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung tatsächlich entstanden seien, und dass ein Tagesmietpreis von 100 € pro Tag für das streitgegenständliche Objekt angemessen sei. Da die Beklagte lediglich den Ersatz „notwendiger“ Hotelkosten schulde, seien die Kosten von insgesamt 6.200 € aber nur im Rahmen des Erforderlichen zu erstatten. Der Anspruch sei deshalb durch die bereits geleistete Zahlung von 4.000 € erfüllt. Dieser Betrag entspreche umgelegt auf den streitgegenständlichen Zeitraum einem Betrag von umgerechnet 64,51 € täglich, für den der Versicherungsnehmer eine angemessene Ersatzwohnung habe anmieten können. Durch die Anmietung des teureren Hauses habe der Versicherungsnehmer zugleich gegen seine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Sie beanstandet die Beweiswürdigung des Landgerichts, das die von den Zeugen bestätigten Zusagen des Schadensregulierers H. in Bezug auf das angemietete Objekt unberücksichtigt gelassen habe (Bl. 174 d.A.). Wenn tatsächlich nur eine der Mietwohnung des Versicherungsnehmers der Größe nach entsprechende Mietwohnung habe angemietet werden dürfen, habe der Schadensregulierer darauf hinweisen müssen, statt in Kenntnis der Situation des Versicherungsnehmers eine Anmietung des streitgegenständlichen Objekts zu gestatten. Hinzu komme, dass der Versicherungsnehmer auch deshalb nicht habe nach Alternativen suchen können, da aufgrund von Feuchtigkeit und Schimmelbildung besondere Eile geboten gewesen sei, und außerdem zwei Hunde hätten untergebracht werden müssen. Diese würden erfahrungsgemäß in Hotels und Ferienwohnungen nicht aufgenommen. Erfahrungsgemäß gebe es dort auch keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 2.3.2015 – 12 O 93/14 – weiter zu verurteilen, an die Klägerin 2.200 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2013 zu zahlen,
2. die Beklagte zur Zahlung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 413,64 € zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei günstigerer Wohnraum durch einfachen Anruf bei der Tourismuszentrale oder über das Internet aufzufinden gewesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Das Landgericht hat die streitgegenständlichen Unterbringungskosten des Versicherungsnehmers zu Recht dem Grunde nach als erstattungsfähig angesehen. Allerdings war die Beklagte nicht zu einer Kürzung des zu erstattenden Betrages berechtigt. Die Klägerin kann deshalb auch die mit der Berufung weiterverfolgte Restforderung von 2.200 € verlangen.
Der streitgegenständliche Gebäudeversicherungsvertrag wurde im Jahr 2009 geschlossen. Die auf seiner Grundlage geltend gemachten Ansprüche sind nach dem Versicherungsvertragsgesetz in der seit dem 1.1.2008 geltend gemachten Fassung zu beurteilen.
1.
Die Beklagte hat für den hier unstreitig vorliegenden Versicherungsfall „als beitragsfrei mitversicherte“ Leistung im Versicherungsschein den Ersatz von Hotelkosten für max. 100 Tage bei einer Höchstentschädigung je Tag von 100 € versprochen.
Wegen der Einzelheiten der Leistungsvoraussetzungen nimmt der Versicherungsschein Bezug auf die entsprechende Regelung der Versicherungsbedingungen, wobei nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien die Bestimmung in Ziff. 3.1 VHB 2013 „Welche Kosten übernimmt Ihre Hausratversicherung?“ einschlägig ist. Diese Klausel zählt nach dem Einleitungssatz „Versichert sind die folgenden, aufgrund eines Versicherungsfalls notwendigen und tatsächlich angefallenen“ Kosten:“ – nach „Aufräumungs- und Entsorgungskosten“, Bewegungs- und Schutzkosten“, Transport- und Lagerkosten“, Schlossänderungskosten“, Reparaturkosten für Gebäudebeschädigungen“, „Kosten für provisorische Reparaturen“ und „Bewachungskosten“ – unter Ziff. 3.1.8 VHB 2013 auch Hotelkosten auf.
Nach dieser Bestimmung werden Kosten für die Hotelunterbringung ohne Nebenkosten ersetzt, wenn die von dem Versicherungsnehmer ansonsten ständig bewohnte Wohnung unbewohnbar wurde und die Beschränkung auf einen etwa bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist. Dabei gilt auch die Unterbringung in Pensionen, Gaststätten oder Ferienwohnungen als Hotelunterbringung. Die Beklagte übernimmt die Hotelkosten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wohnung wieder benutzbar ist, höchstens jedoch für ein Jahr. Die Entschädigung ist pro Tag auf 3 Promille der Versicherungssumme begrenzt. Errechnet sich dabei ein Betrag von weniger als 100 € pro Tag, stellt die Beklagte dennoch täglich 100 € zur Verfügung.
2.
Auf dieser Grundlage ist die Klageforderung in voller Höhe begründet.
a)
Darüber, dass die geltend gemachten Kosten der Anmietung der dem Vermieter des Versicherungsnehmers gehörenden Doppelhaushälfte der Regelung in Ziff. 3.1.8 „Hotelkosten“ unterfallen, streiten die Parteien nicht.
Das Landgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in verfahrensfehlerfreier Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Klägerin der Nachweis gelungen ist, dass die erstattet verlangten Kosten dem Versicherungsnehmer in der geltend gemachten Höhe „tatsächlich entstanden“ sind (vgl. Senat, Urt. v. 19.10.2011 – 5 U 71/11 – VersR 2012, 296: keine fiktiven Kosten; ebenso OLG Celle, VersR 2010, 526; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 8 VHB 2010, Rdn. 9; Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 8 VHB 2010 Rdn. 12).
Nach der plausiblen Einschätzung des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen H. P. A. steht ferner fest, dass ein Betrag von 100 € als Tagesmietpreis für die von dem Vermieter des Versicherungsnehmers als Ferienwohnung angemietete Doppelhaushälfte durchaus angemessen ist (Bl. 133 d.A.). Damit ist auch der von der Beklagten schon vorprozessual erhobene Einwand, die Kosten seien nicht als „ortsüblich angemessen anzusehen“ (Bl. 45 d.A.), entkräftet.
Hierüber wird in zweiter Instanz auch nicht mehr gestritten.
b)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergibt weder eine Auslegung der für den Umfang der Leistungspflicht allein maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen, dass die tatsächlich entstandenen Unterbringungskosten nur im Rahmen des Erforderlichen zu erstatten wären, noch kann dem Versicherungsnehmer ein zur Kürzung der Versicherungsleistung berechtigender Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit vorgeworfen werden.
aa)
Versichert sind nach dem Wortlaut des den erstattungsfähigen Kosten in Ziff. 3.1. VHB 2013 vorangestellten Einleitungssatzes der Bedingungen „die folgenden, aufgrund eines Versicherungsfalls notwendigen und tatsächlich angefallenen Kosten“.
Ausgehend davon, dass die Bedingungen damit klarstellten, dass die Beklagte Kosten, die nicht notwendig sind, sondern auf übermäßigen Ausgaben des Versicherungsnehmer beruhen, schon dem Grunde nach nicht ersetzen wolle, hat das Landgericht die Notwendigkeit der Kosten – und damit das Bestehen einer Erstattungspflicht der Beklagten – nur in Höhe des bereits erstatteten Betrags bejaht. Hinsichtlich des übersteigenden Teils, der Gegenstand der Berufungsinstanz ist, hat es die Notwendigkeit der Kosten verneint.
Es kann offen bleiben, ob die Notwendigkeit der Kosten eine vom Versicherungsnehmer darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzung ist, mit der Folge dass der Anspruch auf Erstattung von vornherein auch der Höhe nach nur im Umfang des Erforderlichen entsteht, oder ob der Einleitungssatz zu den erstattungsfähigen Kosten in Ziff. 3.1. VHB 2013 lediglich – vor die Klammer gezogen – zum Ausdruck bringt, dass die Kosten infolge des Versicherungsfalls – aber als dem Grunde nach notwendig – angefallen sein müssen (vgl. Dietz, Wohngebäudeversicherung, 2. Aufl., B3, S. 92 zu § 2 Nr. 1 VGB 88, nach dem die „infolge eines Versicherungsfalles notwendigen Kosten“ versichert sind).
Im letzteren Fall wäre der Einwand der Beklagten, der Versicherungsnehmer habe überhöhte Kosten verursacht, nicht auf der Ebene der Anspruchsvoraussetzungen, sondern unter dem Gesichtspunkt einer – vom Versicherer darzulegenden und zu beweisenden (vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 82 Rdn. 24) – Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zu prüfen (vgl. hierzu Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015 § 8 VHB 2010 Rdn. 12: der VN ist verpflichtet, Kosten nur in notwendigem Maß anfallen zu lassen; unklar OLG Celle, VersR 2010, 526 – juris Rdn 24). Für diese Annahme dürfte sprechen, dass dem Versicherungsnehmer anderenfalls hohe Darlegungs- und Beweislasten aufgebürdet würden. Dieser wäre bei der Geltendmachung seiner Ansprüche zunächst gehalten, konkrete Ausführungen zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der in Ziff. 3.1 VHB 2013 jeweils genannten Kosten zu machen, eventuelle Alternativen aufzuzeigen und zu belegen etc. Gerade der Umstand, dass die einzelnen versicherten Kosten näher regelnden Bestimmungen unter Ziff. 3.1.2 bis 3.1.8 VHB 2013 dem Versicherungsnehmer aber einen relativ weiten Spielraum bei der Auswahl der Maßnahmen einräumen und konkretisierende Vorgaben des Versicherers hinsichtlich der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen fehlen, wäre hiermit kaum vereinbar.
Da beide Auslegungen der Klausel denkbar erscheinen, würde sich zugleich die Frage stellen, ob nicht von vornherein von der dem Versicherungsnehmer günstigeren auszugehen wäre (§ 305 c BGB).
bb)
Dessen ungeachtet wäre der Anspruch der Klägerin selbst dann in vollem Umfang begründet, wenn man die Unterbringungskosten mit dem Landgericht – im Sinne einer Anspruchsvoraussetzung – von vornherein nur im Umfang des Notwendigen oder Erforderlichen als erstattungsfähig ansehen würde.
Was unter „notwendigen“ Unterbringungskosten zu verstehen ist, ist den Versicherungsbedingungen der Beklagten im Wege der Auslegung nach den allgemeinen Maßstäben zu entnehmen. Danach ist maßgeblich, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen; soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind, sind zusätzlich der mit den Bedingungen verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH, zuletzt Urt. v. 11.11.2015 – IV ZR 426/14 – zitiert nach juris zur Auslegung der erforderlichen Reparaturkosten in der Fahrzeugkaskoversicherung). In anderem Zusammenhang ist das so verstanden worden, dass der Versicherer die Kosten für die Durchführung derjenigen Maßnahmen ersetzt, die der Versicherungsnehmer in einem Versicherungsfall bei sachgerechter Würdigung objektiv für notwendig erachten konnte (vgl. Dietz, Wohngebäudeversicherung, 2. Aufl., B3, S. 92/93 zu § 2 Nr. 1 VGB 88).
Nach diesen Grundsätzen durfte der Versicherungsnehmer die mit der Anmietung der Doppelhaushälfte seines Vermieters verbundenen Kosten nach der maßgeblichen Auslegung der Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – unabhängig von den (behaupteten) Äußerungen des Schuldenregulierers der Beklagten – für erstattungsfähig halten.
Zwar sind die im Versicherungsschein versprochenen Hotelkosten von 100 € je Tag ausdrücklich als „Höchstentschädigung“ bezeichnet. Das veranschaulicht dem Versicherungsnehmer allerdings lediglich, dass es sich dabei um eine Obergrenze handelt, über die hinaus eine Erstattung generell nicht in Betracht kommt. Konkrete Vorgaben, wonach sich der jeweils erstattungsfähige Betrag im Einzelfall richten soll, enthalten die in Bezug genommenen Versicherungsbedingungen nicht. Lediglich die Maßgabe, dass die Beschränkung „auf einen etwa bewohnten Teil nicht zumutbar“ sein darf, knüpft an den tatsächlich erforderlichen Bedarf an, der sich an den üblichen Wohnverhältnissen des Versicherungsnehmers orientiert. Anders als das Landgericht meint, lässt sich den Versicherungsbedingungen indessen nicht entnehmen, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich gehalten wäre, eine seinen üblichen Wohnverhältnissen – einer 60-qm-Wohnung – entsprechende Ersatzbleibe zu wählen.
Die Bedingungen stellen den als „Grundfall“ angenommenen Hotelkosten die Unterbringung in Pensionen, Gaststätten oder Ferienwohnungen gleich. Bei der Wahl der versicherten Möglichkeiten der Unterbringung – Hotel, Ferienwohnung, Pension, Gaststätte – ist der Versicherungsnehmer frei (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 8 VHB 2010 Rdn. 11). Er darf sich deshalb bei seiner Entscheidung auch von persönlichen Bedürfnissen und privaten Befindlichkeiten – z.B. Nähe zum Arbeitsplatz, ruhige Lage o.ä. – leiten lassen. Er muss grundsätzlich zugunsten des Versicherers keinen Aufwand für eine Suche nach Alternativen betreiben und muss insbesondere nicht die günstigste Alternative wählen (vgl. auch BGH, Urt. v. 11.11.2015 – IV ZR 426/14 – zitiert nach juris, wonach es in der Kaskoversicherung für die Frage der Erforderlichkeit von Reparaturkosten nicht ausschließlich auf die technisch einwandfreie Instandsetzung des Fahrzeugs ankommt, sondern auch – fiktive – Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt als „erforderliche“ Kosten angesehen werden können, wenn die fachgerechte Wiederherstellung nur in einer markengebundenen Werkstatt erfolgen kann oder i.d.R. auch dann, wenn es sich um eine neueres Fahrzeug oder aber um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen). Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Versicherungsnehmer deshalb nicht gehalten, sich vor einer Entscheidung über den Vorschlag seines Vermieters nach günstigeren Möglichkeiten einer Unterbringung umzusehen. Das unterscheidet die – mit den Prämien erkauften – versicherten Kosten maßgeblich von den im Schadensersatzrecht geltenden Grundsätzen (vgl. BGH, a.a.O. maßgeblich ist allein das – mit der höheren Prämie bezahlte – vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers), nach welchen der Geschädigte den Schädiger unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf günstigere Schadensbeseitigungsmaßnahmen verweisen darf (vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.4.2015 – VI ZR 267/14 – VersR 2015, 861, auch dort trifft im Übrigen den Schadensersatzpflichtigen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen günstigerer und zumutbarer Alternativen). Der Versicherer ist dadurch ausreichend geschützt, dass die Kosten ohnehin sowohl der Höhe nach als auch in zeitlicher Hinsicht beschränkt sind.
Da die Kosten für die Unterbringung des Versicherungsnehmers und der mit ihm in der versicherten Wohnung zusammen lebenden Personen zu ersetzen sind, wäre es dem Versicherungsnehmer mithin unbenommen gewesen, im Streitfall gemeinsam mit seiner mit ihm zusammenlebenden Lebensgefährtin (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015 § 8 VHB 2010 Rdn. 11; ebenso Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 8 VHB 2010 Rdn. 11) in ein Hotel zu ziehen. Da die Höhe der Unterbringungskosten ohnehin gekappt ist, hätten ihn die Bedingungen dabei nicht auf einen bestimmten Standard beschränkt (vgl. Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 8 VHB 2010 Rdn. 12: die Schadenminderungsobliegenheit verlangt nicht den Verzicht auf einen versicherten Standard). In diesem Fall wäre der Höchstbetrag von 100 € pro Tag für zwei Personen im Raum S. durchaus angefallen. Dabei hätte der Versicherungsnehmer – auch bei längerer Reparaturdauer – nicht darauf verwiesen werden dürfen, in eine günstigere (möblierte) Ferienwohnung zu ziehen (vgl. OLG Celle, VersR 2010, 526; Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 8 VHB 2010 Rdn. 12).
Vor diesem Hintergrund musste der Versicherungsnehmer im Streitfall nicht annehmen, die Anmietung einer Doppelhaushälfte zu einem Preis von 100 € sei nicht „notwendig“ im Sinne der Bedingungen und er müsse stattdessen vor der Entscheidung für den Vorschlag seines Vermieters auf die Suche nach einer seiner (kleineren) Wohnung der Größe nach entsprechenden günstigeren Wohnung gehen.
cc)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann aus denselben Gründen auch keine Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit (Ziff. 3.3.1a VHB 2013, § 82 Abs. 1 VVG) angenommen werden, die die Beklagte in dem – hier vom Landgericht eher fernliegend angenommenen Fall – der groben Fahrlässigkeit zur Kürzung der Leistung (Ziff. 3.3.2 VHB 2013, § 82 Abs. 3 VVG) hätte berechtigen können.
3.
Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) begründet.
Die Klägerin hat in der zweiten Instanz klargestellt, dass der Auftrag an ihre Prozessbevollmächtigten nicht von vornherein unbedingt auf eine Prozessführung gerichtet gewesen ist. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass das Anspruchsschreiben vom 8.1.2014 durch die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 RVG; BGH, Urt. v. 26.2.2013 – XI ZR 345/10 – ZfSch 2013, 406: ein nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen).
Die Klägerin hat die zweitinstanzlich geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € lediglich aus einem Streitwert von 4.000 € errechnet (Bl. 178 d.A.). Hieran ist der Senat gebunden (§ 308 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO).
4.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 2.200 €.