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Hausratversicherung – Entschädigung für nicht mehr im Haushalt verwendete Gegenstände

KG Berlin – Az.: 6 U 42/12 – Beschluss vom 02.11.2012

In dem Rechtsstreit … werden die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die zulässige Berufung des Klägers gegen das am 29. März 2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel in der Sache offensichtlich unbegründet ist.

Gründe

Das Landgericht hat die Klage auf Entschädigungsleistung aus der Hausratversicherung wegen des behaupteten Einbruchdiebstahls in den Tiefgaragenstellplatz des Klägers zu Recht abgewiesen, da ihm der Höhe nach nur ein Anspruch auf Entschädigung des sogen. gemeinen Werts zustünde und für dessen Schätzung hinreichende Anknüpfungstatsachen fehlen.

1. Gemäß § 9 Nr. 1 der zwischen den Parteien vereinbarten VHB 2008 bildet der Versicherungswert die Grundlage der Entschädigung. Gemäß lit. a) ist Versicherungswert der Wiederbeschaffungswert von Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand (Neuwert). Gemäß lit.c) ist dagegen der Versicherungswert der für den Versicherungsnehmer erzielbare Kaufpreis (der sogen. „gemeine Wert“), wenn „Sachen für ihren Zweck im Haushalt des Versicherungsnehmers nicht mehr zu verwenden“ sind.

Hausratversicherung - Entschädigung für nicht mehr im Haushalt verwendete Gegenstände
Symbolfoto: Von Kellis /Shutterstock.com

Ob dies der Fall ist, hängt grds. von ihrem objektiven Zustand vor dem Hintergrund der Lebensumstände des Versicherungsnehmers ab (vgl. Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 28. Auflage § 18 VHB 1984 Rz. 3; OLG Düsseldorf, VersR 2000, 52). Durch das Abstellen auf die konkreten Lebensumstände des Versicherungsnehmers ist sichergestellt, dass er auch für objektiv veraltete Geräte eine Neuwertentschädigung erhält, wenn diese noch funktionieren und er sie in seinem Haushalt weiter nutzt. Demgegenüber steht dem Versicherungsnehmer nur der gemeine Wert zu, wenn entweder der Zustand der Sache so schlecht ist, dass sie vor dem Hintergrund der Lebensumstände des Versicherungsnehmers in seinem Haushalt schon objektiv keine Verwendung mehr finden kann, oder wenn der Versicherungsnehmer die Sache unabhängig von ihrem Zustand nicht mehr in seinem Haushalt nutzt, sie also für den Versicherungsnehmer persönlich in seinem Haushalt nicht mehr zu verwenden ist, so wenn er sie selbst außer Dienst gestellt hat (vgl. OLG Düsseldorf, VersR a.a.O. Rz. 5; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage Q III Rz. 66). Für Sachen, die im Haushalt des Versicherungsnehmers nicht mehr genutzt werden und sich dort nur noch deshalb befinden, weil sich z. B. nach Neuanschaffung von Sachen noch keine Verkaufs- oder Abtransportmöglichkeit gefunden hat, ist mithin nur der gemeine Wert zu erstatten (Martin a.a.O.). Der gemeine Wert wird also für Sachen herangezogen, die für ihren Zweck innerhalb des Haushaltes des Versicherungsnehmers nicht mehr verwendet werden und auch nicht mehr dafür vorgesehen sind (vgl. Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Auflage 2010 § 3 Rz. 250 m. w. N.).

Vorliegend käme nur eine Entschädigung nach lit. c) in Betracht, da der Kläger die in der Tiefgarage gelagerte, gebrauchte Computertechnik, die er im Jahre 2003 für den Betrieb einer im Jahre 2006 geschlossenen Versicherungsagentur angeschafft hatte, nicht (mehr) in seinem Haushalt verwendete, sondern verkaufen wollte. Dass er nach rechtlichem Hinweis eine nochmalige Verwendung im Haushalt nicht ausgeschlossen hat, steht dem nicht entgegen.

Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, für die Anwendung der Bestimmung über den gemeinen Wert könne allein die Verkaufsabsicht nicht ausreichen, da dann technische Geräte, die nach einer Neuanschaffung nicht mehr genutzt werden, nicht mehr unter den Versicherungsschutz fielen, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn zum einen führt die Anwendbarkeit der Bestimmung über den gemeinen Wert nicht dazu, dass diese Sachen schon nicht mehr unter den Versicherungsschutz fallen; vielmehr regelt die Bestimmung die Höhe der Entschädigung. Zum anderen ist die Bestimmung über die Erstattung nur des gemeinen Werts in den Fällen, in denen eine Sache im Haushalt des Versicherungsnehmers nicht mehr genutzt wird und auch nicht mehr genutzt werden soll, auch nicht unbillig. Sie stellt keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Denn der Sinn und Zweck der Neuwertentschädigung in der Hauratversicherung besteht darin, den Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalls mithilfe der Neuwertentschädigung in die Lage zu versetzen, sich die beschädigten, vernichteten oder gestohlenen Gegenstände, die er in seinem Haushalt in Benutzung hatte und auf die er regelmäßig angewiesen ist, neu anzuschaffen; würde ihm nur der Zeitwert oder der gemeine Wert erstattet, wäre er darauf angewiesen, sich von der Versicherungsleistung alte, gebrauchte Sachen zu beschaffen. Mit der Neuwertentschädigung erhält er allerdings eine Leistung, die den tatsächlich erlittenen wirtschaftlichen Schaden, der bei gebrauchten Sachen nur in Höhe des Zeitwerts oder gemeinen Werts besteht, übersteigt. Im Hinblick darauf enthalten andere Bedingungswerke, wie etwa diejenigen in der Gebäudeversicherung, in der Regel Bestimmungen, dass dem Versicherungsnehmer der Neuwert nur dann zusteht, wenn sichergestellt ist, dass er die Neuwertentschädigung für die Wiederherstellung des Gebäudes verwenden wird. Für eine solche, den Zeitwert der gebrauchten Sache oft weit übersteigende Entschädigung besteht hingegen kein Bedarf, wenn eine Wiederherstellung nicht erfolgen soll. Das Gleiche gilt im Bereich von Hausratversicherungen, wenn der Versicherungsfall Sachen betrifft, die der Versicherungsnehmer nicht mehr in Benutzung hatte und verkaufen wollte. Sein Schaden besteht dann in dem nicht erzielten Verkaufspreis, so dass die Bestimmung des Werts nach dem erzielbaren Verkaufspreis nicht unbillig sein kann, sondern gerade die hierfür angemessene Entschädigung darstellt.

Es trifft auch nicht zu, dass bei dieser Auslegung der Bestimmung regelmäßig Hausratsgegenstände, die sich im Keller, auf dem Dachboden oder in der Garage befinden, nicht mehr nach dem Neuwert, sondern nur nach dem gemeinen Wert zu entschädigen wären. Denn von der Bestimmung des § 9 Nr. 1 c) sind nur solche Sachen erfasst, die im Haushalt nicht mehr verwendet werden und lediglich noch nicht verkauft, verschenkt oder entsorgt worden sind. Nicht erfasst werden solche Gegenstände, die deshalb die meiste Zeit in diesen Nebenräumen aufbewahrt werden, weil sie nur zu bestimmten Jahreszeiten, Gelegenheiten oder Ereignissen benötigt werden, wie etwa Wintersportartikel, Koffer, Festtagsschmuck.

2. Das Landgericht hat angesichts der vorliegenden Umstände auch zu Recht das Vorliegen hinreichender Anknüpfungstatsachen für die Schätzung eines Mindestbetrags gemäß § 287 ZPO vermisst.

Da die im Jahre 2003 angeschafften Geräte schon längere Zeit unbenutzt in der Tiefgarage mit ca. 100 Stellplätzen lagerten, das Multifunktionsgerät seit Herbst 2006, die übrigen Geräte seit einem nicht näher mitgeteilten späteren Zeitpunkt, ist schon fraglich, ob die Geräte überhaupt noch verkäuflich gewesen wären, dies jedenfalls dann, wenn ein redlicher Verkäufer – von dem auszugehen ist – dem Kaufinteressenten den Umstand der Lagerung in der Tiefgarage mitgeteilt hätte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Tiefgarage, in der der Kläger die Geräte lagerte, baulich abgeschlossen ist und kein Regen oder Schnee infolge einer Undichtigkeit des Gebäudes eindringen konnte, wie der Kläger erstinstanzlich vorgetragen hat. Denn in Tiefgaragen sind die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit generell jedenfalls ungünstiger für die Lagerung von Elektrogeräten als in beheizten Räumen. Feuchtigkeit wird von den in die Tiefgarage einfahrenden Fahrzeugen eingebracht und dringt durch die Öffnung des Tores bei dem Ein- und Ausfahren ein. Unter den gegeben Umständen hätte von einer fortgesetzten Funktionsfähigkeit der Geräte daher allenfalls nach einer fachmännischen Überprüfung ausgegangen werden können, die aber nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt der allgemein bekannte, erhebliche Preisverfall bei der Computertechnik aufgrund der ständig fortschreitenden Neuerungen in diesem Bereich, so dass auch noch funktionierende Altgeräte nach Ablauf von ca. sechs Jahren seit der Neuanschaffung nur noch zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises veräußerbar sind. Kommen – wie hier – Umstände hinzu, die die Tauglichkeit der gebrauchten Geräte in Zweifel stellen, so ist die Verkäuflichkeit offen, so dass auch ein Mindestbetrag eines gemeinen Werts heute ohne Untersuchung der Geräte nicht mehr festgestellt werden kann.

3. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Weder kommt der Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Zudem erachtet der Senat im Hinblick auf die obigen Hinweise eine Erörterung der Sache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht für geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder – schon aus Kostengründen – eine Berufungsrücknahme zu erwägen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle der Berufungsrücknahme die Gerichtskosten auf die Hälfte reduzieren würden (vgl. KV 1222 zum GKG, dort Anlage 2).

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