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Hausratversicherung – Einbruchdiebstahl in Wohnmobil

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 51/18 – Urteil vom 21.08.2018

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg – 4. Zivilkammer – vom 15.02.2018 – 4 O 203/17 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entschädigung von abhanden gekommenem Hausrat nach Entwendung eines VW-Busses in Italien.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung, der „Allgemeine Bedingungen für die Verbundene Hausratversicherung der B Sachversicherung (VHB 84)“ im Folgenden: VHB 84) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

 „§ 3 Versicherte Gefahren und Schäden

Entschädigt werden versicherte Sachen, die durch

[…]

2. Einbruchdiebstahl, Raub oder den Versuch einer solchen Tat,

[…]

zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen.

[…]

§ 5 Einbruchdiebstahl; Raub

1. Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Dieb

a) in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mit einem falschen Schlüssel oder anderer nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmter Werkzeuge eindringt;

[…]

b) in einem Raum eines Gebäudes ein Behältnis aufbricht oder falsche Schlüssel oder andere nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmte Werkzeuge benutzt, um es zu öffnen;

c) aus der verschlossenen Wohnung Sachen entwendet, nachdem er sich dort eingeschlichen oder verborgen gehalten hatte;

d) in einem Raum eines Gebäudes bei einem Diebstahl angetroffen wird […];

e) in einem Raum eines Gebäudes ein Behältnis mit einem richtigen Schlüssel öffnet […];

f) in einen Raum eines Gebäudes mit einem richtigen Schlüssel eindringt, […].

[…]

§ 10 Versicherungsort

1. Versicherungsschutz besteht für versicherte Sachen innerhalb des Versicherungsortes. […]

2. Versicherungsort ist die im Versicherungsvertrag bezeichnete Wohnung des Versicherungsnehmers. […]

[…]

§ 12 Außenversicherung

1. Versicherte Sachen, die Eigentum des Versicherungsnehmers oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person sind oder deren Gebrauch dienen, sind innerhalb Europas im geografischen Sinn auch versichert, solange sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden. […]

3. Für Sturmschäden besteht Außenversicherungsschutz nur, wenn sich die Sachen in Gebäuden befinden.

4. Bei Raub besteht Außenversicherungsschutz

a) auch dann, wenn der Raub an einer Person begangen wird, die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt;

b) in den Fällen des § 5 Nr. 2 b) nur dann, wenn die angedrohte Gewalttat an Ort und Stelle verübt werden soll.

[…]“

Hausratversicherung - Einbruchdiebstahl in Wohnmobil
(Symbolfoto: Tanhu/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 15.09.2016 bat die Klägerin die Beklagte um Begleichung eines ihr aus einem KFZ-Einbruch entstandenen Schadens. Laut dem beigefügten italienischen Polizeiprotokoll der Legione Carabinieri Lazio hatte der Sohn der Klägerin den VW-Bus des Ehemanns der Klägerin am Morgen des 07.09.2016 auf der Via N. in Rom abgestellt, sorgfältig abgeschlossen und am Abend desselben Tags nicht mehr vorgefunden. Der Anzeige war eine Liste mit Sport- und Reisegepäck des Sohns und seiner Freundin angeschlossen, das sich am fraglichen Tag im Bus befunden haben soll. Mit Schreiben vom 16.09.2016 lehnte die Beklagte die Regulierung des Schadens ab, weil die Voraussetzungen eines versicherten Einbruchs nicht vorlägen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, ihr Sohn lebe als Student in der Erstausbildung vorübergehend außerhalb des elterlichen Haushalts in einer Wohngemeinschaft in Bonn. Einen eigenen Haushalt habe er nicht begründet. Im Sommer 2016 sei er zusammen mit seiner Freundin im VW-Bus der Familie, den er während dieser Zeit auch zu Wohnzwecken genutzt habe, auf Italienreise gewesen. Am 07.09.2016 habe er das Fahrzeug, in dem sich ein Großteil seines Hausstands befunden habe, ordnungsgemäß auf der Via N. geparkt, um mit seiner Freundin die Innenstadt Roms zu besichtigen. Später sei das Fahrzeug nicht mehr auffindbar gewesen. Denklogisch könne es nur aufgebrochen und dann weggefahren worden sein. Der Gesamtwert der im Bus befindlichen Gegenstände sei auf 9.000 € zu beziffern.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, im Streitfall liege ein versicherter Einbruchdiebstahl i.S. des § 5 Nr. 1 Buchst. a VHB 84 vor. Die in dieser Klausel enthaltene Definition decke sich mit § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, dessen Wohnungsbegriff nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Wohnmobile und Wohnwagen umfasse, wenn dort eine Wohnnutzung stattfinde. Zumindest enthielten die in den Versicherungsbedingungen niedergelegten Tatbestandsmerkmale, insbesondere hinsichtlich der Außenversicherung in § 12 VHB 84 erhebliche Unklarheiten, die noch dadurch verstärkt würden, dass die Beklagte ihre Hausratversicherung damit bewerbe, dass Schäden durch (Einbruch-)Diebstahl von Hausrat aus Kraftfahrzeugen innerhalb der europäischen Union mitversichert seien. Diese Unklarheiten könnten nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers ausgelegt werden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 9.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 16.09.2016 zu zahlen und

2. die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 928,80 € an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Sohn der Klägerin mit dem genannten VW-Bus in Italien unterwegs und das Fahrzeug mit den aufgeführten Gegenständen beladen gewesen, in Rom abgestellt und später samt Inhalt entwendet worden sei. Überdies hat sie vorgetragen, die aufgeführten Gegenstände seien nicht versichert gewesen, weil der Sohn der Klägerin einen eigenen Hausstand in Bonn gehabt habe.

Zudem begründe der klägerische Vortrag nicht die Annahme eines Einbruchdiebstahls. Selbst ein Einbruch in das Fahrzeug begründe nicht den Versicherungsfall nach § 5 Nr. 1 Buchst. a VHB 84. Weder sei der strafrechtliche Begriff der Wohnung einschlägig noch seien die Regelungen zur Außenversicherung mehrdeutig. Versicherungsschutz gegen einfachen Diebstahl aus einem Wohnmobil sei nur gegen eine Mehrprämie zu erlangen und werde erst seit dem 04.10.2016 und damit nach dem fraglichen Vorfall im Internet beworben. Dass die Entwendung von Gegenständen durch Aufbrechen verschlossener Fahrzeuge nicht versichert sei, ergebe sich auch aus der Klausel 0010 am Ende der Versicherungsbedingungen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, das von der Klägerin vorgetragene Schadensereignis stelle keinen Versicherungsfall i.S. der Bedingungen dar. Danach hafte die Beklagte nur auf den Ersatz solcher Schäden, die aufgrund Realisierung einer versicherten Gefahr eingetreten seien. Welche Gefahren und Schäden versichert seien, sei in den §§ 3, 5 VHB 84 geregelt. Die in § 12 VHB 84 geregelte Außenversicherung stehe in erkennbarem Zusammenhang mit den Regelungen zum Versicherungsort nach § 10 VHB 84 und modifiziere lediglich diesen. Auch bei einem Schadensfall außerhalb des vereinbarten Versicherungsorts müssten daher grundsätzlich die Voraussetzungen der §§ 3, 5 VHB 84 vorliegen. Dies sei für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend erkennbar. Die Regelung zur Außenversicherung sei weder mehrdeutig noch intransparent.

Nach § 3 Nr. 2 VHB 84 gehöre der Einbruchdiebstahl zu den versicherten Gefahren. Der Einbruch in ein KFZ erfülle die darin enthaltene Definition nicht, da ein KFZ kein Gebäude im zivilrechtlichen Sinn darstelle. Der VW-Transporter möge vielleicht unter den Begriff der Wohnung i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB fallen. Eine Wohnung in diesem Sinne sei aber nicht zwingend auch ein Gebäude i.S. der Versicherungsbedingungen. Der Versicherungsvertrag stelle auf das Merkmal des Gebäudes ab, um die versicherte Gefahr auf solche Räumlichkeiten zu beschränken, die gegenüber Mobilien weniger risikobehaftet seien. Der Versicherungsschutz hätte mit der zusätzlichen Klausel 0010 auf die Gefahr des Aufbrechens von KFZ und der Entwendung von Hausrat aus diesem erweitert werden können. Die Klausel sei laut Versicherungsschein jedoch nicht vereinbart worden. Das zeige zugleich, dass die Auslegung der Versicherungsbedingungen in ihrem Regelungszusammenhang eindeutig das Aufbrechen von KFZ nicht als Einbruchdiebstahl qualifizierten. Andernfalls ergäbe die Regelung in der Klausel 0010 keinen Sinn.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, der Wortlaut des § 5 Nr. 1 Buchst. a VHB 84 setze zwar den Einbruch in ein Gebäude voraus, sei aber mit Rücksicht auf die Parallelvorschrift des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB dahin auszulegen, dass auch Wohnmobile von ihr erfasst würden. Überdies seien die Voraussetzungen des § 12 VHB 84 erfüllt, so dass auch ein Schutz über die Außenversicherung vorliege. § 12 VHB 84 mache die Regulierung des Schadens nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig, insbesondere nicht von denjenigen der §§ 3 ff. VHB 84.

Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Klausel. Auch sei zu beachten, dass § 12 Nr. 3 und 4 VHB 84 Einschränkungen für Sturm- und Raubschäden vorsähen, woraus sich im Umkehrschluss ergebe, dass der Versicherungsschutz im Übrigen keinen weiteren Bedingungen unterliege. Demgegenüber könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht erkennen, dass § 12 VHB 84 nur die Regelung über den Versicherungsort nach § 10 VHB 84 modifiziere. Jedenfalls bestünden diesbezüglich erhebliche Zweifel, so dass die Regelung nach § 305c Abs. 2 BGB insoweit unwirksam sei. Andernfalls seien die Klauseln der § 5 Nr. 1 Buchst. a, § 12 Nr. 1 VHB 84 als überraschend und daher unwirksam anzusehen. Dabei sei die Werbung der Beklagten auf ihrer Homepage zu berücksichtigen. Unerheblich sei die Klausel 0010, die nur Einbruchdiebstähle im Inland und gerade keine Kraftfahrzeuge erfasse, die als Wohnmobil genutzt würden.

Die Klägerin beantragt, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 16.09.2016 aus 9.000 € sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 928,80 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Ansicht, ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde eine Analogie zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht entwickeln. Weiter trägt sie vor, § 12 VHB 84 erweitere eindeutig lediglich den Versicherungsort und nicht die versicherten Gefahren. Selbst wenn man das Wohnmobil als Gebäude ansehen würde, setzte der Versicherungsfall voraus, dass in dieses eingedrungen worden sei. Im Streitfall sei es aber auch möglich, dass der VW-Bus mittels eines Mobilkrans entfernt worden sei, so dass es an einem Einbruchdiebstahl fehlte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG keinen Anspruch auf die von ihr beanspruchte Versicherungsleistung, weil unter Zugrundelegung ihres Sachvortrags der vereinbarte Versicherungsfall nicht eingetreten ist. Wie das Landgericht zu Recht erkannt hat, hat sich im Abhandenkommen der von der Klägerin aufgeführten Gegenstände infolge des behaupteten Einbruchs in den im Freien abgestellten VW-Bus keine versicherte Gefahr verwirklicht.

1. Im Streitfall liegt auch dann kein Einbruchdiebstahl i.S. von § 3 Nr. 3 Var. 1 VHB 84 vor, wenn man unterstellt, dass der geparkte VW-Bus in der Via N. in Rom aufgebrochen und anschließend nebst Inhalt entwendet wurde.

a) Ein Einbruchdiebstahl im Sinne der einschlägigen Bedingungen setzt nach Maßgabe von § 5 Nr. 1 VHB 84 voraus, dass der Dieb – jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des hier nicht einschlägigen § 5 Nr. 1 Buchst. c VHB 84 – in den Raum eines Gebäudes eindringt und/oder dort eine der näher geregelten Tatbestandsalternativen verwirklicht. Ein im Freien vorübergehend abgestellter VW-Bus stellt kein Gebäude in diesem Sinne dar (Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 VHB 84 Rn. 1).

b) Ein hiervon abweichendes Verständnis ist entgegen der Auffassung der Berufung im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht geboten (vgl. OLG Köln, r+s 1991, 426, 427).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 84 [juris Rn. 14] m.w.N.; st. Rspr.).

Einem solchen Versicherungsnehmer ist bereits die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des Wohnungsbegriffs des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht bekannt. Selbst wenn dies anders wäre, würde er sich zunächst am Wortlaut der Vorschriften orientieren und dabei feststellen, dass in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB von „Wohnung“ die Rede ist, während die hier in Betracht kommenden Tatbestandsalternativen von § 5 Nr. 1 VHB 84 „den Raum eines Gebäudes“ voraussetzen. Angesichts dieses Unterschieds wird auch der juristisch nicht vorgebildete Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen, dass beide Regelungen von den gleichen Anforderungen in räumlicher Hinsicht ausgehen. Vielmehr wird er annehmen, dass beide Begriffe nicht deckungsgleich sind, weil unter Zugrundelegung des allgemeinen Begriffsverständnisses einerseits eine Wohnung nicht zwingend in einem Gebäude belegen sein muss und andererseits ein Raum eines Gebäudes auch dann vorliegt, wenn es an einer Wohnnutzung fehlt.

c) Anders als die Berufung meint, ist die Klausel auch nicht überraschend i.S. des § 305c Abs. 1 BGB. Vielmehr findet sie sich in unmittelbarem örtlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beschreibung der übrigen versicherten Gefahren zu Beginn der Versicherungsbedingungen.

Ohne Belang ist insofern der Internetauftritt der Beklagten. Die dort enthaltene allgemeine Beschreibung des angebotenen Versicherungsschutzes wird ein verständiger Versicherungsnehmer mangels abweichender Hinweise nur auf neu abzuschließende oder erst kürzlich abgeschlossene Verträge, nicht aber auf solche beziehen, die – wie im Streitfall – bereits vor mehr als zwanzig Jahren zu alten Bedingungen abgeschlossen worden sind (vgl. hierzu den Versicherungsschein, Anl. K6).

2. Nichts Anderes folgt aus der Regelung über die Außenversicherung in § 12 Nr. 1 VHB 84. Denn diese modifiziert – wie das Landgericht richtig erkannt hat – nur die vertraglichen Bestimmungen hinsichtlich des Versicherungsorts nach § 10 VHB 84, nicht aber der versicherten Risiken nach § 3 AHB 84 (OLG Stuttgart, r+s 2013, 389, 390; OLG Köln, r+s 1991, 426; LG Hamburg, VersR 2002, 354; vgl. auch OLG Hamm, VersR 1992, 353 a.E.; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 VHB 84 Rn. 1; a.A. LG Hamburg, r+s 1996, 32).

a) Das ergibt die Auslegung der Klausel aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers.

Zwar weist die Berufung zutreffend darauf hin, dass der Wortlaut der Regelung nicht ausdrücklich auf § 3 VHB 84 Bezug nimmt, sondern lediglich den Versicherungsschutz für versicherte Sachen in örtlicher Hinsicht auf das Gebiet Europas im geographischen Sinn erstreckt, solange sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung des Versicherungsnehmers befinden. Daraus könnte bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck entstehen, dass es im Falle der Einschlägigkeit der Klausel für den Eintritt des Versicherungsfalls gleichgültig sei, ob sich die versicherte Sache bei Schadenseintritt innerhalb oder außerhalb eines Gebäudes befindet.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer belässt es aber nicht bei der reinen Wortlautausdeutung. Vielmehr stellt er sich die naheliegende Frage, unter welchen Voraussetzungen er Entschädigung für versicherte Sachen verlangen kann, die durch § 12 Nr. 1 VHB 84 erfasst werden. Auf diese Weise gerät er wieder zur detaillierten Regelung über die versicherten Gefahren und Schäden in den §§ 3 ff. VHB 84 (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. G V Rn. 18). Demgegenüber wird er, anders als die Berufung meint, bei verständiger Würdigung der Bedingungen nicht annehmen, dass der Versicherer abweichend von den §§ 3 ff. VHB 84 für jedweden Schaden an einem versicherten Gegenstand einstehen will, falls sich dieser i.S. des § 12 Nr. 1 VHB 84 vorübergehend außerhalb der Wohnung des Versicherungsnehmers befunden hat (ähnlich: OLG Köln, r+s 1991, 426). So geht kein vernünftiger Versicherungsnehmer davon aus, dass ein einfacher Diebstahl außerhalb seiner Wohnung vom Versicherungsschutz erfasst sein soll, während ein solcher innerhalb seiner Wohnung nach Maßgabe von § 3 VHB 84 trotz des deutlich geringeren Risikos ausgenommen wäre.

Vielmehr entnimmt er den Versicherungsbedingungen bei aufmerksamer Durchsicht, dass die Regelung des § 12 Nr. 1 VHB 84 in erkennbarem Sinnzusammenhang mit § 10 VHB 84 steht, nach dessen Maßgabe Versicherungsschutz für versicherte Sachen grundsätzlich nur innerhalb der im Versicherungsschein bezeichneten Wohnung des Versicherungsnehmers besteht (§ 10 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 Satz 1 VHB 84) und diesen erweitert. Hierfür spricht auch die systematische Stellung von § 12 VHB 84 unmittelbar nach den Regelungen zum Versicherungsort nach § 10 VHB 84 und zum Wohnungswechsel nach § 11 VHB 84, die auch ein Versicherungsnehmer ohne rechtliche Vorkenntnisse erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2016 – IV ZR 245/15, r+s 2016, 462 Rn. 26).

In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer durch die Regelungen in § 12 Nr. 3 und 4 VHB 84 bestärkt. Dadurch, dass diese auf die versicherten Gefahren Sturm und Raub ausdrücklich Bezug nehmen, wird ihm deutlich, dass der Versicherungsfall den Eintritt einer versicherten Gefahr voraussetzt. Hingegen wird er entgegen der Meinung der Berufung nicht im Wege des „Umkehrschlusses“ annehmen, dass der Versicherungsschutz im Übrigen keinen weiteren Bedingungen unterliege (a.A. LG Hamburg, r+s 1996, 32 f.; wie hier allerdings LG Hamburg, VersR 2002, 354; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. G V Rn. 18). Vielmehr wird er lediglich den Schluss ziehen, dass der Versicherungsfall bei Verwirklichung des versicherten Risikos Einbruchdiebstahl in der Außenversicherung – anders als im Fall von Sturm- und Raubschäden – keinen weiteren tatbestandlichen Einschränkungen unterliegt.

Auf die Frage, ob ein Versicherungsnehmer überdies vom Inhalt der nicht in den Versicherungsvertrag einbezogenen Klausel 0010 Kenntnis genommen und hieraus die vom Landgericht gezogenen sowie seitens der Berufung beanstandeten Schlüsse gezogen hätte, kommt es danach nicht an.

b) Die Klausel ist nicht in einer Weise unklar, dass die Zweifel nach § 305c Abs. 2 BGB eine Auslegung im Sinne der Berufung rechtfertigten. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14.06.2017 – IV ZR 161/16, r+s 2017, 421 Rn. 12). Wie unter a im Einzelnen ausgeführt weist § 12 Nr. 1 VHB 84 keine solche Mehrdeutigkeit auf (so auch OLG Stuttgart, r+s 2013, 389 f.).

c) Die Regelung über die Außenversicherung in § 12 Nr. 1 VHB 84 ist auch nicht überraschend i.S. des § 305c Abs. 1 BGB, wobei ihre fehlende Einbeziehung ohnehin zu keiner Begründetheit des Klagebegehrens führen würde. Die Klausel befindet sich als Erweiterung des Versicherungsschutzes in systematischer Hinsicht unmittelbar nach den Regelungen über den Versicherungsort, wo sie der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch erwartet. Aus der vorgelegten Werbung der Beklagten für ihre Versicherungsprodukte auf ihrer Homepage folgt nichts Anderes (s. hierzu oben unter 1 c).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

 

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