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Hausratsversicherung: Beweislast des Versicherungsnehmers für Einbruchsdiebstahl

OLG Hamm, Az.: I-6 U 30/17, Beschluss vom 15.05.2017

In der Rechtssache … beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten durch Beschluss gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.06.2017.

Gründe

I)

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Es sind auch sonst keine Gründe vorhanden, die die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung geboten erscheinen lassen.

II)

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Hausratversicherungsvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2008) geltend.

Am 05.12.2015 bemerkte die Ehefrau des Klägers den Verlust einer in ihrer Wohnung unter einem Sofa versteckten Geldkassette. Sie erstattete am selben Tag Strafanzeige, wobei die Polizeibeamten festhielten, dass an allen Fenstern und Türen des Wohnhauses keinerlei Einbruchsspuren festgestellt werden konnten. Ein an einer Seiteneingangstür festgestelltes verbogenes und bereits angerostetes Blech befand sich bereits seit Jahren in diesem Zustand. Am 18.12.2015 teilte die Ehefrau des Klägers der Polizei ferner mit, dass sie inzwischen festgestellt habe, dass auch ihr im Schlafzimmerschrank in sechs Schmuckkästchen aufbewahrter Schmuck fehle.

Hausratsversicherung: Beweislast des Versicherungsnehmers für Einbruchsdiebstahl
Symbolfoto: Zinkevych/Bigstock

Der Kläger hat klageweise von dem Beklagten Zahlung von 20.000 EUR (10.000 EUR für abhanden gekommenes Bargeld sowie weitere 10.000 EUR für abhanden gekommenen Schmuck) verlangt.

Sie hat dazu behauptet, dass es zwischen dem 03.12.2015 und 05.12.2015 zu einem bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl gekommen sei. Dies ergebe sich aus den polizeilichen Feststellungen. Zwar hätten zunächst keine frischen Einbruchsspuren festgestellt werden können, da insbesondere die vorhandenen Hebelspuren auf einen älteren Wohnungseinbruchdiebstahl zurückzuführen seien. Die Ermittlungen hätten jedoch ergeben, dass nicht auszuschließen sei, dass die Tür mit einem geeigneten Gegenstand ohne weitere sichtbare Beschädigung der Tür geöffnet worden sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die polizeilich ermittelten Tatumstände ausreichten, um das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls darzulegen. Dies gelte umso mehr, als es sein könne, dass nicht sichtbare Überdeckungen der alten Einbruchsspuren mit den neuen Einbruchsspuren vorhanden seien. Es könne aber auch mittels eines Dietrichs ohne klassische Einbruchsspuren eingebrochen worden sein; sämtliche Wohnungsschlüssel hätten sich im fraglichen Zeitraum beim Kläger befunden.

Der Beklagte war der Klage entgegengetreten und hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass in Ermangelung von Einbruchsspuren allein von einem einfachen Diebstahl ausgegangen werden könne, was durch Äußerungen der Ehefrau des Klägers gegenüber seinem Privatgutachter erhärtet werde.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage des Klägers abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung der dem Versicherungsnehmer zustehenden Beweiserleichterungen sei es Sache des Klägers gewesen, das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung zu beweisen. Hierzu bedürfe es der Darlegung und des Beweises eines Mindestmaßes an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine bedingungsgemäße Entwendung zuließen. Die hier vorhandenen Einbruchsspuren seien jedoch einem länger zurückliegenden Ereignis zuzuordnen, so dass diese älteren Einbruchsspuren kein äußeres Bild im Hinblick auf den jetzt geltend gemachten Versicherungsfall darstellten. Es seien auch keine Feststellungen möglich, dass über die alten, rostbehafteten Beschädigungen hinaus tatsächlich neue Einbruchsspuren vorhanden wären, die sich möglicherweise teilweise mit den älteren Spuren überlagert hätten. Zwar ließe sich nicht zwingend ausschließen, dass die Türen nicht doch mit einem geeigneten Gegenstand ohne weitere sichtbare Bescheinigungen der Tür geöffnet worden sei. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um eine denkbare, nicht zwingend ausschließbare Möglichkeit, was für einen Versicherungsfall nicht ausreichend sei, da hierzu feststehen müsse, dass diese Tatvariante von mehreren, zumindest teilweise nicht bedingungsgemäßen möglichen Begehungsweisen die wahrscheinlichere sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt, dass das Landgericht keinen Beweis über die Frage, ob die alten Einbruchsspuren von frischen Einbruchsspuren überdeckt worden seien, insbesondere ob frische Hebelspuren vorhanden gewesen seien, erhoben habe. Es könne auch mittels eines so genannten Dietrichs ohne klassische Einbruchsspuren eingebrochen worden sein; es sei jedenfalls nur ein Einbruch möglich, da sich alle Wohnungsschlüssel im fraglichen Zeitraum beim Kläger vorhanden und die Tür von außen nicht ohne Schlüssel zu öffnen gewesen sei.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen. Er macht geltend, dass Beschädigungen, die nicht sichtbar seien, weder durch Zeugen- noch durch Sachverständigenbeweis bestätigt werden könnten. Frische Einbruchsspuren könnten nicht festgestellt werden. Das Vorliegen eines Nachschlüsseldiebstahls werde seitens des Klägers nicht behauptet. Die Möglichkeit eines Eindringens mittels eines Dietrichs Belege das äußere Bild nicht, da die Ehefrau des Klägers selbst mitgeteilt habe, dass es sein könne, dass ein Schlüssel weggekommen sei und ferner dass ein Handwerker Gelegenheit gehabt habe, die Wertgegenstände und das Geld ohne Einbruch an sich zu nehmen.

III)

Die Berufung des Klägers verspricht offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand steht dem Kläger kein Anspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag gegen den Beklagten zu. Zur Begründung wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die hiergegen von dem Kläger mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung nicht bewiesen hat. Eine bedingungsgemäße Entwendung liegt bei einem – vom Kläger behaupteten – Einbruchsdiebstahl gem. § 3 Nr. 2, Buchst. a), S. 1 der vereinbarten Versicherungsbedingungen (VHB 2008) nur dann vor, wenn der Dieb in den Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels eines Schlüssels, dessen Anfertigung für das Schloss nicht von einer dazu berechtigten Person veranlasst oder gebilligt worden ist (falscher Schlüssel), oder mittels Werkzeugen eindringt. Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchsdiebstahls beim Versicherungsnehmer, dem Kläger. Hierfür reicht es – auch für den Fall des Gebrauchs eines falschen Schlüssels – nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen (vgl. § 3 Nr. 2, Buchst. a), S. 2 VHB 2008) nicht aus, dass er darlegt und beweist, dass versicherte Sachen abhanden gekommen sind. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis eines Mindestmaßes an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine versicherte Entwendung zulassen. Zu einem solchen Mindestmaß an Tatsachen gehört bei einem behaupteten Einbruchsdiebstahl – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls -, dass Einbruchspuren vorhanden sind. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die vorgefundenen Spuren „stimmig“ in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen (vgl. BGH VersR 2007, 241; VersR 2015, 710, 711).

a)

Vorliegend fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung des Vorhandenseins von Einbruchspuren durch den Kläger. Unstreitig waren weder an der in Betracht kommenden – als „Kontortür“ bezeichneten – Eingangstür noch an anderer Stelle Einbruchspuren vorhanden. An der bezeichneten Tür vorhandene Hebelspuren stammten unstreitig aus einem anderen – erfolglosen – Einbruchsversuch in der Vergangenheit. Sie sind daher nicht geeignet, das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls zu belegen. Hinzu kommt, dass auch sonst keine Spuren behauptet und unter Beweis gestellt sind, die auf einen Einbruchsdiebstahl hindeuten könnten. Insbesondere zu Spuren, die auf ein Durchsuchen der Räumlichkeiten zum Zwecke des Auffindens von Wertgegenständen schließen ließen, hat der Kläger nichts vorgetragen, obwohl das Vorhandensein solcher Spuren vor dem Hintergrund darauf, dass die als entwendet angezeigte Geldkassette – für den Täter nicht ohne weiteres sichtbar – unter dem Sofa und der Schmuck im Schlafzimmerschrank deponiert gewesen sein sollen, zu erwarten gewesen wäre.

Soweit sich der Kläger mit seiner Berufungsbegründung auf das Vorhandensein nicht sichtbarer Einbruchspuren beruft, beruht sein Sachvortrag lediglich auf einer von den Polizeibeamten aufgestellten Vermutung, durch die sich das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls nicht beweisen lässt. Auch darf eine Beweisaufnahme nicht der Ausforschung von Tatsachen dienen.

b)

Zwar ist es dem Versicherungsnehmer auch beim Fehlen von Einbruchspuren möglich, den erforderlichen Mindestbeweis für einen versicherten Einbruchsdiebstahl zu führen. Hierzu kann der Nachweis ausreichen, dass von mehreren möglichen Begehungsweisen der Tat die nicht versicherten Begehungsweisen unwahrscheinlich sind, wenn sich daraus und aus anderen Umständen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Begehungsweise folgern lässt. Das setzt jedoch voraus, dass der Versicherungsnehmer Indizien darlegt und beweist, die alle nicht versicherten Entwendungsmöglichkeiten als so unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sich nach dem Gesamtbild daraus eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Begehungsweise folgern lässt (vgl. OLG Hamm, VersR 2015, 1374, 1376). Daran fehlt es.

Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen und unter Beweis gestellt, die andere – nicht versicherte – Begehungsweisen ausschließen oder unwahrscheinlich erscheinen lassen. Nach dem Sachvortrag der Beklagten kommt – neben der vom Kläger benannten Möglichkeit der bedingungsgemäßen Entwendung mittels eines falschen Schlüssels (Dietrich) – auch die nicht versicherte Entwendung mittels eines richtigen, nicht durch Diebstahl, Einbruchsdiebstahl oder Beraubung erlangten Schlüssels durch eine fremde oder dem Kläger bekannte Person oder durch sonstige Dritte in Betracht, die in der fraglichen Zeit bis zur Entdeckung des Diebstahls durch seine Ehefrau berechtigt oder unberechtigt Zugang zu den Räumlichkeiten gehabt hatten. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger – wie er erstinstanzlich behauptet und unter Beweis gestellt hat – nach wie vor im Besitz sämtlicher Haustürschlüssel ist.

Berichtigungsbeschluss vom 1. Juni 2017:

Der Tenor des Beschlusses des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Mai 2017 wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers (nicht: „der Beklagten“) … zurückzuweisen.

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