OLG Dresden – Az.: 4 U 1353/16 – Beschluss vom 13.12.2016
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, den 07.02.2017, 9.00 Uhr, bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 15.250,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung bereits erbrachter Versicherungsleistungen aus einem zwischen den Parteien bestehenden Haushaltsversicherungsvertrag. Zur Begründung führt sie an, der zugrunde liegende Schadensfall sei unter Beteiligung des ehemals bei der Klägerin beschäftigten Schadensregulierers A. N. fingiert gewesen. Nach Teilrückzahlungen auf die ursprünglich verlangten über 56.000,00 EUR hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 15.250,00 EUR verurteilt. In seiner hiergegen gerichteten Berufung meint der Beklagte unter Darlegung der Grundsätze des Bereicherungsrechts, die Klägerin könne allenfalls von seinem Sohn, nicht aber von ihm selbst die Zahlung verlangen, obendrein seien ihm Täuschungshandlungen seines Sohnes nicht zuzurechnen. Im Übrigen stelle die Rückforderung des Betrages eine „übermäßige Härte für den Beklagten“ dar.
II.
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht auch für den zuletzt noch offenen Betrag einen Rückforderungsanspruch der Klägerin nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechtes bejaht. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe rechtfertigen keine hiervon abweichende Beurteilung.
Im Einzelnen:
1. Soweit der Beklagte sich – erneut – darauf beruft, mit der Versicherungsleistung habe die Klägerin zwar möglicherweise den Zweck verfolgt, das Vermögen des Beklagten selbst und nicht dessen Sohn zu mehren, dieser Zweck sei indes fehlgeschlagen, weil die Zahlungen tatsächlich an den Sohn geflossen seien, mit der Folge, dass allein zwischen der Klägerin und dem Sohn eine Rückabwicklung erfolgen könne, so trifft dieser Einwand nicht zu. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, erfolgte die Zahlung der Versicherung nicht mit dem Zweck, entweder den Beklagten oder dessen Sohn zu bereichern, sondern zur Erfüllung einer eigenen – vermeintlichen – Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag und damit zum Zwecke der Befreiung von einer Verbindlichkeit. Die Verbindlichkeit, die in der Erfüllung bestimmter Regulierungsverpflichtungen zu sehen war, bestand aber allein gegenüber dem Beklagten und nicht gegenüber dem bevollmächtigten Sohn. Erlaubt der Beklagte als Versicherungsnehmer die – leistungsbefreiende – Zahlung direkt an den Sohn, so ändert dies die Zweckbestimmung der Versicherungsleistung nicht. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rückabwicklung von Leistungen im Dreipersonenverhältnis gelten bei einer Stellvertretung auf Seiten des Leistungsempfängers nicht. Hier handelt es sich nicht um ein Dreiecksverhältnis (BGH NJW 2012, 3366). Ein Versicherer hat regelmäßig ausschließlich Interesse daran, von seiner echten oder vermeintlichen Regulierungspflicht freizuwerden. Darauf, dass eine bestimmte Person die Versicherungsleistung empfängt, kommt es ihm in aller Regel nicht an; auch hier sind solche Gründe nicht dargetan. Eine Zweckverfehlung kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.
2. Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen bzw. – wie er sich ausdrückt – auf die fehlende Mehrung seines eigenen Vermögens. Unstreitig hat der Beklagte seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht an den Sohn abgetreten, sondern er hat ihm stattdessen eine umfassende Vollmacht zur Abwicklung des Versicherungsfalles erteilt und ihm damit nicht mehr als in den Rang eines bevollmächtigten Stellvertreters erhoben. Er blieb damit Inhaber aller Leistungsansprüche gegenüber der Versicherung. Daher wird die Annahme der Vermehrung des eigenen Vermögens des Beklagten durch die Zahlung auf das Konto des Sohnes nicht gehindert. Denn da der Sohn mit der Abwicklung des Schadensfalles betraut war, konnte es auch durchaus rein technische Gründe haben, sich das Geld auf das Konto des Sohnes anstatt auf das eigene Konto überweisen zu lassen. Eine Schenkung des Geldes an den Sohn hat der Beklagte ebensowenig behauptet wie eine Abtretung aller Versicherungsansprüche. Damit ist davon auszugehen, dass sich die Versicherungsleistungen noch im Vermögen des Beklagten befinden.
3. Die Täuschungshandlungen seines Sohnes sind dem Beklagten zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob beim Schadensfall am 16.07.2009 – über dessen Umfang unstreitig getäuscht wurde – tatsächlich zumindest ein Schaden von 15.250,00 EUR entstanden ist. Denn jedenfalls hat nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts der Sohn über den Umfang des tatsächlich entstandenen Schadens insgesamt arglistig getäuscht. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt dies zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers (BGH, Beschluss vom 13.07.2005, IV ZR 211/04, juris Orientierungssatz; BGH, Urteil vom 02.10.1985, IVa ZR 18/84 und vom 23.09.1993, IV ZR 199/91). Eine nur teilweise Leistungsfreiheit würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Berufung des Versicherers auf vollständige Leistungsfreiheit sich als unzulässige Rechtsausübung darstellen würde (BGH, aaO., juris Rz. 24 m.w.N.). Deren Annahme setzt aber ganz besondere Umstände des Einzelfalles voraus. Der Verlust des Versicherungsschutzes muss für den Versicherungsnehmer nicht nur eine übermäßige Härte darstellen, sondern es kommt entscheidend auch auf das Maß des Verschuldens an. Eine unzulässige Rechtsausübung ist demnach regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Täuschung lediglich einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und bei der Billigkeitsprüfung weitere Gesichtspunkte zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen (BGH, aaO., Rz. 24, m.w.N.). Erforderlich ist stets eine wertende Gesamtschau aller Umstände. Vorliegend mag zwar den Beklagten die Rückzahlungsverpflichtung wegen der besonderen Konstellation unter Beteiligung seines Sohnes härter treffen als den „gewöhnlich“ täuschenden Versicherungsnehmer. Eine „unbillige Härte“ im Sinne der Rechtsprechung liegt hierin aber noch nicht. Eine existenzbedrohende Lage durch den Verlust des Versicherungsschutzes und die Rückzahlungsverpflichtung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt ebenfalls BGH, aaO.) hat der Beklagte nicht dargelegt. Die Täuschung betraf auch nicht lediglich einen untergeordneten Teil des gesamten Schadensfalles, sondern war gravierend. Dabei war jedenfalls für seinen Sohn ein von betrügerischer Absicht getragenes Gewinnstreben vorrangig vor der Durchsetzung vermeintlich berechtigter Interessen.
Dieses Verhalten des Sohnes muss der Beklagte sich nach §§ 164, 166 BGB zurechnen lassen. Das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht trägt dabei grundsätzlich der Vertretene – hier also der Beklagte (BGH, Urteil vom 29.06.1999, XI ZR 277/98, juris Rz. 12). Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei aber eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (BGH, aaO., m.w.N.). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.
Der Senat rät auf dieser Grundlage zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.