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Hausrat- und Wohngebäudeversicherung –  Leitungswasserschaden – „Rückstau von Niederschlagswasser“

KG Berlin, Az.: 6 U 151/14, Beschluss vom 31.07.2015

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen; der Kläger hat auch die Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte bzw. deren Streithelferin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Hausrat- und Wohngebäudeversicherung -  Leitungswasserschaden - "Rückstau von Niederschlagswasser"
Symbolfoto: Von michelmond /Shutterstock.com

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagte auf Grund einer bei dieser auf der Grundlage der Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84) bestehenden Hausratversicherung sowie einer Wohngebäudeversicherung wegen am 1. und 7. Juli 2012 erfolgter Leitungswasserschäden auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 48.000,- EUR in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 8. Oktober 2014 (Bl. 84-89 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen wegen der Einzelheiten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner hiermit in Bezug genommenen Berufung, mit der er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der weiterverfolgten Entschädigungsleistung begehrt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

an ihn 48.000,- EUR zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und treten dem Vorbringen des Klägers weiter entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da der Senat einstimmig der Überzeugung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, weswegen auch im Falle einer Entscheidung durch Urteil die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht veranlasst wäre.

1. Auf den hiermit in Bezug genommenen Hinweis des Senats vom 2. Juni 2015 (Bl. 153-156 d.A.), dass es hinsichtlich eines Betrages von 777,46 EUR bereits an einer Berufungsbegründung fehle, weil sich aus den einzelnen in dem Schriftsatz vom 25. September 2014 bzw. den Anlagen K 7 und K 14 – K 19 aufgeführten Beträgen nur eine Summe von 47.222,54 EUR ergibt, der Kläger aber Zahlung von 48.000,- EUR verlangt, hat der Kläger nicht reagiert, insbesondere hat er insoweit die Berufung nicht zurückgenommen, so dass deren Zurückweisung zu erfolgen hatte.

2. Aber auch im Übrigen hat das Landgericht die Klage auf Zahlung einer Entschädigung gemäß §§ 1 ff. VVG in Verbindung mit den Regelungen der Allgemeine Hausratsversicherungsbedingungen (VHB 84) zu Recht abgewiesen, weil Ansprüche des Klägers aus den Ereignissen vom 1. und 7. Juli 2012 nach § 9 Nr. 4 b VHB 84 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt im Ergebnis keine andere Entscheidung. Dazu kann auf die Gründe des Hinweisbeschlusses des Senats nach § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO vom 2. Juni 2015 verwiesen werden, die durch das Vorbringen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 13. Juli 2015 nicht entkräftet werden.

Soweit der Kläger auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 13. Juli 2015 den Ausführungen des Senats mit dem Hinweis entgegentritt, ihm sei nicht nachvollziehbar, dass das Gericht die Beweislastverteilung nicht zu Lasten der Beklagten ersehen wolle, mag dies darauf zurückzuführen sein, dass der Senat eine derartige Rechtsansicht in dem Hinweisbeschluss nicht geäußert hat. Vielmehr heißt es auf Seite 3 (oben) des Hinweisbeschlusses ausdrücklich: “…Diese Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versicherungsschutzes … hat … der Versicherer (hier also die Beklagte) zu beweisen”.

Allerdings bleibt der Senat auch in Ansehung der Ausführungen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 13. Juli 2015 dabei, dass dieser der Beklagten obliegende Beweis als im Wege des Anscheinsbeweises geführt anzusehen ist. Dies hat nichts damit zu tun, dass – wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 13. Juli 2015 weiter ausführt – bei einem im Gebiet des Grundstücks des Klägers vorliegenden (Abwasser-) Trennsystem die verschiedenen Systeme eben gerade nicht “irgendwo im Stadtgebiet wieder zusammengeführt” werden. Denn Derartiges hatte der Senat in seinem Hinweisbeschluss überhaupt nicht ausgeführt. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus der Tatsache, dass sein Grundstück im Gebiet des sogenannten Trennsystems liegt und er an die öffentliche Regenwasserentwässerung gar nicht angeschlossen ist, nicht, dass ein Rückstau nicht durch Regenwasser verursacht worden sein kann. Denn er hat – wie auf Seite 3 des Hinweisbeschlusses ausgeführt – nicht den Vortrag der Streithelferin bestritten, dass – auch wenn Schmutzwasser und Regenwasser im Trennsystem abgeführt werden – die beiden Systeme nicht hermetisch voneinander getrennt sind, vielmehr “bei Starkregenfällen auch das Einfließen von Regenwasser in die Schmutzwasserkanäle technisch bewusst in Kauf genommen … (und) … das Schmutzwassersystem als zusätzliches Regenentwässerungssystem bei Regenfällen” dient. Zu den Ausführungen, dass insbesondere über die Rundöffnungen der Abdeckungen der Einstiegsschächte der Schmutzwasserkanäle (Gullydeckel) erhebliche Regenwassermengen (beispielsweise bei einem Wasserstand von 10 cm über der Schachtabdeckung bis zu 80 cbm Wasser pro Stunde pro Kanaldeckel) in den Abwasserkanal einfließen, hat er nicht Stellung genommen. Entgegen der Ansicht des Klägers war der Streithelferin, die durch ihren Beitritt die prozessuale Stellung gemäß § 67 ZPO erlangt hat, entsprechender Vortrag “prozessual zuzubilligen”, zumal ihr Vorbringen nicht “ohne jedweden Nachweis” erfolgt, sondern durch Inbezugnahme der Anlage SV 1 und den Verweis auf die Deutsche Industrie Norm (DIN) 19589 substantiiert und unter das Beweisangebot “Sachverständigengutachten” gestellt worden ist.

Aus den von ihm eingereichten Auszügen aus Veröffentlichungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Anlagen A 1 und A 2) ergibt sich nichts anderes. Dass im Trennsystem Schmutzwasser und Regenwasser in zwei voneinander getrennten Kanalisationsnetzen abgeleitet werden, schließt eine Vermischung durch Notüberläufe und Kanalisationsdeckel nicht aus, wie sich mittelbar auch aus S. 4, 3. Absatz der Anlage A 1 ergibt, wo es heißt, dass “Gebiete, in denen das Regenwasser dezentralen Versickerungsanlagen zugeführt wird (…) und die nur noch für die Starkregenereignisse einen Überlauf in die Kanalisation bzw. Gewässer aufweisen”, trotzdem diesen Gewässern (erstaufnehmenden Gewässern) zugeordnet worden seien.

Soweit der Kläger den Schluss des Senats, dass der Rückstau – auch – deshalb als durch Niederschlagswasser verursacht anzusehen ist, weil das bestimmungswidrig ausgetretene Abwasser auch Tannennadeln und sonstige Vegetationsreste enthielt, mit dem Hinweis entgegentritt, dass das öffentliche Kanalnetz auch Schäden aufweisen kann, durch die Fremdkörper – so eben auch Vegetationsreste u.ä. – eintreten können, überzeugt dies letztlich nicht. Zwar steht außer Frage, dass das öffentliche Kanalnetz Schäden aufweisen kann (dass das Kanalnetz, an das sein Grundstück angeschlossen ist, Schäden aufweist, behauptet der Kläger nicht ausdrücklich), in der von ihm in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen, im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt erstellten Studie “Kanalabdichtungen – Auswirkungen auf die Reinigungsleistung der Kläranlagen und der Einfluss auf den örtlichen Wasserhaushalt” wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass “die Ursachen von Fremdwasseranfall an Abwasserleitungen und -kanälen … neben Grundwasserzuflüssen … (auch) … Niederschläge” sein können (Anlage A 3). Berücksichtigt man außerdem, dass die Leitungswasserschäden im Hause des Klägers am 1. und 7. Juli 2012 jeweils im Anschluss an lang anhaltenden Starkregen aufgetreten sind und der Kläger eingeräumt hat, dass “auch im Abwasser … Reste von Vegetation (also Baumnadeln, Blätter etc.) vorhanden sind, … (die) … über die Kanaldeckelöffnungen sowie über die Straßenentwässerung in das öffentliche Kanalnetz” eintreten, rechtfertigt dies den Schluss, dass der mehrmalige bestimmungswidrige Austritt von Abwasser in dem Keller des Hauses des Klägers auf durch Witterungsniederschläge verursachten Rückstau zurückzuführen ist.

Aus welchen Tatsachen ein entsprechender Erfahrungssatz abgeleitet werden kann, hat der Senat auf Seite 3 des Hinweisbeschlusses dargelegt; eines nochmaligen Hinweises bedarf es nicht.

Die Ausführungen des Klägers zu unterschiedlichen Formen der Kausalität sind nicht fallbezogen. Entscheidend ist vielmehr, dass vorliegend aus den in dem Hinweisbeschluss dargelegten Gründen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den streitgegenständlichen Leitungswasserschäden und Witterungsniederschlägen besteht.

Entgegen der Ansicht des Klägers führt dies keineswegs dazu, dass “künftig eine Haftung einer Versicherung in Deutschland für einen Leitungswasserschaden dem Grunde nach ausgeschlossen ist, … weil in jedem nicht bestimmungsgemäß ausgetretenem Leitungswasser auch Fremdwasserkomponenten enthalten sind.”. Abgesehen davon, dass dem Senat aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Bereich des Versicherungsrechts eine Vielzahl von Fällen bekannt ist, in denen in bestimmungswidrig ausgetretenem Leitungswasser keine “Fremdwasserkomponenten” enthalten waren (und teilweise – wie z.B. bei Frischwasser oder Wasser aus Heizungsanlagen – gar nicht enthalten sein konnten), kommt es für einen Ausschluss vom Versicherungsschutz insoweit nur darauf an, ob Leitungswasser bestimmungswidrig in Folge eines durch Witterungsniederschlag verursachten Rückstaus ausgetreten ist. Sonstige in dem bestimmungswidrig ausgetretenen Leitungswasser enthaltene “Fremdwasserkomponenten” – etwa “Bach- und Quellwasser sowie … über undichte Abwasserleitungen und -kanäle eindringendes Grundwasser” – spielen keine Rolle. Den ihr obliegenden Beweis für das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 9 Nr. 4 b VHB 84 hat die Beklagte im Wege des Anscheinsbeweises geführt. Der Kläger hat diesen Anscheinsbeweis nicht durch die Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs erschüttert. Der Ausschluss in § 9 Nr. 4 b) VHB 84 umfasst ohnehin auch – “ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen” – Schäden infolge eines Rückstaus durch Grundwasser. Die gegen das klageabweisende Urteil geführte Berufung hat daher keinen Erfolg.

Auch sonst sieht der Senat nach erneuter Beratung keine Veranlassung, von der in dem Hinweis vertretenen Auffassung abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97Abs. 1, 101 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils folgt aus § 708Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.

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