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Handy-Schutzbrief-Versicherung – Trick-Diebstahl des Handys in einer Disco

AG Wiesbaden – Az.: 91 C 2911/18 (28) – Urteil vom 29.01.2019

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gemäß des Versicherungsscheines „HandySchutzbrief Premium“ vom 20.11.2017 mit der Policen-Nummer … anlässlich des Diebstahls des Mobiltelefons „Apple iPhone 8 plus 256 GB Gold, Seriennummer …“ vom 11.3.2018 eintrittspflichtig ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der …, i.H.v. 201,71 € freizustellen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger war Versicherungsnehmer einer von der Beklagten angebotenen Versicherung „HandySchutzbrief Premium“ mit der Versicherungsnummer … . Versichertes Gerät war ein Mobiltelefon der Marke Apple, Type iPhone 8 Plus 256 GB Gold mit der Seriennummer … mit einem Kaufpreis i.H.v. 1.057,00 €. Versicherungsbeginn war der 21.12.2017. Im Versicherungsschein war „Versicherungsschutz bei Abhandenkommen des versicherten Gerätes […] durch Diebstahl, sofern Sie das Gerät in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt haben“ vorgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsscheines wird auf Anl. K1 (Bl. 5 f. der Akte) Bezug genommen.

In den dazugehörigen „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den HandySchutzbrief Premium (März 2016)“ (nachfolgend: „Versicherungsbedingungen“) war in § 1.4.7 vorgesehen:

„Versichert [ist] das Abhandenkommen des versicherten Gerätes durch Diebstahl, sofern Sie das Gerät in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt haben. Ihr Gerät ist nur dann gegen Diebstahl versichert, wenn sie es auch in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt haben. Behalten Sie es immer im Blick- und Körperkontakt, so dass sie einen Diebstahl sofort bemerken und abwehren könnten.“

In § 1.5 der Versicherungsbedingungen war ausgeführt, dass sicherer persönlicher Gewahrsam gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer das versicherte Gerät jederzeit so im Blick- und Körperkontakt hat, dass ein unberechtigter Zugriff auf das Gerät sofort bemerkt und abgewehrt werden „könnte“. Zudem hieß es: „Führen Sie [das versicherte Mobiltelefon] nicht einfach in unverschlossenen Jacken- oder Hosentaschen oder leicht zugänglichen Rucksack oder einer sonstigen Taschen mit sich und lassen Sie es nie unbeaufsichtigt.“ Unter § 1.6 der Versicherungsbedingungen war als Beispiel für das Nichtvorliegen gesicherten Gewahrsams u.a. aufgeführt: Das Mitführen „in der Öffentlichkeit, insbesondere […] in Clubs und Diskotheken“ […] „in einer unverschlossenen Jackenaußen-, Gesäß- oder Beintasche“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherungsbedingungen wird auf Anl. K2 (Bl. 7 f. der Akte) Bezug genommen.

Am 10.3.2018 suchte der Kläger das Tanzlokal in der … auf. Hierbei verwahrte er sein Handy in seiner vorderen Hosentasche. Als er gegen 3:00 Uhr am 11.3.2018 sein Mobiltelefon greifen wollte, bemerkte der Kläger, der an diesem Abend lediglich ein Bier getrunken hatte, dass dieses abhandengekommen war.

Mit einer E-Mail vom 22.3.2018 lehnte die Beklagte die Regulierung ab.

In der Folgezeit beauftragte der Kläger zur Durchsetzung seines Anspruchs die Prozessbevollmächtigten, die die Beklagte mit einem anwaltlichem Schreiben vom 28.4.2018 zur Zahlung einer Versicherungssummer i.H.v. 1.057,91 € „bis zum 16.05.2017“ aufforderten.

Der Kläger behauptet zuletzt, dass ihm sein Mobiltelefon am 11.3.2018 in der Zeit von 2:00 Uhr und 3:00 Uhr aus der Hosentasche mittels Trickdiebstahl entwendet worden sei, während ihm ein Unbekannter auf der Tanzfläche angerempelt habe.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte gemäß des Versicherungsscheines vom 20.11.2017 gemäß der Bedingungen „Allgemeine Versicherungsbedingungen für den HandySchutzbrief Premium“ Stand März 2016 anlässlich des Diebstahls vom 10., bzw. 11.3.2018 einstandspflichtig ist;

2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 201,71 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat den Kläger informatorisch gemäß § 141 Abs. 1 ZPO angehört.

Entscheidungsgründe

Handy-Schutzbrief-Versicherung - Trick-Diebstahl des Handys in einer Disco
(Symbolfoto: Von Creativa Images/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Antrag zu 1. ist im Rahmen des § 308 Abs. 1 ZPO dahingehend konkretisierend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten gemäß dem Versicherungsschein „HandySchutzbrief Premium“ mit der Versicherungsnummer …“ vom 20.11.2017 sowie hinsichtlich des Diebstahls des Mobiltelefons „Apple iPhone 8 plus 256 GB Gold, Seriennummer …“ begehrt. Die Klarstellung der Versicherungsnummer sowie des entwendeten Mobiltelefons ergibt sich bereits aus der Klagebegründungsschrift vom 3.8.2018 (Bl. 1 ff. der Akte) und dient der Rechtssicherheit und -klarheit. Durch die Konkretisierung wird seitens des Gerichts nicht mehr zugesprochen, als ohnehin beantragt ist.

Das Gericht ist örtlich gemäß § 215 Abs. 1 VVG zuständig, da es sich um eine Klage aus einem Versicherungsvertrag handelt und der Kläger als Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz in Wiesbaden hatte.

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Der Kläger hat als Versicherungsnehmer ein rechtliches Interesse daran, dass die Einstandspflicht der Beklagten, d.h. das Vorliegen eines von der Versicherung abgedeckten Versicherungsfalles, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird. Zwar hätte der Kläger grundsätzlich sein Klageziel auch mit einer bezifferten Leistungsklage verfolgen und Naturalersatz in Form eines neuen oder gebrauchten Ersatzgerätes gleicher Art und Güte begehren können. Auch fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann. Jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausnahmsweise zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf. Dies hat der Bundesgerichtshof unter anderem für große Versicherungsunternehmen angenommen (vgl. Urt. v. 16.2.2005, Az.: IV ZR 18/04 = NJW-RR 2005, 619 m.w.N.). So liegt es hier. Besondere Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, sind nicht ersichtlich.

In der Sache besteht das begehrte Rechtsverhältnis.

Die Beklagte ist für das Abhandenkommen des Mobiltelefons der Marke Apple iPhone 8 Plus 256 GB Gold mit der Seriennummer … infolge des Diebstahls vom 11.3.2018 in Wiesbaden gemäß § 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag mit dem Versicherungsschein mit der Policen-Nummer … eintrittspflichtig.

Der Versicherungsfall des Abhandenkommens des versicherten Geräts durch Diebstahl, bei dem das Gerät in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt wurde, ist eingetreten.

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO steht zur Überzeugung des Gerichts nach der freien Würdigung aller Umstände fest, dass dem Kläger das streitgegenständliche Mobiltelefon am 11.3.2018 zwischen 2:00 Uhr und 3:00 Uhr durch einen Trickdiebstahls mittels Anrempelns auf der Tanzfläche der Diskothek „…“ abhandengekommen ist. Nach dem insoweit teilweise übereinstimmenden Vorbringen der Parteien und der Schilderung des Klägers im Rahmen der informatorischen Anhörung gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die Klägerseite das äußere Erscheinungsbild eines Diebstahls dargelegt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Kläger am 11.3.2018 in dem Tanzlokal aufgehalten hat. Zudem hat der Kläger, an dessen Redlichkeit keine Zweifel bestehen, glaubhaft geschildert, dass er auf der Tanzfläche angerempelt wurde, nachdem er um kurz vor 2:00 Uhr das Handy auf der Toilette zuletzt in der Hand hatte und bevor er gegen ca. 3:15 Uhr bemerkte, dass das Mobiltelefon nicht mehr in seiner Hosentasche war. Da die Redlichkeit des Klägers nicht durch die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagtenseite erschüttert wurde, besteht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes eines Diebstahls ein Anscheinsbeweis zu Gunsten des Versicherungsnehmers. Der Anscheinsbeweis wurde durch die insoweit ebenfalls darlegungs- und beweisbelastete Beklagtenseite nicht erschüttert.

Weiterhin liegt ein Fall des sicheren persönlichen Gewahrsams gemäß §§ 1.4.7, 1.5, 1.6 der Versicherungsbedingungen vor. Erforderlich aber auch ausreichend für einen sicheren persönlichen Gewahrsam im Sinne der Vertragsbedingungen ist, dass der Kläger aufgrund der Verwahrung des Mobiltelefons die Möglichkeit gehabt hätte, einen Diebstahlversuch zu bemerken abzuwehren.

Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass der Kläger das Mobiltelefon in seiner vorderen Hosentaschen mit sich geführt hat. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO steht zur Überzeugung des Gerichts nach der freien Würdigung aller Umstände fest, dass der Kläger das Handy in der vorderen Hosentasche in einem ausreichenden Maße im Blick- und Körperkontakt hatte und er einen unberechtigten Zugriff auf das Gerät sofort hätte bemerken und abwehren werden können. Hierzu war nicht erforderlich, dass der Kläger das Mobiltelefon die ganze Zeit in seiner Hand hielt. Weitere Gründe, aufgrund derer der Kläger einen unberechtigten Zugriff nicht hätte bemerken und abwehren können sollen, sind nicht ersichtlich.

Für einen sicheren persönlichen Gewahrsam nach der Bestimmung des § 1.5 der Vertragsbedingungen auch lediglich erforderlich, dass ein unberechtigter Zugriff auf das Gerät sofort bemerkt und abgewehrt werden könnte.

Infolge der Formulierung „könnte“ handelt es sich nach der Auffassung des Gerichts um eine mehrdeutige Klausel, die nach der Maßgabe der §§ 133, 157 BGB der Auslegung zugänglich ist. Aus der Sicht des sog. objektiven Empfängerhorizonts ist nicht eindeutig ersichtlich, ob für das Vorliegen sicheren Gewahrsams ein tatsächliches Abwehren oder lediglich die Möglichkeit zum Abwehren eines unberechtigten Zugriffs voraus gesetzt wird. Für die zweite Auslegungsvariante spricht, dass andernfalls bei einem reinen Diebstahl tatsächlich nie ein Versicherungsfall gegeben sein könnte. Wenn lediglich ein Abhandenkommen infolge einer Wegnahme nach der Überwindung einer tatsächlichen Abwehrhandlung versichert sein sollte, würde nach der gesetzgeberischen Konzeption in §§ 243 ff., 249 ff. StGB zwingend stets ein Raub-, aber gerade kein Diebstahlsdelikt vorliegen.

Auch handelt es sich bei der Auslegungsvariante, die lediglich eine Möglichkeit zum Abwehren voraussetzt, um diejenige, die den Vertragspartner des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – hier den Versicherungsnehmer – begünstigt. Da es sich bei den Versicherungsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen Sinne des §§ 305 ff. BGB handelt, ist gem. § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel die Auslegung zu wählen, die zulasten des Verwenders geht.

Aus einem Umkehrschluss in § 1.6 der Versicherungsbedingungen getroffenen Regelung, wonach sicherer Gewahrsam jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn das versicherte Gerät in der Öffentlichkeit, insbesondere in Clubs und Diskotheken, in einer unverschlossenen Jackenaußen-, Gesäß- oder Beintasche mitgeführt wird, folgt, dass ein Mitführen in den vorderen Hosentaschen nicht an sich unsicher ist.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Freistellung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 201,71 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 257 BGB zu.

Der Schaden umfasst die zur Rechtsdurchsetzung vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltsgebühren, soweit diese nach dem RVG anfallen, da der Kläger durch die Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten infolge der Regulierungsablehnung seitens der Beklagten vom 22.3.2018 mit einer dementsprechenden Verbindlichkeit belastet ist.

Die Höhe des für die Berechnung maßgeblichen Gegenstandswertes bestimmt sich nach dem ersatzfähigen Schaden, der vorliegend einen Betrag i.H.v. 1.057,00 € beträgt. Insofern war der Kläger regressberechtigt bezüglich einer Geschäftsgebühr in Höhe des 1,3-fachen Gegenstandswertes in Höhe von 1.057,00 € gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV RVG, der Post- und Telekommunikationsdienstleistungspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG und der diesbezüglichen Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG. Diese Rechtsanwaltsgebühren sind auch in voller Höhe entstanden, da eine Anrechnung mit den prozessual anfallenden Rechtsanwaltsgebühren nach § 13 RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zu unterbleiben hat. Dies hat der Gesetzgeber durch den deklaratorisch wirkenden § 15a RVG klargestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. 9. 2009, Aktenzeichen II ZB 35/07).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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