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Haftung des Versicherungsmaklers bei arglistiger Täuschung des Versicherers

OLG Dresden – Az.: 4 U 2660/19 – Urteil vom 19.05.2020

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16.10.2019, Az 9 O 1701/18 teilweise abgeändert und unter Abweisung der Klage im Übrigen sowie klarstellend wie folgt neu gefasst:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Leipzig vom 24.04.2019 wird zu Ziff. 2,3, 5 und 6 in vollem Umfang, im Übrigen mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass

a) unter Ziffer 1 des Tenors festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger in Bezug auf die durch das Hochwasser vom 02.06.2013 verursachten Schäden an sämtlichen Baulichkeiten auf dem Grundstück B…strasse xx, 00000 G… so zu stellen, als wären diese Schäden über den Gebäudeversicherungsvertrag mit der YYY Sachversicherungs-AG, Vertragsnummer xx-xx xxxxx gedeckt gewesen;

b) unter Ziff. 4 die Beklagte verurteilt wird,

aa) an den Kläger 21.679,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 5000,98 € seit dem 2.5.2017 und aus einem weiteren Teilbetrag in Höhe von 5598, 24 € seit dem 25.4.2018 sowie aus dem Restbetrag in Höhe von 11.080,45 € seit dem 7.7.2018 zu zahlen;

bb) den Kläger von den Prozesskosten der Beklagten selbst aus dem Vorprozess bei dem Landgericht Leipzig zum Az 3 O 3169/16 und dem Oberlandesgericht Dresden 4 U 698/17 freizustellen und den bei dem Amtsgericht Leipzig, Hinterlegungsstelle, AZ 14 HL 595/18 hinterlegten Betrag in Höhe von 10.000,- € zu Gunsten des Klägers freizugeben;

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 190.635,37 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Versicherungsmaklerin auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus dem zwischen ihnen bestehenden Maklervertrag in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und das Urteil des Senats vom 03.04.2018, Az 4 U 698/17, ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat am 24.4.2019 gegen die Beklagte antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen und auf den Einspruch der Beklagten der Klage in vollem Umfang stattgegeben, ohne das Versäumnisurteil aufzuheben oder zu bestätigen.

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Berufung rügt die Beklagte, das Landgericht hätte mangels Beiziehung der Akten des Verfahrens OLG Dresden, Az 4 U 698/17, seine Entscheidung weder prozessual noch materiell-rechtlich auf den Akteninhalt des Verfahrens stützen dürfen. Darüber hinaus habe das Landgericht den Umfang der Bindungswirkung gem. § 68 ZPO verkannt. Die Beklagte sei in dem Vorprozess nicht auf Seiten des Klägers, sondern auf Seiten der beklagten Versicherung beigetreten. Aus diesem Grund habe sie sich im Verhältnis zum Kläger als Streitverkünder nicht angemessen verteidigen können, jedenfalls soweit es um die Umstände geht, die den Versand des streitgegenständlichen Versicherungsantrages an den Assekuradeur, die D… AG, beträfen. Das Landgericht hätte daher zu dieser Frage Beweis erheben müssen. Einer Haftung dem Grunde nach stehe entgegen, dass die Beklagte keine Täuschungsabsicht gehabt habe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Zugang des Papierantrages an den Assekuradeur zu kontrollieren. Schließlich stehe dem vom Kläger geltend gemachten Feststellungsantrag entgegen, dass sämtliche Schäden infolge des Hochwasserereignisses bereits durch den Zuschuss der Sächsischen Aufbaubank gedeckt seien, jedenfalls soweit sie – wie der geltend gemachte Neuwertschaden ohnehin gerade nicht – nach dem Versicherungsvertrag hätten beansprucht werden können. Der Kläger habe zu dem geltend gemachten Nutzungsausfallschaden nicht substantiiert vorgetragen, eine Schätzung sei daher nicht möglich.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16.10.2019, Az 9 O 1701/18, sowie das Versäumnisurteil vom 24.04.2019, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Akte OLG Dresden zum Az 4 U 698/17 beigezogen, auf die bezüglich der näheren Umstände zum Abschluss und zur Anfechtung des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages ebenfalls Bezug genommen wird.

II.

Haftung des Versicherungsmaklers bei arglistiger Täuschung des Versicherers
(Symbolfoto: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

Die Berufung ist zulässig, hat im Ergebnis aber lediglich insoweit Erfolg, als der Feststellungsantrag entsprechend dem Hilfsvorbringen zu fassen war. Das angefochtene Urteil war im Übrigen klarstellend neu zu fassen, nachdem das Landgericht bei der Urteilsabfassung das vorausgegangene Versäumnisurteil entgegen § 343 ZPO nicht berücksichtigt hatte. Die Beklagte haftet dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung ihrer aus dem Versicherungsmaklervertrag ergebenden Pflichten gem. §§ 675, 280 ff. BGB auf Schadenersatz.

1. Unstreitig bestand zwischen den Parteien ein Versicherungsmaklervertrag, der die Beklagte verpflichtete, für den Kläger tätig zu werden und ihm einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz nachzuweisen. Auf die Ausführungen des im Ausgangsverfahren ergangenen Urteils vom 03.04.2018, dort unter 4 a), wird verwiesen.

2. Ob bereits aufgrund der Interventionswirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils des Senats vom 03.04.2018 nach §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO auch im Verhältnis des Klägers zur Beklagten feststeht, dass der für das zu versichernde Objekt vermittelte Vertrag infolge einer arglistigen Täuschung der Beklagten anfechtbar war und nach erfolgter Anfechtung kein Versicherungsschutz bestand, kann hier offenbleiben.

a) Ohne Erfolg wendet die Berufung allerdings hiergegen ein, dass das Landgericht seiner Entscheidung nicht die im Verfahren OLG Dresden, Az 4 U 698/17 ergangene Entscheidung hätte zugrunde legen dürfen. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 16.08.2018 (Bl. 19 d. A.) die Akten auf entsprechenden Antrag der Klägerseite hin beigezogen. Die Verfügung ist der Beklagtenseite auch infolge Akteneinsicht bekannt geworden. Einer weiteren Mitteilung in der mündlichen Verhandlung oder förmlichen Beschlussfassung bedurfte es nicht. Ohnehin ist der Eintritt der Interventionswirkung von einer prozessual ordnungsgemäßen Beiziehung der Akten des Vorprozesses unabhängig.

b) Die Streitverkündung im Ausgangsprozess war zulässig. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Interventionswirkung im Verhältnis zum Kläger als Streitverkünder gem. § 68 ZPO liegen vor.

c) Einer Interventionswirkung steht entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht entgegen, dass die Beklagte nicht dem Kläger als Streitverkünder sondern der im Vorprozess beklagten Gebäudeversicherung als Streithelferin beigetreten ist, die ihr den Streit ebenfalls verkündet hatte. Bei einem Beitritt des Streitverkündeten auf Seiten des Prozessgegners des Streitverkünders tritt die Interventionswirkung in gleicher Weise ein wie bei unterlassenem Beitritt (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 – IX ZR 255/00 –, Rn. 17, juris).

d) Bislang ist höchstrichterlich allerdings nicht entschieden, welchen Einfluss die hier vorliegende doppelte Streitverkündung auf die Interventionswirkung gemäß §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO hat (offengelassen von BGH, Urteil vom 08. Mai 2008 – IX ZR 180/06 –, Rn. 22, m.w.N. – juris). Vertreten wird einerseits, dass überhaupt keine Bindungswirkung eintritt. Nach anderer Meinung ist der „doppelte“ Streitverkündungsempfänger im Folgeverfahren der unterlegenen Partei gegen ihn zwar auch einer Interventionswirkung ausgesetzt. In diesem Fall sollen ihm allerdings gem. § 68 2. HS ZPO i.V.m. § 67 ZPO noch Einwendungen möglich sein, die er im Vorverfahren aus prozessualen Gründen nicht hatte vorgetragen können, da er im Ausgangsprozess seiner dortigen Parteirolle wegen daran gehindert war, sich mit seinem Vorbringen in Widerspruch zu der von ihm unterstützten Partei zu setzten (vgl. zum Meinungsstand Schäfer, NotBZ 2016, 211, 212; Zöller-Althammer, ZPO, 30. Aufl., § 72, Rn. 11; Münchener Kommentar-Schultes, 5. Aufl. 2016, § 72, Rn. 19, § 74 Rn. 9). Würde man dieser Auffassung folgen, wäre die Beklagte, die im Ausgangsverfahren die vom Kläger in Anspruch genommene Versicherung unterstützt hat, daran gehindert gewesen, sich zu der Behauptung der Versicherung, sie habe bei Antragstellung arglistig getäuscht, in Widerspruch zu setzten, so dass eine diesbezügliche Interventionswirkung zugunsten des Klägers nicht eingreifen würde. Dieses Ergebnis ist aber nicht überzeugend, da die Beklagte sich infolge ihres Beitritts auf Seiten der Versicherung im Ausgangsverfahren selbst hätte belasten müssen und daran gehindert gewesen wäre, Einwendungen gegen die einen Anfechtungstatbestand begründende Arglistbehauptung vorzubringen. Die Beklagte hätte es überdies durch einen Beitritt auf Seiten der Versicherung im Vorprozess in der Hand gehabt, die bei einem Beitritt auf Seiten des Klägers oder bei einem generellen Nichtbeitritt zu ihren Lasten eintretende Interventionswirkung beliebig aushebeln können, was auch gegen die Auffassung spricht, die den Eintritt einer Interventionswirkung bei doppelter Streitverkündung ohne Einschränkungen ablehnt. Es spricht daher einiges dafür, die Bindungswirkung der von der Versicherung ausgesprochenen Streitverkündung wie auch die Reichweite der Interventionswirkung im Hinblick auf das in der Streitverkündungsschrift für die Beklagte erkennbare rechtliche Interesse an der Streitverkündung konkret zu beschränken (so auch die Entscheidung KG Berlin, Beschluss vom 15. Februar 1999 – 25 W 6893/98 -, juris).

3. Die Frage der Reichweite der Interventionswirkung im Fall doppelter Streitverkündung bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung, da sich bereits aus dem Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Verfahren eine haftungsbegründende schuldhafte Pflichtverletzung des Maklervertrages ergibt und die Klage daher begründet ist.

Es kann daher insbesondere offenbleiben, ob die für den Kläger handelnde Beklagte bei Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages mit dem Vorsatz gehandelt hat, die Assekuradeurin bzw. die Gebäudeversicherung über die bestehenden Vorschäden zu täuschen. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit den von der Berufung gegen das Vorliegen einer arglistigen Täuschung vorgetragenen Anhaltspunkten. Denn für die Frage, ob der Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung des Maklervertrages zur Last fällt, kommt es nicht auf den Nachweis eines arglistigen Handelns an, sondern allein darauf, ob die Beklagte durch ihr Verhalten gegenüber der Assekuradeurin bzw. der Gebäudeversicherung fahrlässig den Rechtsschein arglistigen Handelns gesetzt hat, was sich allein nach objektiven Umständen bestimmt. Hiervon ist auch nach dem Sachvortrag der Beklagten auszugehen. Die Beklagte hatte zunächst eine Deckungsnote online erstellt und abgesendet, die sie – nunmehr unstreitig – falsch ausgefüllt hat. Sie hätte daher sicherstellen müssen, dass der (richtig ausgefüllte) Papierantrag vom 07.01.2010 an die D… AG weitergeleitet wird und zudem kontrollieren müssen, ob die Vorschäden dem Versicherer bei der Risikoeindeckung bekannt geworden sind, nachdem sie – wie sie vorträgt – Schwierigkeiten mit der elektronischen Übermittlung der Vorschäden hatte. Nach Policierung hätte sie zudem prüfen müssen, ob die Angaben zu den Vorschäden tatsächlich übernommen wurden, um den Kläger als Versicherungsnehmer vor einer Anfechtung abzusichern. Diesen Pflichten ist sie aber unstreitig nicht nachgekommen. Entgegen der Ansicht der Berufung war der Assekuradeur bzw. die Versicherung auch aufgrund des weiteren Schriftwechsels nicht zu einer Nachfrage verpflichtet, wie der Senat in dem im Vorprozess ergangenen Urteil näher ausgeführt hat. Vielmehr hätte es allein der Beklagten oblegen sicherzustellen, dass die Vorschäden bei der Risikoeindeckung beachtet worden sind.

4. Die Beklagte haftet infolge der schuldhaften Verletzung ihrer Pflichten aus dem Maklervertrag auf Schadensersatz, so dass ein dahingehender Feststellungsanspruch begründet ist.

a) Für die Prüfung des Umfangs des Schadensersatzanspruches ist darauf abzustellen, welchen Verlauf die Dinge ohne die Pflichtverletzung genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Anspruchstellers ohne die Pflichtverletzung darstellen würde; darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit grundsätzlich der Geschädigte (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13 -, Rn. 9, juris m.w.N.).

aa) Entsprechend den im Vorprozess getroffenen Feststellungen wäre eine Umdeckung der bestehenden Versicherung bei der XXX mit dem angebotenen „D…-Privat Einfamilienhauskonzept“ und ein damit einhergehender Wechsel des Versicherers zunächst auf die ZZZ Versicherung und ab dem 1.5.2011 auf die Generali Versicherung bei Bekanntwerden der vorausgegangenen Überschwemmungsschäden nicht oder zumindest nicht zu günstigeren Konditionen erfolgt. Somit wäre der bestehende Versicherungsvertrag fortgeführt worden. Haftet der Versicherungsmakler für den fehlenden Versicherungsschutz des Kunden, hat er dem Kunden beim Eintritt eines Versicherungsfalls als Schaden den Betrag zu ersetzen, den der Kunde bei einer bestehenden Versicherung als Leistung des Versicherers erhalten hätte (OLG Hamm, Urteil vom 08. Oktober 2009 – 18 U 26/08 -, juris). Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Feststellung, dass er Versicherungsschutz zu den Konditionen des mit der XXX vormals bestehenden Versicherungsvertrages (vgl. Anlage K 6, K 7) erhalten hätte. Der Feststellungsantrag war seinem Hilfsvorbringen entsprechend anzupassen.

bb) Das für den Antrag erforderliche Feststellungsinteresse liegt entgegen der Ansicht der Berufung vor, denn die hierfür beweisbelastete Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass sämtliche Schäden des Klägers durch Zahlungen der Sächsischen Aufbaubank gedeckt sind. Der Kläger hat vielmehr unter Protest gegen die Beweislast behauptet, dass er bis zum heutigen Zeitpunkt nicht sämtliche Flutschäden habe beseitigen können und der Schaden noch in der Entwicklung begriffen ist. Selbst wenn man angesichts dessen zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe nicht rückzahlbare Zuschüsse aus dem Fluthilfefördermittelprogramm in Höhe von 81.112,71 EUR erhalten, stünde dies der Geltendmachung eines weiteren Schadenersatzanspruches und einer der vorausgehenden Feststellung nicht entgegen. Da die Fördersumme auf 79,06 % der zuwendungsfähigen Ausgaben beschränkt ist, steht bereits nicht fest, dass zumindest der Zeitwertschaden durch Fördermittelzahlungen abgedeckt ist. Die weiteren Einwendungen der Beklagten zur Rückforderung und zur Neuwertspitze sind im Betragsverfahren zu klären und stehen dem Feststellungsantrag nicht entgegen.

cc) Nach dem alten Versicherungsvertrag war kein Selbstbehalt vereinbart, dieser ist daher nicht abzuziehen. Den übrigen Einwendungen der Beklagten zur Höhe des beim Kläger eingetretenen Flutschadens ist das Landgericht zu Recht nicht nachgegangen, denn der Kläger begehrt Feststellung, dass die Beklagte dem Grunde nach haftet.

5. Entsprechend den Regelungen des ursprünglich bestehenden Versicherungsvertrag mit der XXX hat der Kläger nach § 3 Ziff. 1 b XXX-VGB einen Ersatzanspruch wegen des flutbedingt eingetretenen Nutzungsausfalls seiner eigengenutzten Immobilie bis 36 Monate in Höhe des ortsüblichen Mietwerts, jedoch nur für Wohn- und sonstige Büroräume. Ferner wären auch die weiterlaufenden Betriebskosten versichert gewesen. Der Senat schätzt die Höhe der dem Kläger zustehenden Mietausfallschadens gem. § 287 ZPO zumindest auf den vom Kläger geltend gemachten Betrag in Höhe von 35.687,64 EUR.

a) Eine Beweiserhebung zur Höhe des Mietausfallschadens ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht geboten. Die Vorschrift des § 287 ZPO erlaubt dem Gericht, die Schadenshöhe zu schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass die behauptende Partei die Beweislast für die behaupteten Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihr schadet (vgl. KG Berlin, Urteil vom 27. September 2018 – 8 U 145/14 -, Rn. 94 – 95, juris mit Verweis auf BGH NJW 2013, 525 Tz 23 für den Fall der Schätzung eines Mindestschadens). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine Schätzung des Nutzungsausfallschadens auf der Grundlage der vorliegenden Schadensgutachten und der sonstigen, vom Kläger dargelegten Anhaltspunkte erfolgen.

b) Das Objekt hat ausweislich des Schadensgutachtens eine Wohnfläche von 188,93 m². Der Senat schätzt die Höhe der ortsüblichen Kaltmiete auf 5,- EUR und den damit anzusetzenden Nutzungsausfall auf monatlich 944,65 EUR. Die Kaltmiete war aufgrund der Lage und im Hinblick auf die in Internetportalen angebotenen vergleichbaren Mietobjekte gegenüber dem vom Landgericht angesetzten Betrag zu reduzieren. Eine weitere Reduzierung ist jedoch nicht geboten. Der Sachverständige Bartling geht zwar in seiner Stellungnahme von einem Mietwert von lediglich 600,- EUR aus, ohne diesen jedoch nachvollziehbar zu begründen (vgl. Anlage BLD 5 im Verfahren 4 U 698/17, Bl. 47 d. A.). Als Schätzgrundlage ist sein Gutachten insofern nicht geeignet, der dort ausgewiesene Betrag war vielmehr angesichts der Größe und Ausstattung des Objekts mit Außenschwimmbad und Nebengebäuden zu erhöhen. Die mitversicherten Betriebskosten werden auf einen durchschnittlichen monatlichen Betrag in Höhe von 124,17 EUR geschätzt.

c) Nach § 3 Ziff. 3 XXX-VGB wird der Mietausfall nur bis zu dem Zeitpunkt ersetzt, in dem die Räume wieder benutzbar sind. Der Anspruch ist nach § 3 Nr. 4 XXX-VGB ausgeschlossen, soweit die Möglichkeit der Wiederbenutzung schuldhaft verzögert wird. Nach dem Vortrag des Klägers ist von einer fehlenden Benutzbarkeit der Wohnräume über einen Zeitraum von 36 Monaten auszugehen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger nach dem Schadensereignis im Juni 2013 wegen fehlenden Versicherungsschutzes die erforderlichen Wiederinstandsetzungs- und Sanierungsarbeiten nicht durchführen konnte, da ihm einerseits liquide Mittel fehlten und andererseits die Auszahlung von Fluthilfefördermitteln erst im Februar 2017 abgeschlossen war, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen und Abrechnungsbelegen ergibt. Da keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die Wohnräume vor diesem Zeitpunkt in zumutbarer Weise benutzbar waren, ist von der Höchstdauer von 36 Monaten auszugehen. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Wiederherstellung der Benutzbarkeit der Wohnräume schuldhaft verzögert hätte. Die von ihm angeführten Umstände geben für eine solche Obliegenheitsverletzung ihm Anschluss an das Hochwasserereignis nichts her. Wegen Schwierigkeiten bei der Durchführung der Sanierung aufgrund Auftragsüberlastung der Bauunternehmen, fehlenden Eigenmitteln und der Langwierigkeit des Verfahrens zur Beantragung und Auszahlung von Fördermitteln, hält es der Senat im Rahmen seines ihm durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens auch für plausibel, dass es dem Kläger nicht möglich war, die Sanierung innerhalb des gutachterlich festgestellten Zeitraums von fünf Monaten ab Gutachtenerstellung abzuschließen. Die vom Kläger bei Antragstellung ausgewiesenen Eigenmittel in Höhe von rund 18.000,- EUR sind angesichts eines Schadensumfanges von mehr als 125.000,- EUR nicht ausreichend, um die Schadensbeseitigung ohne Fördermittel durchzuführen. Die Beklagte hat dagegen ihre pauschale Behauptung, dem Kläger hätten die Mittel der Sächsischen Aufbaubank schon zu einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung gestanden und er habe über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, nicht näher belegt. Dies geht zu ihren Lasten. Da sie für das Fehlen eines Versicherungsschutzes haftet, ist sie auch anstelle des Versicherers für das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes gem. § 3 Nr. 4 XXX-VGB darlegungs- und beweisbelastet.

Somit ergibt sich nachfolgende Berechnung: 944,65 + 124,17 x 36 Monate = 38.477,52 EUR. Der vom Kläger geltend gemachte (geringere) Betrag ist daher in voller Höhe begründet.

6. Schließlich sind auch die dem Kläger entstandenen Prozesskosten des Vorprozesses von der Beklagten als adäquat kausaler Schaden in voller Höhe zu ersetzen. Der Kläger wurde zur Prozessführung gegen die Versicherung durch das Verhalten der Beklagten veranlasst (zur Haftung in diesen Fällen vgl. OLG Hamm, Urteil vom 8.10.2009, I-18 U 26/08 Rn 70 bei juris), da diese ein fehlerhaftes Verhalten bei Antragstellung stets abgestritten hatte. Ein Mitverschulden des Klägers aufgrund fehlerhafter Führung des Vorprozesses ist dagegen nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 i.V.m. § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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