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Haftung bei Mehrfachversicherung – Überversicherung

OLG Köln – Az.: 9 U 236/20 – Beschluss vom 04.03.2021

1.  Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das am 28.10.2020 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 23 O 1/20 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2.  Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig der Ansicht, dass die zulässige Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und insoweit einen Innenausgleich nach der gesetzlichen Regelung über die Mehrfachversicherung, § 78 Abs. 2 S. 1 VVG, bejaht. Auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Die mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen geben keinen Anlass, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. Der Senat sieht sich in Ansehung des Berufungsvorbringens lediglich zu folgenden Anmerkungen veranlasst:

1.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich des § 78 VVG eröffnet ist.

a. Beide Versicherer verwenden in ihren Versicherungsbedingungen sogenannte einfache Subsidiaritätsklauseln, welche die Eintrittspflicht des Versicherers dann entfallen lassen, wenn ein anderer Versicherer, der dasselbe Risiko abdeckt, leistungspflichtig ist (§ 9 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen der  Klägerin sowie  § 6 (3) Nr. 3 der Versicherungsbedingung der Beklagten). Beide bringen damit zum Ausdruck, gegenüber einem anderen Versicherer nur nachrangig haften zu wollen. Treffen – wie hier – gleichwertige Subsidiaritätsklauseln aufeinander, so entspricht es dem Willen der Beteiligten, den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu stellen. Daher sind die Klauseln ergänzend dahin auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben mit der Folge, dass bei einer Überversicherung § 78 VVG Anwendung findet (BGH, Urteil vom 19.02.2014 – IV ZR 389/12 – juris).

b. Zutreffend ist die Kammer davon ausgegangen, dass hier das identische Interesse gegen dieselbe Gefahr – nämlich das Interesse der Versicherungsnehmerin, im Falle der Erkrankung oder des Unfalles im Ausland ohne Kostenbelastung rücktransportiert zu werden – sowohl bei der Klägerin als auch bei der Beklagten im Sinne des § 78 Abs. 1 VVG versichert ist. Nach der Rechtsprechung des BGH umfasst die Vorschrift im Übrigen auch den Fall, dass sich die Mehrfachversicherung nur für eine Schnittmenge bestimmter Tätigkeiten ergibt (Teilidentität von Interesse und Gefahr; vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 151/17 – juris). Jedenfalls dies liegt mit Blick auf den beiderseits versicherten Krankenrücktransport, der nach den Versicherungsbedingungen beider Versicherer (im Falle der Beklagten im Sinne einer Alternative) voraussetzt, dass der Transport „medizinisch sinnvoll und vertretbar“ war (§ 12 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen der Klägerin bzw. § 4 (7) der Versicherungsbedingungen der Beklagten), vor. Dass der Transport hier medizinisch sinnvoll und vertretbar war, hat die Klägerin schlüssig dargelegt; dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

2. Soweit sich die Beklagte letztlich allein darauf beruft, es bestehe im Verhältnis der Versicherungsnehmerin zu ihr kein Anspruch auf Kostenübernahme, da sie, die A, den Rücktransport nicht selbst organisiert habe, gilt Folgendes:

Auch der Senat geht davon aus, dass die in den Versicherungsbedingungen der Beklagten vorgesehene „Selbstorganisation“ des Rücktransportes bzw. die Befassung der Beklagten mit dem Versicherungsfall zwecks Ermöglichung der Organisation dem Grunde nach – formelle – Anspruchsvoraussetzung im Verhältnis des Versicherungsnehmers zu dem Versicherer ist. Indes trifft dies gleichermaßen für die Versicherungsbedingungen der Klägerin zu, in denen es heißt „Kostentragung für die von uns organisierten oder veranlassten Maßnahmen“. Auch insoweit besteht somit eine (Teil-)Identität der Regelungen. In der Konstellation ließe die Berufung auf den Umstand unterlassener Befassung des Versicherers mit der Organisation des Rücktransports das dem § 78 Abs. 2 S. 1 VVG innewohnende Prinzip des Innenausgleichs leerlaufen. Die Befassung zweier Versicherer mit der Organisation eines Rücktransportes ist praktisch nämlich auszuschließen; sie ist ersichtlich weder praktikabel noch liegt sie im Interesse der einen oder anderen Vertragspartei. Soweit es den Versicherungsnehmer betrifft, wird dieser im Regelfall auf eine zügige und reibungslose Organisation angewiesen sein, der die Befassung zweier Versicherer mit Abstimmungsbedarf ersichtlich zuwiderlaufen kann. Das Interesse der Versicherer hingegen geht letztlich dahin, die Kosten des Transportes, gegebenenfalls unter Nutzung eigener Ressourcen – wie es die Versicherungsbedingungen der Klägerin vorsehen – möglichst gering zu halten. Diesem Interesse ist jedoch schon im Lichte der nach § 78 Abs. 2 S. 1 VVG erfolgenden Kostenaufteilung hinreichend Rechnung getragen. Denn die vom Versicherungsnehmer vorgenommene Mehrfachversicherung führt im Ausgangspunkt zu einer Kostenentlastung beider Versicherer. Nach alledem ist nach Auffassung des Senats eine ergänzende Auslegung der Regelungen zur – bloß formell – erforderlichen Befassung des Versicherers mit dem Rücktransport dahingehend geboten, dass sie sich im Falle der (Teil-)Identität gegenseitig aufheben. Dem steht vorliegend auch nicht etwa entgegen, dass die Beklagte nach ihren Versicherungsbedingungen gar keine Kostenübernahme schuldet. § 4 (7) der Versicherungsbedingungen der Beklagten regelt aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers die Übernahme von Rücktransportkosten – eben für den Fall, dass die Beklagten diesen organisiert hat. Dass die Kostenübernahme dabei Kernverpflichtung ist, ergibt sich schon daraus, dass die Durchführung mittels eigener Ressourcen – anders als in den Versicherungsbedingungen der Klägerin, nach denen, wie bereits dargelegt, der Transport durch sie selbst durchgeführt wird – keine Erwähnung findet. Eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers, die Beklagten „innerhalb der ersten Woche nach Beginn der Behandlung über den beabsichtigten Rücktransport“ zu informieren (Berufungsbegründung vom 27.11.2020, S. 2, Bl. 151 GA) lässt sich der Regelung der Beklagten zum Reiserücktransport – § 4 (7) der Versicherungsbedingungen – im Übrigen nicht entnehmen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Zweck der vermeintlichen Regelung abstellt, ihr eine Entscheidung hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit zu ermöglichen, geht dies auch insoweit fehl, als Anspruchsvoraussetzung, wie bereits dargelegt, ist, dass der Krankentransport medizinisch sinnvoll und vertretbar ist.

3. Soweit es die Einwände der Beklagten gegen die Höhe der Forderung anbelangt,  welche hinsichtlich der Einzelpositionen substantiiert dargelegt ist, hält der Senat die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht für ergänzungsbedürftig.

Nach alldem hat das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg.

II.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen (Eingang bei Gericht). Auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme – statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) – wird hingewiesen.

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