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Haftpflichtversicherung – Verkehrsunfallverursachung durch gefährlichen Eingriff in Straßenverkehr

LG Konstanz – Az.: Me 4 O 290/19 – Urteil vom 03.03.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.564,05 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2019 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2019 zu bezahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Unfall in Anspruch.

Sie ist Eigentümerin und Halterin des Fahrzeugs Pkw Opel Astra 1,6 mit dem amtlichen Kennzeichen …, die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeuges, welches von ihrem Versicherungsnehmer, Herrn P. geführt wurde.

Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug ordnungsgemäß vor dem Haus … geparkt. Der Versicherungsnehmer der Beklagten fuhr mit seinem Pkw Audi Q 5 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 37 km/h die Fußgängerin M., seine in Scheidung lebende Ehefrau, an, wobei diese gerade aus ihrem Pkw ausstieg und zwischen dem rechten vorderen Kotflügel des Audi Q 5 und dem linken vorderen Kotflügel ihres geparkten Toyota Aygo eingequetscht und hierbei schwer verletzt wurde. Nachfolgend stieß der Versicherungsnehmer der Beklagten mit seinem Pkw Audi Q 5 gegen das Heck des unmittelbar vor dem Toyota seiner Ehefrau geparkten Pkw der Klägerin, der wiederum durch den Aufprall des Audi Q 5 auf das Heck des unmittelbar davor geparkten BMW 320 Touring aufgeschoben wurde.

Mit Urteil vom 18.12.2019 verurteilte das Landgericht Konstanz den Versicherungsnehmer der Beklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten. Wegen der Einzelheiten wird vollumfänglich auf das sich im Anlagenband „gefertigte Kopien aus der Strafakte … befindliche Urteil des LG Konstanz Bezug genommen. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, er bestreitet ein vorsätzliches Tatgeschehen.

An dem Pkw der Klägerin entstand ein Sachschaden in Form eines Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 5.700,00 Euro sowie Sachverständigenkosten in Höhe von 839,05 Euro (Anlagen K 1 und K 2).

Die Klägerin ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 103 VVG lägen nicht vor. Insbesondere werde bestritten, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten vorsätzlich in Bezug auf das Fahrzeug der Klägerin gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.569,05 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.04.2019 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie behauptet, nach den Feststellungen des Landgerichts Konstanz in dem Urteil vom 18.12.2019 habe ihr Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles habe er auch in Bezug auf das Fahrzeug der Klägerin nicht darauf vertrauen können und dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht auch zu Schaden kommen, weswegen Vorsatz im Sinne des § 103 VVG vorliege.

In dieser Sache hat am 18.02.2020 eine mündliche Verhandlung stattgefunden, wobei wegen des Inhalts auf das Protokoll Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und – mit Ausnahme eines kleinen Teils der Auslagenpauschale – begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch in Höhe von 6.564,05 Euro aus den §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG.

Dass der Unfall schuldhaft durch den Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht wurde, steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.

Selbst wenn man den Sachverhalt wie von der Strafkammer des LG Konstanz festgestellt zugrundelegt, fehlt es bezogen auf das Fahrzeug der Klägerin an dem nach § 103 VVG erforderlichen Vorsatz bzw. dessen Nachweis durch die Beklagte im Sinne des § 286 ZPO.

Vorsatz enthält ein „Wissens-“ und ein „Wollenselement“. Wer vorsätzlich handelt, weiß und will den pflichtwidrigen Erfolg. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz bezieht- also den Eintritt des Versicherungsfalles- gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Es genügt dagegen nicht, wenn die relevanten Umstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. Dolus eventualis ist grundsätzlich ausreichend. Die Annahme eines „dolus eventualis“ kommt bei einem Versicherungsnehmer in Betracht, der mit der Einstellung „sei es drum“ handelt. So kann sich aus dem Grad der Leichtfertigkeit die Schlussfolgerung ergeben, dass der Schädiger vorsätzlich gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich nahe liegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde den Erfolg auch in Kauf genommen hat. Welche Vorstellung der Versicherungsnehmer bei der Tatausführung tatsächlich hatte, ist im Hinblick auf die Tatsituation, die Art der Tatausführung und die sonstigen Umstände aufgrund der Lebenserfahrung zu schließen, wobei Schlüsse auf die Willensrichtung des Täters nicht nur die Vorgeschichte der Tat, sondern auch das Verhalten des Täters unmittelbar danach zulassen (zu alldem: Reichel in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage, § 103 VVG (Stand: 26.06.2019), RdNr. 6 bis 14, juris).

Demgemäß ist für die Anwendung des § 103 VVG der Nachweis eines Vorsatzes bezogen auf das Fahrzeug der Klägerin notwendig.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Konstanz verwirklichte der Versicherungsnehmer der Beklagten unter anderem § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB. Neben dieser Begehungsform gibt es aber auch die Möglichkeit der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombination gem. § 350 b Abs. 4 StGB. Dass der Versicherungsnehmer der Beklagten bezüglich seiner Ehefrau vorsätzlich handelte, ergibt sich aus den Feststellungen des Strafurteils. Dagegen enthält das Urteil – aus dortiger Sicht konsequent – keinerlei Feststellungen hinsichtlich des Fahrzeugs der Klägerin. Generell ist von § 315 b Abs. 4 StGB auszugehen, wenn sich die Tat gerade nicht wie vom Täter vorgesehen entwickelt, sondern durch die verkehrsfeindliche Handlung fahrlässig andere Folgen verursacht werden (König in: Laufhütte u. a., StGB, Leipziger Kommentar, 12. Auflage 2008, 315 b, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, RdNr. 84 a, zitiert nach juris). Die Variante der fahrlässig verursachten Gefahr kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Täterverhalten andere Folgen verursacht, als der Täter ursprünglich intendiert hatte (Müko StVR/Hagemayer, 1. Auflage 2016, StGB, § 315 b RdNr. 31, juris). Zwar ist nach § 11 Abs. 2 StGB § 315 b StGB in der Vorsatz- Fahrlässigkeitskombination strafrechtlich als Vorsatztat anzusehen, dies ist aber mit Blick auf Sinn und Zweck des § 103 VVG zivilrechtlich nicht von Relevanz.

Vorliegend muss gesehen werden, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten die Tat aufgrund spontanen Tatentschlusses und nicht nur aus Wut, sondern auch aus Verzweiflung über die endgültige Trennung beging (strafrechtliches Urteil, Seite 32). Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten keinen lange vorbereiteten Tatplan verfolgte, sondern vielmehr in Reaktion auf das aus seiner Sicht enttäuschend verlaufende Gespräch mit seiner Ehefrau handelte. Nach den Feststellungen der Strafkammer fuhr er die Zeugin M. nach dem Aussteigen aus deren Fahrzeug an, sie geriet dann zwischen den Q 5 und ihr eigenes Fahrzeug. In dieser Situation erscheint es jedenfalls möglich, dass sich der Versicherungsnehmer der Beklagten keinerlei Gedanken darüber machte, neben seiner Ehefrau, seinem Fahrzeug und dem Fahrzeug seiner Ehefrau andere Sachen zu schädigen, sich sein Vorsatz also gleichsam auf die von ihm intendierten Tatmittel verengte. Insoweit lässt sich dem strafrechtlichen Urteil noch nicht einmal entnehmen, dass sich der Versicherungsnehmer der Beklagten im Moment der Tatausführung überhaupt darüber bewusst war, dass sich vor dem Fahrzeug seiner Ehefrau das Fahrzeug der Klägerin befand und dass er durch das relativ starke Beschleunigen auf 37 km/h und die darauf folgende Ausweichreaktion auch das Fahrzeug der Klägerin beschädigen wird. Das Fahrzeug der Klägerin bzw. andere Gegenstände spielten für den spontan gefassten Tatplan des Versicherungsnehmers der Beklagten keine Rolle. Hinsichtlich der Beschädigung der sich vor dem Fahrzeug seiner Frau befindlichen PKW handelte der Versicherungsnehmer der Beklagten zwar mindestens leichtfertig- aber eben nicht sicher vorsätzlich.

Die Schadenshöhe steht zwischen den Parteien nicht in Streit, aus den Anlagen K 1 und K 2 ergibt sich der klageweise geltend gemachte Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 5.700,00 Euro zzgl. Sachverständigenkosten in Höhe von 839,05 Euro. Die Auslagenpauschale kann die Klägerin (nur) in Höhe von 25,00 Euro verlangen, § 287 ZPO. Die weitergehende Klage war insoweit abzuweisen.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus Verzug, § 286, 288 BGB.

Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von einer 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Streitwert bis 7.000,00 Euro zzgl. Auslagenpauschale zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 650,34 Euro rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

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