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Haftpflichtversicherung – Erstattung von Gutachter-, Ermittlungs- und Bearbeitungskosten

AG Goslar – Az.: 8 C 225/12 – Urteil vom 05.12.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.040,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2012 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen unberechtigt geltend gemachter Versicherungsleistungen in Anspruch.

Der Haftpflichtversicherungsnehmer der Klägerin ….. meldete dieser am 07.04.2010 einen Versicherungsfall vom 06.04.2010 bei einer Fahrradtrainingstour mit u.a. dem Beklagten (Anlage K 1 Bl. 23 f. d. A.). Der Beklagte sandte der Klägerin Rechnungen über seine Radreparatur sowie Radkleidung und -ausrüstung (Anlagen K 2, K 3 Bl. 25 bzw. 26 d. A.).

Es folgte Korrespondenz vom 27.04.2010 bzw. 04.05.2010 (Anlagen K 4, K 5 Bl. 27 bzw. 28 f. d. A.). Die Klägerin gab am 26.05.2010 ein Gutachten des Ingenieur- und Sachverständigenbüros für Fahrradtechnik….. in Auftrag. Der Beklagte übersandte dem Sachverständigenbüro das teilweise demontierte Rad, das dort am 16.06.2010 einging, und 15 nach dem Unfall gefertigte Digitalbilder (DVD Hülle Bl. 246 d. A.). Am 23.06.2010 wurde das Gutachten erstellt und der Klägerin mit 840,14 € in Rechnung gestellt (Anlage K 7. K 11 Bl. 30 ff. bzw. 64 d. A.). Es folgte am 29.06.2010 ein weiteres Schreiben der Klägerin an den Beklagten und dessen Antwort vom 12.07.2010 (Anlagen K 8 bzw. K 9 d. A.).

Mit Schreiben vom 20.07.2010 (Anlage K 10 Bl. 62 f. d. A.) machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen versuchten Versicherungsbetrugs geltend und forderte ihn unter Fristsetzung bis zum 04.08.2010 zur Erstattung der Gutachterkosten als Ermittlungskosten und einer Bearbeitungskostenpauschale von 200,00 € auf.

Die Klägerin behauptet, die Vorgefundenen Schäden könnten nicht komplett dem Unfall gemäß der Schilderung des Beklagten zugeordnet werden, das Fahrrad sei insbesondere beschädigt worden, nachdem die Fotos des Beklagten entstanden seien.

Zu ihren Bearbeitungskosten stützt sich die Klägerin auf ihre kalkulatorischen Personalkostenberechnung (Anlage K 12 Bl. 65 d. A.).

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er erhebt die Einrede der Verjährung und bestreitet eine unerlaubte Handlung begangen zu haben. Er behauptet, der Unfall habe sich wie von ihm dargestellt ereignet, beim Aufstehen sei er in das hintere Laufrad getreten, alle Schäden seien unfallbedingt. Er bestreitet die von der Klägerin geltend gemachten Bearbeitungskosten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 01.09.2015, 24.08.2016, 01.11.2016 und Beschluss vom 06.12.2016 (Bl. 116 f., 182, 198 bzw. 205 d. A.) durch Vernehmung der darin aufgeführten Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn…. Das Ergebnis ist ersichtlich aus den Sitzungsniederschriften vom 22.11.2015, 12.07.2016, 01.11.2016 (Bl. 131 ff., 171 ff., 194 ff. d. A.) und dem schriftlichen Gutachten vom 28.04.2017 (Bl. 213 ff. d. A.).

Am 07.12.2011 ging bei dem Mahngericht der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides ein. Der Mahnbescheid wurde am 18.01.2012 zugestellt, nachdem auf die Mitteilung des Gerichts von der Unzustellbarkeit vom 19.12.2011 am 13.01.2012 die neue Zustellungsanschrift eingegangen war. Am 25.01.2012 ging per Fax vorab der Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein und erfolgte die entsprechende Mitteilung an die Klägerin sowie die Anforderung des Kostenvorschusses, der am 29.06.2012 einging. Daraufhin wurde das Verfahren an das Amtsgericht Goslar abgegeben. Am 30.06.2014 ging per Fax vorab die Anspruchsbegründung ein.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus den §§ 249 ff., 823 BGB zu.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die von dem Gutachter der Klägerin festgestellten Schäden an dem Fahrrad nicht auf ein einziges Ereignis zurückzuführen sind. Der Beklagte hatte in seinem Schreiben vom 12.07.2010 erklärt, er habe lediglich unbeschädigte Komponenten abgebaut und ansonsten keine Veränderungen nach dem Unfall vorgenommen.

Ausweislich des Sachverständigengutachtens … können die Beschädigungen an dem übersandten Fahrrad nicht einem einzelnen Sturz zugeordnet werden. Dies gilt für die in verschiedene Richtungen angeordnete Kratzspuren und das rechte Pedal, das auf allen 3 Fotos des Beklagten – u.a IMG 0689.jpg = Bild 30 des Gutachtens – keine bei dem beschriebenen Sturz unausweichlichen Beschädigungen ausweist. Hinzu kommen die geknickten Felgen in beiden Laufrädern, die für den geschilderten Unfallhergang untypisch sind. Diese Feststellungen stimmen im Kern mit denjenigen des Zeugen… überein, wonach die von dem Beklagten übersandten 15 Fotos nur sehr geringe Sturzschäden auswiesen, das übersandte Fahrrad dagegen massive Schäden auf beiden Seiten, ferner ebenfalls am Rahmen an der Hinterbaustrebe Kratzspuren in unterschiedliche Richtungen und bei den Laufrädern in sich verdrehte Speichen, was nicht durch einen Unfall entstanden sein kann. Der Zeuge… kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das von ihm vorgefundene Schadensbild deutlich über dasjenige auf den von dem Beklagten übersandten Bildern hinausgeht.

Die Angaben der Zeugen… und … führen zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach hat es zwar einen Sturz bei der Trainingsfahrt am 06.04.2010 gegeben. Dass es hierbei zu sämtlichen bei dem übersandten Fahrrad festgestellten Schäden gekommen ist, ergibt sich hieraus jedoch nicht.

Im Ergebnis steht nach alledem fest, dass der Beklagte dem Sachverständigen der Klägerin ein nach dem Unfall zusätzlich stark beschädigtes Rad übersandt und damit in Verbindung mit seinem Schreiben vom 12.07.2010 die Klägerin über den kausalen Schadensumfang zu täuschen versucht hat.

Der Einwand des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 24.11.2017 bleibt ohne Erfolg. Dem Sachverständigen lagen die eigenen Fotos des Beklagten vor, aus denen sich ein Großteil der Schäden gerade nicht herleiten ließ.

Der Beklagte schuldet als Schadensersatz die unstreitig entstandenen Gutachtenkosten …. Die geltend gemachten Ermittlungs- und Bearbeitungskosten sind ebenfalls begründet. Dass bei Versicherungen durch Betrugsfälle nicht unerheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand anfällt, ist allgemein bekannt. Deren Höhe hat die Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt, was für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO genügt. Der Beklagte hat keinen einen niedrigeren Schaden rechtfertigenden Sachvortrag gehalten.

Die geltend gemachten Zinsen sind aus § 291 BGB begründet.

Die Forderung ist nicht verjährt. Die gemäß § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist begann gemäß § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres 2010 und lief bis zur Hemmung gemäß § 204 BGB mit Eingang des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids am 07.12.2011, auf den die Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 167 ZPO zurückwirkte, weil sie innerhalb eines Monats seit der Mitteilung über die Unzustellbarkeit vom 19.12.2011 und damit „demnächst“ i. S. d. § 693 Abs. 2 ZPO erfolgte (vgl. BGHZ 150, 221-226 Rn. 16 bei juris). Die Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB 6 Monate nach der Mitteilung über den Eingang des Widerspruchs vom 25.01.2012 und damit am 25.07.2012, so dass die Verjährungsfrist um diese 231 Tage verlängert bis zum 19.08.2014 weiterlief und bei Eingang der Anspruchsbegründung am 30.06.2014 noch nicht verstrichen war.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

 

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