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Gewerbepolice mit verbundener Inhaltspolice – Umfang des Versicherungsschutzes

OLG Stuttgart – Az.: 7 U 60/21 – Beschluss vom 05.07.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 05.02.2021, Az. 1 O 79/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26.07.2021.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 05.02.2021 einen Leistungsanspruch des Klägers aus der bei der Beklagten genommenen Gewerbepolice mit verbundener Inhaltsversicherung verneint und die Klage abgewiesen.

Das landgerichtliche Urteil ist nach Überprüfung des gesamten erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Angriffe in der Berufungsbegründung nicht zu beanstanden. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

1.

Die Parteien gehen übereinstimmend zu Recht davon aus, dass der Kläger vorliegend Versicherungsschutz für die beiden in Rede stehenden Eintrittskarten lediglich unter dem Blickwinkel einer so genannten Außenversicherung erlangen kann.

a)

Gemäß § 16 Nr. 3 VGIB 2014 Teil B besteht Versicherungsschutz auch für versicherte Sachen, die sich vorübergehend außerhalb des Versicherungsortes innerhalb der Europäischen Union sowie der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen befinden.

Vorübergehend in diesem Sinne ist ein Zustand, der sich zeitlich und räumlich nach dem Willen des Berechtigten (des Klägers) dahin entwickeln soll, dass der Gegenstand an den Versicherungsort gelangt. Die Sache muss ich dort noch nicht befunden haben, eine „Rückkehr“ wird nicht verlangt. Vielmehr ist die – im Schadenszeitpunkt schon und noch vorhandene – überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr oder eines erstmaligen Verbringens in die versicherten Räumlichkeiten innerhalb der Frist erforderlich und ausreichend (BGH, Urteil vom 11.06.1986 – IVa ZR 82/85 -, VersR 1986, 778, juris Rn. 21; OLG Hamm, Urteil vom 07.09.2007 – 20 U 54/07 -, VersR 2008, 678, Rn. 31; OLG Celle, Urteil vom 22.02.1989 – 8 U 103/88 -, zitiert nach juris). Deshalb besteht für Gegenstände, die ausschließlich außerhalb der versicherten Räume aufbewahrt werden, sowie für Sachen, deren dauernde Entfernung (aus dem Versicherungsort) der Versicherungsnehmer von Anfang an beabsichtigt, auch im Rahmen der so genannten Außenversicherung kein Versicherungsschutz (OLG Hamm a. a. O.; zum Ganzen Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, Rn. 2 ff. zu Teil A § 7 VHB).

Beweisbelastet für eine lediglich „vorübergehende“ Entfernung ist der Versicherungsnehmer (BGH a. a. O., juris Rn. 20), vorliegend mithin der Kläger.

b)

Dies zugrunde legend, werden die hier in Rede stehenden Eintrittskarten weder selbst (dazu unter lit. aa) noch als Surrogat für das Bargeld, mit dem die Eintrittskarten erworben wurden (dazu unter lit. bb), vom Versicherungsschutz umfasst.

aa)

Nach seinen eigenen Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 16.09.2020 (Seite 2 der Sitzungsniederschrift) hatte der Kläger die beiden Eintrittskarten ca. zehn Minuten vor dem späteren, von ihm behaupteten „Raub“ in Madrid käuflich erworben. Die Eintrittskarten befanden sich damit vor der streitgegenständlichen Entwendung nicht am Versicherungsort, was indes – wie ausgeführt – auch nicht erforderlich ist.

Gewerbepolice mit verbundener Inhaltspolice - Umfang des Versicherungsschutzes
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Allerdings kann vorliegend auch nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Eintrittskarten zu einem späteren Zeitpunkt an den Versicherungsort hätten gelangen sollen. Das Handeln des Klägers war vorliegend ersichtlich von der Vorstellung geprägt, die Eintrittskarten für das Champions League-Finale 2019 unmittelbar im Anschluss an den eigenen Erwerb vor Ort an Interessenten – nach Möglichkeit zu einem höheren Preis – wieder zu veräußern, was er auch bei früheren Finalspielen der Champions League seinen Angaben zufolge bereits mehrfach praktiziert hatte.

Dem steht nicht entgegen, dass – worauf auch die Berufung abhebt – die (vorliegend lediglich als theoretisch zu bezeichnende) Möglichkeit bestand, keine Abnehmer für die Eintrittskarten zu finden, so dass der Kläger diese mit nach Hause hätte nehmen müssen. Zum einen war dieses Vorgehen nicht vom Kläger beabsichtigt, nachdem das Champions League-Finale am Abend des Erwerbs und beabsichtigten Verkaufs der Karten stattfand und diese mithin nach diesem Zeitpunkt – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – wertlos geworden wären. Zum anderen kann auch unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst geschilderten Umstände nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines ausbleibenden Verkaufserfolges ausgegangen werden.

bb)

Versicherungsschutz in Bezug auf die Eintrittskarten besteht auch nicht deshalb, weil diese als so genanntes Surrogat an die Stelle des Bargeldbetrages getreten sind, den der Kläger an den vormaligen Verkäufer der Eintrittskarten bezahlt hat.

Zwar ist eine Identität zwischen weg- und zurückgebrachten Sachen nicht erforderlich und deshalb auch eine Surrogation zuzulassen (Klimke a. a. O., Rn. 6 zu Teil A § 7 VHB). Daraus vermag die Berufung indes nichts für sich abzuleiten.

Unabhängig davon, ob sich der Geldbetrag – den der Kläger seinem Vortrag zufolge kurz vor Antritt der Reise nach Madrid abgehoben hat – zumindest kurzfristig am Versicherungsort befand, fehlt es insoweit ebenfalls an einer lediglich vorübergehenden Entfernung.

Der Geldbetrag sollte nach den Vorstellungen des Klägers dazu dienen, die beiden in Rede stehenden Eintrittskarten zu erwerben, und deshalb endgültig aus dem Versicherungsort entfernt werden. Versicherungsschutz besteht in diesen Fällen lediglich dann, wenn das Surrogat – mithin die mit dem Bargeld erworbenen Eintrittskarten – an den Versicherungsort hätte verbracht werden sollen (vgl. Klimke a. a. O.; Höra in Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2017, Rn. 167 zu § 3), was indes – wie unter lit. aa ausgeführt – nicht der Fall war.

Deshalb kommt es insoweit auch nicht entscheidend darauf an, ob der Bargeldbetrag mit Blick auf die Regelung in § 16 Nr. 7 VGIB 2014 Teil B vom Versicherungsschutz umfasst war.

cc)

Dies alles zugrunde legend, besteht vorliegend deshalb auch kein Versicherungsschutz, sofern die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (dort S. 3, zweiter Absatz) dahin zu verstehen sein sollten, dass auf einen möglichen Verkaufserlös als Surrogat des Surrogats abgehoben werden soll.

2.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung in § 16 Nr. 3 VGIB 2014 Teil B bestehen entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

a)

Insoweit handelt es sich weder um eine unklare noch um eine intransparente Klausel im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, auf den insoweit abzustellen ist, vermag der Regelung ohne weiteres zu entnehmen, dass im Rahmen der Außenversicherung in den dort genannten räumlichen Grenzen Versicherungsschutz lediglich dann besteht, wenn die betreffenden Gegenstände lediglich vorübergehend aus dem Versicherungsort, der in § 16 Nr. 2 VGIB 2014 Teil B definiert wird, entfernt werden. Darüber hinaus wird ein Zeitraum angegeben, der (nicht mehr) als vorübergehend in diesem Sinne angesehen wird.

Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt sich mithin bereits bei Lektüre der entsprechenden Regelungen, dass sich die versicherte Sache, um Versicherungsschutz zu genießen, entweder vor dem Versicherungsfall an dem versicherten Ort befunden haben muss, oder aber ohne den Versicherungsfall zumindest beabsichtigt gewesen sein muss, sie an diesen zu verbringen. Es wird somit – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – ein klarer Bezug zum Versicherungsort hergestellt, der vorliegend nicht besteht.

b)

Schließlich liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers vor.

Die Klausel schränkt keine wesentlichen Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasst nicht jede Leistungsbegrenzung. Unzulässig ist eine Begrenzung vielmehr erst dann, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – IV ZR 402/14 -, VersR 2016, 241, Rn. 25 ff.).

Das ist bei der hier vom Kläger genommenen Inhaltsversicherung in Bezug auf die Regelung zur Außenversicherung in § 16 Nr. 3 VGIB 2014 Teil B ersichtlich nicht der Fall.

3.

Nachdem dem Kläger mithin aus den oben genannten Gründen Versicherungsschutz nicht zusteht, kommt es auf die übrigen, im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen (Rechts-)Fragen nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise an.

4.

Mangels eines Zahlungsanspruches kann der Kläger von der Beklagten auch nicht die Zahlung von (Verzugs-)Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten verlangen.

II.

Nachdem die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat die Berufungsrücknahme nahe. Im Falle der Zurücknahme der Berufung ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 KV-GKG).

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