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Gesundheitsfragen im Antragsformular

Versicherungsmakler als Fragen des Versicherers

LG Bonn – Az.: 9 O 302/12 – Urteil vom 24.09.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Im September 2009 beriet Herr T2, ein Mitarbeiter der G AG, den Kläger über den Abschluss einer privaten Krankenversicherung. Der Kläger entschied sich für eine Krankenversicherung bei der Beklagten, die er für sich und seine Ehefrau, Frau T, anhand eines von der G AG erstellten und zur Verfügung gestellten Formulars beantragte. Der Antrag enthielt auch Fragen zum Gesundheitszustand der versicherten Personen, wobei bei den Fragen 2.d, 3.a, 3.b, 3.c, 6.b und 6.c in Klammern unterschiedliche Modifikationen für einzelne Versicherungsgesellschaften, unter anderem auch für die Beklagte, vorgesehen waren. Auf die Frage 2.d nach ambulanten Untersuchungen oder Kontrolluntersuchungen der Ehefrau in den letzten drei Jahren wurden jährliche Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt sowie Gynäkologen jeweils ohne Befund angegeben. Ferner wurden die Fehlsichtigkeit und ein fehlender Zahn der Ehefrau mitgeteilt. Im Übrigen wurden die Gesundheitsfragen verneint. Den Antrag vom 25.09.2009 policierte die Beklagte zum 01.01.2010 unter der Nummer ###.######### mit einer monatlichen Versicherungsprämie in Höhe von 272,91 EUR. Anlässlich einer im Sommer 2010 eingereichten Rechnung holte die Beklagte eine Auskunft über den gesundheitlichen Zustand der Ehefrau des Klägers von ihrem Hausarzt ein. Dieser teilte mit, dass sie am 13.09.2006 wegen eines LWS-Syndroms und am 13.10.2008 wegen eines HWS-Syndroms behandelt wurde. Vor diesem Hintergrund erhob die Beklagte einen Risikozuschlag in Höhe von 40 %, der zu einer rückwirkenden Beitragsanpassung in Höhe von monatlich 97,20 EUR führte. Den für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 01.09.2011 ausstehenden Betrag in Höhe von 2.041,20 EUR zog sie aufgrund der erteilten Einzugsermächtigung vom Konto des Klägers ein. Mehrfache Versuche des Klägers, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, blieben ohne Erfolg.

Der Kläger behauptet, dass Herr T2 die im Antragsformular aufgenommenen Gesundheitsfragen nicht einzeln vorgelesen und über die Folgen einer etwaigen Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen nicht belehrt habe.

Er beantragt,

1. festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 12.10.2010 erklärte Vertrags- und Prämienanpassung unwirksam ist und der bestehende Krankenversicherungsvertrag bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer ###.######### gemäß der Bedingungen des Versicherungsscheins vom 02.10.2009 ohne Risikozuschlag fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.041,20 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2011 zu zahlen. Die Beklagte zu verpflichten, etwaige weitere von ihr zu viel eingeforderten Versicherungsprämien in Höhe von monatlich 97,29 EUR an den Kläger zurückzuzahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 446,13 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die von der Beklagten vorgenommene rückwirkende Prämienanpassung ist wirksam, weil die Voraussetzungen des § 19 IV VVG erfüllt sind.

Gemäß § 19 IV 1 VVG sind das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätte. In diesem Fall werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

Der Kläger hat seine Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten verletzt, indem er die in dem von der G AG erstellten Antragsformular enthaltenen Gesundheitsfragen falsch beantwortet hat.

Gemäß § 19 I VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.

In dem Antragsformular wurde der Kläger danach gefragt, ob bei seiner Ehefrau in den letzten drei Jahren vor Antragstellung Krankheiten oder Beschwerden bestanden haben. Diese Frage ist der Beklagten zuzurechnen. Zwar stammt das verwendete Antragsformular unstreitig nicht von der Beklagten, sondern von der G AG. Aus dem Formular ergibt sich jedoch eindeutig, dass es sich um Gesundheitsfragen der jeweiligen Versicherungsgesellschaften handelt (vgl. auch LG Tübingen Urteil vom 23.11.2011, Az. 4 O 124/11). Deswegen wird in dem Antrag bei den einzelnen Fragen auch auf etwaige Abweichungen der jeweiligen Versicherer ausdrücklich hingewiesen. Entsprechende Differenzierungen wäre nicht erforderlich, wenn die Fragen nur einer eigenen Risikobewertung der G AG dienen sollten. Auch der den Gesundheitsfragen vorangestellte Hinweis auf die Rechte des Versicherers im Falle einer Verletzung der objektiven Anzeigepflicht wäre ebenso wie die Aufstellung der Kontaktdaten der jeweiligen Versicherer überflüssig, wenn es sich nicht um Gesundheitsangaben für die Versicherer handelte. Aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Hamm Urteil vom 03.11.2010, Az. 20 U 38/10 ergibt sich nichts anderes (so auch LG Tübingen Urteil vom 23.11.2011, Az. 4 O 124/11). Die diesem Urteil zugrunde liegende Konstellation ist mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. Vorliegend geht es nicht darum, dass Fragen aus einem von einem Dritten zu eigenen Zwecken erstellten Fragebogen falsch beantwortet wurden, sondern darum, dass ein Dritter für die Versicherer, mit denen er zusammenarbeitet, einen einheitlichen Fragebogen erstellt hat. Abgesehen davon geht auch das OLG Hamm in seiner Entscheidung davon aus, dass ein Stellen von Fragen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG anzunehmen ist, wenn die Fragen in dem von dem Dritten erstellten Fragebogen so behandelt werden können, als seien sie von dem Versicherer gestellt worden. Davon ist auszugehen, wenn für d en Versicherungsnehmer erkennbar ist, dass es sich um Fragen des Versicherers handelt (OLG Hamm Urteil vom 03.11.2010, Az. 20 U 38/10; Anschluss LG Dortmund Urteil vom 24.02.2012, Az. 2 O 144/11). Anders als in den vom OLG Hamm sowie LG Dortmund entschiedenen Fällen war es für den Kläger anhand des Antragsformulars klar erkennbar, dass es sich um Fragen der Beklagten handelt.

Bei den unstreitig nicht angegebenen, aber erfolgten Behandlungen wegen LWS- sowie HWS-Beschwerden handelt es sich auch um gefahrerhebliche Umstände. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es sich um harmlose Beschwerden gehandelt habe, die der Arzt mit Verschreibung von Massagen behandelt habe. Die Beklagte hat jedoch nachvollziehbar und zutreffend dargelegt, dass LWS- und HWS-Beschwerden in jedem Fall und unabhängig von ihrer Ausprägung gefahrerheblich und mithin abgabepflichtig seien. Das hat der Kläger seinerseits nicht in Abrede gestellt und substantiiert bestritten.

Aufgrund der Verletzung der Anzeigepflicht hat die Beklagte einen Risikozuschlag in Höhe von 40 % erhoben. Im Rahmen der Klageerwiderung hat sie im Einzelnen dargelegt, wie sich die Höhe des Zuschlages im Hinblick auf die Art der nicht angezeigten risikoerheblichen Umstände sowie die Besonderheiten des vom Kläger gewählten Tarifes zusammensetzt. Der Kläger ist diesem Vortrag ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Prämienanpassung durfte auch rückwirkend erfolgen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat.

Das Recht zur Beitragsanpassung ist auch nicht ausgeschlossen, § 19 V 1 VVG. Der Kläger wurde über die Folgen der Anzeigepflichtverletzung ordnungsgemäß belehrt. In dem Antragsformular heißt es unter „Angaben zum Gesundheitszustand“: „Die Gesundheitsfragen sind nach bestem Wissen sorgfältig, vollständig und richtig zu beantworten. Eine Verletzung ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen. Bitte beachten Sie hierzu die Ausführungen zu der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Punkt I. der Schlusserklärungen.“. Unmittelbar vor den Unterschriften des Klägers sowie seiner Ehefrau heißt es weiter: „… Bevor Sie diese Anträge unterschreiben, lesen Sie bitte auf der Rückseite die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht. … Sie machen mit Ihrer Unterschrift die Schlusserklärungen zum Inhalt dieser Anträge.“. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Schlusserklärungen seinem Antragsformular nicht beigefügt waren.

Da die Prämienanpassung wirksam gewesen ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der eingezogenen Prämienrückstände in Höhe von 2.041,20 EUR.

Da die Anträge zu 1) und 2) unbegründet sind, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 7.085,60 EUR

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