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Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung – Vertragsbeendigung

LG Dortmund

Az: 2 O 315/13

Urteil vom 19.12.2013

Beitragsschulden in der KrankenversicherungDie Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.966,34 EUR (in Worten: dreizehntausendsiebenhundertzweiundvierzig 4/100 Euro) nebst einem Säumniszuschlag in Höhe von 1 vom Hundert für jeden angefangenen Monat des Rückstandes beginnend mit dem 01.12.2009 aus einem Betrag von 524,30 EUR und jeden folgenden Monat aus einem Betrag von 524,30 EUR sowie weitere 2,50 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte war bis zum 30.09.2011 bei der Klägerin gegen Krankheitskosten versichert. In dieser Zeit sind Prämienrückstände in Höhe von unstreitig 13.966,34 EUR aufgelaufen. Die Krankenversicherung endete mit Ablauf des 30.09.2011 durch Kündigung der Beklagten. Seitdem ist die Beklagte bei einem anderen Krankenversicherer gegen Krankheitskosten in einem Normaltarif versichert.

Die Klägerin macht mit der Klage die rückständige Versicherungsprämie nebst Nebenforderungen geltend.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.966,34 EUR nebst einem Säumniszuschlag in Höhe von 1 vom 100 für jeden angefangenen Monat des Rückstandes (Beginn des Rückstandes am 01.12.2009 mit 524,30 EUR) sowie 2,50 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie will das seit dem 01.08.2013 geltende Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung angewendet wissen. Sie vertritt die Auffassung, dass es keinen Grund gebe, warum die zum 01.08.2013 eingetretene Gesetzesänderung, die ausdrücklich auch rückwirkend gelten solle, da sie sonst ihren Sinn verfehlen würde, einen Unterschied machen soll zwischen noch Versicherten und nicht mehr Versicherten. Auch die nicht Versicherten seien zwangsweise in einer anderen Versicherung und würden von den exorbitanten Lasten genauso erdrückt wie die noch Versicherten. Letztere habe der Gesetzgeber entlasten wollen, und zwar ausdrücklich rückwirkend, wie die Gesetzesbegründung ausführe. Außerdem erhebt sie die Verjährungseinrede.

Die Klägerin hält dagegen die seit dem 01.08.2013 geltende Neuregelung für nicht anwendbar, weil zu diesem Zeitpunkt wegen vorangegangener Vertragsbeendigung das Ruhen der Leistungen aus der zuvor bei der Klägerin bestehenden Krankenversicherung nicht (mehr) bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte die vereinbarte Versicherungsprämie aus der zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherung für den Zeitraum Dezember 2009 bis einschließlich September 2011 zu.

1. Unter den Parteien ist unstreitig, dass der Prämienrückstand der Beklagten aus der durch Kündigung der Beklagten selbst beendeten Krankenversicherung 13.966,34 EUR beträgt. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung kann sie sich nicht auf das am 01.08.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung berufen. Denn der durch dieses Gesetz eingefügte § 193 Abs. 7 VVG bestimmt, dass der Versicherungsnehmer als im Notlagentarif nach § 12 h des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert gilt, solange der Vertrag ruht. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt indes – wie die Klägerin zu Recht ausführt – voraus, dass der Krankenversicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Inkrafttretens – mithin am 01.08.2013 – sich im Stadium des Ruhens befand. Dies war jedoch bei der zwischen den Parteien vereinbarten Krankenversicherung nicht der Fall, da diese Krankenversicherung durch Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30.09.2011 beendet war. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann § 193 Abs. 7 VVG auf das beendete Krankenversicherungsverhältnis nicht angewendet werden. Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, dass ihre Krankenversicherung überhaupt von der Klägerin ruhend gestellt worden ist. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, käme das Gesetz nicht zur Anwendung. Dies folgt bereits aus § 193 Abs. 8 VVG. Danach übersendet der Versicherer dem Versicherungsnehmer in Textform eine Mitteilung über die Fortsetzung des Vertrages im Notlagentarif nach § 12 h des Versicherungsaufsichtsgesetzes und über die zu zahlende Prämie. Dabei ist der Versicherungsnehmer in herausgehobener Form auf die Folgen der Anrechnung der Altersrückstellung nach § 12 h Abs. 2 S. 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes für die Höhe der künftig zu zahlenden Prämie hinzuweisen. Diese Regelung macht nur Sinn in einem noch bestehenden und auf den Notlagentarif umgestellten Krankenversicherungsvertrag. Auch aus der Gesetzesbegründung – Bundestagsdrucksache 17/13079 und 17/13402 – ergibt sich nichts Gegenteiliges. Vielmehr lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass dem Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung von Altschuldnern und Neuschuldnern bewusst gewesen ist. Denn der Bundesrat hatte angeregt, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Ermangelung von Übergangsregelungen im Gesetzentwurf Ungleichbehandlungen von Altschuldnern und Neuschuldnern beseitigt werden könnten, die sich durch die Regelungen im Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben. Die Bundesregierung  hat daraufhin die Prüfung von Maßnahmen zugesagt, um das Problem bereits bestehender Beitragsschulden in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung anzugehen (Bundestagsdrucksache 17/13402 zu Artikel 2), ohne dass allerdings die von der Beklagten eingeforderte Gleichstellung in die Neufassung des § 193 VVG Eingang gefunden hätte. Demnach ist davon auszugehen, dass eine Gleichstellung von noch Versicherten, bei denen das Ruhen der Leistungen zum 01.08.2013 andauerte mit denjenigen Altschuldnern, bei denen das Ruhen der Leistungen bereits vor dem 01.08.2013 beendet war, weil z.B. das Krankenversicherungsverhältnis wie bei der Beklagten durch Kündigung des Versicherungsnehmers bereits beendet war, (noch) nicht gewollt war und eine solche Gleichstellung durch die neue Rechtslage nicht geregelt worden ist.

2. Der Höhe nach betrug der unstreitige Prämienrückstand 13.966,34 EUR. Der Zeitraum der rückständigen Prämie lief von Dezember 2009 bis einschließlich September 2011. Die Prämie für Dezember 2009 ist (auch nicht teilweise) verjährt. Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist durch den im Februar 2012 beantragten und auch erlassenen Mahnbescheid gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden. Die Klägerin hat das Verfahren zwar erst wieder im Juni 2013 weiter betrieben. Die Hemmungswirkung endete gem. § 204 Abs. 2 BGB allerdings erst 6 Monate nach der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts im März 212. Der Hemmungszeitraum beträgt damit  mehr als 6 Monate mit der Folge, dass Verjährung statt Ende 2012 frühestens Ende Juni 2013 eingetreten konnte, so dass bei Wiederaufnahme des Verfahrens im Juni 2013 erneut Verjährungshemmung erfolgt ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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