Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin hin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.10.2020, Az. 2-08 O 11/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit einem Haftungsanteil von 25 % aus dem Versicherungsvertrag mit der Nr. … gegenüber der Klägerin verpflichtet ist, Deckung für bereits entstandene oder noch entstehende Schäden aufgrund des Schadensereignisses vom 26.01.2017 am Objekt Straße1, Stadt1 auf Grundlage der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu erteilen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte A & B in Höhe von 1.973,90 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 75% und die Beklagte 25 % zu tragen.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Klägerin 66 % und die Beklagte 34 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf bedingungsgemäße Leistungen aus einer Gebäudeversicherung geltend.
Für das versicherte Gebäude unterhielt ausweislich des Versicherungsscheins Herr C (im Weiteren: Versicherungsnehmer) mit Beginn zum 01.03.2016 eine Wohngebäudeversicherung.
Wie zwischen den Parteien unstreitig geworden ist, hatte der Versicherungsnehmer mit notariellem Vertrag vom 03.02.2016 unter anderem die versicherte Liegenschaft von Frau Vorname3 Nachname2, Frau Vorname1 Nachname1 und Herrn Vorname2 Nachname1, letztere auch handelnd als alleinige Gesellschafter der Vorname2 und Vorname1 Nachname1 GbR, erworben. Darüber hinaus ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass der Versicherungsnehmer den Kaufvertrag im August 2016 wegen arglistiger Täuschung angefochten hatte. Über die Wirksamkeit des Kaufvertrages standen die Parteien des Kaufvertrages in der Folgezeit und auch noch im Zeitpunkt des Schadenereignisses im (Rechts-)Streit. Dieser wurde durch Vergleich vom 09.01.2018 beendet, der die Rückübertragung des Grundstücks beinhaltete. Diese wurde in der Folgezeit umgesetzt. Im Zuge dessen trat der Versicherungsnehmer seine Ansprüche gegen die Beklagte aus der Gebäudeversicherung wegen des streitgegenständlichen Schadens an die (Wieder-)Eigentümer ab.
Wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig geworden ist, ist nunmehr die Klägerin Eigentümerin der versicherten Liegenschaft. Sie hatte diese mit notariellem Vertrag vom 07.11.2018 erworben und war am 24.01.2019 als Eigentümerin eingetragen worden. Zuvor waren ihr bereits die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgetreten worden.
Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VGB 2003) zugrunde lagen. Nach § 24 Ziffer 1 c) VGB 2003 hat der Versicherungsnehmer nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Nach § 24 Ziffer 2 VGB 2003 hat der Versicherungsnehmer bei Verletzung einer der Sicherheitsvorschriften keinen Versicherungsschutz, wenn der Versicherer von seinem Recht Gebrauch macht, den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Verletzung der Sicherheitsvorschrift fristlos zu kündigen. Der Versicherer hat kein Kündigungsrecht und der Versicherungsschutz bleibt bestehen, wenn die Sicherheitsvorschrift weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt wurde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen Bezug genommen.
Das versicherte Gebäude stand seit mindestens November 2016 leer. Die wasserführenden Anlagen und Leitungen waren nicht geleert und abgesperrt worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.11.2016 ließ der Versicherungsnehmer gegenüber dem anwaltlichen Vertreter der Voreigentümer Nachname2 und Nachname1 mitteilen, dass das (versicherte) „Anwesen jetzt in der kalten Jahreszeit geheizt werden sollte, um Schäden durch Einfrieren oder ähnliches zu verhindern“. Es werde davon ausgegangen, „dass sich Ihre Partei darum kümmert“. Des Weiteren heißt es: „Unsere Mandantschaft tut dies nicht, da sie, wie Sie wissen, nicht Eigentümer geworden ist“.
Am 26.01.2017 wurde in dem versicherten Anwesen ein Leitungswasserschaden entdeckt. Schadensursache waren Frostaufplatzungen.
Der Schaden wurde der Beklagten angezeigt, und am 15.03.2017 kam es zu einer Besichtigung durch den von der Beklagten beauftragten Gutachter, E, der sodann unter dem Datum vom 07.04.2017 sein Gutachten erstattete. Dieser stellte fest, dass mindestens 36 statische Heizkörper durch Frosteinwirkung zerstört worden waren und es zu frostbedingten Zerstörungen an etlichen Toilettenkörpern gekommen war (eingefrorene Geruchsverschlüsse, dadurch Aufplatzen der Porzellankörper). Er ermittelte vorläufige Schadensbeseitigungskosten in Höhe von 100.000,00 € bis 150.000,00 € brutto, in denen zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließbare Teilerneuerungen von Fliesenbelägen nicht enthalten waren.
Die Klägerin hat behauptet, das Anwesen sei vor dem Frostschaden beheizt gewesen und auch regelmäßig begangen worden. Ursache des Schadens sei ein technischer Defekt an der Heizung gewesen, die deswegen ausgefallen sei. Die Kühlanlagen für die Kühlräume hätten einen Erdschluss gehabt, der beim Anlaufen den Fehlerstromschalter ausgelöst und die Heizungsanlage stromlos geschaltet habe.
Im Zeitraum von November 2016 bis 26.01.2017 sei mindestens zweimal wöchentlich jemand in dem versicherten Gebäude gewesen. Gegen eine Auskühlung des gesamten Gebäudes spreche, dass die Fußbodenheizung im Erdgeschoss nicht eingefroren gewesen sei.
Auf Grundlage einer Schadenskalkulation des Bauplanungsbüros X vom 24.09.2020 hat die Klägerin behauptet, die Kosten für die Erneuerung der zerstörten Installation, die Sanierung der Bäder sowie der in Mitleidenschaft gezogenen Elektrik beliefen sich auf ca. 603.474,36 € netto. Hierin seien bereits bezahlte Arbeiten in Höhe von 23.212,95 € enthalten. Ein Betrag von weiteren 1.158,16 € brutto (976,24 € netto) sei hingegen hinzuzurechnen, sodass die Schadensbeseitigungskosten danach 604.447,60 € betragen würden.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede gestellt und geltend gemacht, die Feststellungsklage sei unzulässig.
Sie hat unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten behauptet, dass schon wochenlang Frost geherrscht habe und Fenster in dem Anwesen offen gestanden haben müssten, so dass eine umfassende Auskühlung des Hauses möglich gewesen sei. Schadensursache sei ein Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften gewesen, alle wasserführenden Anlagen und Leitungen zu entleeren, entleert zu halten und abzusperren. Dadurch sei der Versicherungsfall jedenfalls grob fahrlässig im Sinne von § 81 Abs. 2 VVG herbeigeführt worden. Der Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften rechtfertige eine Leistungskürzung von 100 %, da insoweit praktisch nichts zur Schadensverhinderung unternommen worden sei.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 02.10.2020 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Nachname1 und Nachname2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 02.10.2020.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 30.10.2020 festgestellt, dass die Beklagte mit einem Haftungsanteil von 75 % aus dem Versicherungsvertrag mit der Nr. … gegenüber der Klägerin verpflichtet sei, Deckung für die bereits entstandenen oder noch entstehenden Schäden aufgrund des Schadensereignisses auf Grundlage der Versicherungsbedingungen zu erteilen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere bestehe das erforderliche Feststellungsinteresse. Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers aus dem zwischen diesem und der Beklagten im Jahr 2017 bestehenden Versicherungsvertrag dem Grunde nach ein Regulierungsanspruch zu, der nach § 81 VVG auf 75 % zu kürzen sei. An der Wirksamkeit der Abtretung des Regulierungsanspruchs und damit der Aktivlegitimation der Klägerin bestehe für das Gericht kein Zweifel. Dass es an dem versicherten Gebäude zu einem Leitungswasseraustritt gekommen und damit ein vom Versicherungsschutz erfasstes Schadensereignis eingetreten sei, sei nicht streitig. Unstreitig sei auch, dass das versicherte Gebäude schon vor dem Schadensereignis mindestens zwei Monate leer gestanden habe. Weiter habe die Klägerin nicht substantiiert behauptet, dass die in den VGB enthaltene Verhaltensanforderung gewahrt worden sei. Sie habe zwar behauptet, das Gebäude sei in der kalten Jahreszeit durchgehend beheizt gewesen und es habe eine regelmäßige Kontrolle stattgefunden. Eine Leerung der Leitungen habe sie indes nicht behauptet. Auch wenn hiernach eine Obliegenheitsverletzung dem Grunde nach anzunehmen sei, könne die Beklagte hieraus keine Leistungsfreiheit ableiten. Dass die hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen an die Regelung in § 28 VVG angepasst worden seien, habe die Beklagte nicht dargelegt. Soweit die Beklagte geltend mache, es liege jedenfalls ein grob fahrlässiges Unterlassen der zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen vor, das auch nach § 81 Abs. 2 VVG einen vollständigen Leistungsausschluss trage, überzeuge das nicht. Vielmehr sei auf der Grundlage dieser Norm nur eine anteilige Leistungskürzung gerechtfertigt. Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles sei anzunehmen. Eine vollständige Leistungskürzung wäre nur anzunehmen, wenn die Repräsentanten des Versicherungsnehmers nicht nur die im Vertrag vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen unbeachtet gelassen, sondern darüber hinaus auch ansonsten keinerlei Vorkehrungen zur Verhinderung des Schadenseintritts getroffen hätten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung fest, dass die von der Klägerin behaupteten Sicherungsmaßnahmen tatsächlich stattgefunden hätten. Der für die Beurteilung der Schwere der groben Fahrlässigkeit maßgebliche Sachverhalt stelle sich nach dem Beweisergebnis so dar, dass die Repräsentanten des Versicherungsnehmers Mitte November 2016 die Heizung hätten warten lassen und sie sodann so eingestellt hätten, dass sie in den Räumen des versicherten Gebäudes Innentemperaturen von etwa 10 Grad Celsius herbeigeführt hätten. Dieses Raumklima hätten sie im Schnitt zweimal wöchentlich kontrolliert. Die auf dieser Tatsachenbasis für die Bemessung der angemessenen Leistungskürzung nach § 81 Abs. 2 VVG vorzunehmende Gesamtschau ergebe eine Kürzung von 25 %. Sachgerecht sei es, im Regelfall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls eine Kürzung um 50 % vorzunehmen. Diese Vorgehensweise füge sich in einen dreistufigen Aufbau ein, wonach bei leichter Fahrlässigkeit eine volle Leistungspflicht des Versicherers bestehe, bei Vorsatz der Anspruch ganz entfalle und bei grober Fahrlässigkeit eine Leistungskürzung vorzunehmen sei. Diese liege für den Regelfall mit 50 % genau auf der Hälfte zwischen voller Erstattung und vollständiger Leistungsfreiheit. Der Versicherungsnehmer, der eine Kürzung von weniger als 50 % erreichen wolle, müsse im Sinne einer sekundären Darlegungslast die Umstände aufzeigen, die für einen geringeren Verschuldensgrad sprächen. Zugunsten der Repräsentanten des Versicherungsnehmers sei zu berücksichtigen, dass sie vor Beginn der kalten Jahreszeit die Heizungsanlage von einem Fachunternehmen hätten warten lassen, so dass man aus Laiensicht nicht unbedingt mit einem zeitnahen Ausfall der Anlage habe rechnen müssen. Die Repräsentanten hätten die Leerung der wasserführenden Anlagen auch nicht aus bloßer Bequemlichkeit unterlassen, sondern die Beheizung des Anwesens gegenüber einer Auskühlung für vorzugswürdig gehalten. Das aber bedinge das Belassen des Wassers in den Leitungen. Das von den Repräsentanten installierte Sicherungssystem entspreche immerhin dem Vorgehen, das in den Versicherungsbedingungen für bewohnte Gebäude vorgesehen ist. Zudem entspreche der von den Zeugen praktizierte Kontrollrhythmus dem, was bei Vertragsverhältnissen, in denen kein dem § 24 VGB 2003 entsprechendes Regularium vorhanden sei, als in der Regel ausreichend angesehen werde. Insgesamt hätten die Repräsentanten damit als Alternative zu den vertraglich vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen ein System installiert und umgesetzt, bei dem sie davon hätten ausgehen dürfen, dass im Normalfall ohne Eintritt besonders unglücklicher Umstände keine Schäden eintreten würden. Dies lasse die Nichtbeachtung des vertraglichen Sicherungssystems letztlich in einem so milden Licht erscheinen, dass eine Kürzung um 25 % zur Sanktionierung erforderlich, aber auch ausreichend erscheine. Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu. Es sei nicht dargelegt, dass der Beklagten zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung eine Anspruchsberechtigung der Klägerin bereits nachgewiesen gewesen sei.
Gegen das ihr am 19.11.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.12.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.03.2021 am 18.03.2021 begründet.
Die Beklagte macht zur Begründung der Berufung geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Feststellungsklage unzulässig. Das Landgericht habe übersehen, dass eine vorsätzliche Gefahrerhöhung des Versicherungsnehmers nach § 23 Abs. 1 VVG vorgelegen habe. Hinsichtlich des Vorsatzes sei auf Herrn C abzustellen, der zum Zeitpunkt des Schadenseintritts Versicherungsnehmer gewesen sei. Die Zeugen Nachname1 und Nachname2 könnten nicht als dessen Repräsentanten angesehen werden.
Angesichts der Temperaturverhältnisse – zum Schadenszeitpunkt habe Dauerfrost geherrscht – hätten gegebenenfalls tägliche Kontrollen vorgenommen werden müssen. Dies hätten die Zeugen aber nicht bekundet. Der Zeuge Nachname2 habe auch nicht bestätigt, dass er notwendige Kontrollen der Heizkörper vorgenommen oder nach Wasserleitungen oder Toiletten geschaut habe. Aus den Aussagen der Zeugen ergebe sich, dass die Kontrollen nur oberflächlich gewesen sein könnten und die von dem Landgericht vorgenommene Leistungskürzung dem wahren Sachverhalt und dem Verschuldensgrad nicht entspreche, insbesondere dann nicht, wenn man auf das Verhalten des Versicherungsnehmers abstelle. Das Landgericht habe ganz gravierende Merkmale zur Beurteilung der vollständigen Leistungsfreiheit der Beklagten nicht berücksichtigt. Das Landgericht habe vielmehr fehlerhaft festgestellt, dass eine vollständige Leistungsfreiheit nicht anzunehmen sei, da die vermeintlichen Repräsentanten des Versicherungsnehmers ein System einer im Schnitt halbwöchentlichen Kontrolle installiert und umgesetzt hätten. Das sei insoweit unzutreffend, wenn man diese Auffassung mit dem Protokoll der Zeugenaussagen vergleiche, und gelte umso mehr, wenn man die gutachterlichen Feststellungen zum Umfang des Schadens einbeziehe. Es hätten vom 01.11.2016 bis zum 31.01.2017 niedrigste Außentemperaturen von -5 bis -17 Grad vorgelegen. Auch der Versicherungsnehmer C habe in dem streitgegenständlichen Zeitraum mehrfach das Gebäude betreten. Hierbei seien auch Fenster geöffnet und von ihm der F1-Schalter vor dem Technikraum deaktiviert worden, womit die Heizkesselanlage mit Ölbrenner stromlos gestellt worden seien. Ihr Privatgutachter habe festgestellt, dass durch eine dem Anschein nach längere Betriebsunterbrechung bei sehr niedrigen Außentemperaturen in dem Gebäude nicht nur die Heizkörper, sondern auch die zugeordneten Steig- und Anschlussleistungen der jeweiligen Heizkörper in den Räumen eingefroren seien. Diese frostbedingten Schädigungen hätten nicht innerhalb von zwei Tagen entstehen können, wie es der Zeuge Nachname1 bekundet habe.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass ein Verhalten des Versicherungsnehmers vorgelegen habe, welches vorsätzlichem Handeln nahekäme. Es seien bei der Bestimmung des Grades der groben Fahrlässigkeit die konkreten, auf die Schwere des Verschuldens bezogenen Gesamtumstände in den Blick zu nehmen. Dies seien vor allem das Gewicht der objektiven Pflichtverletzung für die Vermeidung des Risikos, die Dauer und die Offenkundigkeit des Verstoßes wie auch die Vorhersehbarkeit seiner Folgen. Es sei bei der vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung darauf abzustellen, was der Versicherungsnehmer tatsächlich unternommen habe, um den Schaden zu verhindern. Hier sei aus der Schadensanzeige des Versicherungsnehmers ersichtlich, dass mindestens 17 Tage, nämlich zwischen dem 12.01. und dem 29.01.2017, von ihm selbst nichts unternommen worden sei, um den Schaden abzuwenden. Der enorme Schaden sei im Hinblick auf die nicht durchgeführten Kontrollen trotz bekannter tiefer Temperaturen nicht mehr im Verschuldensgrad der leichten Fahrlässigkeit zu bewerten, zumal der Versicherungsnehmer selbst nichts unternommen habe, aber auch die Zeugen angesichts der Angaben in der Schadenanzeige nicht das unternommen haben dürften, was sie ausgesagt hätten. Die Zeugen hätten die Kontrollen nicht korrekt und auch nicht im Auftrag des Versicherungsnehmers und auch nicht unter Berücksichtigung der damit verbundenen Kontrollpflichten des Versicherungsnehmers ausgeführt. Zudem seien die Wasserleitungen nicht geleert und abgesperrt gewesen, was die Zeugen ebenfalls nicht kontrolliert hätten. Vor diesem Hintergrund sei eine Kürzung um 100 % angemessen. Der objektive Tatbestand der Gefahrerhöhung sei bei einem leerstehenden Haus, wie es hier vorgelegen habe, und nicht abgesperrten und nicht entleerten Wasserleitungen und wasserführenden Anlagen und Leitungen ersichtlich erfüllt. Auch subjektiv sei der Tatbestand erfüllt, da – wie sich aus dem anwaltlichen Schreiben vom 10.11.2016 ergäbe – der Versicherungsnehmer weder Maßnahmen unternommen habe noch habe unternehmen wollen, um einen Frostschaden zu verhindern. Die Rückübertragung des Grundstücks sei erst lange nach dem Schadenfall erfolgt und könne nicht zur Begründung einer Repräsentantenstellung in 2017 herangezogen werden.
Weiter führt die Beklagte aus, eine objektive Gefahrerhöhung habe vorgelegen, da es sich unstreitig um ein leerstehendes Haus mit nicht entleerten und abgesperrten Leitungen gehandelt habe. Es sei angesichts der Schadensanzeige wie auch dem anwaltlichen Schreiben vom November 2016 davon auszugehen, dass auch subjektiv die Gefahrerhöhung durch den Versicherungsnehmer billigend in Kauf genommen worden und mithin verwirklicht worden sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.10.2020, Az.: 2-08 O 11/20, abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und unter Aufhebung auch des Verfahrens die Sache an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung – auflösend bedingt durch eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO – beantragt sie, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.10.2020 (Az.: 2-08 O 11/20) abzuändern und die Beklagte über den Tenor des genannten Urteils hinaus auch dazu zu verurteilen, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte A & B in Höhe von 1.973,90 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist. Aufgrund des anwaltlichen Schreibens vom 10.11.2016 hätten die Verkäufer aus wohlverstandenem Eigeninteresse das Anwesen zum Schutz vor Frostschäden kontrolliert, da die Rückübertragung bevorgestanden habe. Die Veräußerer Vorname2 Nachname1 und Vorname3 Nachname2 hätten seit der Anfechtung damit rechnen müssen, wieder Eigentümer zu werden, weswegen ein vitales wirtschaftliches Eigeninteresse am Erhalt der versicherten Sache bestanden habe. Seit dem Schreiben vom 10.11.2016 sei ihnen auch das alleinige Nutzungsrecht der versicherten Sache übertragen gewesen.
Die Eheleute Nachname1 und Frau Nachname2 seien spätestens seit der im August 2016 abgegebenen Anfechtungserklärung risikoverwaltende Repräsentanten des Versicherungsnehmers gewesen. Deren engmaschige Kontrolle und Überwachung dürfe sich der Versicherungsnehmer zurechnen lassen, wie dies auch § 35 i.V.m. § 24 VGB 2003 vorsehe. Es sei anerkannt, dass der Erwerber einer ihm unter Eigentumsvorbehalt bereits übergebenen Sache sowie der noch nicht im Grundbuch eingetragene Erwerber, der den erworbenen Hof bereits selbständig bewirtschafte, Repräsentanten des Versicherungsnehmers seien.
Sie trägt des Weiteren vor, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Anwesen im Winter 2016/2017 engmaschig überwacht und kontrolliert worden sei. Sie meint, für den Versicherer spiele es keine Rolle, wer und aus welchen Motiven heraus die Überwachung durchführe. Das Risiko bleibe für den Versicherer dasselbe. Die Berufung auf ein Fehlen der Repräsentantenstellung zu stützen, sei daher rechtsmissbräuchlich, da sich die Beklagte hier allein auf eine formale Rechtsposition zurückziehe.
Zur Begründung der Anschlussberufung macht die Klägerin geltend, sie habe gegenüber der Beklagten bereits mit Schreiben vom 25.06.2019 den Nachweis erbracht, dass ihr die Ansprüche aus dem Versicherungsvertragsverhältnis wirksam abgetreten worden seien. Dies sei vor Mandatierung, die am 03.08.2019 erfolgt sei, geschehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht worden sind.
II.
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Im tenorierten Umfang hat die Berufung der Beklagten auch Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte ein Anspruch auf bedingungsgemäße Regulierung aus § 1 VVG i.V.m. dem zwischen der Beklagten und Herrn C bestehenden Versicherungsvertrag dem Grunde nach zu.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte zur bedingungsgemäßen Regulierung verpflichtet ist, zulässig. Ob der Klägerin eine – teilweise – Bezifferung ihres Anspruchs möglich ist, kann dahinstehen. Denn einer auf Feststellung der Leistungspflicht gerichteten Klage des Versicherungsnehmers kann grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Feststellung der Schadenshöhe vorgesehen ist. Es besteht keine Verpflichtung des Versicherungsnehmers, bereits im Rahmen des Rechtsstreits zu erklären, ob er die Durchführung des Sachverständigenverfahrens beantragen werde (BGH, Urteil vom 13.04.2022, Az. IV ZR 60/20, juris).
Dies gilt auch im vorliegenden Falle, da in § 31 VGB 2003 dem Versicherungsnehmer das Recht eingeräumt ist zu verlangen, dass die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt wird. Dass die Klägerin sich dieses Rechts begeben haben könnte, ist nicht ersichtlich. Auch ist keine Frist vorgesehen, innerhalb derer das Recht auszuüben ist.
An der Aktivlegitimation der Klägerin bestehen keine Zweifel. Ihre entsprechende Rüge hat die Beklagte in der Berufung auch nicht mehr aufgegriffen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 26.01.2017 ein auf Frostaufplatzungen zurückzuführender Leitungswasserschaden in dem versicherten Objekt festgestellt worden ist und dieser grundsätzlich auch vom Versicherungsschutz umfasst ist. Die Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 Abs. 2 VVG jedoch zu einer Kürzung der Leistung um 75 % berechtigt.
Zwar kann im vorliegenden Fall nicht auf eine Obliegenheitsverletzung nach § 24 VGB 2003 abgestellt werden. Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten ist unwirksam, wenn der Versicherer von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten, d.h. einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG, kann sich der Versicherer aber weiterhin berufen (BGH, Urteil vom 12.10.2011, Az. IV ZR 199/10; juris).
Nach § 81 Abs. 1 WG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. So liegt der Fall hier. Der Versicherungsnehmer C hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.
Unstreitig stand das versicherte Anwesen jedenfalls seit November 2016 leer. Weiter waren entgegen § 24 Ziffer 1.c) VGB 2003 die wasserführenden Anlagen und Einrichtungen weder abgesperrt noch entleert noch entleert gehalten. Dies kann nach dem Wortlaut der Vorschrift weder durch eine genügend häufige Kontrolle noch durch irgendeine Form von Beheizen ersetzt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2019, Az. 12 U 42/19, Rdnr. 46, juris). Die in § 24 Ziffer 1 VGB 2003 enthaltenen Sicherheitsvorschriften als solche sind hierbei unabhängig davon wirksam, dass die in den VGB 2003 vorgesehene Rechtsfolge nicht mehr eintreten kann.
Für die Beurteilung der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles ist vorliegend allein auf das Verhalten des Versicherungsnehmers C abzustellen, der zum Zeitpunkt des Schadenseintritts unstreitig noch Eigentümer des versicherten Objekts und damit Versicherungsnehmer gewesen ist. § 81 VVG knüpft unmittelbar nur an die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer selbst an. § 278 BGB gilt nicht, auch nicht entsprechend (Klimke, in: BeckOK VVG, Stand: 01.08.2022, § 81 Rdnr. 54).
Insbesondere ist ihm nicht das Verhalten der Zeugen Nachname1 und Nachname2 nach den Regeln der Repräsentantenhaftung zuzurechnen. Entgegen der nicht weiter begründeten Annahme des Landgerichts sind die Zeugen nicht als Repräsentanten des Versicherungsnehmers anzusehen.
Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen; es bedarf vielmehr der Übertragung der Risikoverwaltung. Repräsentant kann deshalb nur sein, wer bei Würdigung der Gesamtumstände befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Nicht erforderlich ist es, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.05.2003, Az. IV ZR 166/02, juris).
Danach handelten die Zeugen vorliegend nicht als Repräsentanten des Versicherungsnehmers. Es fehlt insoweit bereits an der erforderlichen Befugnis, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (BGH, a.a.O.). Eine solche Befugnis im versicherungsvertraglichen Sinne für den Versicherungsnehmer zu handeln war den Zeugen allein aufgrund der Information des Versicherungsnehmers in seinem Schreiben vom 10.11.2016, sich nicht um die Beheizung kümmern zu wollen, von diesem nicht übertragen. Eine solche allgemeine Erklärung reicht nicht aus, um die ihm obliegenden Pflichten auf Dritte zu übertragen. Vielmehr war erforderlich, dass er die angesprochenen Personen ganz genau anweist, welche Vorsorgemaßnahmen zu treffen sind. Das Schreiben vom 10.11.2016 hat bei verständiger Würdigung vorrangig dazu gedient, etwaigen Schadenersatzansprüchen der ehemaligen Eigentümer wegen der Verletzung von Pflichten und einer damit etwaig einhergehenden Verschlechterung der Sache zu begegnen. Soweit die Klägerin diverse Fallbeispiele anführt, in denen Erwerber einer Sache bereits vor endgültiger Übertragung des Eigentums als Repräsentanten angesehen wurden (vgl. Fallbeispiele bei Armbrüster in: Prölss/Martin, § 28 VVG, Rdnr. 118 ff.), war in diesen Beispielsfällen – anders als hier – jeweils bereits das versicherte Risiko übertragen worden, so dass die Repräsentanten vollumfänglich selbständig auf die ihnen überlassene versicherte Sache einwirken und damit verfahren konnten. Eine vergleichbare Situation aber ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Versicherungsnehmer selbst hat nichts unternommen, um Frostschäden vorzubeugen. Er hat lediglich vorgetragen, das Gebäude mehrfach betreten zu haben; zu welchem Zweck dies geschehen sein soll und wie oft, bleibt unklar und ist im Übrigen bestritten. Dass der Versicherungsnehmer selbst sich weiter in irgendeiner Form um das Anwesen gekümmert oder überprüft hat, ob die Zeugen tatsächlich für die Beheizung des Anwesens gesorgt haben, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer sonstige Anweisungen erteilt hat, die eine ausreichende Überwachung des Anwesens hätten sicherstellen können.
Aus den bereits dargelegten Gründen hat er auch durch sein Schreiben vom 10.11.2016 nicht für eine entsprechende Anweisung und Beaufsichtigung durch Dritte gesorgt. Überdies ist der Versicherungsnehmer auf die Erforderlichkeit entsprechender Schutzvorrichtungen bei Leerstand durch die Regelung in § 24 Ziffer 1.c) VGB 2003 ausdrücklich hingewiesen worden. Dennoch unterließ er jegliche eigenen Sicherungsmaßnahmen sowie Kontrollmaßnahmen, ob die wasserführenden Anlagen entleert oder die Heizung weiter betrieben wurden. Unter diesen Umständen war ein Leitungswasserschaden aufgrund winterlicher Temperaturen nicht nur möglich, sondern in hohem Grad wahrscheinlich.
Der Versicherungsnehmer hat auch subjektiv grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 10.05.2011, Az. VI ZR 196/10; juris).
Ein solch hohes Maß an Vorwerfbarkeit hat der Versicherungsnehmer erfüllt. Es sind in subjektiver Hinsicht keine Gesichtspunkte ersichtlich, die den Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers geringfügiger erscheinen lassen. Der Versicherungsnehmer wusste sowohl um die bevorstehende kalte Jahreszeit als auch um den Leerstand des Anwesens. Dass er die Zeugen darauf hinwies, dass sie sich um die Heizung kümmern müssten, um Schäden durch Einfrieren oder ähnliches zu verhindern, zeigt, dass ihm bewusst war, dass Maßnahmen erforderlich sind, um das Anwesen vor entsprechender Auskühlung zu schützen. Das ordnungsgemäße Beheizen von Räumen mit wasserführenden Leitungen oder die vollständige Entleerung und das Absperren der Leitungen sind die einzigen und auch allgemein bekannten Möglichkeiten, Frostschäden an diesen zu verhindern. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer den Zeugen über den bloßen Hinweis hinaus, dass er selbst nicht für eine Beheizung sorgen werde, weitere Vorgaben zu Art und Umfang von Kontrollen oder zur Entleerung und Absperrung der wasserführenden Leitungen gemacht hat. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass er selbst die Zeugen oder die von diesen getroffenen Maßnahmen kontrolliert hat. Der Versicherungsnehmer hat vielmehr allem Anschein nach auf ein entsprechendes Verhalten der Zeugen gesetzt.
Im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau ist ihm allerdings zu Gute zu halten, dass sich zum Zeitpunkt des Schadensfalles die Frage der Wirksamkeit des Kaufvertrages des Grundstücks in der Klärung befand und am Ende tatsächlich im Sinne des Versicherungsnehmers eine Rückübertragung auf die ehemaligen Eigentümer erfolgt ist. Er hatte demnach aus seiner subjektiven Sicht durchaus Anlass, in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Repräsentantenstellung eines Erwerbers einer Sache bereits vor endgültiger Übertragung des Eigentums die ehemaligen Eigentümer weiterhin in der Pflicht zu sehen in der Annahme, dass die ehemaligen Eigentümer im Zeitpunkt des Schadenseintritts bereits ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Erhalt der Liegenschaft haben müssten. Einer Übertragung des versicherten Risikos auf die ehemaligen Eigentümer bedurfte es dazu aus seiner Sicht nicht, weil er zu keinem Zeitpunkt wirksam Eigentümer geworden ist. Vor diesem Hintergrund musste es für ihn ausreichen, wenn er mit seinem Schreiben auf diese Umstände nochmals hingewiesen hat. Für die Richtigkeit seiner Annahme spricht zudem, dass die Zeugen und vormaligen Eigentümer tatsächlich tätig wurden und sich – wenn auch im Ergebnis in nicht ausreichendem Umfang – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund des Schreibens des Versicherungsnehmers um das Haus gekümmert haben. Unter anderem haben sie sogar dafür gesorgt, dass ein Heizungsmonteur die Heizung wieder in Betrieb genommen hat.
Sein Verhalten stellt sich in der Gesamtschau danach zwar als nahezu leichtfertig dar und rechtfertigt auch subjektiv den Vorwurf grober Fahrlässigkeit, die nahe an ein vorsätzliches Verhalten reicht. Aufgrund der besonderen Umstände lässt sich sein Verhalten jedoch nicht einem völligen Untätigbleiben gleichsetzen und begründet damit mangels gröblichster Pflichtverletzung keine vollständige Leistungsfreiheit der Beklagten. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen: So hat im vom Landgericht Essen (Urteil vom 27.01.2016, Az. 18 O 63/15, juris) zu entscheidenden Fall der Hauseigentümer der leerstehenden Mietwohnung in Kenntnis der Tiefsttemperaturen und der mutmaßlich fehlenden Stromversorgung einen Urlaub angetreten. Entsprechend hat das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 22.01.2015 (Az. 23 O 93/13, juris) eine Leistungskürzung auf Null aufgrund eines besonderen Ausnahmefalles angenommen: Der Zwangsverwalter hatte sich in der Winterperiode weder vergewissert, ob die Heizung eingeschaltet gewesen ist, noch sie regelmäßig kontrolliert, wasserführende Leitungen entleert oder sonstige Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Den Entscheidungen des Oberlandesgericht Köln vom 26.07.2005 (Az. 9 U 100/0), des Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 27.01.2005 (Az. 14 U 104/04) und vom 12.12.2019 (Az. 7 U 48/19) sowie des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 19.10.2006 (Az. 12 U 137/06) lagen jeweils Sachverhalte zugrunde, bei denen – anders als hier – eine objektiv hinreichende Kontrolle der Beheizung des Gebäudes trotz Frostes nicht bzw. jedenfalls nicht nachweislich erfolgt war.
Anders als die Klägervertreterin dies anführt, war die – streitige – Frage der Repräsentantenstellung sowie der hierzu gehaltene Vortrag der Klägerin auch Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2024. Die gegenteilige Behauptung der Klägervertreterin erschließt sich schon deshalb nicht, weil es sich um einen zentralen Punkt im Rahmen der Abwägung der Schwere des den Versicherungsnehmer treffenden Verschuldensvorwurfs handelte und dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, wie er in der mündlichen Verhandlung unterbreitet wurde, zugrunde lag. Die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 11.06.2024 sind daher weder neu noch überraschend.
Die Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 Abs. 2 VVG zu einer Kürzung der Leistung berechtigt. Die von dem Landgericht angenommene Kürzung um lediglich 25 % ist angesichts des Verhaltens des Versicherungsnehmers, das an vorsätzliches Handeln heranreicht, jedoch nicht angemessen. In Abwägung aller Umstände erachtet der Senat aufgrund des erheblichen Verschuldens des Versicherungsnehmers eine Kürzung der Leistung um 75 %, mithin auf 25% für angemessen. Hierbei hat es zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass die Zeugen auf die Aufforderung des Versicherungsnehmers für Beheizung gesorgt und dies auch grundsätzlich überwacht haben.
Der Einwand der Klägerin, es sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich die Beklagte in der vorliegenden Konstellation auf die fehlende formale Repräsentantenstellung berufe, da es für die Beklagte faktisch ohne Belang sei, wer gehandelt habe, da die gleiche Handlung, hätte sie der Versicherungsnehmer oder ein echter Repräsentant ausgeübt, die gleichen tatsächlichen Auswirkungen gehabt hätte, bleibt daher unerheblich. Denn es wäre nach den VGB 2003 geboten gewesen, die Leitungen des leerstehenden Gebäudes abzusperren und zu entleeren. Dies hat der Versicherungsnehmer selbst unterlassen und auch nicht den Zeugen übertragen. Vielmehr hat der Versicherungsnehmer den Zeugen lediglich die Beheizung des Gebäudes nahegelegt. Gleichermaßen wäre es dem Versicherungsnehmer bei unterstellter Repräsentantenstellung im Sinne einer selbständigen Risikoverwaltung durch die Zeugen zuzurechnen, dass auch die Zeugen nicht für ein Absperren und Entleeren gesorgt haben. Die Kürzungsquote von 75 % berücksichtigt all dies bereits erschöpfend.
Auf eine Leistungsfreiheit bzw. eine Kürzung der Leistung wegen einer Gefahrerhöhung nach § 26 VVG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherer, wenn der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung eintritt, nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wobei die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmer trägt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 VVG). In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen, es sei denn, dem Versicherer war die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bekannt. Er ist zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG nicht auf Vorsatz beruht; im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung gilt § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG.
Voraussetzung für alle von § 26 VVG vorgesehenen Rechtsfolgen ist daher das Vorliegen einer Gefahrerhöhung im Sinne von § 23 VVG. Eine Gefahrerhöhung im Sinne von § 23 VVG ist die Änderung der bei Vertragsabschluss vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, welche dazu führt, dass der mögliche Schaden sich vergrößert oder der Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher wird und der Versicherer den Vertrag unter diesen Umständen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Erforderlich ist danach also eine Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit. Maßgeblich dafür, dass sich die Gefahr erhöht hat, ist stets die Ausgangslage bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers (§ 23 Abs. 1 VVG). Besteht bereits zu diesem Zeitpunkt ein bestimmter gefahrträchtiger Zustand, liegt daher keine Gefahrerhöhung vor (Armbruster, Gefahrerhöhungen bei gebäudebezogenen Versicherungen, in: NZM 2021, S. 12).
Die Beweislast für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung trifft den Versicherer. Dieser hat sowohl den objektiven Tatbestand der Gefahrerhöhung und damit die Änderung der Risikolage als auch subjektiv die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den gefahrerhöhenden Umständen zu beweisen (Matusche-Beckmann, in: Bruck/Möller, VVG, 2008, § 23 Rdnr. 80).
Unstreitig ist, dass das versicherte Gebäude jedenfalls seit November 2016 leer gestanden hat. Nicht bekannt ist dagegen, ob dies auch schon zum Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung durch den Zeugen C, der das Anwesen im Jahr 2016 erworben hat, der Fall gewesen ist. Ohnehin ist es zweifelhaft, ob allein der Leerstand des Gebäudes eine Gefahrerhöhung darstellt. Denn während sich bei einem Leerstand von Räumlichkeiten einerseits das Risiko erhöht, dass infolge unzureichender Beheizung und Wartung der Rohre ein Leitungswasserschaden eintritt und nicht alsbald entdeckt wird, fallen andere für Leitungswasserschäden typische Risikoursachen weg, die von regelmäßig genutzten Räumen ausgehen, wie etwa aufgrund von ungenügender Beaufsichtigung wasserführender Haushaltsgeräte oder von Verstopfungen der Leitungsrohre. Zwar sind grundsätzlich alle ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit den gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 23.06.2004, Az. IV ZR 219/03; juris).
In Abwägung aller vorliegend zu berücksichtigenden Umstände ist eine objektive Gefahrerhöhung nicht ersichtlich. Das Gebäude lag nach dem zur Akte gereichten Lageplan an der Hauptstraße des Ortes und zwischen anderen bebauten Grundstücken. Mithin unterlag es schon aus diesem Grunde einer gewissen Beobachtung. Allerdings waren – wie bereits ausgeführt- bei dem nicht genutzten Gebäude die wasserführenden Anlagen weder abgesperrt noch entleert. Zwar war der Versicherungsnehmer mitunter auch vor Ort. Was er dort gemacht hat, ist indes nicht bekannt.
Hinzutreten die Kontrollen durch die Zeugen Nachname2 und Nachname1. Das Landgericht hat insofern festgestellt, dass die Zeugen im November 2016 die Heizung warten ließen und sie sodann so einstellten, dass sie in den Räumen eine Temperatur von 10 Grad herbeiführte. Das Raumklima wurde durch die Zeugen im Schnitt zweimal wöchentlich kontrolliert. An diese Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Erhebliche Fehler in der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung zeigt die Berufung diesbezüglich nicht auf. Vielmehr greift die Beklagte die erstinstanzliche Beweiswürdigung an und sucht ihre eigene Würdigung der erhobenen Beweise an deren Stelle zu setzen. Eine erstinstanzlich durchgeführte Beweiswürdigung ist aber in der Berufungsinstanz nicht schon dadurch erfolgreich anzugreifen, dass der Berufungsführer die bloße Möglichkeit einer Bewertung der Beweisergebnisse darstellt, die anders ist, als das Erstgericht sie für richtig gehalten hat. Es reicht auch nicht aus, eine eigene abweichende Beweiswürdigung an die Stelle der landgerichtlich für vorzugswürdig befundenen Sicht zu setzen. Solange sich nicht konkrete Anzeichen für das Vorliegen unrichtiger Feststellungen ergeben, ist das Berufungsgericht an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen gebunden (Thüringer OLG, Urteil vom 27.01.2011, Az. 1 U 1223/05; juris), die eine objektive Gefahrerhöhung im vorliegenden Fall nicht erkennen lassen.
2. Da eine Entscheidung über die Berufung der Beklagten nicht durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangen ist, ist über die Anschlussberufung zu entscheiden, die die Klägerin auflösend bedingt hiervon abhängig gemacht hat. Die Anschlussberufung ist begründet.
Die Klägerin hat durch Vorlage der Anlage K 12 dargelegt, dass die Beklagte von ihr unter Vorlage von Nachweisen für ihre Aktivlegitimation zur Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 108.000,00 € aufgefordert worden ist. Eine fristgerechte Zahlung ist nicht erfolgt, so dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der Klägervertreter in Verzug befunden hat. Auch wenn es sich insofern um neuen Vortrag der Klägerin im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO handelt, ist dieser zu berücksichtigen, da die Beklagte ihn nicht bestritten hat. Da der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 108.000,00 € unter dem Betrag liegt, für den die Beklagte unter Beachtung der Kürzungsquote haftet (25 % von 604.447,60 € = 151.111,90 €) ist der geltend gemachte Anspruch auch der Höhe nach begründet.
Die Kostenentscheidung erster und zweiter Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Kostenentscheidung für die Berufung wurde hierbei ein fiktiver Streitwert unter Einbeziehung des Wertes der Anschlussberufung (1.973,30 €; insgesamt 364.642,46 €) zugrunde gelegt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).