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Gebäudeversicherung – Sturmschadennachweis an Flachdach

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 58/17 – Urteil vom 20.06.2018

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27.9.2017 – Az: 14 O 317/15 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.802,91 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Versicherungsleistungen wegen eines Sturmschadens.

Der Kläger unterhält eine Gebäudeversicherung für sein Geschäftshaus … pp. (Versicherungsscheinnummer …, Blatt 10 der Akten). Der Versicherung liegen unter anderem die „Allgemeinen Bedingungen 2008 der … pp. Versicherung AG für die Sturmversicherung AStB 2008 (Stand: 1.1.2008)“, Blatt 15 der Akten, zugrunde. Danach erhält der Versicherungsnehmer die notwendigen Reparaturkosten für Sachen, die durch eine unmittelbare Einwirkung eines Sturms zerstört oder beschädigt worden sind.

Am 16.8.2011 ließ der Kläger Reparaturarbeiten am Flachdach des versicherten Gebäudes durchführen (Blatt 110 der Akten).

Am 14.5.2012 wurde Wasser im Fahrstuhlschacht des versicherten Gebäudes festgestellt. Der Kläger zog die Dachdeckerfirma B. GmbH zur Einschätzung der Sachlage hinzu. Diese stellte eine Undichtigkeit des Flachdaches über dem Fahrstuhlschacht fest. Am 15.5.2012 schrieb der Kläger an die Beklagte und meldete den Schaden. Die Beklagte gab eine Noteindeckung frei und bat für den Fall, dass der Schaden größer als 2000 EUR sei, um die Überlassung von Kostenvoranschlägen.

Die Reparaturkosten am Dach betrugen letztlich 13.685,10 EUR (Rechnung Blatt 26 der Akten). Für das Streichen des Fahrstuhlschachts fielen Kosten von 117,81 EUR an.

Als der Außendienstmitarbeiter der Beklagten, der Zeuge K., am 31.5.2012 die Schadensörtlichkeit besichtigte, war das Flachdach fast vollständig erneuert. Der Zeuge K. gab die weiteren Arbeiten mit E-Mail vom 15.6.2012 nicht frei, sondern erinnerte an die Vorlage von Lichtbildern, die den Sturmschaden zeigen sollten. Solche Bilder legte der Kläger nicht vor.

Die Beklagte leistete am 9.8.2012 einen Betrag von 4.000,00 EUR an den Kläger mit dem Verwendungszweck „ST Schaden Nr. … vom 5.1.12 Schadenfall Fahrstuhldach Sturmschadenanteil“.

Im Schreiben vom 5.6.2013 bot sie dem Kläger einen Vergleich dahingehend an, dass sie zur Abgeltung des Gesamtschadens weitere 3.000,00 EUR zahle. Diesen Vergleichsvorschlag nahm der Kläger nicht an.

Der Kläger hat behauptet, aufgrund des einwandfreien Zustandes des Daches habe dieser Schaden nur durch einen Sturm verursacht worden sein können. Der letzte Sturm vor diesem Zeitpunkt sei am 5.1.2012 aufgetreten. Der Sturm habe die Bitumenbahnen gelöst, so dass durch die Leckstelle Regenwasser unter die Bitumenbahnen in den Beton habe eindringen können.

Die Beklagte hat behauptet, die vorhandene Bitumenabdeckung sei mindestens 20-25 Jahre alt gewesen und habe sich unmittelbar neben einem sich bereits in Auflösung befindlichen Backsteinkamin befunden. Die durchschnittliche Lebensdauer von mit Bitumenbahnen abgedichteten Flachdächern betrage rund 15 Jahre.

Das Landgericht Saarbrücken hat in Anwesenheit des Sachverständigen W. die Zeugen H. J. B., D. G. und Roland R. K. vernommen (Blatt 79 die der Akten), ein schriftliches Sachverständigengutachten (Blatt 120 der Akten) eingeholt und den Sachverständigen W. mündlich angehört. Anschließend hat es die Klage durch Urteil vom 27.9.2017 – Az: 14 O 317/15 – (Blatt 186 der Akten) abgewiesen, weil ein Sturmschaden nicht bewiesen sei. Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.802,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.6.2013 und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass das Flachdach über dem Aufzugsschacht an seinem versicherten Geschäftshaus Großer Markt 2 in Saarlouis durch einen Sturmschaden beschädigt worden ist.

(1.)

Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass der Kläger den Beweis geführt hätte, dass das vorhandene Flachdach durch einen Sturm im Sinne der AStB 2008 so beschädigt worden war, dass es vollständig erneuert werden musste (allgemein zur Beweislast: OLG Hamm, r+s 2001, 334; Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, 9.Aufl., § 4 VGB 2008/2010 Rn. 18). Dazu hätte der Kläger beweisen müssen, dass ein Sturm, also eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort, für den Schadensort feststellbar war oder der Schaden wegen des einwandfreien Zustandes des versicherten Gebäudes nur durch einen Sturm entstanden sein konnte (§ 1 AStB 2008).

(a)

Dass das Dach in einem einwandfreien Zustand war, so dass Schäden nur durch einen Sturm entstanden sein konnten, hat der Kläger nicht einmal substantiiert behauptet. Der Kläger hat nicht mitgeteilt, wann das Flachdach hergestellt worden war. Vielmehr hat er eine Information des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die mittlere Lebenserwartung von Flachdachabdichtung ohne Schutzschichten 20 Jahre beträgt und die von Flachdachabdichtung mit Schutzschichten (bekiest oder begrünt) 30 Jahre. Der von ihm als Zeuge benannte Dachdecker D. G., der das Dach anlässlich der Reparaturarbeiten in Augenschein genommen hatte, schätzte das Alter des Daches zwischen 15 und 20 Jahren. Der Sachverständige W. hielt diese Schätzung für stark untertrieben und meinte, das Flachdach sei wahrscheinlich deutlich älter. Da nicht erkennbar ist, dass das Flachdach über eine Schutzschicht (Bekiesung oder Begrünung) verfügte, spricht deshalb alles dafür, dass das Flachdach seine mittlere Lebenserwartung bereits erreicht hatte. Dies schließt es aus, davon auszugehen, dass das Flachdach in einem solchen einwandfreien Zustand war, dass die Schäden durch sich lösende Dichtungsbahnen mit Wassereintritt lediglich durch einen Sturm entstanden sein können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger das Flachdach warten und zum Teil reparieren ließ, zuletzt im August 2011. Eine Wartung und Teilreparatur von beschädigten Stellen ändert nichts am grundsätzlich eingetretenen Altersverschleiß der gesamten Dachfläche.

(b)

Gebäudeversicherung - Sturmschadennachweis an Flachdach
(Symbolfoto: Von Marcel Derweduwen/Shutterstock.com)

Der Kläger hat auch nicht bewiesen, dass bei dem unstreitigen Sturmereignis im Januar 2012 die Flachdachabdichtung so beschädigt worden war, dass sie durch an den sturmbedingten Fehlstellen eindringendes Wasser bis Mai 2012 weiter so in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass sie aus diesem Grunde vollständig habe erneuert werden müssen.

Die vom Kläger benannten Zeugen H. J. B. und D. G. haben zwar versucht, diesen Eindruck zu erwecken. Ihren Aussagen kann allerdings nicht gefolgt werden.

Der Zeuge H. J. B. hat bekundet, dass die umlaufende Schieferblende hoch gedrückt gewesen sei und einige Platten gefehlt hätten, was nur durch eine Einwirkung von außen möglich sei. Auch eine Ecke der Bitumenbahnen sei nicht mehr auf der Decke verklebt gewesen, sondern habe hochgestanden. Der Zeuge D. G. hat bekundet, dass die Randbalken hochgeflogen gewesen seien und die komplette Pappe aufgerissen gewesen sei.

Der Sachverständige W. hat diese Zeugenaussagen nicht bestätigt, sondern im Gegenteil erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit geäußert. Er hat dies zunächst in nachvollziehbarer Weise damit erklärt, dass unverständlicherweise von den eigentlichen Schadensstellen, die die Zeugen beschrieben haben, keine Bilder vorgelegt worden seien. Diesen Umstand konnten weder der Kläger noch die Zeugen erklären.

Im Detail hat er sich mit den wenigen vorhandenen Lichtbildern auseinandergesetzt. Der Sachverständige ist auf dieser Grundlage zu der Einschätzung gelangt, dass der Kaminkopf auf Bild Nummer 21 seines Gutachtens nicht in die Flachdachabdichtung eingebunden war, sondern vielmehr frei der Witterung ausgesetzt war, und dass bei Schlagregen Wasser dort eindringen konnte. Auch auf dem vorgelegten Bild Nummer 22 seines Gutachtens konnte er keine Schäden an der Randausbildung des Flachdaches erkennen. Gleiches gilt für das vorgelegte Bild Nummer 19 seines Gutachtens, welches nach seiner Ansicht eine vollkommen intakte Dachrandabdeckung zeigt. Auch die Bilder Nummer 20 und 22 zeigen eine unbeschädigte Dachrandaufkantung.

Weitere Beweise hat der Kläger nicht angeboten. Dadurch dass er das Dach vor der Besichtigung durch den Zeugen K. bereits so weitgehend sanieren ließ, dass der frühere beschädigte Zustand nicht mehr erkennbar war, sind auch nachträgliche Feststellungen durch die Beklagte oder das Gericht unmöglich geworden.

Aus diesen Gründen ist es gleichermaßen möglich, dass die Feuchtigkeit unter die Flachdachabdichtung aufgrund altersbedingter Ablösung der Bitumenbahnen gelangte, als auch dass dies nach sturmbedingter Beschädigung der Dachrandaufkantung geschah. Ein sturmbedingter Flachdachschaden ist folglich vom Kläger nicht bewiesen.

(c)

Auch hinsichtlich des in den Fahrstuhlschacht eingedrungenen Regenwassers, welches dort Spuren hinterließ, die mit Malerkosten in Höhe von 117,81 EUR beseitigt werden mussten, ist ein Sturmschaden nicht bewiesen. Nach § 1 Nummer 4 bb) AStB 2008 ist das Eindringen von Regen durch nicht ordnungsgemäß geschlossene Fenster, Außentüren oder andere Öffnungen nicht versichert, es sei denn, dass diese Öffnungen durch Sturm oder Hagel entstanden sind. Da der Sachverständige in seinem Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht nachvollziehbar erläutert hat, dass das Wasser in den Aufzugsschacht durch eine nur unzureichend gegen Witterung geschützte Zuluftöffnung eingedrungen ist, ist gerade von diesem nicht versicherten Fall eindringenden Außenwassers auszugehen.

(2.)

In jeder Hinsicht richtig hat das Landgericht auch einen Einwendungsausschluss durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagtenseite nicht angenommen.

Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung als Angebot zum Abschluss eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses setzt regelmäßig voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen und sich dahingehend einigen wollen (BGH, Urt. v. 28.5.2014 – XII ZR 6/13 – NJW 2014, 2780).

Die Beklagte hatte dem Kläger durch die E-Mail des Zeugen K. vom 15.6.2012 deutlich vor Augen geführt, dass sie die gesamte Dacherneuerung nicht als Sturmschaden akzeptieren könne, ohne dass weitere Nachweise erbracht würden. Die Überweisung eines offensichtlich pauschalen Betrages in Höhe von 4.000,00 EUR zusammen mit der Betreffangabe „Sturmschadenanteil“ konnte vom Kläger nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte auf ihrer Position beharrte, dass die gesamte Dacherneuerung nicht als Sturmschaden anerkannt werden könne, und lediglich einen pauschal bemessenen Anteil als Versicherungsschaden anerkennen wollte. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dem Grunde nach, dass die gesamte Dacherneuerung auf einen Sturmschaden zurückzuführen sei, liegt darin gerade nicht.

(3.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.

 

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