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Gebäudeversicherung – Sturmschaden durch umstürzende Bäume

LG Dortmund, Az: 2 O 240/11, Urteil vom 10.09.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.758,87 EUR (i.W.: siebzehntausendsiebenhundertachtundfünfzig 87/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2010 sowie 961,28 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gebäudeversicherung - Sturmschaden durch umstürzende Bäume
Symbolfoto: Von J. Bicking /Shutterstock.com

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten seit 1991 eine Gebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert gegen Schäden durch u.a. Sturm/Hagel für das Wohngebäude E 8 in E2. Grundlage sind der Versicherungsschein vom 22.05.1992 und die VGB 88 (Anlage K 1), die u.a. folgende Regelungen enthalten:

㤠8 Sturm; Hagel

1. Sturm ist eine wetterbedingter Luftbewegung von mindestens Windstärke 8.

2. Versichert sind nur Schäden, die entstehen

a) durch unmittelbare Einwirkung des Sturms auf versicherte Sachen,

b) dadurch, dass der Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen wirft,

c) als Folge eines Sturmschadens gemäß a) oder b) an versicherten Sachen“.

Am 28.02.2010 herrschte auf und im Bereich des Grundstücks E 8 in E2 Wind mit einer Stärke von 8. Am 06.03.2010 stürzte ein Baum, der auf einem Nachbargrundstück stand, auf das versicherte Gebäude. Die Ursache ist streitig. Die Haftpflichtversicherung des Grundstückseigentümers, die X Versicherung, zahlte an den Kläger 18.583,09 EUR (Einzelheiten Blatt 53 +80 d.A.).

Der Kläger meldete der Beklagten den Schaden. Mit Schreiben vom 24.03.2010 (Anlage K 5) lehnte die Beklagte Versicherungsleistungen ab. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung der streitigen Reparaturkosten.

Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf das von ihm eingeholte Gutachten G vom 12.06.2010, Anlage K 3, Ursache der Schädigung der Wurzeln und des Umsturzes des Baumes sei der Sturm vom 28.02.2010.

Zur Reparatur der streitigen Gebäudeschäden seien folgende Kosten erforderlich:

Gutachten J GmbH vom 31.03.2011, Anlage K 4, brutto 25.155,15 EUR

zuzüglich Mehrkosten Angebot Firma U vom 19.07.2010, Blatt 120 – 122 d.A. + 4.038,07 EUR

Angebot der Firma B vom 28.01.2013, Blatt 110 – 116 d.A.

Innenbereich + 4.266,45 EUR

Außenbereich + 2.468,21 EUR

Abzüglich anteilige Zahlung der X  (Einzelheiten Blatt 138 +139 d.A.) – 3.275,00 EUR

Zuzüglich Gutachterkosten J GmbH + 2.165,80 EUR

Klageforderung 34.818,68 EUR

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.818,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2010 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.023,16 EUR Rechtsanwaltskosten zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bedingungsgemäß alle weiteren Gebäudeschäden zu ersetzen, welche ihm auf Grund des Sturmschadens vom 06. März 2010 an dem versicherten Gebäude E 6, E2 entstanden sind.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Einrede der Verjährung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher und mündlicher Sachverständigengutachten. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Dipl.-Holzwirtin T2 vom 11.07.2012, die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. N vom 30. Mai 2014 und 23. April 2015 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 21.823,87 EUR – 4.065,00 EUR = 17.758,87 EUR.

 

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten unstreitig eine Gebäudeversicherung.

Der Kläger hat bewiesen, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Nach § 8 Nr. 2 b) der Versicherungsbedingungen sind Schäden versichert, die dadurch entstehen, dass der Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen wirft. § 8 Nr. 2 b) der Versicherungsbedingungen erfordert – anders als Nr. 2 a) – keine unmittelbare Sturmeinwirkung (Martin Sachversicherungsrecht E II Rn. 35, Knappmann in Prölss/Martin 28. Aufl., § 8 VHB 2000, Rn. 5). Es reicht vielmehr aus, dass der Sturm die Ursache dafür ist, dass Bäume auf oder gegen das versicherte Gebäude fallen.

Versicherungsbedingungen sind nämlich so auszulegen, wie sie ein verständiger durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne besondere versicherungsrechtliche Kenntnisse verstehen kann. Dabei ist in erster Linie von dem Wortlaut der Klausel auszugehen (Römer/Langkeit, VVG, 4. Aufl., vor § 1 Rn. 15 ff.). Aus dem Wortlaut „dadurch, dass der Sturm … wirft“ ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht, dass nur solche Schäden versichert sind, die durch Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände verursacht werden, die unmittelbar während des Sturmes umher wirbeln. Es fehlt nämlich anders als bei der Regelung in Nr. 2 a) die Einschränkung „unmittelbare Einwirkung“.

Die vorgenannten Voraussetzungen von § 8 Nr. 2 b) der Versicherungsbedingungen liegen vor.

Am 28.02.2010 herrschte unstreitig auf und im Bereich des Grundstücks E 8 in E2 Wind mit einer Stärke von 8.

Auf Grund des nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Holzwirtin T2 vom 11.07.2012, dem keine Partei entgegengetreten ist, steht zweifelsfrei fest, dass durch die Einwirkung dieses Sturms am 06.03. eine Buche, die auf dem Nachbargrundstück stand, auf das versicherte Gebäude stürzte.

Ersetzt werden nach § 15 Nr. 1 b) der Versicherungsbedingungen bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zurzeit des Eintritts des Versicherungsfalls. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 21.823,87 EUR. Der Umfang der Schäden, die durch die umgestürzte Buche entstanden sind und die notwendigen Reparaturkosten stehen fest auf Grund der nachvollziehbar und überzeugend begründeten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. N vom 30.05.2014, 23.04.2015 und 10.09.2015. Das Gericht ist zweifelsfrei davon überzeugt, dass die Feststellungen des Sachverständigen zutreffend sind. Der Sachverständige hat bei zwei Ortsterminen am 29.04.2014 und 25.03.2015 das Ausmaß der Schäden ermittelt und es sind keinerlei objektive Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Feststellungen des Sachverständigen sprechen.

Die von dem Sachverständigen in seinen Gutachten zugrunde gelegten Reparaturkosten des Balkongeländers sind zutreffend, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag mit C einen entsprechenden Werkvertrag geschlossen hat (Blatt 107 + 108 d.A.).

Schäden an der Terrasse sind nicht Streitgegenstand der Klage. Streitgegenstand sind allein die Schäden, die im Gutachten J vom 31.03.2011 aufgeführt sind. Die Terrasse gehört nicht dazu.

Dahinstehen kann, ob die Voraussetzungen des § 15 Nr. 4 der Versicherungsbedingungen („Neuwertspitze“) vorliegen. Danach erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt nur, soweit und sobald er innerhalb von 3 Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass die Entschädigung verwendet wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.

Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen Abzug entsprechend seinem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand (BGH IV ZR 84/05, Urteil v. 24.01.2007, Rn. 11 und 12). Eine davon abweichende Regelung enthalten die Versicherungsbedingungen nicht. Der Zeitwert des Gebäudes vor dem Versicherungsfall übersteigt zweifelsfrei die Reparaturkosten in Höhe von 21.823,87 EUR.

Der Anspruch des Klägers war um 4.065,00 EUR zu kürzen, weil der Kläger von der Haftpflichtversicherung des Eigentümers des Grundstücks, auf dem der umgestürzte Baum stand, die streitgegenständlichen Schäden bereits in dieser Höhe ersetzt bekommen hat. Diese Feststellung ergibt sich aus den Aufstellungen Blatt 53 und 80 d.A. sowie dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.- N vom 30.05.2014.

Die Gutachterkosten sind nach § 85 Abs. 2 VVG nicht ersatzfähig (Prölss/Martin, § 85 VVG Rn. 10, Römer/Langheit, § 85 Rn. 6 und 7).

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 288 BGB. Die Beklagte befindet sich auf Grund der mit Schreiben vom 24.03.2010 (Anlage K 5) erklärten Leistungsverweigerung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug.

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung in Höhe von 17.758,87 EUR ist nicht verjährt, weil der Lauf der 3jährigen Verjährungsfrist zumindest in Höhe von 27.320,95 EUR rechtzeitig durch die Zustellung der Klage am 24.08.2011 gehemmt worden ist.

Die Feststellungsklage ist nicht zulässig. Es fehlt an einem Feststellungsinteresse, weil das Schadensereignis abgeschlossen ist und der Eintritt künftiger Schadensfolgen unwahrscheinlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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