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Gebäudeversicherung – Nichtentleerung wasserführender Leitungen eines leerstehenden Gebäudes

LG Frankfurt – Az.: 2-08 O 273/11 – Urteil vom 27.02.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten weitere Leistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag aufgrund eines Wasserschadens vom 11.12.2010.

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft R.-Straße … in H.. Für diese Liegenschaft bestand bei der Beklagten seit August 2009 ein Gebäudeversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen – SVFP 2009, zugrunde lagen.

Das dreigeschossige Gebäude stand – bis auf einen Büroraum im Erdgeschoss – seit Dezember 2009 leer, da es die Kläger nach und nach sanieren wollten.

Gebäudeversicherung - Nichtentleerung wasserführender Leitungen eines leerstehenden Gebäudes
Symbolfoto: Von FotoDuets/Shutterstock.com

Am 11.12.2010 kam es im ersten Stock eines nicht genutzten Büros des Gebäudes zu einem Wasserschaden. Zum Schaden kam es, weil eine Toilette in der ersten Etage verstopft war und die Wasserspülung ständig gelaufen ist. Hierdurch ist das Wasser aus der Toilette ausgetreten und hat die gesamten Räume überschwemmt. Zudem musste im Erdgeschoss der Gussasphalt entfernt werden (130qm), im Obergeschoss eine Estrichdämmschichtentrocknung und in zwei Räumen das Laminat entfernt werden.

Der von der Beklagten bei der D. GmbH eingeholte Kostenvoranschlag vom 07.02.2011 ermittelte Schadenskosten in Höhe von netto € 35.827,96. Auf Grundlage der Schadenaufstellung des Sachverständigen J. sowie des Kostenvoranschlags der D. GmbH regulierte die Beklagte unter Berücksichtigung einer Kürzungsquote von 50 % den Schaden in Höhe der Netto-Zeitwertenschädigung von € 13.185,53 abzüglich Schadenminderungskosten in Höhe von € 2.481,16 brutto mit € 11.080,28.

Mit Schreiben vom 22.03.2011 und 30.03.2011 forderten die Kläger die Beklagte zur Anerkennung des vollen Entschädigungsbetrags auf. Mit Schreiben vom 22.04.2011 verweigerte die Beklagte eine weitergehende Entschädigung. Der Schaden wurde bislang nicht repariert.

Die Kläger behaupten, zum Zeitpunkt des Schadenseintritts seien über mehrere Monate Handwerker zur Reparatur des Dachs tätig gewesen. Diese hätten täglich das gesamte erste Stockwerk sowohl zum Wasserholen als auch für Toilettengänge genutzt.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger weitere € 24.747,68 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2011 auf ihr eigenes Konto bei der … kasse (Bankleitzahl …, Kontonr. …) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, den Klägern stehe kein weiterer Entschädigungsanspruch zu, da die Kläger gegen die aus § 9 1.2.1. SVFP 2009 folgende Obliegenheit, die wasserführenden Anlagen und Leitungen im nichtgenutzten Gebäude/Gebäudeteil zu entleeren und entleert zu halten und diese entsprechend zu kontrollieren, verstoßen habe. Ein Nutzen zum Zwecke der Renovierung sei kein Nutzen im Sinne der SVFP.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2012 abgegebenen Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Versicherungsleistungen aus § 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag. Zwar ist ein versicherungspflichtiger Leitungswasserschaden eingetreten. Die Kläger haben jedoch gegen ihre vertraglichen Obliegenheiten aus § 9. 1.2.1 SVFP 2009 verletzt, indem sie nicht dafür sorgten, nicht genutzte Gebäude genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Die Kläger handelten insofern in einer Weise, die die Grenze der groben Fahrlässigkeit zum Eventualvorsatz tangiert. Der Beklagten stand deshalb das Recht zur Leistungskürzung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zu.

Die Kläger haben gegen die Sicherheitsvorschrift des § 9. 1.2.1. SVFP 2009 verstoßen. Diese Klausel verlangt bei nicht genutzten Gebäuden oder Gebäudeteilen, diese genügend häufig zu kontrollieren und alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, d. h., es ist in jedem Fall das Entleeren der Leitungen erforderlich (OLGR Celle 2007, 544; OLG Köln VersR 2003, 1034; OLG Hamm VersR 1999, 1145). Das kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift weder durch eine genügend häufige Kontrolle noch durch irgendeine Form von Beheizen ersetzt werden. Dies lassen die Kläger in ihrer rechtlichen Argumentation außer Betracht, wenn sie u. a. auch auf eine ordnungsgemäße Kontrolle des Objekts durch Handwerker abstellen. Gegen diese Pflicht haben die Kläger verstoßen, weil sie in dem versicherten Gebäude in den leer stehenden Büroräumen die wasserführenden Leitungen und Einrichtungen nicht abgesperrt und entleert hatten, obwohl das gesamte Gebäude – bis auf ein Büro im Erdgeschoss – seit Dezember 2009 nicht mehr zu Wohn- bzw. Geschäftszwecken genutzt wurde.

Eine die Anwendung der Vorschrift ausschließende Nutzung des Gebäudes fand auch nicht dadurch statt, dass die Kläger nach ihrem Vortrag in den unstreitig seit einem Jahr unbewohnten bzw. nicht vermieteten Räumen Renovierungsarbeiten haben durchführen lassen. Gebäude werden nicht genutzt, wenn darin weder Wohnungen, noch Geschäfte, Betriebe oder Lager unterhalten werden, also wenn ein Gebäude nicht zu seinem bestimmungsgemäßen Zweck verwendet wird. Diese Voraussetzungen waren bei Eintritt des Schadensfalles erfüllt. Das Gebäude stand seit Dezember 2009 weitgehend leer.

Unerheblich ist insoweit die pauschale Behauptung der Kläger, in dem Gebäude seien täglich Handwerker anwesend gewesen, die auch die Toilette in der 1. Etage genutzt hätten. Das Durchführen von Renovierungsarbeiten in einem leer stehenden Bürogebäude führt nicht dazu, dass es als genutztes Gebäude anzusehen ist, es bleibt vielmehr ungenutzt. Arbeiten im Zusammenhang mit einer Renovierung bedeuten für sich allein genommen noch keine „Benutzung“ (OLG Stuttgart VersR 1989, 958; OLGR Celle 2007, 544; OLG Frankfurt ZfS 2003, 601; LG Bonn, Urteil v. 28. 10. 2003, Az.: 10 O 394/03 zit. nach Juris; LG Kiel VersR 1990, 785; Spielmann, VersR 2006, 317). Auch Sinn und Zweck der Sicherheitsvorschrift bestätigt diese Auslegung, da gerade in leer stehenden Gebäuden das erhöhte Risiko besteht, dass beispielsweise durch Materialermüdung oder Vandalismus Leitungswasser über einen längeren Zeitraum unbemerkt austritt. Gerade diesem Risiko will die Sicherheitsvorschrift vorbeugen (LG Wiesbaden, Urteil v. 26.01.2011, Az.: 1 O 193/08 (Anlage B, Bl. 46 ff. d.A); OLG Köln VersR 2003, 1034; ebenso OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 567).

Auch soweit die Kläger vortragen, Handwerker seien täglich im Gebäude zu Renovierungsmaßnahmen anwesend gewesen, kommt dies begrifflich keiner „Benutzung“ der Räume in der 1. Etage gleich. Die Kläger haben nämlich nur pauschal vorgetragen, dass Handwerker anwesend waren, die einen Schaden am Dach des Gebäudes repariert hätten. Allein der Hinweis, dass die Handwerker dabei auch die Toilette in der 1. Etage genutzt hätten, reicht insoweit nicht aus. Denn ein – erheblicher – Umfang der Renovierungsarbeiten in dem hier streitbefangenen Zeitraum mit solchen Anwesenheitszeiten von Handwerkern, die einer Wohnnutzung bzw. Büronutzung der Büroräume in der 1. Etage gleichkommen, lässt sich allein daraus nicht herleiten und ist im Übrigen auch nicht erkennbar.

Darüber hinaus ist das klägerische Vorbringen insoweit auch unplausibel. Es ist unstreitig, dass der Schaden entstanden ist, weil die Toilette in der 1. Etage verstopft war und die Spülung die ganze Zeit lief. Hierdurch entstand ein Wasserschaden in einem derartigen Umfang, dass in mehreren Etagen Trocknungsarbeiten durchgeführt worden sind. Es ist schlechthin nicht denkbar, dass eine Toilette, die an einem Tag ordnungsgemäß funktioniert, gleichsam über Nacht verstopft, und in der Folge das gesamte Erdgeschoss sowie die Büroräume in der 1. Etage überflutet.

Die Obliegenheitsverletzung der Kläger war mindestens grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Die Notwendigkeit, in nicht benutzten Gebäuden bzw. Gebäudeteilen die wasserführenden Leitungen zu entleeren und diese entsprechend zu kontrollieren, entspricht einem grundlegenden Verständnisgrad, der jedem, auch dem unerfahrensten, Gebäudeeigentümer zugänglich sein muss. Es wäre jedenfalls die nahe liegende Obliegenheit der Kläger gewesen, zumindest in der 1. Etage, in der offenkundig keine Renovierungsarbeiten durchgeführt worden sind, die wasserführenden Rohrleitungen zu entleeren. Gründe, die die grobe Fahrlässigkeit im konkreten Einzelfall entfallen lassen, haben die Kläger nicht vorgetragen, obwohl ihnen eine entsprechende Darlegung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG oblag. Solche Gründe sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Die Beklagte war berechtigt, ihre vertraglichen Leistungen zu kürzen (§ 28 Abs. 2 S. 2 WG) Eine Quote von 50% hält das Gericht auf jeden Fall für angemessen. Ob der Beklagten darüber hinaus ein weitergehendes Leistungskürzungsrecht zugestanden hätte, wofür einiges spricht, braucht nicht entschieden zu werden.

Die Beklagte hat den Schaden auf Grundlage des Angebots der D. GmbH vom 07.02.2011 abgerechnet. Hiergegen haben die Kläger keine Einwendungen erhoben. Da der Schaden bislang nicht repariert wurde, ist die Beklagte nur zur Erstattung des hälftigen Zeitwertschadens verpflichtet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 709, 91 ZPO.

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