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Gebäudeversicherung – Ansprüche aus Rohbaufeuerversicherung

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 U 22/08 – Urteil vom 30.10.2008

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05. Februar 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, den ausgeurteilten Betrag im Hinblick auf das Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg (616 K 61/07) zu hinterlegen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung, die mit Beginn 01. März 2005 und Ablauf 1. März 2011 mit dem Zusatz „für die Bauzeit, längstens für 12 Monate, besteht eine prämienfreie Rohbaufeuerversicherung“ abgeschlossen worden ist, wegen eines Schadensfalls vom 09. Mai 2006, bei dem an dem immer noch im Rohbauzustand befindlichen Gebäude gemäß des unstreitigen Schadensgutachtens ein Zeitwertschaden von 167.376,22 €, von dem die Klägerin stets nur 164.930,13 € geltend gemacht hat, und unter ergänzender Berücksichtigung der Kosten für behördliche Auflagen (32.482,61 €), Aufräumungs- und Abbruchkosten (26.430,94 €) sowie Sachverständigenkosten (1.131,- €) ein Schaden von 227.420,77 € entstanden ist. Die Differenz von 2.446,09 € hinsichtlich des Zeitwertschadens beruht darauf, dass die Klägerin der Berechnung der Klageforderung einen Entwurf des Schadensgutachtens zugrunde gelegt hat (Bl. 4, Bl. 25). Die Sachverständigenkosten macht sie nicht geltend.

Die Sparkasse S hatte der Klägerin ein Darlehen über 250.000,00 € gewährt. Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs ist eine Buchgrundschuld über 250.000,00 € eingetragen worden. Die Beklagte zahlte am 15. Oktober 2007 den festgestellten Zeitwertschaden in Höhe von 167.376,22 € an die Sparkasse S. Am 24. Oktober/01. November 2007 schlossen die Beklagte und die Sparkasse S über diesen Betrag eine Abtretungsvereinbarung. Unter dem Az. 616 K 61/07 ist beim AG Hamburg-Harburg hinsichtlich des brandbetroffenen Grundstücks ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 223.843,68 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, d. h. seit dem 31. August 2007, zu zahlen, und hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Sparkasse Südholstein 167.376,22 € nebst Zinsen – wie vorgenannt – und den Restbetrag zu der Summe gemäß des Ausgangsbetrages, d. h. 56.467,46 € an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Gebäudeversicherung - Ansprüche aus Rohbaufeuerversicherung
Symbolfoto: Von metamorworks /Shutterstock.com

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben, wobei es hinsichtlich des Zeitwerts von dem geringeren Ansatz der Klägerin ausgegangen ist, woraus sich zzgl. Aufräumungs- und Abbruchkosten von 26.430,94 € sowie Mehrkosten wegen behördlicher Auflagen von 32.482,61 € ein Betrag von 223.843,68 € ergibt. Dagegen hat es die Hilfsaufrechnung mit dem abgetretenen Betrag durchgreifen lassen, woraus sich wiederum der Urteilsausspruch in Höhe von 56.467,36 € ergibt.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung das Bestehen einer Rohbaufeuerversicherung über die Ende Februar 2006 ablaufenden 12 Monate hinaus zugrunde gelegt. Ausgehend von einem Rohbau hat es trotz der Zugänglichkeit des Hauses sowohl eine Gefahrerhöhung gem. § 23 VGB 2002 als auch eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls i. S. von § 61 VVG verneint. Soweit die Beklagte auf Stilllegungsverfügungen wegen statischer Veränderungen hingewiesen hat, hat das Landgericht eine Gefahrerhöhung durch eine solche Verfügung verneint.

Den Beweis der Eigenbrandstiftung hat es auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlich schlechten Verhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes nicht als geführt angesehen, § 61 VVG. Ferner hat es eine arglistige Täuschung im Hinblick auf die Formulierung des Versicherungsantrags zum Zustand des Gebäudes sowie im Hinblick auf die Nichtangabe des Schwammbefalls verneint.

Die Aktivlegitimation der Klägerin hat das Landgericht bejaht, da das Vorbringen der Beklagten zur Pfandreife i. S. der §§ 1282, 1228 Abs. 2 BGB nicht hinreichend konkret sei.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen

– die Verurteilung zur Zahlung an die Klägerin und die Sparkasse gemeinschaftlich

– die Ausführungen zur Verlängerung der Rohbauversicherung

– die Ausführungen zur Gefahrerhöhung gem. § 23 VGB 2002 wegen des fortbestehenden Rohbauzustandes

– die Ausführungen des Landgerichts wegen der Leistungsfreiheit aufgrund vorgenommener statischer Veränderungen

– die Verneinung einer arglistigen Täuschung im Hinblick auf den Schwammbefall

– die Verneinung einer Eigenbrandstiftung.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage vollen Umfangs, auch hinsichtlich des erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2008 gestellten Hilfsantrages, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und das von der Berufungsklägerin und Beklagten angegriffene Urteil aufrecht zu erhalten mit der Maßgabe, dass die Beklagte hilfsweise verurteilt wird, den ausgeurteilten Betrag im Hinblick auf das Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg (616 K 61/07) zu hinterlegen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist mit der im Tenor wiedergegebenen Maßgabe nicht begründet. Berufungsgründe i. S. v. § 513 ZPO i. V. m. §§ 546, 529 ZPO liegen nicht vor.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus dem §§ 1 Abs. 1, 82, 83 Abs. 1 VVG, 1, 2, 4, 26 VGB 2002 zu. Zum Zeitpunkt des Brandes am 9. Mai 2006 bestand für das brandgeschädigte Objekt in H eine Wohngebäudeversicherung und war das Objekt ein Gebäude im Sinne von § 1 VGB 2002. Die Beklagte ist nicht aus anderen Gründen leistungsfrei.

A.

Der Versicherungsfall ist eingetreten, weil ein Gebäude durch Brand beschädigt worden ist, §§ 1, 4 VGB 2002. Auf die Besonderheiten der Rohbaufeuerversicherung kommt es nicht an. Insoweit gilt zunächst, dass diese – jedenfalls in der hier abgeschlossenen üblichen Form im Vorfeld einer Wohngebäudeversicherung – keine eigenständige Versicherung mit eigenen Versicherungsbedingungen ist. Ein Versicherungsfall während der Zeit der Rohbauversicherung ist deshalb mit Hilfe der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Wohngebäudeversicherung zu lösen. Der Sinn und Zweck der Rohbauversicherung liegt zum einen in einer Werbemaßnahme für die Versicherung. Der Versicherungsnehmer muss i. d. R. für den Darlehensgeber einen Brandschutz darlegen (Dietz, Wohngebäudeversicherung, 2. Auflage, Seite 87). Die Versicherung, die den Versicherungsnehmer in der Phase der Baumaßnahme gewinnt, gewinnt ihn zugleich für die Gebäudeversicherung für das bezugsfertige Wohngebäude. Nur dies erklärt das Entgegenkommen der Prämienfreiheit. Daneben ist eine Rohbaufeuerversicherung im Interesse des Versicherungsnehmers geeignet, einen Streit um die Frage zu vermeiden, ob schon eine versicherte Sache i. S. v. § 1 VGB 2002, nämlich ein Gebäude vorliegt. Der Begriff des Gebäudes wird nicht ganz einheitlich diskutiert. Nach Bruck/Möller u. a., Feuerversicherung, 8. Auflage, Rdnr. H 89, sind Gebäude alle Bauwerke einschließlich Fundamenten, Grund- und Kellermauern, die zur Aufnahme von Menschen, Tieren oder Sachen geeignet sind. Nach Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 88 Rdnr. 2, sind Rohbauten bereits Gebäude, sobald sie ein Stadium erreicht haben, das den Eintritt von Menschen gestattet, räumlich umfriedet sind und dadurch gegen äußere Einflüsse bis zu einem gewissen Grad Schutz bieten, sobald sie also betreten werden und Schutz gewähren können, z. B. bei Hochbauten durch eine Keller- oder Geschossdecke. Nach van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 3. Aufl., § 5 Rdnr 119, soll es nicht darauf ankommen, ob das Gebäude den Eintritt von Menschen gestatte oder dafür geschaffen sei oder räumlich umfriedet und gegen äußere Einflüsse geschützt sei. Diese Einschränkung des Gebäudebegriffs eigne sich zwar für die Einbruchdiebstahlversicherung, nicht aber für die Feuerversicherung.

Aus den Besonderheiten des Einzelfalles folgt hier, dass die Versicherung – gemäß Versicherungsschein vom 10. März 2005 (Bl. 107) eine prämienfreie Rohbaufeuerversicherung für die Bauzeit, längstens für 12 Monate – nach Ablauf der 12 Monate als Gebäudeversicherung – jedenfalls für das Risiko Feuer – fortgeführt worden ist. Kurz vor Ablauf der 12 Monate hat die Beklagte unter dem 15. Februar 2006 der Klägerin eine Prämienrechnung für das folgende Versicherungsjahr geschickt, auf die die Klägerin unstreitig vierteljährlich gezahlt hat. Andererseits hat die Beklagte unter dem 28. März 2006 (Bl. 5) einen weiteren Versicherungsschein erstellt, in dem ausdrücklich von einem Beginn 28. März 2006 die Rede ist, der dann aber wiederum auch die Formulierung „für die Bauzeit, längstens für 12 Monate, besteht eine prämienfreie Rohbaufeuerversicherung“ enthält. Die Beklagte macht zwar geltend, dieser Versicherungsschein sei eine bloße Zweitschrift des Scheins vom 10. März 2005, der auf Wunsch der Versicherungsnehmerin erstellt worden sei und aus computertechnischen Gründen das Ausdrucksdatum und ein neues Beginndatum enthalte. Das erscheint allerdings zweifelhaft, weil der Versicherungsschein vom 28. März 2006 auch eine sachliche Änderung enthält, nämlich die abweichende Prämienberechnung bei vierteljährlicher Zahlung und einen neuen Anpassungsfaktor. Aus Sicht eines Versicherungsnehmers, der im März 2005 einen Versicherungsschein über eine Wohngebäudeversicherung mit einer zwölf Monate prämienfreien Rohbauversicherung erhalten hat und kurz vor Ablauf dieser Zeit eine Prämienrechnung erhält, setzte sich – trotz des verwirrenden zweiten Versicherungsscheins – die Versicherung als Wohngebäudeversicherung fort. Aus Sicht eines Versicherungsnehmers ist dies durchaus plausibel. Er wird Verständnis dafür haben, dass die Werbemaßnahme der prämienfreien Rohbauversicherung nicht über 12 Monate hinaus andauert, wenn es ihm nicht gelingt, ein bezugsfertiges Gebäude fertig zu stellen. Ausgehend von einer Wohngebäudeversicherung war Versicherungsschutz gegeben, da das Haus der Klägerin nach allen oben genannten Definitionen die Voraussetzungen an ein Gebäude erfüllte.

Aber auch, wenn man angesichts des ausdrücklichen Hinweises im Versicherungsschein vom 28. März 2006 auf eine prämienfreie Rohbauversicherung für 12 Monate oder mit der Argumentation des Landgerichts zu einer ergänzenden Vertragsauslegung gem. § 133, 157 BGB und einem entsprechenden hypothetischen Parteiwillen von einer Fortsetzung der Rohbaufeuerversicherung ausgehen würde, hätte die Klägerin Versicherungsschutz. Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt ein Versicherungsschutz nicht deshalb, weil die Klägerin die Beklagte nach Ablauf der 12 Monate nicht darauf hingewiesen hat, dass ein bezugsfertiges Gebäude noch nicht vorliege. Eine entsprechende Verpflichtung konnte sich hier insbesondere nicht im Hinblick auf die Formulierung „längstens für 12 Monate“ aufdrängen. Zum einen ergibt die Formulierung „längstens“ schon deshalb Sinn, weil sie dem Versicherungsnehmer anzeigt, dass für den Fall des Erreichens der Bezugsfertigkeit vor Ablauf der 12 Monate die Prämienfreiheit endet, die eben nur für die Bauzeit und nicht für die Zeit nach Bezugsfertigkeit gilt. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihrerseits und ohne Nachfrage bei der Versicherungsnehmerin dieser eine Prämienrechnung übersandt und einen neuen Versicherungsschein ausgestellt hat. Von der Versicherungsnehmerin zu erwarten, die Widersprüchlichkeiten des neuen Versicherungsscheins, der auf eine prämienfreie Rohbaufeuerversicherung hinwies, obwohl kurz zuvor eine Prämienrechnung übersandt worden war, zum Anlass für eine Nachfrage zu nehmen, hieße an den Versicherungsnehmer höhere Anforderungen zu stellen als an die Versicherung, die hier offensichtlich nicht in der Lage war, das Versicherungsverhältnis in sich stimmig fortzuführen.

B.

Die Ansprüche sind nicht wegen einer Gefahrerhöhung nach Antragstellung gem. § 23 VGB 2002 gemäß Vordruck 5010/50 1.2005 ausgeschlossen.

Gem. § 23 Nr. 1 VGB 2002 darf der Versicherungsnehmer nach Antragstellung ohne vorherige Zustimmung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch Dritte gestatten. Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn die tatsächlich vorhandenen Umstände so verändert werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens oder die ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers wahrscheinlicher wären.

1) Eine Gefahrerhöhung in diesem Sinne wegen des Rohbauzustandes liegt nicht vor. Dem steht nicht entgegen, dass das Gebäude nicht genutzt wird und Baumaßnahmen durchgeführt werden, die ein Notdach erforderlich oder das Gebäude überwiegend unbenutzbar machen (Beispielsfälle gem. § 23 Nr. 1 b und c VGB 2002). Denn eine Gefahrerhöhung setzt nach dem klaren Wortlaut die Veränderung tatsächlich vorhandener Umstände voraus und vorliegend handelt es sich um einen gleich bleibenden Zustand, der sich nur nicht verbessert hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Versicherungsnehmer, wenn die Versicherung ihm nach 12 Monaten eine Prämienrechnung schickt, ohne zu fragen, in welchem Zustand das Gebäude ist, von sich aus auf die Idee kommen sollte mitzuteilen, dass der Rohbau noch fortbesteht. Insbesondere kann – zumal beim Umbau eines größeren Mietshauses – nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass der Rohbauzustand nach 12 Monaten beendet ist. Im Übrigen bestimmt § 23 Nr. 6 b VGB 2002, das Nr. 1 bis Nr. 5 keine Anwendung finden, wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass das Versicherungsverhältnis durch die Gefahrerhöhung nicht berührt werden soll. Hinzu kommt, dass der Versicherungsschein vom 28. März 2006 sich ausdrücklich nochmals zu einer Rohbaufeuerversicherung verhält. Widersprüchlichkeiten, die sich aus dem erneuten Hinweis auf längstens 12 Monate und aus der gleichzeitigen Übersendung einer Prämienrechnung trotz der Formulierung prämienfreie Rohbaufeuerversicherung ergeben, können dem Versicherungsnehmer nicht zum Nachteil gereichen.

Auch in der Literatur wird davon ausgegangen, dass im Allgemeinen die Versicherungen bereit sind, die Rohbauversicherung zu verlängern oder aber die Versicherung als Rohbauversicherung ohne Versicherungsschutz für Leitungswasser, Rohrbruch usw. fortzuführen (Dietz, a. a. O., Seite 89).

2) Eine Leistungsfreiheit gemäß § 23 VGB 2002 ergibt sich auch nicht aus den statischen Veränderungen. Zutreffend verweist die Beklagte insoweit darauf, dass ihr erstinstanzlicher Vortrag nicht dahin verstanden werden könne, dass sie eine Gefahrerhöhung aus den Stilllegungsverfügungen ableite. Der Versicherungsnehmer hat nach § 23 Nr. 5 VGB 2002 trotz einer Pflichtverletzung nach § 23 Nr. 1 Versicherungsschutz, wenn die Erhöhung der Gefahr weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat (§ 23 Abs. 3 VVG). Da es Brandstiftung war, hatten die statischen Veränderungen keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls. Es spricht auch überwiegendes dafür, dass die statischen Veränderungen keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers hatten, d. h. dass der Schaden angesichts der statischen Veränderungen nicht höher ausgefallen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Prölss/Martin, a. a. O., § 25 VVG Rdnr. 4). Dem unstreitigen Inhalt der Schadensgutachten lässt sich nicht entnehmen, dass die Bewertung in irgendeiner Weise durch die Statik des Gebäudes beeinflusst ist.

Jedenfalls liegt auch hinsichtlich der statischen Veränderungen eine Verletzung der Anzeigepflicht im Hinblick auf § 23 Nr. 6 b VGB 2002 nicht vor. Danach finden die Regelungen zur Anzeigepflicht gem. Nr. 1 bis Nr. 5 keine Anwendung, wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass das Versicherungsverhältnis durch die Gefahrerhöhung nicht berührt werden soll. Während der Rohbauphase dürften vorübergehende Gefahrerhöhungen gang und gäbe sein. Es ist geradezu unzumutbar, von einem bautechnisch nicht bewanderten Versicherungsnehmer zu verlangen, seinen Rohbau täglich daraufhin zu prüfen, ob der Fortgang der Bauarbeiten – ggf. nur vorübergehend und möglicherweise bautechnisch unvermeidbar – versicherungsrechtlich relevant ist. Jedenfalls bei der Renovierung eines Altbaus ist die Anzeigepflicht, soweit sie sich auf Folgen von Bauarbeiten bezieht, als aufgehoben anzusehen. Dafür spricht auch, dass ein ausdrücklich genannter Gefahrerhöhungsgrund, nämlich Baumaßnahmen, die ein Notdach erforderlich oder das Gebäude vorübergehend unbenutzbar machen, § 23 Nr. 1 b VGB, der Natur der Sache nach bei der Rohbauversicherung in Form der Entkernung und Renovierung eines bestehenden Gebäudes nicht greifen kann. Vorstehendes gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn Gefahrerhöhungen auf vorsätzlichen Verstößen gegen Baurecht beruhen. Denn wie der vorliegende Fall zeigt, handelt es sich auch dabei um Vorgänge, die ständig in Bewegung sind. Hier hatte die Baubehörde auf die Genehmigungspflichtigkeit hingewiesen. Es kam sodann zu einer Stilllegungsverfügung, in der Folge wurde ein Bauantrag eingereicht und es erging eine erneute Stilllegungsverfügung. Maßgeblich für die Anzeigepflicht kann nach alledem nur der Zustand bei Bezugsfertigkeit sein.

C.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. §§ 123 Abs. 1 BGB, 22 VVG wegen des nicht mitgeteilten Schwammbefalls sind ebenfalls nicht gegeben. Eine arglistige Täuschung setzt das Bewusstsein voraus, der Versicherer werde den Vertrag nicht oder anders abschließen. Dieses Bewusstsein kann nicht angenommen werden, wenn ein Versicherungsnehmer eine Gebäudeversicherung für ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ca. 85 Jahre altes Mehrfamilienhaus abschließt und dem Vertrag eine Rohbaufeuerversicherung vorgeschaltet wird, weil der Versicherungsnehmer beabsichtigt, das Haus vollständig zu entkernen und zu sanieren. Es versteht sich von selbst, dass ein zu renovierendes Gebäude bei Vertragsabschluss und bis zur Bezugsfertigkeit Mängel hat. Wenn dann zugleich der Versicherer sich in der Lage sieht, den Wert des Hauses nach Abschluss der Umbauarbeiten für die Wohngebäudeversicherung zu schätzen, wird der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass die Formulierung „die Gebäude sind ohne offensichtliche Mängel, baulich gut erhalten und werden voll genutzt“ erst nach Abschluss der Umbauarbeiten Geltung hat und allenfalls von einer Verpflichtung ausgehen, in der Umbauphase wirklich alle Mängel, die er schon kennt oder noch entdeckt, zu beseitigen. Denn selbstverständlich wird der Rohbau „nicht voll genutzt“ und ist ein Rohbau nicht „baulich gut erhalten“, so dass sich aufdrängt, dass auch die Abwesenheit offensichtlicher Mängel sich auf den Zustand nach Bezugsfertigkeit bezieht.

Darüber hinaus ist zumindest zweifelhaft, ob die Beklagte den Antrag wirklich nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur den Schwammbefall, sondern zugleich mitgeteilt hätte, dass die Schwammbeseitigung Teil der Renovierung sei.

D.

Hinreichende Indizien für die Annahme einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 61 VVG liegen nicht vor. Auf die Ausführungen des Landgerichts, insbesondere zur Frage der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Klägerin, wird verwiesen. Die ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung führen zu keiner anderen Bewertung.

E.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Es liegt ein Fall der Rechtsnachfolge entsprechend. § 265 Abs. 2 ZPO vor. Die Beschlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren erfasst die Versicherungsforderung, weil sie gem. § 20 Abs. 2 ZVG diejenigen Gegenstände umfasst, auf welche sich bei einen Grundstück die Hypothek erstreckt. Die Versicherungsforderung ist nach § 1127 ff. BGB ein solcher Gegenstand. Die Beschlagnahmewirkung tritt auch ein, wenn der Brand sich, wie hier, schon vor der Anordnung der Zwangsversteigerung ereignet hat (insoweit offen gelassen OLG Hamm NJW-RR 2003, 1612). Die Versicherungsforderung geht mit dem Zuschlag auf den Ersteher über, § 55 ZVG (BGH NJW 1989, 2123; BGH VersR 2006, 112). Allerdings besteht die Möglichkeit, dass nach §§ 59, 65 ZVG von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen abweichende Bedingungen vereinbart werden. Das kann der Ausschluss der Versicherungsforderung von der Versteigerung sein mit der Folge, dass die Ansprüche nach Beendigung des Zwangsversteigerungsverfahrens an den Versicherungsnehmer zurück fallen. Da ausweislich der beigezogenen Zwangsversteigerungsakte entsprechende Anträge noch nicht einmal gestellt sind, derzeit also von einem Übergang der Versicherungsforderung auf den Ersteher auszugehen ist, kann die Klägerin nicht mehr auf Zahlung an sich und die Sparkasse S gemeinsam, sondern nur noch auf Hinterlegung klagen. Die Versteigerung erstreckt sich im Fall der Hinterlegung auf den öffentlich rechtlichen Anspruch gegen die Hinterlegungsstelle mit der Folge, dass der Ersteher mit dem Zuschlag auch diesen Anspruch erwirbt (OLG Frankfurt OLGZ 1978, 283). Der Auffassung der Beklagten, wonach die Klägerin durch die Beschlagnahme nicht mehr Inhaberin der Versicherungsforderung sei und deshalb nicht einmal mehr auf Hinterlegung klagen könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Dagegen spricht schon, dass es dann niemanden gäbe, der den Prozess im laufenden Zwangsversteigerungsverfahren fortführen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Daraus, dass die Klägerin nicht mit dem Antrag auf Zahlung an sich und die Sparkasse S, sondern nur mit dem Hilfsantrag auf Hinterlegung Erfolg hat, folgt kein eigenständiges Unterliegen, dem mit einer Kostenteilung nach § 92 ZPO Rechnung zu tragen wäre. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Frage der Fortführung einer zunächst auf längstens 12 Monate angelegten prämienfreien Rohbauversicherung ist eine Frage des Einzelfalls, weil sie hier vom wechselseitigen Verhalten der Parteien – neuer Versicherungsschein und Prämienrechnung einerseits, Zahlung der Prämie andererseits – bestimmt wird.

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