Skip to content

Gebäudehaftpflichtversicherung – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

AG Friedberg (Hessen) – Az.: 2 C 698/17 (2) – Urteil vom 10.11.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte als Gebäudehaftpflichtversicherung in Anspruch.

Er ist Mitinhaber und Geschäftsführer eines mittelgroßen Dachdeckerbetriebes und unter anderem Eigentümer des ….

Seit ungefähr 2006 kümmert sich auftragsgemäß ein Versicherungsmakler mit umfassender Vollmacht um alle privaten wie auch gewerblichen Versicherungsverträge. Der Versicherungsmakler … ermittelte im Jahr 2011, das die bis dahin fremdversicherte Wohngebäude-, Hausrat-und Glasversicherung von der Beklagten günstiger angeboten wurde und wollte einen Versicherungswechsel durchführen. Mit Schreiben vom 25.3.2011 kündigte er den bisher bestehenden Vertrag mit der … AG (auf Bl. 8 d. A. wird verwiesen) und bat in diesem Schreiben über Auskunft hinsichtlich möglicher Schadensfälle in den letzten 5 Jahren. Die … Versicherung AG antwortete mit Schreiben vom 6.4.2011 (Bl. 9 d. A.), Angaben zu Vorschäden wurden nicht gemacht.

Am 18.4.2011 suchte der Versicherungsmakler den Kläger auf und berichtete ihm von seiner Anfrage bei der … Versicherung AG wegen der Vorschäden und deren Antwort.

Im Antrag an die Beklagte (Bl. 34 – 39 d. A.) werden Vorschäden in den vergangenen 5 Jahren verneint (Bl. 39 d. A.).

Tatsächlich gab es im Zeitraum von 2007-2010 5 Schadensfälle, die von der Vorversicherung reguliert worden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung in der Klageerwiderung, dort Seite 2, Bl. 29 d. A. verwiesen.

Im Oktober 2014 kam es im streitgegenständlichen Anwesen des Klägers zu einem Leitungswasserschaden. Der Kläger ließ von Mitarbeitern seines Betriebs die Decke abhängen und die Schadensstelle orten. Er meldete den Schaden der Beklagten, deren Beauftragter führte eine Schadensbesichtigung durch und empfahl die Firma … mbH mit der Trocknung zu beauftragen. Diese wurde auch tätig und entfernte unter anderem 40 lfd. Meter Riemchen und stellte Trocknungsgeräte auf.

Wegen der unzutreffenden Angaben im Versicherungsantrag hat die Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklärt und eine Regulierung abgelehnt (Schreiben vom 22.12.2014, Bl. 11/12 d. A.).

Der Kläger behauptet, nicht bewusst willentlich falsche Angaben gemacht zu haben. Seine damaligen Angaben im Zuge des Versicherungswechsels hätten seiner seinerzeitigen festen Erinnerung entsprochen und im Einklang mit den Angaben des Versicherungsmaklers gestanden. Dieser sei ebenfalls von der Schadensfreiheit überzeugt gewesen. Ihm und seinem Erfüllungsgehilfen fehle ein Täuschungsbewusstsein, der Versicherungsvertrag sei nicht wirksam angefochten worden, die Beklagte sei leistungspflichtig.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

a) 2614,04 € (Hauptforderung) und 334,75 € (Nebenforderung wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit und

b) 2000,00 € Vorschusswegen der Aufwendungen für a) die Wiederanbringung von 40 lfm. Sockenriemchen und b) dem Abschleifen und Nachverputzen von durch Trocknungsmaßnahmen betroffene Kellerräume jeweils im Haus … in Niddatal,

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, bei korrekter Angabe der Vorschäden hätte sie den Antrag auf Versicherung nicht angenommen. Die unstreitigen Umstände der Falschangabe ließen nur den Schluss auf eine arglistige Täuschung zu. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass sich die Kündigung lediglich auf den Gebäudeversicherungsteil beschränkt habe. Im Übrigen sei ein Anspruch auf Vorschusszahlung versicherungsvertragsrechtlich nicht durchsetzbar.

Das Gericht hat den Kläger im Termin am 13.9.2017 (Bl. 58/59 d. A.) persönlich angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dabei kann dahinstehen, ob der Klageantrag zu Ziffer b) bereits deshalb scheitert, weil ein Vorschussanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht gegeben ist und im wesentlichen Kosten umfasst, die ohnehin zur Sanierung erforderlich gewesen sind (Sowiesokosten).

Die Beklagte hat den mit dem Kläger bestehenden Gebäudeversicherungsvertrag jedenfalls wirksam wegen arglistiger Täuschung (§§ 22 VVG, 123 BGB) fristgerecht angefochten mit der Folge der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags von Anfang an (§ 142 BGB).

Der Kläger hat bei Abschluss des Versicherungsvertrages die Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz arglistig getäuscht, indem er das Vorhandensein von Vorschäden bzw. regulierten Schadensfällen in den vergangenen 5 Jahren vor Vertragsschluss verschwiegen bzw. nicht angegeben hat. Eine arglistige Täuschung ist dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer wissentlich unrichtige Angaben macht oder Tatsachen verschweigt in der zumindest billigenden Erkenntnis, die Versicherung könnte dadurch getäuscht und in ihrer Entscheidung beeinflusst werden. Mit anderen Worten reicht es aus, wenn der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich dabei bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag auf Abschluss einer Gebäudeversicherung bei wahrheitsgemäßer und vollständiger Angabe nicht oder nur unter ungünstigeren Bedingungen annehmen wende. Dass bei Angabe von 5 Schadensfällen in den vergangenen 5 Jahren die Beklagte den Gebäudeversicherungsvertrag zu den günstigen Bedingungen eines Vertragsschlusses ohne Vorschäden nicht abgeschlossen hätte, muss auch für einen viel beschäftigten, versicherungsrechtlichen Laien auf der Hand liegen.

Der Kläger wurde am 18.4.2011 persönlich von seinem Versicherungsmakler über die Konditionen des neuen Versicherungsvertrags informiert und er hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Angabe zu den Vorschäden im Versicherungsformular korrigieren müssen. Im Frühjahr 2011 lagen die regulierten Versicherungsfälle vom Juli und Juni 2010 noch nicht einmal ein Jahr zurück, die weiteren regulierten Schadensfälle betreffend die Leitungswasser- und Sturmschäden erstreckten sich auf einen Zeitraum der zurückliegenden 4 Jahre. Es mag unter Umständen noch nachzuvollziehen sein, dass ein Versicherungsnehmer sich an ein einzelnes, geringfügiges Versicherungsereignis aus den letzten 5 Jahren nicht mehr erinnert, dass er jedoch bei Vorhandensein von insgesamt 5, teilweise kurzfristiger Schadensfälle keine Erinnerung an Vorschäden hat, ist schlicht unglaubhaft. Dem Kläger ist es vor diesem Hintergrund auch verwehrt, sich auf die fehlende Kenntnis seines Versicherungsmaklers (wobei dieser nach klägerischen Vorbringen bereits seit 2006 alle Versicherungsgeschäfte für ihn tätigt und deshalb die Vermutung naheliegt, dass auch die Regulierungen über seinen Schreibtisch gelaufen sind) oder aber die Falschangabe der … Versicherung AG zu berufen. Er ist als Vertragspartner verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der getätigten Angaben.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 24.11.2010 (Az. IV ZR 252/08) zum einen festgestellt, dass falsche Angaben in einem Versicherungsantrag alleine nicht den Schluss auf eine arglistige Täuschung rechtfertigen und zum anderen, dass es einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung eine Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, nicht gibt. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall jedoch nicht. Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Kläger von den Vorschäden und der Relevanz für die Erlangung des für ihn günstigen Versicherungsschutzes wissen musste. Zumal er das Haus selbst bewohnte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!