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Fristlose Kündigung privater Krankenversicherungsvertrags wegen Leistungserschleichung

OLG Hamm – Az.: I-20 U 216/21 – Beschluss vom 13.08.2021

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens der Krankheitskostenversicherung gerichtete Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin aus der Berufungsschrift vom 22. Juli 2021 (Bl. 7 ff. der elektronischen Gerichtsakte II. Instanz; im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten hat das zwischen den Parteien vormals bestehende Versicherungsverhältnis beendet.

1.

Das Landgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass auch bei einem Vertrag über eine Krankheitskostenversicherung, die – wie hier – eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, die Bestimmung des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG eine außerordentliche Kündigung nicht generell ausschließt. Die Vorschrift ist vielmehr teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie ausnahmslos nur eine außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs verbietet, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinen Urteilen vom 7. Dezember 2011 (IV ZR 50/11, r+s 2012, 141 und IV ZR 105/11, r+s 2012, 136; s. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 9. Juli 2020 – 8 U 49/20, r+s 2020, 520 Rn. 22; MünchKomm-VVG/Hütt, 2. Aufl. § 206 Rn. 10; Rogler in jurisPR-VersR 3/2012 Anm. 1) an.

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB dabei voraus, dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar machen. Im Hinblick auf die soziale Funktion der privaten Krankenversicherung ist anerkannt, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung erst dann gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt. Das ist – wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat – vor allem dann der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (BGH, Urteile vom 20. Mai 2009 – IV ZR 274/06, r+s 2009, 380 Rn. 17; vom 18. Juli 2007 – IV ZR 129/06, r+s 2007, 460 Rn. 16; vom 3. Oktober 1984 – IVa ZR 76/83, VersR 1985, 54 unter II 2; Senatsurteil vom 24. Februar 2006 – 20 U 179/05, VersR 2007, 236). Es ist dabei stets eine wertende Betrachtung geboten, die alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und sowohl die Interessen des Versicherungsnehmers als auch des Versicherers abwägt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 aaO).

2.

An diesen Grundsätzen gemessen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorlage gefälschter Bescheinigungen, Rezepte oder Rechnungen auch dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn diese ordnungsgemäß hätten verschafft werden können (s. nur BGH, Urteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 50/11, r+s 2012, 141 Rn. 33; OLG Koblenz, Urteil vom 10. März 1995 – 10 U 359/94, r+s 1995, 234; Armbrüster in Prölss/Martin, 31. Aufl. Vorbemerkung vor § 11 Rn. 11 mwN).

Auch die Wertung des Landgerichts ist richtig.

Die Klägerin hat unstreitig mindestens drei Rechnungen bei der Beklagten zur Erstattung eingereicht, denen – jedenfalls nicht insgesamt – Leistungen der jeweiligen Leistungserbringer zugrunde lagen und die nicht von diesen Leistungserbringern ausgestellt waren. Dieses Verhalten stellt selbst dann einen schwerwiegenden Vertrauensverstoß dar, der die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung berechtigte, wenn man unterstellt, dass der in den Rechnungen ausgewiesene Behandler damit einverstanden war, dass zahnärztliche Leistungen, die die Klägerin teilweise tatsächlich selbst erbracht oder die ihr Ehemann vorgenommen hatte, auf einer Liquidation unter seinem Namen abgerechnet werden. Daran ändert es auch nichts, wenn der in den Rechnungen ausgewiesene Behandler einen Teil der Leistungen tatsächlich erbracht haben sollte, wie die Klägerin in ihrer Berufung hinsichtlich der Rechnungen der Frau Dr. A behauptet. Nur am Rande merkt der Senat an, dass die Klägerin entsprechende Absprachen ohnehin nur mit der vorgenannten Leistungserbringerin behauptet hat, während sie sich zur Rechnung der Zahnärztin B vom 16. April 2008 nicht erklärt hat. Letztere hat aber gerade – wie auch Frau Dr. A (eGA-I 44) – bestätigt, dass die Rechnung nicht von ihr ausgestellt worden sei (eGA-I 38).

Unbehelflich ist der Einwand der Berufung, das Landgericht habe im angefochtenen Urteil unterstellt, dass ohne Wissen und Wollen der Frau Dr. A Rechnungen für zahnärztliche Leistungen an der Klägerin zur Abrechnung an die Beklagte erstellt worden seien. Das Landgericht hat vielmehr ausgeführt, dass sich schon aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, Behandlungen seien durch ihren Ehemann auf dem Briefkopf und auf der Rechnung einer anderen Zahnärztin abgerechnet und diese bei der Beklagten eingereicht worden, ein Kündigungsgrund ergibt, und zwar selbst dann, wenn die auf der Rechnung genannte Zahnärztin bei deren Erstellung mitgewirkt habe (UA 4 f.; eGA-I 77 f.). Dem schließt sich der Senat an.

Die Klägerin handelte schließlich auch vorsätzlich. Dass sie – wie die Berufung nunmehr erstmals geltend macht – in Unkenntnis darüber war, bei einer Behandlung durch ihren Ehegatten keine Leistungsansprüche gegen die Beklagte zu haben (§ 5 Abs. 1 Buchstabe f RB/KK 2009), wertet der Senat als Schutzbehauptung. Eine plausible Erklärung dafür, aus welchem anderen Grund die Klägerin von ihr selbst und/oder ihrem Ehemann erbrachte Leistungen mittels einer Drittrechnung abgerechnet haben will, hat sie weder gegeben noch kommt sie in Betracht.

In dem Verhalten der Klägerin liegt eine schwer wiegende Treuepflichtverletzung, die für die Beklagte die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt. Die Beklagte war deshalb zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht.

II.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

III.

Für die Frage der Berechnung des Streitwerts wird den Parteien aufgegeben, die Prämienhöhe der Krankheitskostenversicherung mitzuteilen.

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